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Riss in der Zeit

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Verlag Krug & Schadenbergerschienen am13.03.20201. Auflage
Jana ist Restauratorin. Soeben hat sie ihre erste große Arbeit vollendet und einer alten Dorfkirche in Brandenburg zu neuem Glanz verholfen. Zufrieden kehrt sie nach Berlin zurück und nimmt ihr gemeinsames Leben mit Frauke wieder auf. Die beiden Frauen sind seit drei Jahren ein Paar. Dass Jana nicht gern auf Partys geht, sich ungern unter vielen Menschen aufhält und fast nie etwas über ihre Vergangenheit erzählt, macht Frauke manchmal stutzig, aber sie verbucht es unter 'wortkarge Butch'. Doch von einem Augenblick auf den anderen ändert sich alles: Jana gerät unfreiwillig ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, und beide Frauen müssen sich fragen, wie viel Offenheit und Vertrauen zu einer Beziehung gehören ... Ein Roman über Verschweigen und Vertrauen, Vorurteile und die Schatten der Vergangenheit.

Ahima Beerlage, geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen-Buer, studierte in Marburg an der Lahn und kam 1987 nach Berlin. Beim linken Privatsender 'Radio 100' saß sie für die erste schwul-lesbische Sendung 'Eldoradio' am Mikrofon und hob mit FreundInnen die 'Queer Party' im Berliner Club SO36 aus der Taufe. 1998 erschien ihr Roman 'Sterne im Bauch'. In der Folgezeit trug Ahima Beerlage Erzählungen zu den erotischen Anthologien 'Augenblicke' und 'Verführungen' und vielen weiteren Büchern zum Thema lesbische Erotik bei, und 2018 erschien ihr Buch 'Lesbisch - Eine Liebe mit Geschichte'. Seit einigen Jahren engagiert sich Ahima Beerlage für literarische Veranstaltungen im Berliner Frauen-Kultur-Treff Begine und rezensiert Bücher für feministische Magazine wie 'Virginia' und das Online-Magazin AVIVA. 'Riss in der Zeit' ist ihr zweiter Roman.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR16,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextJana ist Restauratorin. Soeben hat sie ihre erste große Arbeit vollendet und einer alten Dorfkirche in Brandenburg zu neuem Glanz verholfen. Zufrieden kehrt sie nach Berlin zurück und nimmt ihr gemeinsames Leben mit Frauke wieder auf. Die beiden Frauen sind seit drei Jahren ein Paar. Dass Jana nicht gern auf Partys geht, sich ungern unter vielen Menschen aufhält und fast nie etwas über ihre Vergangenheit erzählt, macht Frauke manchmal stutzig, aber sie verbucht es unter 'wortkarge Butch'. Doch von einem Augenblick auf den anderen ändert sich alles: Jana gerät unfreiwillig ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit, und beide Frauen müssen sich fragen, wie viel Offenheit und Vertrauen zu einer Beziehung gehören ... Ein Roman über Verschweigen und Vertrauen, Vorurteile und die Schatten der Vergangenheit.

Ahima Beerlage, geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen-Buer, studierte in Marburg an der Lahn und kam 1987 nach Berlin. Beim linken Privatsender 'Radio 100' saß sie für die erste schwul-lesbische Sendung 'Eldoradio' am Mikrofon und hob mit FreundInnen die 'Queer Party' im Berliner Club SO36 aus der Taufe. 1998 erschien ihr Roman 'Sterne im Bauch'. In der Folgezeit trug Ahima Beerlage Erzählungen zu den erotischen Anthologien 'Augenblicke' und 'Verführungen' und vielen weiteren Büchern zum Thema lesbische Erotik bei, und 2018 erschien ihr Buch 'Lesbisch - Eine Liebe mit Geschichte'. Seit einigen Jahren engagiert sich Ahima Beerlage für literarische Veranstaltungen im Berliner Frauen-Kultur-Treff Begine und rezensiert Bücher für feministische Magazine wie 'Virginia' und das Online-Magazin AVIVA. 'Riss in der Zeit' ist ihr zweiter Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783959172189
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum13.03.2020
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1030 Kbytes
Artikel-Nr.5121362
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Flashback

Am liebsten würde sie alle rausschmeißen, besonders diesen blöden Kerl, der sich betont lässig mit gespreizten Fingern an der frischgekälkten Wand abstützt und die gelangweilt dreinblickende junge Frau volltextet, die ihm gegenübersteht. Er ist der Sohn des Bürgermeisters und Leiter der Jugendfeuerwehr. Er ist genauso aufgeblasen wie sein Vater, der gerade eben sein Bierglas auf der frischgeölten Balustrade an der Treppe zum Altarraum abstellt. Für diese Idioten ist das alles nur Kulisse für ihren großen Auftritt. Die kleine Kirche interessiert sie einen Dreck. Die Event-Agentur hat den Innenraum mit grellen Scheinwerfern ausgeleuchtet. Nichts bleibt verborgen. Jede Unebenheit im Putz, jede ungeschickte Perspektive in den Malereien - alles ist mit kaltem Licht geflutet. So nackt. Kichernde Mädchen machen Handybilder von der Madonna mit den dicken Beinen. Diese kleine Kirche ist gedacht für Dämmerung und Kerzenlicht. Niemand hat das Recht, sie mit schmutzigen Händen anzutatschen, sie zu blenden, sich über sie lustig zu machen und sie als Kulisse für das eigene Ego zu missbrauchen. Jana kann sich kaum beherrschen, so wütend macht sie dieser verdammte Empfang, und sie wünscht sich, sie hätte all diese Schönheit unter dem Rauputz versteckt gelassen. Und dafür hat sie sich auch noch in ihren coolen Anzug aus dem Vorstellungsgespräch geworfen. Er riecht noch etwas streng nach chemischer Reinigung, stellt sie fest, als sie verstohlen an einem Ärmel schnüffelte. Da hilft ihr herbes Parfüm auch nicht. Frische Luft - sie braucht frische Luft, um wieder runterzukommen. Die massive Holztür steht offen, aber auf dem Weg muss sie an Grüppchen gutgekleideter Menschen vorbei, die an stoffummantelten Stehtischen lehnen und sich mit Sektgläsern in den Händen mehr oder weniger angeregt unterhalten, während Kellnerinnen des Catering-Services geschickt schwere Tabletts mit vollen Gläsern durch den mit Menschen gefüllten Kirchraum balancieren. Ein Mix aus Klassik-Schlagern, seelenlos hingeklimpert, dudelt neben distinguiertem Gemurmel durch das Gewölbe. Jana bereut, dass sie sich das Rauchen abgewöhnt hat. Heute wäre der perfekte Tag, hektisch an einer Kippe zu ziehen, denkt sie. Doch es hilft ja nichts. Da muss sie jetzt durch - das hat sie Frauke und Heiko versprochen. Jede Faser in ihr möchte flüchten. Je länger sie in der Menschenmenge verharrt, desto mehr steigen brennend schmerzende Äste der Angst in ihr auf, denen sie machtlos ausgeliefert ist. Dass ihre Gefühle wie Tischtennisbälle auf stürmischer See tanzen, macht es nicht besser. Atmen, ruhig atmen. Stell dir dein Metronom vor. Tick, tack. Du schaffst das, versichert Jana sich selbst. Verstohlen legt sie sich die Hand auf den Bauch und atmet bis zu ihr hinunter. Noch hat niemand sie wahrgenommen. Eine Mischung aus Wut und Panik brennt auf ihrem Zwerchfell und erschwert ihr das Atmen. Loslassen, lass die kleine Kirche los, dann bekommst du dich auch wieder besser in den Griff. Sie ist älter als du und kann das verkraften, redet sie sich ein. Vielleicht war für sie alles besser, als unter Putz vergessen Landmaschinen zu beherbergen.

Doch all ihre Selbstbeschwörungen nützen nichts. Sie spürt, wie die gleißenden Äste aus Angst sich in ihren Nacken ausbreiten, ihre Hände unter Strom setzen, ihren Hals austrocknen. Ein Kugelblitz formt sich auf ihrem Zwerchfell und rollt hin und her. Sie ist wie gelähmt von ihrem inneren Sturm. Der Riss, sie kann ihn nicht zuhalten. Er reißt auf, immer weiter. Das passiert, wenn sie unter Menschen geht. Warum konnte sie das Frauke und Heiko nur nicht klarmachen? Gespräche zu zweit, Zeit mit sich allein verbringen - das kann sie. Aber sie schafft es kaum, in einer Menschenmenge auszuharren. Das ist nichts für sie - seit damals. Verdammt, nur nicht wegrutschen.

Alle Menschen im Raum starren sie an, zeigen mit dem Finger auf sie, wollen sie anklagen.

Ihre Atmung wird flacher, hektischer, der Schweiß bricht ihr aus. Ihre Armmuskeln werden hart, und ihre Hände ballen sich zu Fäusten. Die Fingerspitzen werden taub. Ihre Zunge fühlt sich dick und geschwollen an. Schnell ruft sie ab, was sie in der Therapie gelernt hat: Ich bin im Jahr 2018, in einem Dorf in Brandenburg. Ich bin Jana, ich lebe mit Frauke zusammen. Ich habe mit Heiko die Kirche restauriert. Ich bin sicher. Niemand kann mir etwas tun. Niemand will mir etwas tun. Ich bin im Jahr 2018, in einem Dorf in Brandenburg. Ich bin Jana, ich lebe mit Frauke zusammen. Ich habe mit Heiko die Kirche restauriert. Ich bin sicher. Niemand kann mir etwas tun. Niemand will mir etwas tun. Ich bin im Jahr 2018, in einem Dorf in Brandenburg. Ich bin Jana, ich lebe mit Frauke zusammen. Ich habe mit Heiko die Kirche restauriert. Ich bin sicher. Niemand kann mir etwas tun. Niemand will mir etwas tun.

Mit jedem Satz, stumm beschworen, wird das Geschrei in ihr leiser, das Bild von der geifernden Menge blasser, sie kann wieder tiefer atmen, und das Gefühl kehrt in ihre Finger zurück. Sie sieht sich prüfend um. Immer noch hat niemand Notiz von ihr genommen. Glück gehabt, denkt sie erleichtert. Sie wartet, bis sich ihr Puls normalisiert hat. Na toll, stellt sie fest, jetzt ist das frische Hemd pitschnass geschwitzt. Da werde ich das Jackett anbehalten müssen. Hoffentlich wirkt mein Deo. Wenn ihr solche Gedanken kommen und ihr Körper ihr wieder bewusst wird, dann hat sie die Attacke überwunden.

Sie sieht sich um. Die meisten der Besucherinnen und Besucher wenden sich gerade dem kleinen Podest vor der Kanzel zu, auf dem der Bürgermeister in dem Moment das Mikrofon testet, ein großgewachsener Mann mit grauen Schläfen und Bauchansatz, der in der DDR zur Leitung der LPG gehört hat und seit der Wende Bürgermeister im Dorf ist. »Bin ich zu hören?« Das schon, denkt Jana, aber wer will das schon? Da wirft er sich in Pose, zieht seine Wampe ein und beginnt seine Rede. Wie ein Provinztenor hebt und senkt er die Stimme theatralisch und betont immer die falschen Wörter, findet Jana, während er das Verdienst des Dorfes an der Restaurierung der Kirche hervorhebt und sich und seine Parteigenossen (ohne Genossinnen) für ihr außergewöhnliches Engagement in Sachen Denkmalschutz lobt. Ihm, und fast gewinnt man den Eindruck ihm allein, ist es zu verdanken, dass dieser bauliche Schatz, der von der DDR-Regierung vierzig Jahre lang vernachlässigt wurde, nun wieder in altem Glanz erstrahlt. Ach ja? Wer hat denn den Innenraum wie einen Kuhstall kälken und später auch noch verputzen lassen? So ein verlogener Wicht, regt Jana sich innerlich auf. Sie wundert sich, dass er überhaupt noch essen oder atmen kann bei seinem Wendehals. Wie sie erwartet hat, erwähnt er Heikos und ihre gemeinsame Arbeit mit keinem Wort. Er nimmt Heiko übel, dass er sich als Restaurator gegen die Umwidmung der Kirche zum Heimatmuseum ausgesprochen hat, plante er doch, die wechselvolle Geschichte des Dorfes darin darstellen zu können. Das sieht ihm ähnlich - ein Museum über die glorreichen Zeiten der LPG unter seinem Vorsitz, denkt Jana. Renovierte Mähdrescher und Erntefotos in Vitrinen an Stelle von Kirchenbänken. Und darüber Spruchbänder wie »Mein Arbeitsplatz - Mein Kampfplatz für den Frieden!« statt alter Fresken. Zum Glück wurde sein Vorhaben von einer Mehrheit im Gemeinderat abgeschmettert.

Jana sieht sich suchend um. Wo steckt Heiko eigentlich? Dahinten steht er - sie freut sich, als sie ihn entdeckt. Er lehnt an einer Säule im Schatten zwischen zwei Scheinwerfern und sieht finster in die gleißende Helligkeit, die den Fresken ihre Wirkung nimmt. Heiko hat sich schick gemacht - oder es zumindest versucht. Seine Jeans ist frisch gewaschen, aber vom Trockner im Waschsalon verknittert, das weiße Hemd unter dem knappsitzenden, abgetragenen schwarzen Jackett hat noch die Knicke aus der Verpackung. Er gibt sich gelassen, doch seine Hände, die immer wieder über den fusseligen Bart streichen, verraten seine Anspannung. Jana stellt erleichtert fest, dass Heiko genauso wenig Lust auf diese Show hat wie sie. Ihre Blicke treffen sich, und Heiko zuckt schicksalsergeben die Schultern, während er ihr ein freundschaftliches Grinsen schenkt. Da müssen wir wohl durch, sagt sein Blick. Jana geht zu ihm hinüber und stellt sich neben ihn. Heiko knufft sie kurz. Sie reibt sich gespielt schmerzgeplagt die Seite und grinst.

Der nächste Redner ist der Gemeindekirchenratsvorsitzende, ein kleiner rundlicher Mann mit einem schütteren angegrauten braunen Haarkranz in ebenso braunem Cordanzug. Jana erinnert sich angefressen an seine rechthaberische Art bei der Abnahme der Kirche. In einen viel zu engen Anzug gezwängt, bedankt er sich zuckersüß bei der Kirche für die großzügige Zuwendung für die Restaurierung und malt die Zukunft der evangelischen Gemeinde in der kleinen Dorfkirche in ebenso bunten Farben wie sie von den frisch restaurierten Wänden strahlen.

Jana entdeckt Barbara Korte, die als geschäftsführende Pfarrerin als Nächste auf der Redeliste steht. Heute trägt sie die Haare offen und nicht wie sonst praktisch im Nacken gebunden. Sie wirkt genauso abgespannt und müde wie bei der Abnahme. Jana tut sie ein bisschen...
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Autor

Ahima Beerlage, geboren und aufgewachsen in Gelsenkirchen-Buer, studierte in Marburg an der Lahn und kam 1987 nach Berlin. Beim linken Privatsender "Radio 100" saß sie für die erste schwul-lesbische Sendung "Eldoradio" am Mikrofon und hob mit FreundInnen die "Queer Party" im Berliner Club SO36 aus der Taufe. 1998 erschien ihr Roman "Sterne im Bauch". In der Folgezeit trug Ahima Beerlage Erzählungen zu den erotischen Anthologien "Augenblicke" und "Verführungen" und vielen weiteren Büchern zum Thema lesbische Erotik bei, und 2018 erschien ihr Buch "Lesbisch - Eine Liebe mit Geschichte". Seit einigen Jahren engagiert sich Ahima Beerlage für literarische Veranstaltungen im Berliner Frauen-Kultur-Treff Begine und rezensiert Bücher für feministische Magazine wie "Virginia" und das Online-Magazin AVIVA. "Riss in der Zeit" ist ihr zweiter Roman.

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt