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Friday Black

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
240 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am27.04.2020
»Aufregend und ein Wunder« George Saunders
»In ?Friday Black? wird von einer Zukunft erzählt, die schon morgen beginnen könnte. Eine neue und radikal frische Stimme in der US-Literatur.« stern - SWR-Bestenliste Juli/August 2020.
In zwölf verstörenden Storys erzählt Nana Kwame Adjei-Brenyah von Liebe und Leidenschaft in Zeiten von Gewalt, Rassismus und ungezügeltem Konsum. Wie fühlt es sich an, im heutigen Amerika jung und schwarz zu sein? Welche Spuren hinterlässt alltägliche Ungerechtigkeit? In einer unkonventionellen Mischung aus hartem Realismus, dystopischer Fantasie und greller Komik findet der US-Amerikaner eine neue Sprache für die brennenden Themen unserer Zeit. Ein selten kraftvolles, mitreißendes und ungewöhnliches Debüt!

Nana Kwame Adjei-Brenyah, Sohn ghanaischer Eltern, wurde 1990 in Spring Valley, New York, geboren, studierte Fine Arts und unterrichtet heute Creative Writing an der Syracuse University. Sein Debüt »Friday Black«, ein New York Times-Bestseller, errang den PEN-Jean Stein Book Award 2019, stand auf der Shortlist für den Dylan Thomas Prize 2019 und auf der Longlist der Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction. Universal Pictures hat sich die Filmrechte an der Titelgeschichte seines Debüts gesichert.
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Produkt

Klappentext»Aufregend und ein Wunder« George Saunders
»In ?Friday Black? wird von einer Zukunft erzählt, die schon morgen beginnen könnte. Eine neue und radikal frische Stimme in der US-Literatur.« stern - SWR-Bestenliste Juli/August 2020.
In zwölf verstörenden Storys erzählt Nana Kwame Adjei-Brenyah von Liebe und Leidenschaft in Zeiten von Gewalt, Rassismus und ungezügeltem Konsum. Wie fühlt es sich an, im heutigen Amerika jung und schwarz zu sein? Welche Spuren hinterlässt alltägliche Ungerechtigkeit? In einer unkonventionellen Mischung aus hartem Realismus, dystopischer Fantasie und greller Komik findet der US-Amerikaner eine neue Sprache für die brennenden Themen unserer Zeit. Ein selten kraftvolles, mitreißendes und ungewöhnliches Debüt!

Nana Kwame Adjei-Brenyah, Sohn ghanaischer Eltern, wurde 1990 in Spring Valley, New York, geboren, studierte Fine Arts und unterrichtet heute Creative Writing an der Syracuse University. Sein Debüt »Friday Black«, ein New York Times-Bestseller, errang den PEN-Jean Stein Book Award 2019, stand auf der Shortlist für den Dylan Thomas Prize 2019 und auf der Longlist der Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction. Universal Pictures hat sich die Filmrechte an der Titelgeschichte seines Debüts gesichert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641257378
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum27.04.2020
Seiten240 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2386 Kbytes
Artikel-Nr.4941095
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Die Finkelstein Five

Fela, das Mädchen ohne Kopf, kam auf Emmanuel zu. Ihr Hals schartig und blutüberströmt. Sie schwieg, doch sie schien darauf zu warten, dass er etwas unternahm, irgendwas.

Plötzlich klingelte sein Handy, und er wachte auf.

Er holte tief Luft und fuhr die Schwarzheit in seiner Stimme auf einer Skala von eins bis zehn auf 1,5 herunter. »Hallo, wie geht´s Ihnen? ... Ja, ja, ich hab mich neulich nach dem aktuellen Stand meiner Bewerbung erkundigt. ... Gut, okay. Freut mich zu hören. Ich werde da sein. Wunderschönen Tag noch.« Emmanuel stand aus dem Bett auf und putzte sich die Zähne. Im Haus war es still. Seine Eltern waren schon zur Arbeit gefahren.

An jenem Morgen ging es, wie jeden Morgen, schon bei der ersten Entscheidung, die er traf, um seine Schwarzheit. Seine Haut war von einem dunklen, regelmäßigen Braun. In der Öffentlichkeit, wo ihn die Leute sahen, war es unmöglich, seine Schwarzheit auch nur annähernd auf 1,5 herunterzuschrauben. Wenn er eine Krawatte und gute Schuhe trug, immerfort lächelte, in Zimmerlautstärke sprach und die Hände eng und ruhig am Körper herabhängen ließ, konnte er seine Schwarzheit auf 4,0 verringern.

Auch wenn Emmanuel froh war, das Vorstellungsgespräch bekommen zu haben, hatte er deshalb doch ein schlechtes Gewissen. Die meisten Leute, die er kannte, beklagten noch immer das Finkelstein-Urteil: Nach einer Beratung, die ganze achtundzwanzig Minuten gedauert hatte, war George Wilson Dunn von einer Geschworenenjury, die sich aus seinesgleichen zusammensetzte, von jeglicher Straftat freigesprochen worden. Er hatte vor Gericht gestanden, weil man ihm vorwarf, fünf schwarze Kinder vor der Finkelstein-Bücherei in Valley Ridge, South Carolina, mit einer Kettensäge enthauptet zu haben. Weil die Kinder draußen herumgelungert und nicht, wie es von produktiven Mitgliedern der Gesellschaft zu erwarten gewesen wäre, in der Bücherei gesessen und gelesen hätten, hatte das Gericht entschieden, es sei verständlich, dass Dunn sich von diesen fünf jungen Schwarzen bedroht gefühlt und folglich das Recht auf seiner Seite gehabt hatte, als er seine Hawtech-Pro-18-Zoll-48-Kubikzentimeter-Kettensäge von der Pritsche seines Ford F-150 holte, um sich selbst, die in der Bücherei ausgeliehenen DVDs und seine Kinder zu schützen.

Der Fall hatte das ganze Land aufgewühlt und war so ziemlich das Einzige, worüber alle redeten. In den Nachrichten drehte sich alles um Finkelstein. In einem Teil der Radio-Welt trauerten Sprecher öffentlich um die Kinder, die in ihren Augen Heilige waren; im anderen gab es Leute wie Brent Kogan, den stets ruppigen, rechthaberischen Moderator von What´s the Big Deal?, der bei einer Podiumsdiskussion im Internet gesagt hatte: »Ja, ja, sie waren Kinder, aber auch verdammt noch mal Nigger.« Die meisten Nachrichtensender lagen irgendwo dazwischen.

Am Tag der Urteilsverkündung hatten sich Emmanuels Familie und Freunde, Menschen von unterschiedlicher Herkunft und Hautfarbe, gemeinsam vor dem Fernseher versammelt und das Ganze auf einem Sender verfolgt, der mit den Kindern, allgemein als die Finkelstein Five bekannt, sympathisierte. Es gab Pizza und Getränke. Als das Urteil verkündet wurde, spürte Emmanuel ein Knacken und Knirschen in seiner Brust. Es brannte. Seine Mutter, die als eine der quirligsten und glücklichsten Frauen in der Nachbarschaft galt, warf einen Plastikbecher voll Cola durchs Zimmer. Als der Becher zu Boden fiel und die Limonade aufspritzte, starrten die Leute Emmanuels Mutter an. Mrs. Gyan so zu erleben, hieß, dass es real war: Sie hatten verloren. Emmanuels Vater zog sich in einen stillen Winkel zurück und wischte sich die Augen trocken, und Emmanuel spürte, wie sich das Knirschen in seiner Brust in ein kaltes Nichts verwandelte. Auf der Fahrt nach Hause fluchte sein Vater. Seine Mutter schlug aufs Lenkrad, woraufhin die Hupe ertönte. Emmanuel holte tief Luft und sah seine Hände auftauchen und verschwinden, wieder auftauchen und verschwinden, während der Wagen an Ampeln vorbeiglitt. Das Nichts, das er verspürte, spülte in kalten Wellen über ihn.

Doch jetzt, wo man ihn zu einem Vorstellungsgespräch bei Stich´s eingeladen hatte, einem Laden, der auf Pulloverklassiker spezialisiert war und sich als »innovativ mit einem Gespür für Tradition« bezeichnete, konnte Emmanuel noch an was anderes denken als an die Leichen der Kinder mit ihren durchtrennten Hälsen, klitschnass von dickflüssigem, pulsierend hervorschießendem Blut. Nun überlegte er, was er anziehen sollte.

In einem diffusen Akt der Solidarität stieg Emmanuel in die locker sitzende Cargohose, die er bei einem Campingausflug getragen hatte. Dann zog er seine Lackleder-Space-Jams an, deren Schnürsenkel sich noch immer sauber und straff über die schwarze Lasche spannten. Er nahm ein längst ausrangiertes schwarzes Kapuzenshirt und tauchte in dessen Tunnel ein. Als letzten Akt der Solidarität setzte er eine graue Baseballkappe auf, ähnlich denen, die zwei der Finkelstein Five bei ihrer Ermordung getragen hatten - ein Umstand, den George Wilson Dunns Verteidiger vor Gericht immer wieder betont hatte.

Emmanuel trat in die Welt hinaus, seine Schwarzheit stabil bei 7,6. Er kam sich vor wie Evel Knievel oben auf der Rampe. Im Einkaufszentrum wollte er sich nach etwas umsehen, das er zum Vorstellungsgespräch anziehen konnte, etwas, das ihn mindestens auf 4,2 herabstufen würde. Er zog seine Kappe nach vorn, damit der Schild seine Augen verschattete. Dann ging er hinauf zur Canfield Road, wo er einen Bus nehmen würde. Der Kies knirschte unter seinen Turnschuhen. Es war schon eine Ewigkeit her, dass seine Schwarzheit auch nur annähernd 7,0 betragen hatte. »Ich will, dass dir nichts passiert. Du musst wissen, wie man sich bewegt«, hatte sein Vater zu ihm gesagt, als er noch klein war. Emmanuel hatte angefangen, die Grundlagen seiner Schwarzheit zu lernen, noch bevor er schriftlich dividieren konnte: zu lächeln, wenn er wütend war, zu flüstern, wenn er am liebsten geschrien hätte. Damals in der Middleschool, nach einem Ausflug in den Zoo, wo man ihn beschuldigt hatte, einen Stoffpanda aus dem Souvenirladen gestohlen zu haben, hatte er zu Hause in der Einfahrt seine letzte Baggy Jeans verbrannt. Mit starrem Blick hatte er dabei zugesehen, wie sich der Jeansstoff vor seinen Augen kräuselte und zu Asche zerfiel. Als sein Vater nach draußen kam, dachte Emmanuel, er würde ihm eine Standpauke halten. Doch er hatte bloß still neben ihm gestanden. »Das ist eine wichtige Lektion«, hatte sein Vater gesagt. Gemeinsam hatten sie ins Feuer geschaut, bis es sich aufgezehrt hatte.

An der Bushaltestelle war viel Betrieb. Emmanuel spürte, wie sich die Blicke auf ihn richteten und die Handtaschen von ihm wegbewegten. Er dachte an George Wilson Dunn. Stellte sich vor, wie der Mann lächelnd vor ihm stand, die Kettensäge fauchend in seinen Händen. Emmanuel beschloss, etwas Gefährliches auszuprobieren: Er drehte die Kappe nach hinten, sodass der Schatten des Schilds seinen Nacken bedeckte. Er spürte, wie seine Schwarzheit fiebrig auf 8,0 sprang. Die Leute verstummten. Sie bemühten sich, superfreundlich, doch zugleich distanziert zu schauen, als wäre Emmanuel ein Tiger oder ein Elefant, dem sie in einem Zirkuszelt zusahen. In der Menge tat sich ein Weg für ihn auf.

Im nächsten Moment stand er neben der Sitzbank. Einer jungen Frau mit langem braunem Haar und einem Mann mit Sonnenbrille auf dem Mützenschild fiel plötzlich ein, dass sie woanders hinmussten. Eine ältere Frau blieb sitzen, und Emmanuel setzte sich neben sie auf den gerade frei gewordenen Platz. Die Frau sah ihn an. Sie zeigte ein schwaches Lächeln. Ihr Blick, der allgemeines Desinteresse verriet, brachte sein Herz zum Singen. Er drehte seine Kappe wieder nach vorn und spürte, wie seine Schwarzheit auf noch immer beträchtliche 7,6 sank. Kurz darauf kehrte die Braunhaarige zurück und setzte sich neben ihn. Sie lächelte, als hätte man ihr gesagt, wenn sie dieses verzweifelte, großäugige Lächeln beendete, würde Emmanuel ihr das Hirn wegpusten.

»Tatsache ist, dass George Wilson Dunn Amerikaner ist. Amerikaner haben das Recht, sich zu schützen«, sagt der Verteidiger mit tönender, betörender Stimme. »Haben Sie Kinder? Jemanden, den Sie lieben? Die Anklage hat versucht, Ihnen schaurige Worte wie Gesetz , Mord und Soziopath um die Ohren zu hauen.« Zeige- und Mittelfinger des Verteidigers krallen sich wiederholt in die Luft, um anzuzeigen, dass er zitiert. »Ich stehe hier, um Ihnen zu sagen, dass es bei diesem Prozess um nichts davon geht. Es geht vielmehr um das Recht eines amerikanischen Bürgers, zu lieben und sein eigenes Leben und das seiner hübschen kleinen Tochter und seines gut aussehenden jungen Sohnes zu schützen. Also frage ich Sie, was bedeutet Ihnen mehr: das vermeintliche Gesetz oder Ihre Kinder?«

»Einspruch«, sagt die Staatsanwältin.

»Einspruch abgelehnt«, erwidert die Richterin und betupft ihre feuchten Augenwinkel. »Bitte fahren Sie fort, Herr Anwalt.«

»Danke, Euer Ehren. Ich weiß nicht, wie es bei Ihnen ist, aber ich liebe meine Kinder mehr als das Gesetz . Und Amerika liebe ich mehr als meine Kinder. Darum geht es bei diesem Prozess: Liebe, mit einem großen L. Und Amerika. Das ist, was ich heute hier verteidige. Mein Mandant Mister George Dunn glaubte, in Gefahr zu sein. Und wissen Sie was, wenn Sie etwas glauben, irgendwas, dann ist das alles, was zählt. Glauben. In Amerika haben wir die Freiheit zu glauben. Amerika, unser herrlicher souveräner Staat. Zerstören Sie das hier nicht.«

Der Bus hielt. Emmanuel sah eine Gestalt zur Haltestelle rennen. Es war Boogie, einer seiner...

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Nana Kwame Adjei-Brenyah, Sohn ghanaischer Eltern, wurde 1990 in Spring Valley, New York, geboren, studierte Fine Arts und unterrichtet heute Creative Writing an der Syracuse University. Sein Debüt »Friday Black«, ein New York Times-Bestseller, errang den PEN-Jean Stein Book Award 2019, stand auf der Shortlist für den Dylan Thomas Prize 2019 und auf der Longlist der Andrew Carnegie Medal for Excellence in Fiction. Universal Pictures hat sich die Filmrechte an der Titelgeschichte seines Debüts gesichert.