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Nur in meinem Herzen war ich frei

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
318 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am29.05.20201. Aufl. 2020
'Seine höchste Gottheit' hat das alleinige Sagen - und ist Rachels Vater. Der skrupellose Warren Jeffs ist Führer einer Sekte, bei der Polygamie, Zwangsehe und Missbrauch Normalität sind. Obwohl Rachel nur dieses Leben kennt, spürt sie tief in ihrem Inneren, dass die Unterdrückung der Frauen nicht rechtens ist. Als Rachel Anfang zwanzig ist, wird ihr Drang nach Freiheit übermächtig und gibt ihr schließlich die Kraft, für sich und ihre fünf Kinder zu kämpfen ... und sich schließlich aus den Fängen der Sekte zu befreien.





Rachel Jeffs ist in der "Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (FDLS) aufgewachsen, einer streng polygam ausgerichteten Sekte, der sie 2015 entkam. Rachel lebt heute mit ihren fünf Kindern und zwei Hunden in Idaho.
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Produkt

Klappentext'Seine höchste Gottheit' hat das alleinige Sagen - und ist Rachels Vater. Der skrupellose Warren Jeffs ist Führer einer Sekte, bei der Polygamie, Zwangsehe und Missbrauch Normalität sind. Obwohl Rachel nur dieses Leben kennt, spürt sie tief in ihrem Inneren, dass die Unterdrückung der Frauen nicht rechtens ist. Als Rachel Anfang zwanzig ist, wird ihr Drang nach Freiheit übermächtig und gibt ihr schließlich die Kraft, für sich und ihre fünf Kinder zu kämpfen ... und sich schließlich aus den Fängen der Sekte zu befreien.





Rachel Jeffs ist in der "Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (FDLS) aufgewachsen, einer streng polygam ausgerichteten Sekte, der sie 2015 entkam. Rachel lebt heute mit ihren fünf Kindern und zwei Hunden in Idaho.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783732585977
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum29.05.2020
Auflage1. Aufl. 2020
Seiten318 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.4937801
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1
Vergessen Sie meinen Stammbaum

Es gibt stets nur Einen auf Erden, der die direkte Offenbarung Gottes empfangen kann, und das ist Gottes Prophet.

Warren S. Jeffs

Hildale, Utah, 25. November, 1986

»Rachel, Becky, kommt her.«

Vater stand vor dem Gemeindehaus neben dem Sarg des Propheten. Der Prophet war Leroy Johnson, Oberhaupt der Fundamentalistischen Kirche der Heiligen der Letzten Tage und Einziger auf Erden, der es würdig war, Gottes Wort zu empfangen; uns allerdings war er nur als Onkel Roy bekannt.

Meine Schwester Becky und ich traten an den Sarg. Unser Vater war Warren Jeffs, der auch gleichzeitig Rektor unserer Kirchenschule war. Vater nahm unsere kleinen Hände in seine, und wir klammerten uns an ihm fest. Ich war gerade drei geworden, Becky zwei Monate jünger. Unsere Mütter, Vaters erste beiden Ehefrauen, waren Schwestern und zur gleichen Zeit mit Becky und mir schwanger gewesen.

»Können wir einen Hocker für die zwei Mädels haben, damit sie was sehen können?«, fragte Vater, an eine von Onkel Roys Frauen gewandt, die anstanden, um dem Onkel die letzte Ehre zu erweisen. Ich hörte Leute schluchzen.

Eine grauhaarige Frau brachte einen kleinen gelben Schemel und platzierte ihn vor den Sarg. Vater half mir als Erste hinauf. Nie zuvor hatte ich einen Toten gesehen. Neugierig und ängstlich starrte ich in den Sarg und auf die welke bleiche Gestalt darin, die mit dem gütig lächelnden Glatzkopf, den ich nur von Bildern kannte, keinerlei Ähnlichkeit besaß. Der Mann war so uralt, sein Gesicht wirkte so weiß und künstlich. Er war lange krank gewesen.

Als Lebenden hatte ich Onkel Roy nie gekannt, doch ich wusste, dass er bereits Kirchenoberhaupt gewesen war, als mein Vater zur Welt kam.

Vater beugte sich über mich, näherte seinen Mund meinem Ohr und sagte leise: »Onkel Roy war der bedeutendste Mensch auf Erden. Vergiss nie, was für ein Privileg es ist, dass du den Propheten gesehen hast.«

Die wichtigste Regel der FLDS-Religion lautet: Zweifle nie am Propheten! Auch nach Onkel Roys Tod las uns Vater jeden Morgen um sechs, noch vor dem Frühstück und ehe wir etwas anderes taten, seine Predigten vor. Für unser spirituelles Wachstum, so hieß es, waren diese Lesungen entscheidend.

Onkel Roys Lehren waren sehr konkret. Die Menschen in unserer Kirche sollten sich gegenüber der Kirche, gegen Eltern und Ehemänner demütig und gehorsam zeigen. Frauen hatten lange Kleider zu tragen, deren Ärmel bis zu den Handknöcheln und deren Röcke bis zu den Fußgelenken reichten. Ein Junge durfte vor der Ehe nicht einmal den Arm eines Mädchens berühren. Der Prophet bestimmte, wen eine Person zu heiraten hatte und wann.

Nach dem Tod Onkel Roys übernahm Rulon T. Jeffs, mein Großvater väterlicherseits, das Erbe des Propheten der FLDS. Und solange Großvater Rulon am Leben war, predigte uns Vater fast täglich sowohl vom Pult im Gemeindehaus als auch von seinem Stuhl im Wohnzimmer aus über den Propheten. »Gott und der Prophet tun stets das Rechte«, verkündete Vater.

Nachkommin eines Propheten zu sein, machte einen zu so etwas wie einem Royal innerhalb der FLDS. Und ich und einige meiner Geschwister stammten sowohl väterlicher- wie mütterlicherseits von Propheten ab.

Onkel Roy war bereits seit 1949 Prophet gewesen, also schon drei Jahre ehe sich unsere Kirche von der (üblicherweise als Mormonenkirche bezeichneten) Kirche der Heiligen der Letzten Tage in Salt Lake City vollständig abgespalten hatte. Vor diesem Schisma hatte sich unsere Kirche als Tochter der Hauptkirche in Salt Lake City betrachtet, in Wahrheit aber war Onkel Roys Erklärung nur noch eine Formalität gewesen; bereits im Jahr 1935 waren unsere Leute aufgrund ihrer Weigerung, die Polygamie aufzugeben, von der traditionellen LDS-Kirche exkommuniziert worden.

Damals war John Y. Barlow Prophet gewesen, dessen älterer Bruder, Ianthus Barlow, mein Urgroßvater mütterlicherseits war. Ianthus verließ die Kirche, als sein Bruder Prophet wurde, da er seinem jüngeren Bruder nicht folgen wollte, praktizierte jedoch weiterhin die Polygamie und leitete auch seine Familie zu dieser Lebensweise an.

Mehr als vier Jahrzehnte später schloss sich 1978 Ianthus Sohn Isaac Barlow (der Vater meiner Mutter) samt seiner Familie erneut der Kirche an. Inzwischen war Onkel Roy Prophet. Die Barlows blieben zwar nur wenige Jahre, jedoch lange genug, damit Isaacs Tochter Annette und drei Jahre später auch seine Tochter Barbara einen jungen Schullehrer namens Warren Jeffs heiraten konnten. Beide Mädchen zählten zur Zeit ihrer Eheschließung siebzehn Jahre.

Ich kam 1983 als ältestes Kind von Vaters zweiter Ehefrau Barbara Barlow in Salt Lake City zur Welt. Und war damit die Erstgeborene seiner polygamen Familie. Meine zusammen mit mir an Onkel Roys Sarg beorderte Schwester Becky war das Kind von Barbaras älterer Schwester Annette, sodass Becky technisch gesprochen sowohl meine Cousine als auch meine Schwester war, obwohl wir beide das nie so sahen. Dass Schwestern den gleichen Mann heirateten, war nichts Ungewöhnliches. Direkt nach der Hochzeit meiner Mutter mit Vater verließen ihre Leute, die Barlows, die Kirche wieder. Es gefiel ihnen nicht, dass Mutter ihren Ehemann nicht selbst auswählen durfte, doch Onkel Roy hatte meiner Mutter befohlen, meinen Vater zu heiraten, und das war s dann. Als die Barlows gingen, nahmen sie all ihre anderen Kinder mit und überließen lediglich Annette und Barbara ihrem Schicksal in der Kirche.

Laut FLDS ist der Kirchenaustritt das Gottloseste überhaupt, und Vater impfte seinen jungen Ehefrauen ein, wie gesegnet sie doch seien, ihn geheiratet zu haben, da alle Barlows zur Hölle fahren würden und nur sie beide gut genug seien, um der Verdammnis zu entrinnen. Ich weiß nicht, ob das der Grund war, warum Mutter Annette und Mutter Barbara ihren Kindern nie Zärtlichkeit zeigen konnten. Zwar wusste ich, dass meine Mutter mich liebte, doch es war schwer, ihr nahezukommen, und sie machte auch nicht viele Worte. Nie umarmte sie uns Kinder mal einfach so; es lag ihr einfach nicht. Und Mutter Annette war gegenüber Becky und ihren anderen Kindern genauso. Manchmal meinte Vater, er müsse neben der Vaterrolle auch noch den Mutterpart übernehmen, so als gehöre Nähe zu den Kindern zu seiner Jobbeschreibung. Allerdings hielten die später hinzukommenden Mütter aus anderen »Kirchenfamilien« mit ihrer Zärtlichkeit gegenüber ihren Kindern nicht zurück.

So also wuchs ich auf in Sandy, Utah (einem Vorort Salt Lake Citys), und im Wissen, dass wir uns von allen anderen unterschieden. Unsere Familien waren weitläufig, unsere Kleidung züchtig, unsere Haare mussten auf eine bestimmte Weise geflochten sein. Wir gehörten einer Kirche an, die in der Außenwelt auf nichts als Unverständnis stieß.

»Es ist gut, anders zu sein«, predigte Vater uns Kindern oft. »Wären wir wie alle anderen, dann wären wir auch genauso gottlos wie sie.«

»Deswegen seid ihr Kinder ja so besonders«, meinte er, »weil ihr das Privileg genießt, den Propheten zu kennen, den größten Mann auf dieser Welt. Und was er uns lehrt, stammt direkt vom himmlischen Vater.«

Als Rektor unserer privaten Kirchenschule, der Alta Academy, besaß Vater totale Kontrolle über alles, was wir lernten. Jeden Morgen zu Schulbeginn fand ein Morgenunterricht statt, der im Versammlungsraum abgehalten und von allen Schülern gemeinsam besucht wurde. Vater belehrte uns über die Kleidervorschriften, über das Bedecken unserer Körper und dass Jungs Mädchen nicht berühren durften und umgekehrt. Anschließend stellten wir uns auf und gingen in unsere verschiedenen Klassen. Bis zum fünften Jahrgang wurden Jungen und Mädchen gemeinsam unterrichtet, danach wurden wir getrennt, und wir Mädchen hatten keinerlei geselligen Austausch oder Kontakt mehr mit den Jungs.

Keiner der Lehrer in unserer Kirchenschule hatte je ein College besucht, auch Vater nicht, der aber dennoch ein hervorragender Lehrer war. Er hatte sich selbst das Programmieren beigebracht und konnte Mathe bis zu den trigonometrischen Funktionen erklären. Man unterrichtete uns in Lesen, Naturwissenschaften, Geschichte und Englisch bis zur achten Jahrgangsstufe.

Zusätzlich vermittelte man uns die Geschichte der Mormonen-Kirche (wenigstens so, wie die FLDS sie sah). Wir erfuhren, dass Joseph Smith ein erwählter Prophet des Herrn gewesen war und Mormonen im neunzehnten Jahrhundert verfolgt und von ihrem Grund und Boden vertrieben worden waren. Man lehrte uns, dass die Welt stets gegen uns sei und auch immer sein würde. Unser einziger Schutz bestehe darin, dem Propheten zu gehorchen. Und falls wir die Kirche jemals verließen, so würden wir verdammt und die elendesten aller Engel der Hölle sein. Wenn wir jedoch gut waren und brav blieben, würde Segen auf uns ruhen.

Wir lebten in einer herrlichen Gegend an der Mündung des Little Cottonwood Canyon, etwa sechs Meilen östlich von Downtown Sandy, und oft stieg Vater mit uns auf den Berg, der jenseits der Straße lag. Unser Haus war ein unauffälliges Ziegelgebäude aus den 1970ern, doch es besaß acht Schlafzimmer, eines für jede Mutter, und wir Kinder teilten uns Zimmer mit den Geschwistern, die uns altersmäßig am nächsten standen und meist Halbgeschwister waren. Jungen und Mädchen jedoch teilten sich nicht nur kein Zimmer, sondern es war ihnen sogar strengstens verboten, die Räume der anderen auch nur zu betreten.

Als wir klein waren, durften Becky und ich uns auf dem Videorecorder im Schlafzimmer unserer Großmutter Kinderfilme ansehen - ich...

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Autor

Rachel Jeffs ist in der "Fundamentalistischen Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage" (FDLS) aufgewachsen, einer streng polygam ausgerichteten Sekte, der sie 2015 entkam. Rachel lebt heute mit ihren fünf Kindern und zwei Hunden in Idaho.