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Die Traumdiebe

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am01.03.2020
Kanada nach der Klimakatastrophe: Die Welt ist hart und unmenschlich geworden. Die Menschen haben die Fähigkeit zu träumen verloren. Nur die wenigen überlebenden Ureinwohner können es noch - und werden deswegen gnadenlos gejagt. Der 16-jährige Frenchie hat so seine ganze Familie verloren. Aber er hat eine neue gefunden: Träumer wie er, die gemeinsam durch die Wildnis des Nordens ziehen, immer auf der Flucht vor den Traumdieben. Ein paar Kinder und Jugendliche, einige Erwachsene und die wunderbare, rebellische Rose. Kann die Macht ihrer Geschichten und das Wissen ihrer Ahnen sie schützen?

Cherie Dimaline ist ein Mitglied der Georgian Bay Métis Gemeinschaft in Ontario. Sie hat bereits fünf Bücher veröffentlicht. Ihr Roman »Die Traumdiebe« wurde in Kanada zum Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Cherie Dimaline lebt derzeit in Vancouver, wo sie an einer Fortsetzung der »Traumdiebe« arbeitet und an einer Filmadaption des Stoffes.
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Produkt

KlappentextKanada nach der Klimakatastrophe: Die Welt ist hart und unmenschlich geworden. Die Menschen haben die Fähigkeit zu träumen verloren. Nur die wenigen überlebenden Ureinwohner können es noch - und werden deswegen gnadenlos gejagt. Der 16-jährige Frenchie hat so seine ganze Familie verloren. Aber er hat eine neue gefunden: Träumer wie er, die gemeinsam durch die Wildnis des Nordens ziehen, immer auf der Flucht vor den Traumdieben. Ein paar Kinder und Jugendliche, einige Erwachsene und die wunderbare, rebellische Rose. Kann die Macht ihrer Geschichten und das Wissen ihrer Ahnen sie schützen?

Cherie Dimaline ist ein Mitglied der Georgian Bay Métis Gemeinschaft in Ontario. Sie hat bereits fünf Bücher veröffentlicht. Ihr Roman »Die Traumdiebe« wurde in Kanada zum Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Cherie Dimaline lebt derzeit in Vancouver, wo sie an einer Fortsetzung der »Traumdiebe« arbeitet und an einer Filmadaption des Stoffes.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641256746
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.03.2020
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1470 Kbytes
Artikel-Nr.4941011
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1

Frenchies Geschichte

Mitch grinste breit, und seine Zähne leuchteten im schwachen Licht der Solarlampe, die wir bei einer unserer Suchaktionen in einem Schuppen gefunden hatten. »Jetzt pass auf.« Er hielt mir eine Tüte Doritos hin - eine große Tüte.

»Krass, Mitch! Wo hast du die denn her?« Ich berührte die mit Luft gefüllte Packung, um zu prüfen, ob sie echt war. Meine schmutzigen Finger glitten über das glänzende Material wie Schlittschuhe. Sie war echt. Mir lief das Wasser im Mund zusammen, und das Loch in meinem faulenden Backenzahn protestierte laut.

»Im letzten Haus, auf dem Schrank versteckt, wie Ma es immer gemacht hat, wenn sie nicht wollte, dass wir irgendwo rangehen.«

Mom war erst seit ein paar Monaten nicht mehr da, und über sie zu reden tat immer noch weh. Mein Bruder öffnete mit einem Knall die Doritos-Tüte, um unseren Schmerz über ihren Verlust zu übertönen. Und wie ein nach Käse duftendes Feuerwerk vermochte das laute Entweichen von Luft und industriell verarbeitetem Maispulver uns aufzuheitern.

Wir befanden uns in einem Baumhaus irgendwo am äußeren Rand einer kleinen Stadt, die schon lange verlassen war wie ein vergessener Lebensmittelladen, ein paar Stunden entfernt von Southern Metropolitan City, früher Toronto - damals, als es noch so viele Städte gab, dass sie alle einen richtigen Namen hatten statt nur eine geografische Angabe. West City, Northeast Metropolis, Southern Township ...

Es war ein tolles Baumhaus, irgendein glückliches Kind musste einen handwerklich begabten Vater gehabt haben. Vom nicht gemähten Rasen aus war es bestimmt zwei Stockwerke hoch, und es hatte ein Giebeldach mit richtigen Dachschindeln. Wir versteckten uns jetzt schon seit drei Tagen hier. Bevor Dad sich dem Rat anschloss und wir ihn nie wiedersahen, hatte er uns erklärt, die beste Art, sich zu verstecken, war, immer in Bewegung zu bleiben. Doch dieses Frühjahr war nass, es regnete schon seit einer Woche, und wir konnten dem trockenen Baumhaus mit den eingebauten Bänken einfach nicht widerstehen. Außerdem rechtfertigten wir unseren langen Aufenthalt damit, dass das Baumhaus so hoch wie ein Scharfschützenversteck war und wir es sofort sehen würden, wenn jemand kommen sollte.

Wahrscheinlich war der Knall der metallisch glänzenden Plastiktüte schuld, kaum lauter als ein Sektkorken. Ich stellte mir vor, wie die Schulverweigerer-Polizisten - wir nannten sie die Anwerber - uns auf der Spur waren, die Nasen im Wind; in ihren Sonnenbrillen spiegelte sich die Häuserreihe hinter unserem hölzernen Traumhaus, in dem wir uns eingenistet hatten. Und natürlich bogen sie in dem Moment, als wir gerade die ersten Hände voll wunderbar salziger Tortillachips aßen, ums Haus in den Garten.

»Scheiße.«

»Was ist?«

Mitch legte die Tüte weg und blickte aus dem Fenster, das in die Wand an der Nordseite geschnitten war.

»Francis, du musst mir jetzt sehr gut zuhören.«

»Was?« Ich wusste, es war ernst. Er nannte mich sonst nie Francis, nur Mom und Dad hatten das getan und auch sie nur dann, wenn es Ärger gab. Ich war schon immer Frenchie gewesen.

»Pass jetzt gut auf.« Er drehte dem Fenster den Rücken zu und sah mir fest in die Augen. »Du wirst jetzt aus dem hinteren Fenster und aufs Dach klettern und dich dabei so klein wie möglich machen.«

»Aber Mitch! Ich kann nicht aus dem Fenster klettern.«

»Doch, das kannst du, und das wirst du. Du bist der beste Kletterer, den ich kenne. Wenn du auf dem Dach bist, hältst du dich an der Kiefer dahinter fest und kletterst hinein. Bleib so nah am Stamm wie möglich, aber rutsch auf die andere Seite, wo es dunkler ist.«

»Du gehst zuerst.«

»Zu spät, Kumpel. Sie wissen bereits, dass hier oben jemand ist, nur nicht wie viele.«

Mir schnürte sich der Hals zu. So presste man Stimmen zu hysterischem Kreischen.

»Nein, Mitch!«

Er drehte sich wieder um, sein Blick war entschlossen, beinah wütend. »Los, Francis! Beweg dich!«

Ich wollte nicht, dass er sauer auf mich ist, er war alles, was ich noch hatte. Also kletterte ich aus dem Fenster. Mich an die Dachschindeln klammernd zog ich mich hoch und drückte den Bauch fest aufs Holz. Kurz hob ich den Kopf, um über den Dachfirst zu spähen, gerade so weit, dass ich den ersten Anwerber sah. Er steckte sich unter seinem blonden Schnurrbart eine Trillerpfeife in den Mund und ließ den hohen, Angst und Schrecken verbreitenden Ton aus unseren Albträumen erklingen. Unterm Dach hörte ich Mitch gegen die Sperrholzwände schlagen. »Verdammte Scheißkerle!«, rief er. »Kommt doch, und holt mich, ihr Teufel!«

Voller Angst sprang ich in die Kiefer. Die schuppige Borke kratzte über meine Oberschenkel, die Nadeln stachen mir in die Arme. Schweißgebadet rutschte ich auf die andere Seite des Stammes. Die Kratzer auf meinen Schenkeln waren bereits rot und geschwollen. Aus dem Garten hörte ich Trillerpfeifen, zwei inzwischen.

»Holt mich doch, ihr Idioten!«

Jetzt sah ich die beiden Anwerber. Sie trugen blaue Shorts, bis zu den Knien hochgezogene Sportsocken mit roten Streifen, Sneaker aus Meshgewebe, die sie schnell und professionell wirken ließen, und über den Poloshirts Windjacken, die eine Nuance heller waren als die Shorts. Der Schriftzug auf der linken Seite ihrer Brust war aus der Ferne nicht zu entziffern, aber ich wusste, was da stand: »Regierung von Kanada: Ministerium für Traumforschung.« Um den Hals hing ihnen an einer weißen Kordel die silberne Trillerpfeife.

Im Baumhaus führte Mitch sich weiter wie ein Wahnsinniger auf. Brüllend ließ er sich von den Anwerbern die Leiter herunter und auf den Rasen zerren. Ich hörte einen Knochen knacken wie einen jungen Ast. Mitch schrie. Dann schleiften sie ihn an den Armen über den Rasen und ums Haus herum, durch den Vorgarten und in den Van, und die ganze Zeit übertönte sein Schreien die Geräusche meiner Flucht.

Dann glitt die Tür zu.

Und der Motor sprang an.

Und ich war allein.

Ich wollte einfach loslassen. Ich wollte die Arme vom Stamm nehmen und über meiner Brust falten wie eine Mumie, meine Beine aus der Umklammerung lösen und mich rückwärts herunterfallen lassen. Ich löste eine Hand und legte sie auf die gegenüberliegende Schulter. Tief atmen. Du kannst das. Die andere Hand zitterte, während sie langsam losließ. Die Haut an meinen Oberschenkeln brannte vom zusätzlichen Druck. Bald würden auch meine Beine nachgeben. Tief atmen ...

Wenn ich den Fall überlebte, was möglich war, würde man mich mit Mitch zur Schule bringen. Der Gedanke war verlockend. Kurz stellte ich mir ein Wiedersehen wie im Fernsehen vor: Mitch, Mom, Dad und ich ... Aber so würde es nicht laufen. Die Geschichten der wenigen Leute, die es aus den Schulen herausgeschafft hatten, waren alles andere als ermutigend.

»Gestern ist ein Mann namens Miigwans beim Rat vorbeigekommen«, hatte mein Vater eines Abends gesagt, als wir vier noch zusammen gewesen waren. »Er ist aus einer der Schulen oben am Lake Superior geflohen.« Wir saßen um den schweren Picknicktisch, den wir in den Hauptraum des kleinen Hauses gewuchtet hatten. Dad hatte dunkle Ringe unter den Augen und sprach zögerlich, als würde er eigentlich gar nicht mit uns reden wollen. »Er hat erzählt, was mit unseren Leuten passiert. War nicht leicht, das zu hören. Er war ziemlich verzweifelt und wollte sofort wieder los und nach jemandem namens Isaac suchen.«

»Jean, vielleicht sollten die Jungs ins andere Zimmer ...«

»Miigwans sagt, die Schulen sind gar nicht neu. Er sagt, der Gouverneursausschuss nutzt das alte Internatssystem, mit dem sie früher schon versucht haben, uns zu brechen.« Er machte eine Pause und leerte sein Glas Schnaps zur Hälfte. Es war ein Selbstgebrannter, den er in einer alten Flasche auf der Hintertreppe aufbewahrte. Dann knallte er das schmierige Glas auf den Tisch. Das Geräusch hallte von den leeren Holzwänden wider, und ich zuckte zusammen. Vater hatte zu Ende gesprochen. Er war bedrückt, wie immer, wenn er davon erzählte, wie die Welt sich verändert hatte. Er sagte, wir könnten froh sein, dass wir nicht wussten, wie die Welt früher einmal gewesen war, so müssten wir ihr weniger nachtrauern. Ich glaubte ihm.

»Okay, Jungs, genug. Ab ins Bett.« Mom scheuchte uns von der Bank und schob uns zur Tür, bevor wir uns eine Ausrede überlegen konnten, warum wir bleiben mussten. Dad küsste mich noch auf den Kopf, und ich fühlte mich sicher, wenn auch nur für einen Moment.

Als wir an jenem Abend im Bett lagen, hörten wir Mom weinen. Und am nächsten Morgen packten wir unsere wenigen Habseligkeiten zusammen und verließen das kleine Haus, in dem wir gewohnt hatten, seit unser Apartment in der Stadt eines Tages vom Stromnetz abgeschnitten gewesen und die Lage immer gefährlicher geworden war. Wir hatten nicht mal ein Jahr hier verbracht, und keiner von uns wollte schon wieder weiter, am wenigsten Mitch und ich. Teile unserer Familie lebten hier, Blutsverwandte und selbst gewählte. Andere Familien wie unsere hatten sich hier niedergelassen. Und jetzt stopften wir Kleidung und in Decken gewickelte Gläser mit Eingemachtem in unsere Reisetaschen, um erneut aufzubrechen. Ich dachte an unseren Fußmarsch aus der Stadt in diese Siedlung.

»Wir gehen nach Norden«, hatte Dad damals gesagt. »Dahin gehen jetzt viele. Wir werden eine Weile in der Bay Zone bleiben und uns in einer der Ferienhütten da oben verstecken. Wir finden einen Weg, Frenchie. Der Norden wird unser neues...

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Autor

Cherie Dimaline ist ein Mitglied der Georgian Bay Métis Gemeinschaft in Ontario. Sie hat bereits fünf Bücher veröffentlicht. Ihr Roman »Die Traumdiebe« wurde in Kanada zum Bestseller und mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet. Cherie Dimaline lebt derzeit in Vancouver, wo sie an einer Fortsetzung der »Traumdiebe« arbeitet und an einer Filmadaption des Stoffes.