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Geteilt durch zwei

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
352 Seiten
Deutsch
Ullstein Taschenbuchvlg.erschienen am27.12.2019Auflage
Eine aufwühlende und inspirierende Geschichte über Schwestern, Resilienz und Heilung Seit Langem hat Nadja Kleman das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas Entscheidendes fehlt. Sie wusste schon immer, dass sie adoptiert ist und hat damit kein Problem, auch wenn ihr die genauen Umstände und die Geschichte ihrer biologischen Eltern nicht bekannt sind. Eigentlich könnte sie also zufrieden sein, sie ist verheiratet, ihre Tochter erwachsen, sie fühlt sich geliebt und gebraucht. Ihr beschauliches Leben ändert sich allerdings schlagartig, als sie durch einen Zufall erfährt, dass sie eine Zwillingsschwester hat. Diese Neuigkeit stürzt sie in ein Wechselbad der Gefühle, einerseits ist da endlich dieses fehlende Puzzleteil in ihrem Leben, andererseits ergeben sich jetzt jede Menge neue Fragen und auch schmerzhafte Erkenntnisse. Gemeinsam mit ihrer neuen Schwester macht sie sich daran, die gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten. Gelingt es den Frauen, die Wunden der Kindheit zu heilen?

Barbara Kunrath wurde 1960 geboren. Sie arbeitet als Geschäftsassistentin für einen Weinjournalisten. Sie hat zwei erwachsene Töchter und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Frankfurt.
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Produkt

KlappentextEine aufwühlende und inspirierende Geschichte über Schwestern, Resilienz und Heilung Seit Langem hat Nadja Kleman das Gefühl, dass in ihrem Leben etwas Entscheidendes fehlt. Sie wusste schon immer, dass sie adoptiert ist und hat damit kein Problem, auch wenn ihr die genauen Umstände und die Geschichte ihrer biologischen Eltern nicht bekannt sind. Eigentlich könnte sie also zufrieden sein, sie ist verheiratet, ihre Tochter erwachsen, sie fühlt sich geliebt und gebraucht. Ihr beschauliches Leben ändert sich allerdings schlagartig, als sie durch einen Zufall erfährt, dass sie eine Zwillingsschwester hat. Diese Neuigkeit stürzt sie in ein Wechselbad der Gefühle, einerseits ist da endlich dieses fehlende Puzzleteil in ihrem Leben, andererseits ergeben sich jetzt jede Menge neue Fragen und auch schmerzhafte Erkenntnisse. Gemeinsam mit ihrer neuen Schwester macht sie sich daran, die gemeinsame Vergangenheit aufzuarbeiten. Gelingt es den Frauen, die Wunden der Kindheit zu heilen?

Barbara Kunrath wurde 1960 geboren. Sie arbeitet als Geschäftsassistentin für einen Weinjournalisten. Sie hat zwei erwachsene Töchter und lebt mit ihrem Mann in der Nähe von Frankfurt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783843721400
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum27.12.2019
AuflageAuflage
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2701 Kbytes
Artikel-Nr.4938588
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2. Kapitel
Nadja

April 2017

Eine unbekannte Frau mit gleicher Stimme konnte vielleicht noch ein Zufall sein. Eine unbekannte Frau mit gleicher Stimme und gleichem Gesicht war es nicht.

Es war Freitag, und ich saß im Auto. Auf dem Weg nach Darmstadt. Ich hatte mich nicht angekündigt, der Plan war, Pia zu überraschen. Ich nannte sie jetzt Pia. Wir waren verwandt, nah verwandt, daran hatte ich keinen Zweifel mehr.

Erwartungsgemäß war meine Mutter dagegen. Selten hatte ich sie allerdings derart aufgelöst und verstört gesehen. »Deine Familie ist hier, wir sind doch deine Familie.« Meine Versicherung, dass ich das wüsste und dass sich daran nie etwas ändern würde, erreichte sie nicht. Herbert legte beruhigend seine Hand auf ihren Arm.

»Du siehst doch, wie sehr du deine Mutter damit verletzt«, sagte er zu mir. »Kannst du es nicht auf sich beruhen lassen?«

»Nein«, sagte ich traurig entschlossen. »Das kann ich dieses Mal nicht.«

Zum Abschied wollte ich sie umarmen, aber sie drehte sich weg. Das hatte sie noch nie getan. Ihr erschüttertes Gesicht verfolgte mich während der ganzen Fahrt.

Das Gebäude war groß und hässlich. Unten ein Schuhgeschäft, darüber Wohnungen und Büros. Nebenan gab es weitere hässliche Geschäftshäuser. In einem war ein Café.

Pia und Thomas Albrecht, Steuerberatung, stand neben der Klingel. Das Büro war im dritten Stock. Eine junge Frau am Empfang sah mich an. Zuerst lächelnd, dann ungläubig. Ihr Blick wanderte irritiert von mir zu einer der Bürotüren. Kurz war ich versucht, so zu tun, als wäre ich nicht ich, sondern sie, und so etwas zu sagen wie: Kommen Sie bitte in mein Büro zum Diktat. Aber dann ließ ich es. Kein Mensch wurde heute mehr ins Büro zum Diktat gerufen. Außer vielleicht sehr schöne junge Assistentinnen von ihren Chefs, und denen wurde nichts diktiert. Jedenfalls nichts, was sich aufzuschreiben lohnte.

»Guten Tag. Ich möchte zu Frau Albrecht.«

»Sind Sie, äh ... ich wusste gar nicht ...« Sie erhob sich. »Warten Sie bitte einen Moment.«

Sie verschwand hinter einer der Türen und sah, als sie wenig später wieder vor mir stand, fast noch verwirrter aus. »Können Sie bitte in einer Stunde wiederkommen. Frau Albrecht ist im Gespräch mit einem Mandanten, aber den Folgetermin kann sie verschieben.«

An der Tür drehte ich mich noch einmal um. »Sagen Sie Frau Albrecht, dass ich in dem Café nebenan bin. Ich warte da auf sie.«

Das Café hatte außen eine schmutzige Fassade und wirkte wenig einladend, war aber innen überraschend schön. Viel Holz und wenig Schnörkel, glatte Flächen und kantige Möbel. Auf moderne Art geschmackvoll. Ich suchte mir einen Platz am Fenster und bestellte einen Cappuccino. Kurz überlegte ich, auch ein Croissant zu nehmen, ich hatte nur wenig gegessen am Morgen, genau genommen noch gar nichts, aber dann ließ ich es. Ich war zu aufgeregt, ich würde sowieso keinen Bissen hinunterbekommen.

Das Bild von Pia Albrecht schwebte vor meinem geistigen Auge und ließ mir keine Ruhe. Äußerlich war die Ähnlichkeit unverkennbar. Und sonst? War da noch mehr? Adoptiert worden zu sein birgt immer gewisse unbekannte Faktoren. Wo man sich in anderen Familien Episoden oder Abenteuer über längst verstorbene Urgroßeltern oder Kinder erzählte, gab es bei uns nur Geschichten über mich. Mir fehlten diese Geschichten meiner unbekannten Vorfahren. Erst sie zusammen würden das Bild ergeben, in das ich mich einfügen könnte. Mein Stammbaum war ein Puzzle mit nur einem Puzzleteil, meinem eigenen. Ich hatte keine Ahnung, wie viele Teile es noch gab. Und ich hatte keine Ahnung, wie das komplette Bild meiner Familie aussehen könnte.

Der Zeiger der Uhr bewegte sich in quälender Langsamkeit. Meine Hände waren schweißnass, obwohl mir kalt war. Außerdem war mir übel, wahrscheinlich lag es am Cappuccino. Ich bestellte eine Tasse Früchtetee und blätterte in einer Zeitschrift, ohne eine einzige Silbe zu erfassen.

Die Bedienung kam und stellte den Tee vor mir ab. Sie sah extrem jung aus, fast wie ein Schulmädchen. »Bitte schön.« Neben der Tasse lagen zwei Plätzchen.

»Danke.«

Wir lächelten uns so verschwörerisch an, als würden wir ein Geheimnis teilen. In diesem Moment öffnete sich die Tür. Eine Frau mit meiner Nase, meinen Augen, meiner Haarfarbe und meinen Bewegungen betrat das Café. Die Bedienung hörte auf zu lächeln und sah verwirrt zwischen uns hin und her. Ich stand auf und verschluckte mich beinah an dem trockenen Plätzchen. Die Frau kam mit zögernden Schritten auf mich zu. Wir starrten uns an. So wie ich wenige Tage zuvor bereits den Bildschirm meines Computers angestarrt hatte. Alles war gleich. Bis auf die Frisur. Eine zitternde Hand streckte sich mir entgegen.

»Pia«, sagte die Frau, die aussah wie ich, mit meiner Stimme.

»Nadja«, entgegnete ich und nahm ihre Hand. Ich zitterte auch, das hatte ich noch gar nicht bemerkt. Wir standen ein bisschen verloren da.

»Ich glaube«, sagte sie, ohne den Blick von mir abzuwenden, »ich muss mich erst einmal setzen.«

Ich nickte, mir fiel nichts ein, was ich hätte sagen oder tun können. Erst jetzt wurde mir die Tragweite meines Handelns bewusst. War es richtig gewesen, sie derart zu überfallen? Wäre es nicht besser gewesen, sie vorher anzurufen und mit meinem Verdacht zu konfrontieren? Dem Verdacht, dass wir verwandt waren. Cousinen vielleicht, hatte ich gedacht, denn Geschwister schien ja nach dem, was ich wusste, ausgeschlossen. Jetzt nicht mehr. Irgendetwas war schief an dem Bild, das ich von mir und meinem Leben hatte.

»Sie haben mich vor Kurzem schon einmal angerufen, oder?«

»Ja. Nachdem ich Sie im Radio gehört habe.« Ich atmete. Tief und zittrig. »Ich bin ein Adoptionskind«, sagte ich leise.

»Ich auch.«

»Ich bin am 23.11.1975 geboren.« Jetzt flüsterte ich nur noch. Ich bemerkte ein kleines Mal an ihrer Oberlippe. Das hatte ich nicht.

»Ich auch. In Münster.«

»Münster, Westfalen?«

»Ja.«

Ich drückte meine feuchten Hände. »Ich auch.«

Pia saß vor mir wie ein schönes Bild von mir. Sie sah aus wie ich, nur besser. Sie war mir fremd und doch auch nah. Sie war eine Frau, die ich noch nie gesehen hatte, und sie war das Kind, neben dem ich vor mehr als vierzig Jahren in unbekanntem Mutterleib gewachsen war. Sie war mein Zwilling. In jedem erdenklichen Sinn, auch im biologischen. Sie war mein Pendant, sie war die Lücke, die ich immer gefühlt und nie begriffen hatte.

Plötzlich lachte sie laut, beinah hysterisch, und winkte der Bedienung. »Einen Kaffee. Schwarz. Und einen Cognac.« Sie sah mich an. »Sie auch?«

Ich schüttelte den Kopf. »Meine Eltern ... wir wohnen im Taunus.« Meine Stimme klang ganz heiser. »Ich ... ich wurde schon als ganz kleines Baby adoptiert.«

»Ich war knapp zwei. Von meiner Tante.«

»Welche Tante?«, fragte ich irritiert.

»Der Schwester meiner ...« Sie unterbrach sich. »Unserer Mutter.« Dann zuckte sie die Achseln und lachte wieder. Als wäre unser Leben ein guter Witz.

»Irgendwie kapier ich das alles nicht.« Ich ging jetzt ohne Umstände zum Du über. »Warum wurde ich als Baby adoptiert und du erst mit zwei? Und warum bist du bei dieser Tante aufgewachsen und ich ...« Ich schüttelte ratlos den Kopf. »Ich kapier das nicht«, wiederholte ich und kratzte die wenigen Informationen, die ich hatte, mühsam zusammen. »Ich war nur kurz im Heim ... also nach dem Unfall ...«

Sie sah mich überrascht an. »Unfall? Welcher Unfall?«

»Na, der Unfall. Unsere Eltern sind doch verunglückt.«

»Also, was mit unserem Vater war, weiß ich nicht«, sagte Pia. »Aber unsere Mutter hatte Krebs.«

Der Weg von ihrem Büro bis nach Roßdorf, dem Ort, in dem Pias Eltern wohnten, führte ein paar Kilometer durch eine wenig reizvolle Landschaft. Vielleicht war sie auch reizvoll, und ich hatte nur kein Auge dafür. Immer wieder schweifte mein Blick auf die Seite. Ich betrachtete Pias Profil, das aussah wie meines. Ich erkannte die Art, wie sie ihre Handtasche auf dem Schoß hielt, wie sie ihre Stirn runzelte und sich leicht vorneigte, wie sie nach Taschentüchern suchte und in die rechte Taschenklappe griff, wenn sie die linke meinte, und zum gefühlt hundertsten Mal dachte ich: Wie bei mir. Dabei fühlte ich mich ganz unwirklich. Als würde ich mich auflösen. Als hätte ich keine Konturen mehr.

»An der Ampel links und dann die zweite Straße rechts«, sagte Pia. Ich setzte den Blinker. Sie sah mich an und nickte. »Das andere Links.« Wir lächelten beide.

Sibille und Rainer Jürgensen wohnten in einem kleinen Reihenhaus. Der Vorgarten bestand aus einem kleinen Weg links und einem kleinen Beet rechts. Eine Art Blumenbeet, nur ohne Blumen. Wir standen vor der...
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