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Mord in der Sonntagsstraße

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am21.04.20201. Auflage
Es sollte das perfekte Verbrechen sein, und es wurde ein Mord, der ein ganzes Land erschütterte. Schweden in seinen «Wunderjahren», als alles sicher und geregelt schien, die Zukunft verheißungsvoll, blickte in einen Abgrund. Im Juli 1965 wird eine junge Frau tot in ihrem Elternhaus an der idyllischen Sonntagsstraße in Stockholm gefunden. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Was genau ist geschehen? Warum musste sie sterben? Und vor allem: Wer ist der Mörder? In der größten Polizeiaktion der Geschichte Schwedens gelingt es, einen jungen, Deutsch sprechenden Mann zu verhaften, der nach Schweden gekommen ist, um ein «arisches» Mädchen zu finden. Psychisch krank, aber hochintelligent, sucht er unter blonden und blauäugigen Frauen seine Opfer, die er nach einem genauen Plan perfekt töten will ... Peter Englund, Historiker und Erzähler, versteht es wie kaum ein anderer, an einem Einzelfall eine ganze Epoche, ihre Brüche und Spannungen hinter den Fassaden lebendig werden zu lassen. Wie Truman Capote in «Kaltblütig» porträtiert er in einem wahren Verbrechen die moderne westliche Gesellschaft mitsamt ihren Gespenstern aus der Vergangenheit.

Peter Englund, geboren 1957, arbeitete als Kriegsreporter auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak, lehrte Geschichte in Uppsala und wurde Professor fu?r Historische Narratologie in Stockholm. Von 2009 bis 2015 war er Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, die den Nobelpreis vergibt. Mehrere seiner Bu?cher wurden Bestseller; seine Geschichte des Ersten Weltkriegs, «Schönheit und Schrecken» (2011), erschien in rund zwanzig Sprachen. Fu?r sein Werk erhielt Peter Englund u.a. den Selma-Lagerlöf-Preis fu?r Literatur.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEs sollte das perfekte Verbrechen sein, und es wurde ein Mord, der ein ganzes Land erschütterte. Schweden in seinen «Wunderjahren», als alles sicher und geregelt schien, die Zukunft verheißungsvoll, blickte in einen Abgrund. Im Juli 1965 wird eine junge Frau tot in ihrem Elternhaus an der idyllischen Sonntagsstraße in Stockholm gefunden. Die Ermittler stehen vor einem Rätsel. Was genau ist geschehen? Warum musste sie sterben? Und vor allem: Wer ist der Mörder? In der größten Polizeiaktion der Geschichte Schwedens gelingt es, einen jungen, Deutsch sprechenden Mann zu verhaften, der nach Schweden gekommen ist, um ein «arisches» Mädchen zu finden. Psychisch krank, aber hochintelligent, sucht er unter blonden und blauäugigen Frauen seine Opfer, die er nach einem genauen Plan perfekt töten will ... Peter Englund, Historiker und Erzähler, versteht es wie kaum ein anderer, an einem Einzelfall eine ganze Epoche, ihre Brüche und Spannungen hinter den Fassaden lebendig werden zu lassen. Wie Truman Capote in «Kaltblütig» porträtiert er in einem wahren Verbrechen die moderne westliche Gesellschaft mitsamt ihren Gespenstern aus der Vergangenheit.

Peter Englund, geboren 1957, arbeitete als Kriegsreporter auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak, lehrte Geschichte in Uppsala und wurde Professor fu?r Historische Narratologie in Stockholm. Von 2009 bis 2015 war er Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, die den Nobelpreis vergibt. Mehrere seiner Bu?cher wurden Bestseller; seine Geschichte des Ersten Weltkriegs, «Schönheit und Schrecken» (2011), erschien in rund zwanzig Sprachen. Fu?r sein Werk erhielt Peter Englund u.a. den Selma-Lagerlöf-Preis fu?r Literatur.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644100350
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse952 Kbytes
Artikel-Nr.4967385
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Prolog

Hökarängen ist ein Vorort südlich von Stockholm. Dorthin gelangt man am einfachsten mit der «grünen Linie» der U-Bahn. Als ich diese Fahrt unternehme, kommt es mir vor, als würde ich rückwärts durch das Gedächtnis der Stadt reisen: von den fünfhundert Jahre alten Giebelhäusern in Gamla Stan zunächst in die Dunkelheit hinunter und dann wieder hinauf und über das Wasser bei Skanstull, wo tief unten zwischen Lagerschuppen und überfüllten Bootsstegen Gebäude aus dem 18. Jahrhundert vorüberhuschen, vorbei an den Punkthäusern in Skärmarbrink, an den Zeilenhäusern der 40er Jahre des 20. Jahrhunderts in Blåsut, an den hübschen, aber selbstverliebten Villen der Jahrhundertwende in Sandsborg, an dem fröhlichen Durcheinander kleiner pastellfarbener 30er-Jahre-Holzhäuser in Tallkrogen. Die Architektur wird immer radikaler, symmetrischer, blutleerer, die Autos immer dominanter, während gleichzeitig die dazwischenliegenden Flächen aus Natur immer größer werden: Wiesen, Baumgruppen, zutage tretende Felsen. Nach knapp zwanzig Minuten Fahrt hält die Bahn in Hökarängen.

Dort fallen als Erstes mehrere große, hohe, wuchtige Wohnhäuser auf, die signalisieren, dass es sich bei Hökarängen um keinen alten Stadtteil handelt. Ein Fußweg führt an der Feuerwache vorbei in die Siedlung hinein, rechter Hand sieht man eine hohe Felsenkuppe und linker Hand einige von Rasen, Grills und runden Trampolinen umgebene Mehrfamilienhäuser. Der Weg macht eine sanfte Biegung, durchdringt die Vegetation, man passiert eine Pferdekoppel, und orangerote Ziegeldächer schimmern durch die Baumkronen. Skönstaholm. Dann öffnet sich der Blättervorhang, und man sieht niedrige Reihenhäuser, Blumenbeete, Büsche, Birken, Apfelbäume. Auf den kleinen Rasenflächen spielen Kinder, werkeln Leute in Beeten oder trinken Kaffee. Womöglich fällt einem ein besonderes Detail auf: Die Neigung der Dächer ist auf der Vorder- und Rückseite der Häuser unterschiedlich. Tritt man auf die Straße hinaus, folgt der Blick den in Grün eingebetteten Häuserzeilen gen Süden, wo sich das Wohngebiet zum Licht und den tiefer liegenden Feldern hin öffnet. Das ist der Söndagsvägen. Als ich das erste Mal dort stand, dachte ich, dies müsse eins der idyllischsten Viertel von ganz Stockholm sein.

Der größte Teil von Hökarängen wurde von der Stadt Stockholm während der späten 40er und frühen 50er Jahre erbaut und ist ein Beispiel dafür, was der schwedische Wohlfahrtsstaat im besten Falle leisten konnte. Damals, nach dem Zweiten Weltkrieg, als die Zuwanderung vom Land in die Stadt so richtig in Schwung kam, die Wohnungsnot akut war und allgemeine Enge herrschte, wurden in einem Ring rund um Stockholm ganz neue Wohngebiete errichtet, Mustersiedlungen, die zu gleichen Teilen von deutschem Funktionalismus, angelsächsischen New-Town-Ideen und unerschrocken optimistischer schwedischer Ingenieurskunst inspiriert waren.

Das Ergebnis waren eine Art Kleinstädte von ungefähr gleicher Größe, die mit Zirkel, Winkelhaken und Rechenschieber geplant und dann schnell aus dem Boden gestampft worden waren, zum Wohnen ebenso gedacht wie zum Arbeiten, mit jeweils eigenen Zentren mit Ladengeschäften und allen öffentlichen Einrichtungen für die Einwohner - Schulen, Spielplätzen, Bibliotheken, Apotheken, Kindertagesstätten, Schwimmhallen, Sportplätzen, Wohnungen für alleinstehende Mütter, Kinder- und Jugendhilfe, psychiatrischer Beratung, Kinos, Armenfürsorge, Kirche. Sie wurden unmittelbar an einer der U-Bahn-Linien platziert, mit klar markierten Intervallen unberührter Natur dazwischen, zur Versorgung mit Licht, Grün und als leicht erreichbare Erholungsgebiete. Bodenständiger Utopismus paarte sich mit Modernitätsgläubigkeit: Die diesen Gebilden zugrunde liegende Studie umfasste auch Pläne zum Bau von Landeplätzen für jene privaten Kleinhubschrauber, in denen man damals das Transportmittel der Zukunft sah.

Hökarängen ist ein Beispiel für gelungenen Wohnungsbau des schwedischen «Volksheims». Die Häuser entsprechen menschlichem Maß: Es sind überwiegend schmale, zwei- bis dreigeschossige Mehrfamilienhäuser, die in unterschiedlichen Winkeln zueinander stehen und gut in das hügelige, bewaldete Gelände eingefügt sind. Und obwohl das Konzept mit solcherart modernistischen Zeilenhäusern im ganzen Stadtteil - ja, sogar in großen Teilen Schwedens - dasselbe war, bemühten sich die Architekten hier darum, eine allzu geisttötende Monotonie zu vermeiden. Das fällt sogar dem Besucher auf. Farben, Muster, Fassadendetails variieren, offenbar sind die Unterschiede bei Fenstern, Eingangstüren, Balkons wohldurchdacht. Hier und dort finden sich kleine Reliefs. Auch die Ausführung soll durchweg von hoher Qualität sein. Das Volksheim, das man hier errichtete, sollte nicht nur modern sein, «eine Stadt, die offen ist», wie es in einem Gedicht von Ragnar Thoursie heißt, sondern auch von Dauer.

In vielerlei Hinsicht war vor allem die erste Hälfte der 60er Jahre eine glückliche Epoche in Schweden. Die Gesellschaftsbildung war beinahe beendet, ja vollendet, die Wissenschaft galt als gute Sache, Gegensätze näherten sich immer mehr an, alle Ideologien waren tot, die Zukunft hell und unendlich. Während dieser Jahre herrschte ein grenzenloser Optimismus, den nichts besser veranschaulicht als der Wettlauf im Weltraum. Der Wettkampf zwischen den USA und der Sowjetunion darum, wer zuerst einen Menschen auf den Mond schicken könnte, erregte enormes Aufsehen, auch in Schweden, und viele verfolgten aufmerksam die einzelnen Starts und die an sie geknüpften Erwartungen, kannten die Namen der Astronauten, ungeachtet ihrer Nationalität. Die rein praktische Bedeutung dieser Missionen war von weit geringerem Gewicht als die ideelle: Der Mensch lebte jetzt im Weltraumzeitalter, einer neuen Ära, in der alles möglich war. Tekniken idag sagte in der Ausgabe von 1965 zum Beispiel voraus, dass fliegende Autos vor dem Durchbruch stünden, dass gigantische Luftkissenboote schon bald den Atlantik überqueren und innerhalb der nächsten zehn Jahre der erste Mensch seinen Fuß auf den Mars setzen würde - die Mondmissionen waren da bereits ein alter Hut.

Alle Kurven in den Statistiken wiesen nach oben. In den knapp zehn Jahren von 1956 bis 1965 hatte sich das schwedische Bruttosozialprodukt pro Kopf verdoppelt. Im vorangegangenen Jahr, 1964, war es um 7,2 Prozent gewachsen, eine Zahl, die in der Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts selten erreicht wurde. Innerhalb von sieben Jahren war die industrielle Produktion Schwedens um ebenso unglaubliche 66 Prozent gewachsen. Und das bei einem Minimum an Konflikten. In Schweden gab es praktisch keine Arbeitsniederlegungen - vor allem im Vergleich mit den USA, dem gelobten Land der Streiks. Die Arbeitslosigkeit war verschwindend gering. Wer einen Job suchte, wurde sofort fündig, denn wenn es an etwas fehlte, dann an Arbeitskräften. Dem versuchte man mit Arbeitsmigration abzuhelfen, in erster Linie aus Finnland und den anderen nordischen Ländern, aber auch von Deutschen, Österreichern, Italienern und Ungarn. Die schwedische Handelsflotte war fast so groß wie die französische. Ungefähr jedes zehnte Schiff, das irgendwo auf der Welt vom Stapel lief, war auf einer schwedischen Werft gebaut worden. Die Gewinne verblieben nicht allein bei den Besitzern der Exportunternehmen, sondern kamen auch der Mehrzahl der Bevölkerung zugute. Die Einkommensunterschiede verringerten sich, und die Löhne stiegen Jahr für Jahr. Die Steuern waren zwar höher als irgendwo sonst, doch was spielte das für eine Rolle, da sich der Lebensstandard ebenso auf Rekordniveau befand und Schweden die niedrigsten Arbeitslosenzahlen der Welt hatte?

Der Ministerpräsident hieß Tage Erlander, ein eher zurückhaltender Intellektueller aus Lund, groß und schlaksig, zu dessen liebsten Freizeitbeschäftigungen das Lesen von Romanen gehörte, ein Mann, dessen Gestalt zu jener Zeit geradezu landesväterliche Proportionen anzunehmen begann. (Eine kleine, liebevoll karikierte Tonfigur von Erlander nahm in dem Zuhause meiner Kindheit einen Ehrenplatz ein.) 1966 hatte er seine Position zwanzig Jahre lang inne, und die Sozialdemokraten waren seit fast 30 Jahren an der Regierung. Bei der Reichstagswahl 1964 hatte die Partei 47,3 Prozent der Stimmen erhalten, was im Vergleich mit der Kommunalwahl 1962, in der ihr Stimmenanteil 50,1 Prozent betragen hatte, eine Enttäuschung war. Dennoch blieb die Partei weiterhin dominant: Die Sozialdemokraten hatten mehr Mitglieder als alle anderen Parteien zusammengenommen. Dominanz bedeutete jedoch nicht automatisch auch Streitbarkeit. Die Ideologien waren wie gesagt tot - oder lagen im Sterben - und die Politik der Zukunft würde vor allem fürsorgliche Machtausübung von Technokraten und Bürokraten sein: Zukunft hieß Verwaltung, moderner Ordnungssinn, soziale Ingenieurskunst. Niemand stellte die Marktwirtschaft in Frage. Oder die Mischwirtschaft, wie sie damals genannt wurde, denn der Staat besaß viele große Unternehmen und Monopole.

Liberale Nationalökonomen konnten lediglich konstatieren, dass das schwedische System in der Praxis funktionierte, ohne dass es dazu eine passende Theorie gab. In den Augen anderer sah es so aus, als ob Schweden den goldenen Mittelweg zwischen amerikanischem Raubtierkapitalismus und sowjetischer Planwirtschaft gefunden hätte. Der Wohlstand wuchs von Jahr zu Jahr, egal, welche Maßstäbe man anlegte: privater Konsum oder Durchschnittseinkommen oder durchschnittlicher Stundenlohn, Anzahl der Telefone oder...
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Autor

Peter Englund, geboren 1957, arbeitete als Kriegsreporter auf dem Balkan, in Afghanistan und im Irak, lehrte Geschichte in Uppsala und wurde Professor für Historische Narratologie in Stockholm. Von 2009 bis 2015 war er Ständiger Sekretär der Schwedischen Akademie, die den Nobelpreis vergibt. Mehrere seiner Bücher wurden Bestseller; seine Geschichte des Ersten Weltkriegs, «Schönheit und Schrecken» (2011), erschien in rund zwanzig Sprachen. Für sein Werk erhielt Peter Englund u.a. den Selma-Lagerlöf-Preis für Literatur.