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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
220 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am19.11.20191. Auflage
Eine Mutter verliert ihren Sohn. Im Krieg. Daraufhin engagiert sie einen jungen Mann, der bereit ist, sich als ihr Sohn auszugeben.

Rosa Kaplan hat ihren Sohn Polat im Krieg verloren. Sie ist außer sich vor Trauer und beschließt, einen jungen Mann, der ihrem Sohn ähnelt, die Rolle ihres Sohnes spielen zu lassen. Ihr Plan: eine Erzählung im Stil US-amerikanischer Serien, Regie: sie, Rosa Kaplan. Der Plan scheint zu funktionieren, so gut sogar, dass dieser unbekannte Mann, der nun bei Rosa wohnt, wirklich zu ihrem Sohn wird und schließlich sogar dazu bereit ist, für seine neue Mutter zu töten. In ihrem Debütroman gelingt Cemile Sahin der Spagat zwischen einer neuen, eigenen Form und einer sehr klaren, zeitlosen Sprache. Ein Roman, bei dessen Lektüre man ähnlich tief in die Geschichte versinkt, die nicht die eigene ist, wie der Protagonist des Buches.

»Die Entschiedenheit, Klarheit, Härte und Sicherheit im Ton in >TaxiTaxi< ist anders. Irgendwas zwischen trashig, nachdenklich, absurd, politisch und ziemlich cool.« Süddeutsche Zeitung.

»Ein starkes Debüt.« taz.

»Ihr Roman ist eine Sensation.« Tagesspiegel.



Cemile Sahin ist Autorin und Künstlerin und wurde 1990 in Wiesbaden geboren. Sie hat in London und Berlin studiert und ist ars viva-Preisträgerin für Bildende Kunst. »TAXI« war ihr Debütroman, »ALLE HUNDE STERBEN« ihr zweiter, »KOMMANDO AJAX« ihr dritter Roman. Für ihr Schreiben wurde Cemile Sahin mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin.

 

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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR20,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR8,99

Produkt

KlappentextEine Mutter verliert ihren Sohn. Im Krieg. Daraufhin engagiert sie einen jungen Mann, der bereit ist, sich als ihr Sohn auszugeben.

Rosa Kaplan hat ihren Sohn Polat im Krieg verloren. Sie ist außer sich vor Trauer und beschließt, einen jungen Mann, der ihrem Sohn ähnelt, die Rolle ihres Sohnes spielen zu lassen. Ihr Plan: eine Erzählung im Stil US-amerikanischer Serien, Regie: sie, Rosa Kaplan. Der Plan scheint zu funktionieren, so gut sogar, dass dieser unbekannte Mann, der nun bei Rosa wohnt, wirklich zu ihrem Sohn wird und schließlich sogar dazu bereit ist, für seine neue Mutter zu töten. In ihrem Debütroman gelingt Cemile Sahin der Spagat zwischen einer neuen, eigenen Form und einer sehr klaren, zeitlosen Sprache. Ein Roman, bei dessen Lektüre man ähnlich tief in die Geschichte versinkt, die nicht die eigene ist, wie der Protagonist des Buches.

»Die Entschiedenheit, Klarheit, Härte und Sicherheit im Ton in >TaxiTaxi< ist anders. Irgendwas zwischen trashig, nachdenklich, absurd, politisch und ziemlich cool.« Süddeutsche Zeitung.

»Ein starkes Debüt.« taz.

»Ihr Roman ist eine Sensation.« Tagesspiegel.



Cemile Sahin ist Autorin und Künstlerin und wurde 1990 in Wiesbaden geboren. Sie hat in London und Berlin studiert und ist ars viva-Preisträgerin für Bildende Kunst. »TAXI« war ihr Debütroman, »ALLE HUNDE STERBEN« ihr zweiter, »KOMMANDO AJAX« ihr dritter Roman. Für ihr Schreiben wurde Cemile Sahin mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin.

 

Details
Weitere ISBN/GTIN9783841224484
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2019
Erscheinungsdatum19.11.2019
Auflage1. Auflage
Seiten220 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse3883 Kbytes
Artikel-Nr.4959022
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
I

Setz dich. Ich setze mich. Handschellen um. Silberfarben. Ein leichter Klick. Erst die rechte Hand. Ein leichter Stoß. Silber im Genick. Dann die linke über die rechte Hand.

Hast uns vermisst? Ich vermisse es nicht. Enger schnüren. Hast uns geliebt? Ich habe den Gedanken geliebt.

Bist wieder zurück? Wer von ihnen konnte fliehen? Der Kopf auf der Tischplatte. Draußen Sommer. Klingel ringt. Hinter Türen verschlossen. Klingel ringt nicht. Dieser Ort ist eine Kulisse. Meine Pflicht. Hinter verschlossenen Türen. Auch ich bin diese Kulisse. Verraten. Auch ich und sie.

Steh auf. Ich stehe auf. Mit dem Geräusch seiner Heimat. Sind wir barmherzig? Barmherzig sind sie. Damit ich an sie glauben kann. Und an etwas anderes auch. Kann mich nicht bewegen. Welcher Fortschritt ist geboren. Ein Tier. Ich nicht. Das bist du? Das bin ich. Jedes Mal jammern. Ohne mich. Was man ohnehin schon weiß. Tag ein. Tag Schluss. Vollendet das Jahr.

Steh auf. Ich stehe auf. Und beneide den einen, der auf der anderen Seite steht. Teile mein Mitleid mit ihm. Er will nicht. Weil er nicht zu uns gehört. Nicht so wie ich. Schlucken. Beneide alle. Bloß nicht an meinem eigenen Speichel verrecken. Zwei Kilogramm Schmerz gegen den Kopf. Was ich ertrage. Waffe fester. Herz silber. Groß und klein. Wie man es macht. Spreche nicht mehr. Gott hat Zähne. Und ein Volk. Verfolgt mich.

Steh auf. Ich stehe auf. Mit Handschellen und der Waffe im Genick. Sie amüsieren sich über meinen Angstschweiß. Vom Zaun in die Zelle. Das ist mein Brot. Publikum lacht. Bitter. Zähle das Wort Gewohnheit. Achtundvierzig Mal. Ich gewöhne mich nicht daran. Wie lange schon. Hier ist Nacht. Oder dort. Aber ich. Trage den Dreck ab. Vielleicht im Dunklen. Der bleibt übrig. Stopfe ihn in mich. Wo ist der Ekel. Passt nicht rein. Bin zu fett. Aus meinen Nähten. Brauche nicht weiter. Bin jetzt zahm und taub.

Es ist kalt. Mittellos die Fahne. Rot und weiß. Das Ende der Fahne wird das Ende sein. Das ist billig. Scheitel fettig. Fresse meine Moral satt. Dreißig Minuten sparen. HAHAHA. Ihre Fragen. BLABLABLA. Stöpsel zu. Danke. Miststück. Bein tut weh. Mürbe. Keuchen hinter dem Fenster. Pause. Habe Scheiße am Stuhl. Alles Vergangene kommt an. Und es mieft. Denn es bleibt in der Erde. Wie du? Wie ich. Ich habe verstanden, wie man Türen schließt.

Guten Abend.

Guten Tag.

Bin blau vom Schlagen. Nicht erschrocken. Schlage Wurzeln. Bin jetzt wach. Wer lacht? Ich nicht. Prügelt mich ins Leben zurück. Das muss ich erklären. Bis ich alles aufgebe. Der Spalt wird größer zwischen Wand und Boden. Muss ich auch das erklären. Muss ich schießen. Zwischen Welt und Wand und Breaking News.

Bist du satt? Herbst. Hier gibt es kein Brot. Stiefel raus. Bin der Dieb. Soll ich reden. Dieses Jahr nicht. Soll ich zucken. Aber wo. Ich will noch nicht. Sie klatschen. Vor Freude. Und ich falle um vor Schreck. Bisschen Gelächter. Bisschen flennen. Ich bin ein Egoist. Das ist unverhofft gekommen. Ich sterbe. Wir sterben, wenn wir nicht geliebt werden. Sie lachen mich aus. Stimmt das? Ja, das stimmt.

Ich weiß. Winter. Ohne flennen. Böse. Weil ich an nichts glaube. Wieder Prügel. Jeder lacht. Ich auch.

Name, schreit er, und tritt näher an mich heran, so nah, dass ich seinen Atem im Nacken spüre. Das ist mir unangenehm. Er riecht nach Eiern und Zwiebeln. Die Haare im Nacken richten sich zu Berge. Meine, nicht seine. Sein Waschmittel riecht wie meine Kindheit oder ist es einfach nur die Seife, mit der er morgens nach dem Aufwachen sein Gesicht wäscht? Der Geruch kommt mir bekannt vor. Ich komme leider nicht dahinter. Name, brüllt er, diesmal in mein rechtes Ohr. Seine Stimme dämmert in meinem Kopf und ich versuche in die andere Richtung auszuweichen, um seinem Stimmorgan zu entgehen. Seine Stimme verhakt sich, im Dreivierteltakt, erst im Ohr und dann im Mund.

Beim Brüllen verschluckt er nicht nur den letzten Buchstaben, also das »E«, sondern er spuckt mir dabei auch Schweiß und Speichel entgegen. Von »Name« bleibt »Nam« übrig, aber ich höre nur: nahm (wie der Geruch). Das klaut er mir auch. Du hast doch einen Mund. Mach das Maul auf. Der Duft ist weg. Er wird zorniger. Das höre ich an seinem Stimmton und das ist auch durch eine Geste bemerkbar: Mit seinen Stiefeln verstärkt er seine Sätze. Ein Satz folgt auf einen Fußtritt, folgt auf einen Satz, folgt auf einen Fußtritt, und so weiter.

Als sie mir die Handschellen anlegten, wurden mir beide Arme grob nach hinten gerissen, damit kein unvorhergesehener Widerstand zum Vorschein komme. Plötzlich war ich ein Mann mit den Händen hinterm Rücken. Ich habe nichts dagegen gesagt. Was hätte ich auch sagen sollen? In solchen Situationen gibt es nichts mehr zu reden. Das würde sie noch mehr in Unkosten stürzen, denn sie müssten noch mehr arbeiten und Arbeit, die man auszuführen hat, strengt schon genug an und wenn einem noch mehr Arbeit aufgehalst wird als die Arbeit, die sowieso schon zu erledigen ist, dann ist das ermüdend und keiner möchte ermüdet nach Hause gehen. Ich habe Verständnis dafür. Ich bin von Natur aus ein verständnisvoller Mensch. Aus diesem Grund sind meine Hände in Handschellen und über Kreuz hinter meinem Rücken festgeschnallt. Sehr eng, aber so ist das nun mal. Ich habe nichts gesagt, trotzdem wusste ich, was mir blüht.

Besonders gut kann ich mich nicht bewegen: Der linke Arm ist seit Stunden eingeschlafen und zuckt bis in den Unterarm, aber ich nehme das hin. Es tut ein bisschen weh, aber ich sage nichts, so wie ich dem Mann, der ununterbrochen nach meinem Namen fragt, seit Stunden schon, immer noch nicht geantwortet habe. Er packt meinen Kopf hinter meinen Rücken und haut ihn auf den Tisch. Dann legt er mir ein Stück Draht wie einen Strick um meinen Hals, zum Spaß, sagt er und zieht fest zu. Dabei denke ich an meine Mutter. Dann haut er wieder meinen Kopf auf den Tisch. Er definiert alles, was kommt. Er ist stärker als ich. Kopf und Drahtseil knallen auf den Tisch aus Metall. Das kann ich nicht vergessen. Ich weiß nicht, ob das Geräusch des Aufpralls laut genug ist, um seine Stimme zu übertönen. Drahtseil spannt, Kopf dröhnt, aber ich höre seine Stimme immer noch. Und ich kann den Lärm, der sich im Raum ausbreitet, nicht von seiner Stimme unterscheiden. Er hört nicht auf, nach meinem Namen zu rufen.

Einige Sekunden bleibe ich mit dem Kopf auf dem Tisch liegen, versuche panisch die Augen zu öffnen, warum ich sie geschlossen habe, weiß ich nicht, nicht mehr wichtig. Ich bilde mir ein, dass mir Blut über das Gesicht läuft. Wie sieht es aus. Es tut weh, aber nicht so weh, dass ich leide. An den Haaren werde ich aufgerichtet, (teilweise nur an den Haarspitzen) weil er es vor Erregung und Ärger (wohlmöglich), da ich immer noch nicht geantwortet habe (so ist das!), nicht schafft, mit seinen Fingern meinen ganzen Kopf zu umfassen, stattdessen nur einzelne Haarbüschel zu fassen kriegt und die Haare, die nicht reißen, helfen ihm, mich hochzuziehen. Er zieht mich hoch, als ob ich ein Huhn wäre, das aus seinem Käfig kommt, senkrecht nach oben.

Zuallererst drückt er mich an seine Brust. Mir ist warm. Schwitze wie ein Walross, fettes Schwein. Über seine Brust wandere ich in Richtung Gesicht, beinahe liegt es in meinem. Wie stark er ist, Augen braun, Haare blond. Die Nase ruht im perfekten Abstand zwischen Stirn und Oberlippe, eine wohlgeformte Muse, gemalt aus einzelnen Bildern, für die alle tagelang Schlange stehen. Wie riecht er von links nach rechts und umgekehrt, kann er mit seiner Zunge die Nasenspitze berühren, kann er nur eine Augenbraue heben, ohne dass sich die andere bewegt. So viele Fragen, die ich brauche, damit ich nicht leide und die ich ihm aber nicht stellen kann. Und er stellt mir immer wieder die eine. Das ist fad.

Die Lippen spitze ich zu einem Kuss, summe, innerlich einsilbig, wie eine Hummel, die zu einer Blume finden will und versuche durch die dünne Luft, die zwischen uns liegt, mir einen Weg zu bahnen, um den Namen, den ich nicht los werde, ihm als Kuss (aus Liebe) und als Botschaft (aus Rache) in die Fresse zu bohren. Wenn wir nicht in diesem Raum sitzen würden, ich als Krüppel, mit Hand und Haaren, Drahtseil um den Hals, unbeweglich, er, mit seiner Waffe, die mich hier lose von seiner Hüfte aus anschielt, die ich mir aber woanders wegdenken könnte (so wäre das erträglicher und humorvoller) und dem groben Gerüst, den er vor sich trägt, das Gesicht also, wie ein Versteck, das mich wie ein Hinterhalt verfolgt und mir die Luft zerschneidet, sich auf mich legt, mir nicht erlaubt, mir förmlich verbietet, ausdrücklich verbietet, mit jeder neuen aufkommenden Kraft (noch mehr Bosheit) diesen Ort der Enge, der sich auf vier mal vier Meter erstreckt, unausgesprochen zu machen. Sie machen mich zu einem Gefangenen auf zwei Beinen. Das nennt man Folter oder Gerechtigkeit.

Ich schließe meine Augen und ich öffne sie wieder, aber ich bin ich nicht woanders. Schade. Er zieht diesmal etwas kräftiger am Drahtstrick um meinem Hals, dann an meinen Haaren, die reißen, das Drahtseil nicht, dabei wimmere ich etwas mehr, aber ich schreie wirklich nicht, denn ich habe mich an dieses Leben gewöhnt. Bevor ich mich bewege, schlägt er mich mit der anderen Hand, mit einer flachen Hand, die mich nicht an den Haaren oder am Hals hochzieht, zwischen Stirnfalte und Mund, ich falle vom Stuhl, auf den Boden, auf den Bauch.

Wirklich: BREAKING NEWS.

Wie schön ist das Leben. Wie neu. Es gibt tatsächlich...
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Autor

Cemile Sahin ist Autorin und Künstlerin und wurde 1990 in Wiesbaden geboren. Sie hat in London und Berlin studiert und ist ars viva-Preisträgerin für Bildende Kunst. »TAXI« war ihr Debütroman, »ALLE HUNDE STERBEN« ihr zweiter, »KOMMANDO AJAX« ihr dritter Roman. Für ihr Schreiben wurde Cemile Sahin mit der Alfred Döblin-Medaille ausgezeichnet. Sie lebt in Berlin.