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Reinhold Würth

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
208 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am06.04.20201. Auflage
Als sein Vater verstarb, da war er gerade neunzehn. Er übernahm die elterliche Schraubenhandlung und schuf daraus ein Weltunternehmen mit 13,6 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 77.000 Mitarbeitern (2018). Reinhold Würth hat es allen gezeigt: Künzelsau wurde zum Sitz eines Weltkonzerns. Wer ist dieser Mann, der durch Schrauben reich wurde und als vielleicht letzter Patriarch Deutschlands alle Entscheidungen in seinem Unternehmen kontrolliert bis ins letzte Detail? Wie waren seine Anfänge? Welche Rolle spielt seine Familie? Helge Timmerberg begibt sich auf die Spurensuche - und taucht tief ein in eine unglaubliche Geschichte von Macht und Milliarden ...

Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, trampte mit siebzehn nach Indien und beschloss, Journalist zu werden. Er zählt zu den innovativsten Journalisten und Reiseschriftstellern Deutschlands und veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, Stern, Spiegel, Playboy u. a. »Tiger fressen keine Yogis« war sein erster großer Erfolg. Bei Malik und Piper erschienen mehrere Bestseller, zuletzt u. a. die Reisebücher »Die Straßen der Lebenden«, »Das Mantra gegen die Angst«, die Autobiografie »Lecko mio« und »Joint Adventure«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextAls sein Vater verstarb, da war er gerade neunzehn. Er übernahm die elterliche Schraubenhandlung und schuf daraus ein Weltunternehmen mit 13,6 Milliarden Euro Umsatz und mehr als 77.000 Mitarbeitern (2018). Reinhold Würth hat es allen gezeigt: Künzelsau wurde zum Sitz eines Weltkonzerns. Wer ist dieser Mann, der durch Schrauben reich wurde und als vielleicht letzter Patriarch Deutschlands alle Entscheidungen in seinem Unternehmen kontrolliert bis ins letzte Detail? Wie waren seine Anfänge? Welche Rolle spielt seine Familie? Helge Timmerberg begibt sich auf die Spurensuche - und taucht tief ein in eine unglaubliche Geschichte von Macht und Milliarden ...

Helge Timmerberg, geboren 1952 im hessischen Dorfitter, trampte mit siebzehn nach Indien und beschloss, Journalist zu werden. Er zählt zu den innovativsten Journalisten und Reiseschriftstellern Deutschlands und veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, Stern, Spiegel, Playboy u. a. »Tiger fressen keine Yogis« war sein erster großer Erfolg. Bei Malik und Piper erschienen mehrere Bestseller, zuletzt u. a. die Reisebücher »Die Straßen der Lebenden«, »Das Mantra gegen die Angst«, die Autobiografie »Lecko mio« und »Joint Adventure«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492996358
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum06.04.2020
Auflage1. Auflage
Seiten208 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse21938 Kbytes
Artikel-Nr.5074996
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Am Anfang war die Schraube

Am Anfang war die Schraube. Dann kam der Krieg. Und als der Krieg zu Ende war, was brauchte man da? Für seinen Vater war das keine Frage, für seine Mutter auch nicht. Die Meinungsverschiedenheiten seiner Eltern betrafen die grundsätzliche Einstellung zur Schraube. Dreht man sie als Angestellter oder als Chef? Zu diesem Zeitpunkt war Reinhold Würth zehn Jahre alt und trug eine kurze Lederhose. Sein kleiner Bruder lag noch im Kinderwagen, ihr eigenes Heim in Künzelsau hatten sie gerade eben an die Amerikaner verloren, sie waren bei Freunden evakuiert. Die Wohnungsübergabe war ungeordnet verlaufen. Zuerst hatte Reinhold Würth einen Gewehrlauf gesehen, dann einen Helm und schließlich den ersten Afroamerikaner seines Lebens, der die Englischkenntnisse des Jungen testete: »Out, out, out!«

Danach musste es ja irgendwie weitergehen. Sein Vater plädierte für die Wiederaufnahme seines Angestelltenverhältnisses beim Schraubengroßhandel Reisser, sobald es die Besatzungsmächte erlaubten. Adolf Würth hatte es dort vor dem Krieg bis zum Prokuristen gebracht. Das war nicht schlecht für einen 34-Jährigen, und seine Frau gab ihm recht. Nicht schlecht ist nicht schlecht, aber ist es auch gut?

Gut ist ein selbstbestimmtes Leben. Gut ist, morgens im Spiegel einen Mann zu sehen, der ein risikofreudiges Gesicht rasiert. Die Spiegelbilder derer, die auf Nummer sicher gehen, schauen einen anders an. Adolf Würth hatte alles, was ein Unternehmer braucht. Er konnte gut mit Zahlen, er konnte gut mit Menschen, und er hatte einen exzellenten Ruf in seiner Branche. Aber er war auch ein Genießer und neigte zur Gemütlichkeit. So ein Mann wiegt sich gern in Sicherheit.

Von der nichts mehr vorhanden war. 282 britische Lancaster-Flieger hatten am 4.12.1944 1260,8 Tonnen Bomben auf Heilbronn geworfen. Waldenburg, wo sich die SS verschanzt hatte, wurde von den B52-Bombern der Amerikaner dem Boden gleichgemacht. Jagdflieger der Alliierten hatten Künzelsau beschossen und anscheinend auch über den Wiesen und Feldern Hohenlohes gejagt, denn tote Pferde lagen hier und da, außerdem zersiebte Kühe - der April 1945 war kein schöner Anblick, und der Krieg war verloren.

Aber auch zu Ende, und das war die gute Nachricht. Nach jedem Ende kommt ein Anfang. Und jedem Anfang wohnt eine Schraube inne, die uns hilft, Hohenlohe wieder aufzubauen. So in etwa argumentierte Alma Würth. Man brauchte Schrauben, Schrauben und nochmals Schrauben - sonst nichts, außer ein bisschen Mut vielleicht, denn welcher Zeitpunkt wäre besser für den Schritt in ein neues, selbstständiges Unternehmerleben als die Tage, in denen niemand mehr etwas hat und alle wieder von vorn beginnen?

Alma Würth war keine Tochter Baden-Württembergs, sie kam aus Schleswig-Holstein, also von der Waterkant, und da herrscht ein anderer Wind als in dem milden Klima des Südwestens. Sie war energischer, konsequenter und vielleicht auch mutiger als ihr Mann, und sie war sich sicher, dass es klappen konnte. Noch bevor sie die Großeltern erreichte, war die Sache entschieden: Adolf Würth wird Chef.

Großvaters gezirkelter Kaiser-Wilhelm-Bart hielt die Stellung in Krieg und Frieden. Der Schnauzer war zu beiden Seiten horizontal nach außen gezwirbelt und an seinem Ende mit einer Locke verziert. Solange Großvaters Bart besteht, wird auf seiner Wiese das nasse Gras in großen Schwüngen mit der Sense gemäht und in seinen Geschäftsbüchern jeder Pfennig, der eingenommen oder ausgegeben wird, mit einer Schrift notiert, die schön ist, ohne verspielt zu sein, und gleichzeitig so korrekt wie der prächtige Bart in seinem Gesicht. Weil er mit seinem Bauernhof, seiner Weingärtnerei und einer kleinen Weinwirtschaft immer selbstständig gewesen war, unterstützte er das Aufbegehren seines Sohnes gegen die Enge des Angestelltendaseins. »Tue recht und scheue niemand«, sagte er zu ihm, und das wird auch sein Enkel nie mehr vergessen. Auch das Dachkämmerle nicht und die riesige Daunendecke mit der Wärmflasche im Bett, sie hatte immer Reinhold Würths Träume beschützt. Und stets kam die Großmutter am nächsten Morgen mit einer großen Tasse Milch und einem Brot, dick mit Butter bestrichen und mit Käse belegt.

Reinhold Würth wird später in seinem Leben oft darüber sprechen, dass er sich als Glied in der Kette seiner Ahnen versteht. Und nie wurde sein Urvertrauen in die Familie gebrochen. Selbst der Welterfolg seiner Schrauben hat mit seinem Großvater begonnen, denn der war es, der seinen Vater in die Lehre zu einem Schraubengroßhändler geschickt hatte und nun auch dabei beriet, wie man seinen eigenen Laden aufmacht - den Reinhold Würth zehn Jahre später übernehmen wird. Die Schraube rollt durch diese Familie, und sie lässt sich, Gott allein weiß warum, nicht stoppen.

Am 16.âJuli 1945 nimmt die Schraubengroßhandlung Adolf Würth in einem Nebengebäude der alten Schlossmühle von Künzelsau ihren Betrieb auf. Das Lager: rund 170 Quadratmeter, das Büro: 15 Quadratmeter, wenn´s hochkommt. Personal: ein Angestellter, der aber gleichzeitig noch Herbergsvater in einer Jugendherberge ist, der Fuhrpark: ein Handleiterwagen, eine Sackkarre und ein Ochsenfuhrwerk. Es sind 17 Kilometer bis zur Schraubenfabrik L. & C. Arnold in Ernsbach. Züge fahren nicht mehr, denn die Brücken sind gesprengt. Irgendwas Motorisiertes hat weder die eine noch die andere Firma, also muss das liebe Vieh ran, bis es in Künzelsau endlich gelingt, einen alten Lkw wieder fahrbereit zu machen. Allerdings anders als vorher: Kein Benzin, kein Diesel, sondern Holzgas treibt ihn an. Der Kessel mit dem Generator qualmt hinter dem Führerhäuschen, zum »Tanken« wird Holz nachgeschoben, das in Säcken mitgeführt wird. Höchstgeschwindigkeit: 25 Stundenkilometer. Notbremse: Zwei meißelähnliche Eisendorne an der Hinterachse können herabgelassen werden, die sich in die Straßendecke verkrallen. So rollten in den Pioniertagen der Firma Würth die Schrauben in die Schlossmühle. Im Lager stand in der Mitte zwischen den Regalen ein großer Tisch mit gedrechselten Beinen und darauf eine Küchenwaage mit zwei Schalen. In einem Eimer unter dem Tisch befand sich die eingegangene Ware. Mit einem Milchtopf wurden die Schrauben aus dem Eimer auf den Tisch geschöpft, wo sie gezählt, gewogen und abgepackt wurden. Bis zu 100 Schrauben wurden grundsätzlich mit der Hand gezählt und dann entsprechend ihrem Gewicht zu 500 oder 1000 Stück multipliziert. Von wem? Nun, in einem Familienbetrieb macht so etwas die Familie.

Der große indische Musiker Ravi Shankar sagte einmal, dass jeder, der es zur Meisterschaft an der Sitar bringen will, im Alter von sechs oder sieben Jahren mit dem Üben anfangen muss. Dasselbe gelte für die Tablas und jedes andere klassische Instrument des Subkontinents. In Europa saß Mozart noch früher am Klavier, Beethoven auch. Beide waren schon mit sechs Jahren konzertfähig. Beim Sport gilt dasselbe. Studiert man die Lebensläufe von Weltmeistern, egal welcher Disziplin, wird man feststellen, dass fast alle bereits als Kind begannen, professionell zu trainieren. Und früh übt sich natürlich auch, was später ein Milliardär werden soll. Reinhold Würth begann mit zehn Jahren. Die Schule öffnete zwar im Herbst 1945 wieder ihre Pforten, sogar mit einer extrem hübschen Lehrerin namens Fräulein Göltenbot, die höchstens 19 Jahre alt war, aber fürs Leben lernte er zu Hause. Er half bei praktisch allem, was die Schraube verlangte, doch Kinderarbeit würde er das später niemals nennen - dafür machte es ihm zu viel Spaß, mit den Ochsen oder dem Holzgas-Lastwagen die Schrauben zu holen, mit der Mutter die Schrauben zu zählen und mit dem Tischler die Regale für die Schrauben zu bauen. Am liebsten aber ging er mit dem Vater die Schrauben verkaufen. Erst zu Fuß bei den Handwerkern in Künzelsau und Umgebung, und als die Eisenbahnen wieder nach Schwäbisch Hall und Heilbronn fuhren und der Postbus endlich wieder das gesamte Kreisgebiet erschloss, ging es weiter in die Ferne, allerdings so weit nun auch wieder nicht, weil die Siegermächte ihre Besatzungszonen wie eigenständige, autonome Wirtschaftsgebiete organisierten und Handel und Wandel über ihre Grenzen hinaus verboten. Trotz der beengten Verhältnisse entdeckte Reinhold Würth während dieser Touren die Leidenschaft seines Lebens. Oder besser: Er entdeckte gleich zwei. Das Verkaufen und das Reisen. Und glücklich ist, wer nie vergisst, dass beides zusammengehört.

1947 vereinigten Amerikaner und Briten ihre Zonen zu einem Wirtschaftsgebiet, und nun reisten Vater und Sohn bereits ins Sauerland und nach Westfalen, um mit den dort ansässigen Schraubenfabrikanten ins Geschäft zu kommen. Denn Gewinne, das ist klar, macht man am leichtesten beim Einkauf. Probleme gab´s nur beim Bezahlen. Nicht weil kein Geld da war - im Gegenteil, es gab jede Menge, aber es war nichts wert. Die Inflation hatte aus einer Mark einen Pfennig gemacht. Niemand wollte einen Sack voller Scheine für ein Pfund Schrauben. Aber Zigarren nahm man natürlich gern.

Adolf Würth war ohne Zigarre kaum vorstellbar. Es schien, als sei er mit ihr geboren. Es gibt kein Foto von ihm ohne Zigarre, selbst ins Bad nahm er sie mit, und auch beim Schwimmen blieb sie zwischen seinen Lippen. Was für den Großvater der Kaiser-Wilhelm-Bart war, das war für ihn die Zigarre. Nicht angewachsen, nur angesaugt, balancierte sie Gewinne und Verluste aus, Kältewelle und Hungersnot, Leben und Tod. Solange ich rauche, bin ich. Es gab keinen Adolf Würth ohne Zigarre, und sie stand ihm auch sehr gut. Sie passte zu seinem Gesicht mit den lebensfrohen Wangen und der hohen Stirn, und in seiner Hand wurde sie zum Dirigentenstab. Natürlich hatte so ein Mann exzellente Quellen für den Nachschub, und sein Sohn brachte die Zigarren mit dem Fahrrad zur...
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Autor

Helge Timmerberg, Jahrgang 1952, ist Journalist und Reiseschriftsteller. Er veröffentlicht in der Süddeutschen Zeitung, der Zeit, Stern, Spiegel, Playboy u.a. und schrieb Bücher wie "Tiger fressen keine Yogis", "Shiva-Moon", "Der Jesus vom Sexshop" und "African Queen". Zuletzt erschienen der SPIEGEL-Bestseller "Die rote Olivetti", "Die Straßen der Lebenden" sowie "Das Mantra gegen die Angst".