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Winter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am02.11.2020
Winter - die kürzesten Tage, die längsten Nächte. Eine Jahreszeit, die uns das Überleben lehrt. Vier Leute, Fremde und Familie, verbringen Weihnachten in einem riesigen Haus in Cornwall, und doch stellt sich die Frage, ob jeder genug Platz findet. Denn Arthurs Mutter Sophia sieht Dinge, die nicht sein können. Arthur selbst sieht andere. Und da sind noch Iris, Sophias Schwester, ewige Rebellin, nach dreißig Jahren wieder zurück, und Lux, eine Fremde, die Arthur als seine Freundin ausgibt. Eine besondere Nacht, voll Streit und Lügen, Erinnerungen und Mythen. Eine besondere Zeit - unsere Zeit.

Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt in Cambridge. Sie hat mehrere Romane und Erzählbände veröffentlicht und zahlreiche Preise erhalten. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Ihr Roman »Beides sein« wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women's Prize for Fiction. Mit »Herbst« kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize sowie auf Platz 6 der SWR-Bestenliste, für »Sommer« erhielt sie den George Orwell Prize. 2022 wurde Ali Smith mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWinter - die kürzesten Tage, die längsten Nächte. Eine Jahreszeit, die uns das Überleben lehrt. Vier Leute, Fremde und Familie, verbringen Weihnachten in einem riesigen Haus in Cornwall, und doch stellt sich die Frage, ob jeder genug Platz findet. Denn Arthurs Mutter Sophia sieht Dinge, die nicht sein können. Arthur selbst sieht andere. Und da sind noch Iris, Sophias Schwester, ewige Rebellin, nach dreißig Jahren wieder zurück, und Lux, eine Fremde, die Arthur als seine Freundin ausgibt. Eine besondere Nacht, voll Streit und Lügen, Erinnerungen und Mythen. Eine besondere Zeit - unsere Zeit.

Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt in Cambridge. Sie hat mehrere Romane und Erzählbände veröffentlicht und zahlreiche Preise erhalten. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Ihr Roman »Beides sein« wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women's Prize for Fiction. Mit »Herbst« kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize sowie auf Platz 6 der SWR-Bestenliste, für »Sommer« erhielt sie den George Orwell Prize. 2022 wurde Ali Smith mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641222970
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum02.11.2020
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2477 Kbytes
Artikel-Nr.5142594
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Guten Morgen, sagte Sophia Cleves. Schönen Heiligabend.

Sie sagte es zu dem körperlosen Kopf.

Es war der Kopf eines Kindes, bloß ein Kopf ohne einen Körper dran, der selbständig in der Luft schwebte.

Ausdauer hatte er, der Kopf. Es war sein vierter Tag in Sophias Haus; sie hatte am Morgen die Augen aufgeschlagen, und er war immer noch da, schwebte dieses Mal über dem Waschbecken und betrachtete sich im Spiegel. Er fuhr herum, als sie ihn ansprach, und machte, als er sie erblickte - kann man das von etwas, das keinen Hals und keine Schultern hatte, sagen? -, eine Verbeugung, eindeutig, kippte leicht vornüber, senkte dabei respektvoll die Augen und hob sie wieder, formvollendet und munter: Verbeugung oder Knicks? War der Kopf männlich oder weiblich? Wohlerzogen war er auf jeden Fall, höflich, der Kopf eines braven Kindes (noch im vorsprachlichen Alter vielleicht, denn ziemlich still) von der Größe einer Cantaloupe (war es paradox oder ein Mangel, dass sie mit Melonen besser klarkam als mit Kindern?, zum Glück hatte Arthur, als er noch klein war, schnell gemerkt, dass es ihr lieber war, wenn Kinder sich weniger kindisch aufführten), einer Melone allerdings sehr unähnlich insofern, als er ein Gesicht hatte und einen Schopf vollen Haars, einige Zentimeter länger als er selbst, dicht, dunkel, leicht gewellt, fast romantisch wie ein Ritter im Miniaturformat, falls er männlich war, oder, falls weiblich, wie das laubgeschmückte Kind in dem Park in Paris auf der alten Schwarz-Weiß-Postkarte nach einer Aufnahme des französischen Fotografen Édouard Boubat, auf der es der Kamera den Rücken zukehrt (petite fille aux feuilles mortes jardin du Luxembourg Paris 1946), und als Sophia heute Morgen die Augen aufschlug und ihn dort sah, den Kopf mit dem Hinterkopf in ihre Richtung gekehrt, hob und senkte sich das Haar gerade verführerisch im Luftzug der Zentralheizung, aber nur leicht und nur auf einer Seite, direkt oberhalb des Heizkörpers; nun schwang und wehte es um den Bruchteil einer Sekunde verzögert mit dem Wiegen und Schaukeln des sich verneigenden freischwebenden Kopfes mit wie das Haar einer mit Weichzeichner gefilmten Person in einer Shampoowerbung in Zeitlupe. Siehst du? Shampoowerbung ist weder gespenstisch noch morbide. Nichts, wovor man sich fürchten müsste.

(Es sei denn, Shampoowerbung oder vielleicht sogar Werbespots generell sind genau genommen schreckliche Visionen von lebenden Toten, und wir sind bloß schon so daran gewöhnt, dass sie uns nicht mehr schockieren.)

Jedenfalls war er einfach nicht beängstigend, der Kopf. Er war niedlich und verschämt in seiner Feierlichkeit, und das sind keine Wörter, die man mit etwas Totem oder mit dem Gedanken an ein marodierendes Gespenst von etwas Totem verbindet - und er wirkte ja auch keineswegs tot, obwohl es so aussah, als wäre er weiter unten, an der Stelle, wo einmal ein Hals gewesen sein mochte, einen Tick grausiger, als wäre da, nur eben so erkennbar, ein Hauch von etwas Viszeralem, Zerfetztem, Fleischigem.

Aber alles über diesen Hauch Hinausgehende war gut hinter Haar und Kinn versteckt, sprang einem nicht sofort ins Auge, denn was ins Auge sprang, war die Lebendigkeit des Kopfes, das Anheimelnde seines Betragens, und so, wie er fröhlich in der Luft neben ihr schaukelte, eine kleine grüne Boje in ungetrübter See, während Sophia sich das Gesicht wusch und die Zähne putzte, und wie er Sophia voraus lässig die Treppe hinabschwebte und sich, ein kleiner Planet in einem eigenen Mikrouniversum, zwischen den eingestaubten Trieben der Kollektion toter Orchideen auf dem unteren Treppenabsatz hindurchwand, strahlte er mehr Gutartigkeit aus als jeder andere Kopf, den sie bisher gesehen hatte, ob Buddha, x-beliebiger Amor auf einem Gemälde oder blöde glotzender Weihnachtsengel.

In der Küche füllte Sophia Wasser und Kaffee in die Espressomaschine, schraubte das Oberteil fest und zündete das Gas an. Da wich der Kopf vor der plötzlichen Hitze zurück. Seine Augen waren voller Lachen. Wie zum Spaß schwebte er abwechselnd näher an die Flamme heran und wieder zurück.

Du wirst dir noch die Haare versengen, sagte sie.

Der Kopf schüttelte den Kopf. Sie lachte. Wonnig.

Ob er weiß, was Weihnachten ist, ob er den Heiligen Abend kennt?

Welches Kind kennt ihn nicht?

Wie wohl die Züge heute verkehren? Vielleicht möchte er, dass ich mit ihm einen Ausflug nach London mache. Wir könnten zu Hamleys gehen. Die Weihnachtsbeleuchtung.

Wir könnten in den Zoo gehen. Ob er schon mal im Zoo war? Kinder mögen ja den Zoo. Hat der überhaupt geöffnet, so kurz vor Weihnachten? Wir könnten uns auch etwas ansehen, ich weiß nicht, die Wachen, die sind immer da mit ihren Bärenfellmützen und den roten Uniformjacken, Weihnachten hin oder her. Das wäre doch großartig. Oder wir könnten ins Wissenschaftsmuseum gehen, wo man sich die Hände durchleuchten lassen und sich seine Knochen ansehen kann.

(Oh.

Der Kopf hatte keine Hände.)

Na ja, ich könnte für ihn die Knöpfe drücken, könnte die interaktiven Sachen für ihn übernehmen, wenn er es nicht selber kann. Oder ins Victoria and Albert. Solche Schönheit, ganz gleich, wie alt oder jung man ist. Oder ins Naturhistorische Museum. Ich kann ihn mir unter den Mantel stecken. Oder ich nehme eine große Tasche, schneide Gucklöcher rein, lege einen zusammengefalteten Schal, einen Pullover, irgendetwas Weiches, auf den Taschenboden.

Der Kopf war auf dem Fensterbrett und schnupperte an den Resten des Thymians aus dem Supermarkt. Schloss genießerisch, wie es aussah, die Augen. Rieb die Stirn an den winzigen Blättern. Thymiangeruch zog durch die Küche, und die Pflanze purzelte ins Spülbecken.

Wenn sie schon mal drin war, die Pflanze, drehte Sophia den Hahn auf und gab ihr Wasser.

Dann setzte sie sich mit dem Kaffee an den Tisch. Der Kopf ließ sich neben der Obstschale mit Äpfeln und Zitronen nieder. Ihr Tisch sah nun aus wie witzige Kunst, wie eine Installation oder wie ein Bild des Malers Magritte: Das ist kein Kopf; nein, wie Köpfe von Dalí oder de Chirico, aber lustig wie bei Duchamp, der der Mona Lisa einen Schnurrbart angemalt hat, oder sogar wie ein Stillleben mit Tisch von Cézanne, den Sophia einerseits immer verstörend, andererseits aber erfrischend fand, denn er zeigt ja, auch wenn man das kaum glauben mag, dass Äpfel und Orangen genauso gut blau und violett sein können, Farben, die man ihnen nicht zugetraut hätte.

Vor kurzem hatte sie in einer Zeitung ein Foto von etwas gesehen, das wie eine Wand von Menschen aussah, die vor der Wand im Louvre standen, an der die Mona Lisa hängt. Vor der echten Mona Lisa hatte Sophia selbst schon gestanden, aber eine Weile bevor sie Arthur bekam, also vor dreißig Jahren, und schon damals hatte man seine liebe Not, einen Blick auf das Bild zu erhaschen wegen des großen Pulks von Menschen, die sich davor drängten und es fotografierten. Außerdem war es bemerkenswert klein gewesen, das große Meisterwerk, viel kleiner, als sie es bei so einem berühmten Kunstwerk erwartet hätte. Vielleicht war es dem Auge wegen der Menge davor kleiner erschienen.

Anders als damals drehten sich die Leute, die jetzt davorstanden, aber nicht einmal mehr zu dem Bild um. Die meisten kehrten ihm den Rücken zu und fotografierten sich selbst damit; heute verschenkte dieses alte Bild sein souveränes Lächeln an Rücken, die Rücken von Leuten mit in die Luft gereckten Telefonen. Die Leute sahen aus, als salutierten sie. Aber wem?

Der Stelle vor einem Gemälde, an der Museumsbesucher stehen und es sich nicht ansehen?

Sich selbst?

Der Kopf auf dem Tisch sah sie mit gehobenen Brauen an. Als läse er ihre Gedanken, schenkte er ihr ein kleines Mona-Lisa-Schmunzeln.

Sehr komisch. Sehr schlau.

Die National Gallery? Ob er gern in die National Gallery ginge? In die Tate Modern?

All diese Museen würden aber, falls sie heute überhaupt geöffnet hatten, um die Mittagszeit schließen wie sonst auch alles, außerdem die Züge, Heiligabend.

Also. Nicht London.

Was dann? Ein Spaziergang an den Klippen?

Aber was, wenn es den Kopf aufs Meer hinauswehte?

Bei der Vorstellung tat ihr innerlich die ganze Brust weh.

Egal, was ich heute unternehme, du darfst mitkommen, sagte sie zu dem Kopf. Wenn du brav bist und dich ruhig verhältst.

Aber das brauche ich wohl nicht zu sagen, dachte sie. Weniger aufdringlich könnte ein Gast gar nicht sein.

Es ist sehr nett, dich im Haus zu haben, sagte sie. Du bist gern gesehen.

Da schaute der Kopf hocherfreut.

Fünf Tage zuvor:

Sophia geht nach vorn in ihr Büro, schaltet den Computer ein, ignoriert die vielen E-Mails mit den roten ! und geht gleich zu Google, tippt ein

blaugrüner Punkt im Auge

danach, genauer formuliert,

blaugrüner Punkt am Rande des Gesichtsfelds, der größer wird.

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Ali Smith wurde 1962 in Inverness in Schottland geboren und lebt in Cambridge. Sie hat mehrere Romane und Erzählbände veröffentlicht und zahlreiche Preise erhalten. Sie ist Mitglied der Royal Society of Literature und wurde 2015 zum Commander of the Order of the British Empire ernannt. Ihr Roman »Beides sein« wurde 2014 ausgezeichnet mit dem Costa Novel Award, dem Saltire Society Literary Book of the Year Award, dem Goldsmiths Prize und 2015 mit dem Baileys Women's Prize for Fiction. Mit »Herbst« kam die Autorin 2017 zum vierten Mal auf die Shortlist des Man Booker Prize sowie auf Platz 6 der SWR-Bestenliste, für »Sommer« erhielt sie den George Orwell Prize. 2022 wurde Ali Smith mit dem Österreichischen Staatspreis für Europäische Literatur ausgezeichnet.