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Vardo - Nach dem Sturm

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
432 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.03.2020
Vardø, Norwegen am Weihnachtsabend 1617. Maren sieht einen plötzlichen, heftigen Sturm über dem Meer aufziehen. Vierzig Fischer, darunter ihr Vater und Bruder, zerschellen an den Felsen. Alle Männer der Insel sind ausgelöscht - und die Frauen von Vardø bleiben allein zurück.
Drei Jahre später setzt ein unheilvoller Mann seinen Fuß auf die abgelegene Insel. In Schottland hat Absalom Cornet Hexen verbrannt, jetzt soll er auf Vardø für Ordnung sorgen. Ihn begleitet seine junge norwegische Ehefrau. Ursa findet die Autorität ihres Mannes aufregend und hat zugleich Angst davor. Auf Vardø begegnet sie Maren und erkennt in ihr etwas, das sie noch nie zuvor erlebt hat: eine unabhängige Frau. Doch für Absalom ist Vardø nur eins - eine Insel, die von Gott verlassen wurde und die er von teuflischer Sünde befreien muss.

Kiran Millwood Hargrave wurde 1990 in Surrey geboren. In ihrem ersten Jahr an der Universität begann sie Lyrik zu verfassen und veröffentlichte drei Gedichtbände und ein Theaterstück. Ihre Kinderbücher wurden in England sofort zu Bestsellern, sie gewann den Waterstones Children's Book Prize und den British Book Awards für das Children's Book of the Year. »Vardø. Nach dem Sturm« ist ihr erster Roman für Erwachsene. Mit ihrem Mann Tom und der Katze Luna lebt die Autorin in Oxford direkt am Fluss.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextVardø, Norwegen am Weihnachtsabend 1617. Maren sieht einen plötzlichen, heftigen Sturm über dem Meer aufziehen. Vierzig Fischer, darunter ihr Vater und Bruder, zerschellen an den Felsen. Alle Männer der Insel sind ausgelöscht - und die Frauen von Vardø bleiben allein zurück.
Drei Jahre später setzt ein unheilvoller Mann seinen Fuß auf die abgelegene Insel. In Schottland hat Absalom Cornet Hexen verbrannt, jetzt soll er auf Vardø für Ordnung sorgen. Ihn begleitet seine junge norwegische Ehefrau. Ursa findet die Autorität ihres Mannes aufregend und hat zugleich Angst davor. Auf Vardø begegnet sie Maren und erkennt in ihr etwas, das sie noch nie zuvor erlebt hat: eine unabhängige Frau. Doch für Absalom ist Vardø nur eins - eine Insel, die von Gott verlassen wurde und die er von teuflischer Sünde befreien muss.

Kiran Millwood Hargrave wurde 1990 in Surrey geboren. In ihrem ersten Jahr an der Universität begann sie Lyrik zu verfassen und veröffentlichte drei Gedichtbände und ein Theaterstück. Ihre Kinderbücher wurden in England sofort zu Bestsellern, sie gewann den Waterstones Children's Book Prize und den British Book Awards für das Children's Book of the Year. »Vardø. Nach dem Sturm« ist ihr erster Roman für Erwachsene. Mit ihrem Mann Tom und der Katze Luna lebt die Autorin in Oxford direkt am Fluss.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641249465
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum02.03.2020
Seiten432 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2953 Kbytes
Artikel-Nr.4940656
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


2

Über Nacht wird die Welt weiß. Schnee häuft sich auf, Schnee füllt die Fenster und die Türöffnungen. Die Kirche bleibt dunkel an diesem Weihnachten, diesem ersten Tag danach, ein Loch zwischen den erleuchteten Häusern, das Licht schluckt.

Drei Tage lang werden sie eingeschneit, Diinna in ihrer schmalen Kammer, Maren ebenso unfähig vom Bett aufzustehen wie mamma. Sie essen nur altes Brot, das ihnen wie Steine im Magen liegt. Für Maren fühlt sich die Nahrung in ihr so fest an und ihr Körper drumherum so unwirklich, dass sie in ihrer Vorstellung nur von mammas alten Broten auf der Erde festgehalten wird. Wenn sie nichts isst, wird sie zu Rauch werden und sich im Dachgesims ihres Hauses sammeln.

Sie hält sich selbst zusammen, indem sie ihren Bauch füllt, bis er schmerzt, und indem sie so viel wie möglich von sich in die Wärme des Feuers rückt. Überall, wo es sie berührt, ist sie real. Sie hebt ihre Haare, um ihr schmutziges Genick herzuzeigen, spreizt ihre Finger, damit die Wärme zwischen ihnen leckt, sie hebt ihre Röcke, sodass ihre Wollstrümpfe zu sengen und zu stinken beginnen. Da und dort und dort. Ihre Brüste, ihr Rücken und zwischen ihnen ihr Herz sind in ihrem Winterleibchen gefangen, eng zusammengeschnürt.

Am zweiten Tag geht, zum ersten Mal seit Jahren, das Feuer aus. Pappa hat es immer entfacht, und sie haben es nur in Gang gehalten, haben es nachts mit Asche bedeckt und jeden Morgen die Kruste zerbrochen, um sein heißes Herz atmen zu lassen. Innerhalb von Stunden sind ihre Decken mit einer Frostschicht überzogen, obwohl Maren und ihre Mutter im selben Bett schlafen. Sie sprechen nicht miteinander, sie kleiden sich nicht aus. Maren wickelt sich in pappas alten Seehundfellmantel. Das Fell ist nicht ordentlich abgehäutet und stinkt ein wenig nach verfaultem Fett.

Mamma trägt Eriks Mantel aus der Zeit, als er noch ein Kind war. Sie hat stumpfe Augen wie ein geräucherter Fisch. Maren versucht sie dazu zu bewegen, etwas zu essen, aber ihre Mutter rollt sich nur auf ihre Bettseite und seufzt wie ein Kind. Maren ist dankbar für die weiße Leere am Fenster, denn so ist das Meer außer Sicht.

Diese drei Tage sind ein Abgrund, in den sie stürzt. Sie beobachtet, wie pappas Axt in der Dunkelheit blinkt. Ihre Zunge wird dick und belegt, die weiche Stelle, auf die sie während des Sturms gebissen hat, schwammig und geschwollen, mit etwas Hartem in der Mitte. Sie beißt darauf herum, und das Blut macht sie durstiger.

Sie träumt von pappa und Erik, wacht schweißnass auf, mit frierenden Händen. Sie träumt von Dag; als er den Mund öffnet, ist er voller Nägel für ihr gemeinsames Bett. Sie fragt sich, ob sie und ihre Mutter hier sterben werden, ob Diinna schon tot ist, ob das Baby aber noch in ihrem Bauch strampelt, immer langsamer. Sie fragt sich, ob Gott zu ihnen kommen und ihnen befehlen wird zu leben.

Beide stinken sie, als Kirsten Sørensdatter sie am dritten Abend freischaufelt. Kirsten hilft ihnen, Holz aufzuschichten und endlich das Feuer wieder anzuzünden. Als sie den Weg zu Diinnas Tür freiräumt, sieht Diinna beinahe wütend aus, das Fackellicht fängt den matten Schein ihrer gespitzten Lippen ein, die Hände fest an die Seiten ihres geschwollenen Bauchs gepresst.

»Kirke«, sagt Kirsten zu ihnen allen. »Es ist Sabbat.«

Selbst Diinna, die nicht an ihren Gott glaubt, widerspricht nicht.

Erst als sie alle in der Kirche versammelt sind, begreift Maren: Fast alle ihre Männer sind tot.

Toril Knudsdatter zündet die Kerzen an, jede einzelne, bis der Raum so hell strahlt, dass Marens Augen brennen. Sie zählt stumm. Früher gab es dreiundfünfzig Männer, jetzt sind ihnen nur dreizehn geblieben: zwei im Arm gehaltene Babys, drei Alte, der Rest sind Jungen, noch zu klein für die Boote. Sogar den Pfarrer haben sie verloren.

Die Frauen sitzen in ihren angestammten Bankreihen, zwischen ihnen Lücken, wo ihre Ehemänner und Söhne saßen, aber Kirsten beordert sie nach vorn. Alle bis auf Diinna gehorchen, dumpf wie eine Herde. Sie besetzen drei der sieben Bankreihen in der Kirche.

»Schiffbrüche hat es schon früher gegeben«, sagt Kirsten. »Wir haben überlebt, wenn Männer ertrunken sind.«

»Aber noch nie so viele«, sagt Gerda Folnsdatter. »Und nie war mein Mann unter ihnen. Niemals deiner, Kirsten, oder Sigfrids. Niemals Torils Sohn. Sie alle ...«

Sie fasst sich an den Hals, verstummt.

»Wir sollten beten oder singen«, schlägt Sigrid Jonsdatter vor, und die anderen blicken sie böse an. Sie waren drei Tage lang eingeschlossen, und das Einzige, was sie sich wünschen, worüber sie sprechen können, ist der Sturm.

Die Frauen von Vardø, sie alle, suchen nach Zeichen. Der Sturm war eines. Die Leichen, die erst noch angespült werden, betrachten sie als ein weiteres. Doch jetzt spricht Gerda von der einzelnen Seeschwalbe, die sie über dem Wal kreisen gesehen hat.

»In Form einer Acht«, sagt sie, ihre roten Hände ziehen Bögen durch die Luft. »Einmal, zweimal, dreimal, sechs Mal habe ich gezählt.«

»Acht mal sechs hat keine besondere Bedeutung«, sagt Kirsten geringschätzig. Sie steht neben der Kanzel mit dem geschnitzten Sockel von Pastor Gursson. Ihre großen Hände liegen darauf, und der breite Daumen, der die geschnitzten Formen entlangfährt, ist das einzige Anzeichen ihrer Nervosität oder Trauer.

Ihr Ehemann ist unter den Ertrunkenen, und all ihre Kinder wurden begraben, bevor sie atmeten. Maren mag sie, hat viele Arbeiten mit ihr zusammen erledigt, aber jetzt sieht sie Kirsten so wie die anderen sie schon immer gesehen haben: als eine Frau abseits der anderen. Sie steht nicht hinter der Kanzel, aber es könnte so sein: Sie betrachtet sie mit dem Blick eines Geistlichen.

»Der Wal aber«, sagt Edne Gunnsdatter, dicke Schwellungen im Gesicht vom Weinen, die wie Prellungen aussehen. »Er schwamm mit der Unterseite nach oben. Ich habe seinen weißen Bauch zwischen den Wellen glänzen gesehen.«

»Er war am Fressen«, sagt Kirsten.

»Er hat die Männer geködert«, sagt Edne. »Er hat den Fischschwarm sechs Mal in die Nähe von Hornøya getrieben, um sicherzugehen, dass wir das sehen.«

»Ich habe das gesehen«, sagt Gerda und bekreuzigt sich. »Ich habe das auch gesehen.«

»Hast du nicht«, erwidert Kirsten.

»Ich habe das Blut gesehen, das Mattis vor einer Woche auf den Tisch gehustet hat«, sagt Gerda. »Es ließ sich nicht wegschrubben.«

»Ich kann das für dich abschmirgeln«, sagt Kirsten sanft.

»Der Wal war falsch«, sagt Toril. Ihre Tochter schmiegt sich so fest an ihre Seite, dass sie mit Torils berühmten ordentlichen Nadelstichen an ihrer Hüfte festgemacht sein könnte. »Wenn es stimmt, was Edne sagt, wurde er gesandt.«

»Gesandt?«, fragt Sigfrid, und Maren sieht, wie Kirsten ihr in dem Glauben, eine Verbündete gefunden zu haben, einen dankbaren Blick zuwirft. »Ist so etwas möglich?«

Aus den hintersten Reihen der Kirche dringt ein Seufzer, und der ganze Raum wendet sich Diinna zu, aber sie neigt ihren Kopf nach hinten, die Augen geschlossen, die braune Haut ihres Halses schimmert golden im Kerzenlicht.

»Der Teufel wirkt auf finstere Weise«, sagt Toril. Ihre Tochter drückt ihr Gesicht unter die Schulter ihrer Mutter und schreit angsterfüllt auf. Maren fragt sich, welche Angst Toril in den vergangenen drei Tagen ihren zwei Kindern eingeflößt hat, die noch am Leben sind. »Seine Macht steht über allem, nur nicht über der von Gott. Er könnte so etwas gesandt haben. Oder es könnte gerufen worden sein.«

»Schluss damit.« Kirsten bricht das Schweigen, bevor es tiefer werden kann. »Das hilft nichts.«

Maren möchte ihre Gewissheit mit ihr teilen, aber sie muss immerzu an die Gestalt, an das Geräusch denken, das sie zum Fenster gehen ließ. Sie hatte gedacht, es sei ein Vogel gewesen, aber jetzt taucht das Wesen bedrohlich groß und schwerfällig vor ihr auf, fünf Flossen und mit der Unterseite nach oben. Unnatürlich. Man kann es unmöglich davon abhalten, in die Ecke ihres Sichtfelds einzudringen, auch nicht im heiligen Licht der Kirche.

Mamma erwacht, wie aus dem Schlaf, obwohl sich die Kerzen in ihren starren Augen widerspiegeln, seit sie sich hingesetzt haben. Als sie spricht, kann Maren den Tribut hören, den das Schweigen ihrer Stimme abverlangt.

»In der Nacht, als Erik geboren wurde«, sagt mamma, »war ein roter Lichtpunkt am Himmel.«

»Ich erinnere mich«, sagt Kirsten leise.

»Und ich«, sagt Toril. Und ich, denkt Maren, obwohl sie erst zwei war.

»Ich folgte ihm über den Himmel, bis er ins Meer fiel«, sagt mamma, die Lippen bewegt sie kaum. »Das ganze Wasser leuchtete rot. Er war gezeichnet - von dem Tag an war es bestimmt.« Sie stöhnt und bedeckt das Gesicht mit den Händen. »Ich hätte ihn niemals aufs Meer hinaus lassen sollen.«

Ihre Worte rufen eine neue Welle des Wehklagens hervor. Nicht einmal Kirsten kann etwas dagegen tun. Die Kerzen flackern, als ein kalter Windstoß in den Raum weht und Maren sich gerade rechtzeitig umdreht, um Diinna aus der Kirche eilen zu sehen. Alles, was Maren sagen könnte, während sie den Arm um mamma legt, wäre nur ein schwacher Trost: Für ihn gab es nichts anderes als das Meer.

Vardø ist eine Insel, der Hafen ist wie ein an einer Seite abgebissenes Stück Land, die anderen Ufer sind zu hoch oder zu felsig,...

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Autor

Kiran Millwood Hargrave wurde 1990 in Surrey geboren. In ihrem ersten Jahr an der Universität begann sie Lyrik zu verfassen und veröffentlichte drei Gedichtbände und ein Theaterstück. Ihre Kinderbücher wurden in England sofort zu Bestsellern, sie gewann den Waterstones Children's Book Prize und den British Book Awards für das Children's Book of the Year. »Vardø. Nach dem Sturm« ist ihr erster Roman für Erwachsene. Mit ihrem Mann Tom und der Katze Luna lebt die Autorin in Oxford direkt am Fluss.