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Jene Nacht ist unser Schatten

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am08.03.2021
»Wir leben das Leben von Überlebenden, doch unsere Narben werden heilen.«
Jess und Lucas haben eine traurige Gemeinsamkeit - in der gleichen Nacht, im gleichen Kino sind ihre Brüder bei einer Massenschießerei einen sinnlosen Tod gestorben. Während Lucas ein Jahr später versucht, seinen Schuldgefühlen ebenso gerecht zu werden wie seinen überbehütenden Eltern, fühlt Jess sich von ihrer depressiven Mutter komplett allein gelassen.
Als Jess und Lucas sich begegnen, ist der bodenlose Schmerz wieder spürbar, aber auch, dass aus ihrer Freundschaft mehr werden könnte. Doch haben sie als Überlebende überhaupt ein Recht auf Liebe und Glück?
Hoch emotional, bedingungslos ehrlich und immer optimistisch erzählt diese intensive Liebesgeschichte davon, dass irgendwann auch die tiefsten Narben heilen können.

Amy Giles ist Werbetexterin und hat so ziemlich alles betextet, was man sich vorstellen kann, darunter Frühstücksflocken-Spots, animierte Webisoden und Katalogtexte für Anglerprodukte. Ihre wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Romanen für Jugendliche. Sie lebt auf Long Island mit ihrem Mann, ihren zwei Töchtern im Teenageralter und einem Rettungshund. Ihr erster Roman, »Jetzt ist alles, was wir haben«, wurde mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

Klappentext»Wir leben das Leben von Überlebenden, doch unsere Narben werden heilen.«
Jess und Lucas haben eine traurige Gemeinsamkeit - in der gleichen Nacht, im gleichen Kino sind ihre Brüder bei einer Massenschießerei einen sinnlosen Tod gestorben. Während Lucas ein Jahr später versucht, seinen Schuldgefühlen ebenso gerecht zu werden wie seinen überbehütenden Eltern, fühlt Jess sich von ihrer depressiven Mutter komplett allein gelassen.
Als Jess und Lucas sich begegnen, ist der bodenlose Schmerz wieder spürbar, aber auch, dass aus ihrer Freundschaft mehr werden könnte. Doch haben sie als Überlebende überhaupt ein Recht auf Liebe und Glück?
Hoch emotional, bedingungslos ehrlich und immer optimistisch erzählt diese intensive Liebesgeschichte davon, dass irgendwann auch die tiefsten Narben heilen können.

Amy Giles ist Werbetexterin und hat so ziemlich alles betextet, was man sich vorstellen kann, darunter Frühstücksflocken-Spots, animierte Webisoden und Katalogtexte für Anglerprodukte. Ihre wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Romanen für Jugendliche. Sie lebt auf Long Island mit ihrem Mann, ihren zwei Töchtern im Teenageralter und einem Rettungshund. Ihr erster Roman, »Jetzt ist alles, was wir haben«, wurde mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641255022
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum08.03.2021
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1905 Kbytes
Artikel-Nr.5142759
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



JESS

Sieht so aus, als würde ich die dritte Stunde auch noch sausen lassen. Ich nehme ein paar tiefe Atemzüge und lasse die salzige Luft bis auf den Grund meiner Lungen sinken, bevor ich mich aus dem Staub mache. Ich gehe zurück zur Mott Avenue, um mir einen Job zu suchen. Heute kann die Schule warten.

Meine Babysitter-Dienste bei den Ponsetis werden nicht mehr gebraucht, seit ihre Mom dort wohnt, was richtig kacke ist, weil diese Familie einfach perfekt für mich war. Sie gingen ständig aus (ihr Sozialleben ist aktiver als meins); sie konnten nie einen Zwanziger wechseln, weshalb sie beim Bezahlen stets zu meinen Gunsten aufrundeten, und ihre Speisekammer war das reinste Schlaraffenland, prall gefüllt mit zuckrigen Köstlichkeiten. Sie hatten sogar Pop-Tarts. Pop-Tarts!

Schon seit Wochen war ich wieder neu auf Jobsuche.Im Waschsalon kam die Ansage, ich solle es nächsten Monat noch mal probieren. Bei Key Food, wo Ethan zu jobben anfing, nachdem Dad uns verlassen hatte, war angeblich keine Stelle frei. Die Frau im Klamottenladen, der DenimJeans in allen denkbaren Passformen und Waschungen an dürren Schaufensterpuppen zur Schau stellt, scannte mich von oben bis unten, bevor sie mir mit einem harschen Nein die Absage gab.

Es gibt eine letzte Ecke mit Geschäften, die ich noch nicht aufgesucht habe. Eingequetscht zwischen dem koreanischen Lebensmittelhändler und dem Comic-Buchladen liegt der internationale Supermarkt Food of all Nations.

Als ich eintrete, umhüllt mich der Duft von Gewürzen. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Ich steuere auf eine Schachtel mit türkischem Honig zu und halte sie hoch, um sie genauer zu inspizieren. Ich weiß noch, dass es in den Chroniken von Narnia um diese Delikatesse ging. Für sie verriet Edmund seine Familie. Ich hatte den türkischen Honig noch nie zuvor gesehen, aber diese Dinger mussten etwas ziemlich Besonderes sein, wenn eine Schachtel davon zum Verrat einer Familie führen konnte.

»Kann ich Ihnen helfen?« Die Verkäuferin hinter dem Tresen richtet ihren Hidschab.

Ich stelle die Schachtel exakt so zurück, wie ich sie vorgefunden habe, und gehe zum Tresen. »Ich habe mich gefragt, ob Sie hier vielleicht jemanden einstellen möchten?«

Sie schürzt die Lippen. »Nein. Tut mir leid. Wir sind ein familiengeführtes Unternehmen.«

»Oh. Okay.« Ich versuche zu lächeln, aber die Wochen der Ablehnung ziehen meine Mundwinkel nach unten.

»Vielleicht versuchst du es mal bei Enzo´s«, schlägt sie vor. Ich zeige mit dem Daumen nach rechts. »Enzo´s Baumarkt?«

Nicht, dass hier irgendein anderer Enzo zu finden wäre; es ist nur so, dass mir Enzo schon als Kind eine Höllenangst eingejagt hat. Immer saß er auf dem Stuhl hinter dem Tresen. Er grunzte jeden an, ohne jemals zu lächeln. Jedes Mal, wenn wir dort etwas besorgen mussten, versteckte ich mich hinter Dads Rücken.

»Sucht Enzo´s Mitarbeiter?«, frage ich.

Sie nickt. »Frag nach Regina, Enzos Nichte. Sag ihr, Adab hat dich geschickt.«

Ich nicke zuversichtlich. Adab, Regina ... Enzo ... Das Schaudern verkneife ich mir. Ich schaff das.

Nachdem ich mich bei ihr bedankt habe, zeige ich auf den türkischen Honig. »Wenn ich etwas Geld verdient habe, dann komme ich darauf zurück.«

Sie lächelt und nickt. »Bis dahin reserviere ich dir eine Schachtel.«

Ich verlasse den Markt und atme ein paar Mal tief ein, bevor ich zu Enzo´s Baumarkt marschiere.

»Füll das Formular aus.«

»Regina« hat sich als Reggie Scarpulla entpuppt, eine Mitschülerin, die letztes Jahr ihr Abi gemacht hat. Sie schiebt mir ein Blatt Papier zu. Wir waren nicht befreundet oder so, aber ich weiß noch, wie sie auf der Mädchentoilette ihren Lippenstift nachgezogen hat.

Ich sitze auf einem der unbequemen orangefarbenen Plastikstühle neben einem Kaffeeautomaten und gegenüber der Bürotür und fülle das Formular aus.

Als ich fertig bin, führt mich Reggie in ihr Büro und schließt die Tür, sodass die stickig abgestandene Luft zwischen uns eingesperrt ist. Ein Schweißtropfen zeichnet eine kitzelnde Spur auf meiner Wirbelsäule.

»Jessica Nolan. Ich erinnere mich an dich.« Sie klopft mit dem Radiergummi auf der Tischplatte herum, während sie meine Einträge studiert. Taptaptaptaptaptaptap. Sie schaut zu mir hoch. »Letzten Monat bist du siebzehn geworden. Dann bist du in der Elften, stimmt´s?« Ich nicke. »Also kannst du erst nach Schulschluss.«

Ich nicke wieder. Räuspere mich. »Ja.«

»Und warum bist du jetzt nicht in der Schule?«

»Heute gehe ich später. Ich hab eine Entschuldigung.«

Den Teil mit der Entschuldigung schiebe ich hinterher, damit ich nicht als notorische Schulschwänzerin rüberkomme, auch wenn ich genau das bin. Ich erwähne nicht, dass ich die Entschuldigung selbst geschrieben und die Unterschrift meiner Mutter gefälscht habe.

Taptaptaptaptaptaptap.

Sie atmet aus. »Also, Jessica. Warum willst du hier arbeiten?«

»Oh. Warum?« Warum war ich nicht auf die Antwort dieser basalen Job-Interviewfrage vorbereitet?

Abwartend zieht Reggie ihre Augenbrauen hoch.

»Ich ... ich brauche einfach nur dringend einen Job.« Ich fühle, wie mir das Blut in die Wangen schießt.

Dem überraschten Zurückzucken ihres Kopfes nach zu urteilen, hat ihr diese Antwort noch niemand geliefert. Reggie kratzt sich mit dem Radiergummi die Kopfhaut, dann nimmt sie die Tappgeräusche wieder auf. Sekunden verstreichen, während sie sich meine Antwort offenbar durch den Kopf gehen lässt.

»Ein paar Worte zu uns.« Ich nehme es als Zeichen, dass ich das Interview bis jetzt noch nicht komplett vergeigt habe. »Wir sind klein, aber winzig sind wir nicht. Letztes Jahr haben wir unser Sortiment erweitert. Alles, was die Großen bieten, gibt es jetzt auch bei uns. Sanitärzubehör, Heizen und Belüften, Elektro- und Malerbedarf ...« Sie zählt alles an den Fingern ab, während ihr Blick zur geistigen Bestandsaufnahme über die Decke gleitet.

Schließlich atmet sie aus und legt ihre Handflächen auf die Tischplatte.

»Okay ... also, wir wollen tatsächlich eine Stelle besetzen. Aber es ist keine klar definierte Stelle, verstehst du? Nicht Kundenservice oder Küchendesign.« Sie wirbelt mit ihren Fingern durch die Luft, als wäre Küchendesign das Faszinierendste, was einem in den Sinn kommen könnte. »Von allen, die hier arbeiten, wird erwartet, dass sie einspringen, ganz egal in welchem Bereich. Mit Ausnahme der Kasse. Ans Geld lässt mein Onkel niemanden ran.« Sie lacht und schaut nach unten auf meine Einträge, bevor sie vor sich hin flüstert: »Nicht mal mich.«

Sie schaut wieder hoch. »Zu den Aufgaben zählen das Entladen der Lkws und das Auffüllen der Regale. Bis zu 30 Kilo Gewicht musst du gestemmt kriegen.«

Ihr Blick wandert über meine Schultern, meine Arme, über alles, was sie von ihrer Position aus sehen kann. Ich weiß, was sie sieht, und ich weiß, dass es nicht der Rede wert ist. Ich wünschte, meine Klamotten wären weniger ausgeleiert und würden mein Fliegengewicht nicht so betonen.

»Ich schaffe 30 Kilo«, verspreche ich.

»Das hier ein extreeem glanzloser Job, Jessica. Es wird der Tag kommen, an dem ich dir sage, du musst das verstopfte Klo freikriegen. Du wirst nicht GLAU-ben, welche Geschenke manche Kunden uns da drin hinterlassen.« Sie verdreht die Augen bis zur Decke.

Es kostet Kraft, meinen Ekel zu verbergen. »Ist okay. Ich krieg das hin.«

Mir ist klar, dass sie versucht, mich abzuschrecken. Aber meine Angst, den Job nicht zu kriegen, übersteigt die Angst, genommen zu werden. Reggies nachdenklicher Blick heftet sich auf die flackernden Leuchtstoffröhren. Ich zähle jede einzelne qualvolle Schweigesekunde.

»Dein Bruder war im Balcony, stimmt´s?«

Mehr Worte braucht es nicht. Jeder in unserem Viertel weiß, was dahintersteckt.

»Yep«, sage ich. »Genau wie ich.«

»Oh, das wusste ich nicht. Ich bin nicht hingegangen, zu diesen ganzen ...« Sie fuchtelt mit der Hand durch die Luft »... Feierlichkeiten.« Ihr Gesicht verzieht sich, als hinterließe der Ausdruck einen schlechten Geschmack in ihrem Mund.

Ich weiß exakt, was sie meint. Das Pflanzen eines Baumes, die gespendete Bank, das Benefiz-Softball-Spiel. Lauter wohlgemeinte Aktionen, um die Menschen, die in jener Nacht gestorben sind, zu ehren; aber schlussendlich hat jeder Einzelne von ihnen aus uns Überlebenden und Familienangehörigen eine öffentliche Freakshow gemacht - zu Leuten, mit denen du in einer Million Jahren nicht tauschen würdest. Trotzdem. Diese »Feierlichkeiten« waren für uns, nicht für sie.

»Ich konnte nicht«, fügt Reggie hinzu. Ich hab nur seinen Namen auf der Liste entdeckt.« Sie erhebt sich vom Stuhl. »Warte hier.«

Sie lässt die Tür offen, Gott sei Dank. So kommt wenigstens ein bisschen Luft hier rein, aber ich schwitze immer noch. In der Ecke steht ein Ventilator, der Stecker ist draußen. Ich würde ihn ums Verrecken gern einstöpseln, aber in meiner Vorstellung lässt er all die Papiere von Reggies Schreibtisch in die Höhe und durch ihr Büro flattern wie aufgescheuchte Seemöwen.

Ich ziehe mir das T-Shirt von der Haut weg und fächle ein bisschen Luft rein, bevor sich der Schweißgeruch im Stoff festbeißt.

Vorsicht Brustschweiß! In meinem Kopf ertönt...

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Amy Giles ist Werbetexterin und hat so ziemlich alles betextet, was man sich vorstellen kann, darunter Frühstücksflocken-Spots, animierte Webisoden und Katalogtexte für Anglerprodukte. Ihre wahre Leidenschaft gilt jedoch dem Schreiben von Romanen für Jugendliche. Sie lebt auf Long Island mit ihrem Mann, ihren zwei Töchtern im Teenageralter und einem Rettungshund. Ihr erster Roman, »Jetzt ist alles, was wir haben«, wurde mit dem Buxtehuder Bullen ausgezeichnet.