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Jakobs Schweigen

Roman
dtv Deutscher Taschenbuch Verlagerschienen am01.07.2020
Tatort Familie Ein angesehener Bremer Rechtsanwalt wird in seiner Kanzlei erschossen. Vier Schüsse sind auf ihn abgegeben worden, der letzte war tödlich. Dringend tatverdächtig ist sein 17-jähriger Sohn Jakob. Doch Jakob verbarrikadiert sich in seinem Zimmer und schweigt. Für seine Großmutter Dora bricht die Welt zusammen: Sie hat nicht nur ihren Sohn verloren - ihr Enkel Jakob soll auch noch der Mörder sein? An der Seite eines Rechtsanwalts im Ruhestand stellt sie ihre eigenen Nachforschungen an. Und fördert dabei eine Tragödie zutage, die sie niemals für möglich gehalten hätte.

Anja Goerz, geboren 1968, ist gelernte Fotografin und seit 1989 Radiomoderatorin. Sie ist auf dem nordfriesischen Festland nahe Sylt aufgewachsen. Heute arbeitet sie beim Radiosender bremenzwei. Sie lebt mit Mann und Sohn in Falkensee bei Berlin.
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Produkt

KlappentextTatort Familie Ein angesehener Bremer Rechtsanwalt wird in seiner Kanzlei erschossen. Vier Schüsse sind auf ihn abgegeben worden, der letzte war tödlich. Dringend tatverdächtig ist sein 17-jähriger Sohn Jakob. Doch Jakob verbarrikadiert sich in seinem Zimmer und schweigt. Für seine Großmutter Dora bricht die Welt zusammen: Sie hat nicht nur ihren Sohn verloren - ihr Enkel Jakob soll auch noch der Mörder sein? An der Seite eines Rechtsanwalts im Ruhestand stellt sie ihre eigenen Nachforschungen an. Und fördert dabei eine Tragödie zutage, die sie niemals für möglich gehalten hätte.

Anja Goerz, geboren 1968, ist gelernte Fotografin und seit 1989 Radiomoderatorin. Sie ist auf dem nordfriesischen Festland nahe Sylt aufgewachsen. Heute arbeitet sie beim Radiosender bremenzwei. Sie lebt mit Mann und Sohn in Falkensee bei Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423436731
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.07.2020
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2273
Artikel-Nr.4938722
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Dora

Dora warf gerade ihre Trainingskleidung in die Waschmaschine, als es an der Haustür klingelte. Sie hatte eine kurze Strecke auf dem Laufband absolviert, danach zwei Saunagänge, anschließend ausgiebig geduscht und auf dem Heimweg noch ein paar Kleinigkeiten für ein kaltes Abendessen besorgt. Sie musste sich jetzt ein wenig sputen, wenn sie pünktlich beim Lesekreis sein wollte.

Mit Schwung knallte Dora das Bullauge der Maschine zu und startete den Waschgang. »Ich komme gleich!« Sie vermutete, dass es ihre Tochter Kirsten war, die geklingelt hatte, obwohl sie einen eigenen Schlüssel besaß, und legte deshalb all ihre Wut in den Schrei.

»Hans!«

Vor der Tür stand ein Schrank von einem Mann. Mehr als zwei Meter groß, Schultern wie gemeißelt, der Schädel kahl rasiert, was die stechend blauen Augen noch intensiver leuchten ließ.

»Dora.« Hans Theessen, ehemaliger Chef der Kriminalpolizei von Bremen, nickte zur Begrüßung. Sein Lächeln reichte nicht bis zu den Augen.

»Komm doch rein.« Dora trat einen Schritt zurück, um den Hünen eintreten zu lassen. »Kann ich dir etwas anbieten? Ein Glas Wasser? Oder eine Tasse Tee?«

Hans schüttelte den Kopf, stand verloren in der Eingangshalle, warf einen Blick durch die offen stehende Tür ins Arbeitszimmer und Richtung Obergeschoss. »Bist du allein? Ist deine Tochter nicht da? Die wohnt doch wieder bei dir, oder nicht?«

»Ja, aber die ist um diese Zeit selten da. Wenn ihr Auto nicht in der Auffahrt steht, dann ist sie unterwegs. Einkaufen, Leute treffen, keine Ahnung.« Dora nahm Hans den leichten Mantel ab und hängte ihn in den Garderobenschrank. Dann deutete sie mit einer Handbewegung Richtung Wohnzimmer. »Kann ich dir wirklich nichts anbieten? Ich glaube, es ist auch noch Cola da. Mein Enkel darf die zu Hause nicht trinken, da ist Michael sehr streng. Aber Omas müssen ihre Enkel verwöhnen, dazu sind sie schließlich da, oder? Jakob könnte sich das Zeug sowieso an jedem Kiosk selber kaufen.«

»Dora, wir müssen reden. Können wir uns setzen?«

Die Ernsthaftigkeit in Hans Stimme gefiel Dora nicht. Sie kannte den ehemaligen Jagdkumpel ihres Mannes als freundlichen und fröhlichen Menschen. Immer gut für einen Witz und sich selbst für keine Pointe zu schade. So wie heute hatte sie ihn noch nie gesehen. Sie legte ihm die Hand auf den Arm. »Was ist denn los? Ist was mit Sophia?«

Hans Frau war nur selten zu den Einladungen ins Haus Ahlendorf gekommen. Hatte aber auf Dora immer einen guten Eindruck gemacht. Höflich und ruhig, klug und sehr verliebt in ihren Mann, auch nach vielen Jahren Ehe noch.

Hans schüttelte den Kopf und ging voraus. Dora folgte ihm beklommen. Im Stillen überlegte sie, was passiert sein könnte. Welche gemeinsamen Freunde krank gewesen und jetzt vielleicht gestorben waren.

Sie setzte sich auf die vordere Kante des Sofas, Hans ließ sich schwer in einen der beiden Sessel fallen. Er fuhr sich mit den Handflächen über das Gesicht, als wollte er sich den traurigen Ausdruck aus der Miene wischen.

»Am besten, ich sag gleich, was Sache ist.« Hans rutschte auf dem Sessel nach vorn und legte die Hände auf die Knie. »Michael ist tot, Dora.«

Für einen Moment fühlte sie so etwas wie Erleichterung. »Das ist wirklich ein ganz schlechter Witz, Hans. Ich habe gestern mit meinem Sohn zu Abend gegessen. Da war er gesund und putzmunter und â¦« Aber als sie den Blick von Hans registrierte, spürte Dora einen Stein im Magen. Einen riesigen. Sie schluckte und bekam kaum noch Luft. Fasste sich an die Kehle.

Stand auf, setzte sich wieder.

Sie musste sofort ihren Sohn anrufen.

»Dora â¦ Es tut mir so unendlich leid.«

Michael konnte unmöglich tot sein, er war doch gesund. Gestern Abend war es ihm noch gut gegangen. Sie hatten Pläne gemacht, Wein getrunken.

»Das kann doch gar nicht â¦ Wieso hat er denn â¦ Hatte er einen Unfall?«

Ein Schluchzen stieg aus ihrer Kehle auf, und sie hielt sich die Hand vor Mund und Nase.

Hans war vom Sessel aufgestanden und hatte sich neben sie auf das Sofa gesetzt. Er streichelte ihr über den Arm und wartete, bis sie wieder Luft bekam. »Nein, Dora, kein Unfall. Er ist in seinem Büro erschossen worden. Und das ist leider auch noch nicht alles.«

»Erschossen? Hans, du musst dich irren. Wir sind in Bremen. Schießereien hier bei uns? Nein. Wirklich, das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Und wieso in seinem Büro? Wer Geld will, der überfällt doch eine Bank und kein Anwaltsbüro. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit.«

Dora wischte seine Hand weg und stand auf. Das Denken war plötzlich schwierig. Sie stellte sich vor Hans. Verschränkte die Arme vor der Brust.

»Bist du eigentlich wahnsinnig geworden? Tauchst hier auf und erzählst mir solch eine Räuberpistole? Was ist denn in dich gefahren? Ihr habt irgendeinen Toten, und der sieht Michael vielleicht sogar ähnlich, und dann kommst du hierher und â¦« Dora war sich jetzt sicher, dass Hans sich aus irgendeinem Grund einen miesen Scherz mit ihr erlaubte. »Mit wem steckst du unter einer Decke? Wer will mich hier veräppeln?« Dora drehte sich Richtung Tür, als ob sie noch jemanden im Haus vermutete.

Hans blieb ernst. »Das ist noch nicht alles, Dora. Die Kollegen verdächtigen deinen Enkel.« Er seufzte, griff schließlich nach ihrer Hand und drückte sie.

»Also, jetzt wird es ja richtig absurd.« Dora begann, neben dem Sofa auf und ab zu gehen, versuchte, einen klaren Gedanken zu fassen.

Hatte sie heute schon von Michael gehört? Hatte er eine Nachricht geschickt? Und Jakob? Wann hatte der sich zuletzt gemeldet? War das gestern gewesen oder schon vorgestern? Nein, sie hatte doch vorhin mit ihm Kontakt gehabt, als sie mit Ellen in diesem Kaufhauscafé saß. Da hatte er ihr geschrieben, nachdem sie ihm das lustige Bild gesendet hatte.

Hans sah sie an. Ernst und traurig. Er wiederholte: »Es tut mir so unendlich leid.«

»Das kann nicht wahr sein, das kann einfach nicht stimmen! Nicht Michael. Und Jakob soll â¦? Wie soll das gehen? Ich meine, wie soll so ein junger Mensch â¦? Und welchen Grund hätte Jakob, seinem Vater so etwas anzutun? Wie soll er das denn gemacht haben?«

Hans schüttelte den Kopf. »Dora, ich verstehe es selbst nicht. Ich war zufällig im Büro, wollte einen früheren Kollegen zum Kino abholen, als die Nachricht eintraf. Ich wollte nicht, dass zwei unbekannte Beamte hier bei dir vor der Tür stehen, um dir die Nachricht zu überbringen. Deshalb habe ich die Kollegen darum gebeten, ein paar Minuten Zeit mit dir allein zu bekommen.« Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich kann dir auch nur das sagen, was ich gehört habe. Michael ist in seinem Büro erschossen worden. Jakob soll von einem Zeugen dabei beobachtet worden sein, wie er die Kanzlei verlassen hat. Offenbar kommt im Moment niemand sonst als Täter infrage. Aber das muss natürlich erst ermittelt werden. Die Kollegen stehen da noch ganz am Anfang. Sicher ist bisher nur, dass es sich um Fremdeinwirkung handelt, also, dass Michael â¦«

Dora hatte das Gefühl, als wiche jede Kraft aus ihrem Körper. Sie ließ sich auf die Sofalehne sinken. Die aufsteigenden Tränen schluckte sie hinunter. Niemandem war damit gedient, wenn sie jetzt hysterisch wurde.

Hanjo würde sie auffordern, sich zusammenzureißen, wenn er noch da wäre. Niemals Schwäche zeigen, Dora, das bietet den anderen nur Angriffsfläche, so gewinnt man nichts.

»Hans, das kann nicht wahr sein. Du kennst Jakob, und du kennst auch Michael, die beiden hatten ein gutes Verhältnis. Ein sehr gutes. So einen Vater würde sich jeder wünschen. Was die beiden alles zusammen unternommen haben â¦«

Vor ihrem inneren Auge sah Dora Bilder vorbeiziehen. Jakob als Baby, gerade in Bremen angekommen. Jakob mit seinen Vätern bei einer Sommerparty in ihrem Garten - einer ihrer seltenen Besuche im Hause Ahlendorf. Jakob auf den Knien seines Vaters, lachend »Hoppe, hoppe, Reiter« spielend. Jakob mit Schultüte. Jakob im Anzug bei der Feier nach dem Mittelschulabschluss.

»Dora, niemand kann in einen anderen Menschen hineinsehen. Wir wissen nicht, was in deinem Enkel vorgegangen sein mag, wenn er wirklich der Täter ist. Ich glaube ja auch nicht daran. Die allerersten Hinweise bei so einer Ermittlung sind in den seltensten Fällen die, die am Ende zur Aufklärung führen. Gib den Kollegen ein bisschen Zeit. Ich bin sicher, das ist alles ein großes Missverständnis.«

»Er war es nicht.«

Dora sah auf. In ein ehrliches und besorgtes Gesicht. Sie war sich sicher, dass sie Hans vertrauen konnte. Seit so vielen Jahren schon ging er bei ihnen ein und aus. Er hatte Hanjo gekannt, er kannte ihren Sohn und auch ihren Enkel. Und er kannte sich mit Polizeiarbeit aus.

»Was passiert denn jetzt?«

»Der Ermittlungsrichter muss entscheiden, ob Jakob in Haft kommt. Dazu wird er jetzt nicht nur den Haftgrund prüfen, der sicher auf Verdacht einer schweren Straftat lautet, sondern auch die Frage, ob dringender Tatverdacht besteht. Kann jedoch auch sehr gut sein, dass Jakob erst mal zu Hause bleiben darf. Das wird sich in den nächsten Stunden entscheiden. Ist ja alles noch ganz frisch.«

Ihr Enkel im Gefängnis.

Ihr Sohn tot.

Spätestens morgen würde das in der Zeitung stehen.

Hans schien in ihren Kopf zu sehen.

»Du musst damit rechnen, dass die Presse sich bei dir meldet. Zeitungsreporter, Radioleute. Am besten gehst du nicht ans Telefon und verlässt auch erst einmal nicht das...
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