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Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
560 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am13.09.2021
Janos, Mexiko, 1835: Als Apachen eine junge Witwe entführen, bekommt Leutnant Zuloaga den Auftrag, nach ihr zu suchen. In seinem Gefolge reiten unter anderem eine scharfschießende Nonne, ein alter Tanzlehrer und zwei ehemalige Gefangene aus dem Stamm der Yaqui. Als sie die Frau schließlich finden, machen sie eine verblüffende Entdeckung.
New York, 2017: Ein mexikanischer Schriftsteller hadert mit der amerikanischen Politik. Aus Angst, nach einem Besuch in seiner Heimat nicht mehr einreisen zu dürfen, verbringt er den Familienurlaub im Grenzgebiet zu Mexiko, wo sich einst Géronimo, der letzte Häuptling der Apachen, ergeben hat. Die Geschichte Géronimos wird zur Parabel für seine eigene, die Vergangenheit Amerikas zum Spiegel seiner Gegenwart.

Álvaro Enrigue, geboren 1969 in Guadalajara, studierte in Mexico City Kommunikationswissenschaften, lehrte anschließend Literatur des 20. Jahrhunderts und promovierte an der University of Maryland. Seit seinem 1996 erschienen Debüt »La muerte de un instalador« gehört er zu den wichtigsten iberoamerikanischen Gegenwartsautoren und gilt als der bedeutendste mexikanische Autor seiner Generation. Seine Werke sind preisgekrönt und wurden in viele Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag »Aufschlag Caravaggio« (2015), »Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles« (2021) und »Von Königreichen hast du geträumt« (2023). Álvaro Enrigue lebt in New York.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR10,99

Produkt

KlappentextJanos, Mexiko, 1835: Als Apachen eine junge Witwe entführen, bekommt Leutnant Zuloaga den Auftrag, nach ihr zu suchen. In seinem Gefolge reiten unter anderem eine scharfschießende Nonne, ein alter Tanzlehrer und zwei ehemalige Gefangene aus dem Stamm der Yaqui. Als sie die Frau schließlich finden, machen sie eine verblüffende Entdeckung.
New York, 2017: Ein mexikanischer Schriftsteller hadert mit der amerikanischen Politik. Aus Angst, nach einem Besuch in seiner Heimat nicht mehr einreisen zu dürfen, verbringt er den Familienurlaub im Grenzgebiet zu Mexiko, wo sich einst Géronimo, der letzte Häuptling der Apachen, ergeben hat. Die Geschichte Géronimos wird zur Parabel für seine eigene, die Vergangenheit Amerikas zum Spiegel seiner Gegenwart.

Álvaro Enrigue, geboren 1969 in Guadalajara, studierte in Mexico City Kommunikationswissenschaften, lehrte anschließend Literatur des 20. Jahrhunderts und promovierte an der University of Maryland. Seit seinem 1996 erschienen Debüt »La muerte de un instalador« gehört er zu den wichtigsten iberoamerikanischen Gegenwartsautoren und gilt als der bedeutendste mexikanische Autor seiner Generation. Seine Werke sind preisgekrönt und wurden in viele Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag »Aufschlag Caravaggio« (2015), »Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles« (2021) und »Von Königreichen hast du geträumt« (2023). Álvaro Enrigue lebt in New York.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641259075
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum13.09.2021
Seiten560 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2983 Kbytes
Artikel-Nr.5143145
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



JAMES »DER DICKE« PARKER,

NOSTALGISCHER GENERAL, ZURÜCK IM FORT SAM HOUSTON

Am 31. März 1917 traf der Divisionsgeneral James Parker kurz nach Mittag im Fort Sam Houston am Stadtrand von San Antonio, Texas, ein. Zu jener Zeit nannte ihn, weißhaarig und mit Orden behängt, wie er war, schon keiner mehr »Dicker«.

Er hatte eine lange Bahnfahrt von Portsmouth, Rhode Island, hinter sich, wo er seinen Ruhestand verbrachte. Es war eine Rückkehr in die Landschaft seiner Jugend: Man hatte ihn gedrängt, den aktiven Dienst wiederaufzunehmen, nachdem Präsident Woodrow Wilson den Befehl erteilt hatte, in Mexiko einzumarschieren, um den revolutionären General Francisco Villa zu verfolgen, der ohne erkennbaren Grund den militärischen Grenzposten in Columbus, New Mexico, überfallen hatte. Jeder wusste, dass der Feldzug gegen Villa nur ein Vorwand war, um die Schlagkraft der gerade erst motorisierten Armee und ihrer Luftwaffe zu testen, die in Europa ausschwärmen würden, sobald der Kongress Preußen den Krieg erklärt hätte.

Auf dem Rücksitz des olivgrünen Ford, der ihn vom Bahnhof zum Stützpunkt brachte, fiel General Parker auf, dass die Leute in San Antonio, genau wie er, im Jackett waren. Er lächelte mit einem Ausdruck, der irgendwo zwischen zärtlich und melancholisch lag. Er trug seine mit Tressen besetzte, steife dunkelblaue Paradeuniform, weil er glaubte, das Ritual befolgen zu müssen, das die Ankunft an seinem neuen Posten verlangte, auch wenn die gnadenlos brennende texanische Sonne und die von Fluss und Sümpfen aufsteigende Schwüle für einen gerade erst von der Ostküste Angereisten kaum zu ertragen waren. Die Mischung aus Hitze, Feuchtigkeit und Uniform weckte in ihm das Feuer der Erinnerung, dessen Glut sich neu entfacht hatte, seit er die Depesche mit der Ankündigung erhalten hatte, dass er nach Fort Sam Houston zurückkehren müsse.

Die Hitze, sagte er zum Fahrer, der nervös war, weil er einen General chauffierte. Entschuldigung?, fragte dieser. Diese verdammte Hitze, sagte Parker noch einmal. Er hatte wieder diesen beißenden Geschmack im Mund wie damals während der Feldzüge auf Kuba und den Philippinen, als er das zwölfte New Yorker Infanteriebataillon angeführt hatte, um die letzte Glut des spanischen Reiches auszutreten, an dessen verbliebenen Rändern er sein Leben lang gekämpft hatte. Für uns ist das noch kühl, erwiderte der Chauffeur. Wenn Sie wüssten, wie heiß es hier im Juli oder August wird, würden Sie verstehen, warum Sam Houston von den Kadetten die Hölle genannt wird. Der General lachte. Das weiß ich, sagte er, ich war vor Jahren ein paar Wochen hier, aber für mich war es der Inbegriff der Zivilisation - ich komme aus Fort Bowie in Arizona. Uff, machte der Chauffeur, das wurde doch wegen Unmenschlichkeit geschlossen, right? Der General schloss die Augen, nahm die Schirmmütze ab, kratzte sich am Kopf. Es hatte auch seine Vorzüge, sagte er, Apache Pass ist der schönste Ort der Welt; und es stählte den Charakter; die Einsätze, auf die wir geschickt wurden, waren so hart, dass Fort Bowie bei unserer Rückkehr geradezu kühl und freundlich wirkte.

Der Ford hielt im ersten Innenhof der Befestigungsanlage, wo der zukünftige Sekretär des Generals ihn bereits in strammer Haltung erwartete. Nachdem er martialisch salutiert hatte, öffnete der junge Mann ihm den Wagenschlag. Der General erwiderte den Gruß wenig begeistert und stieg aus. Er setzte sich die Mütze wieder auf, strich seine dunkelblaue Uniformjacke glatt und klopfte dem Jungen ein paarmal auf den Arm - teils, um ihm zu bedeuten, dass er sich entspannen konnte, teils, damit dieser zur Seite trat und er zu seinem Büro gehen konnte, das er mit der Sicherheit eines Menschen betrat, der sich blendend auskennt.

Der Sekretär folgte seinem Vorgesetzten mit schnellen Schritten und fand diesen bereits neben seinem zukünftigen Schreibtisch vor, einem alten, soliden Möbelstück aus Holz, nicht Metall wie inzwischen überall im Land üblich. General, sagte der junge Mann. Parker nahm die Mütze ab und hängte sie an die Garderobe. Es riecht ganz genauso, bemerkte er. Der Sekretär sah ihn mit einer gewissen Furcht an - er wagte nicht zu fragen, wovon jener sprach. Der General legte die Uniformjacke ab. Dabei stellte er sich etwas ungeschickt an - er war dreiundsechzig Jahre alt -, ohne dass sein Sekretär, der immer noch nicht wusste, wie er sich in seiner Gegenwart verhalten sollte, ihm zu Hilfe geeilt wäre. Es riecht genauso wie alle Forts in Arizona und New Mexico, erklärte der General, während er sich die Hemdsärmel hochkrempelte. Der junge Mann nickte, traute sich aber nicht zu lächeln. Ich habe gehört, Sie kennen den Südwesten, sagte er. Wie meine Westentasche, erwiderte der General. Der Sekretär nickte nach draußen. Sollen Ihre Koffer in Ihre neue Unterkunft gebracht werden? Der General zuckte gleichgültig die Schultern. Ich werde dem Fahrer Bescheid geben, sagte der junge Mann. Wie lange braucht man mit dem Ford bis nach Mexiko?, fragte der General, ehe der Sekretär hinausging. Ich weiß nicht, ich war noch nie dort. Der General kniff die Augen zusammen. Bevor Sie meine Sachen wegbringen, packen Sie meinen Hut aus und bringen ihn mir, befahl er, er ist in der Hutschachtel, sie ist nicht zu übersehen.

Als der junge Mann kurz darauf mit einem khakifarbenen mexikanischen Fedora zurückkehrte, dessen Krempe so breit war, dass er fast wie ein Cowboyhut aussah, stand der General am Fenster und sah hinaus. Das Fenster ging auf einen zweiten Innenhof, wo gerade ein Offizier mit starkem Südstaatenakzent die ersten Freiwilligen des bevorstehenden Krieges anschnauzte. Hoffnungslos, sagte Parker zu seinem Sekretär. Aber es wird aufwärtsgehen, sobald der Senat die Verfolgung von General Villa genehmigt und diese armen Kerle - er machte eine vage Geste, die alle Texaner im kampffähigen Alter einschloss - sich freiwillig melden, weil sie glauben, es wäre eine Ehre, in Mexiko einzumarschieren, um für den Krieg in Europa zu üben. Er betrachtete seinen ausladenden Bauch, der noch dicker wirkte, seit er nur noch im Hemd war. Er lächelte. Als ich noch Kanonenfutter war, sah ich besser aus, trotzdem haben sie mich den dicken Parker genannt. Er nahm dem Sekretär den Hut aus der Hand und sagte: Gehen wir zum Quadrangle. Wollen Sie nicht zuerst die Offiziere begrüßen? Sie erwarten Sie schon. Der General rückte sich den Hut zurecht und sah dem jungen Mann zum ersten Mal in die Augen. Obwohl Parkers Blick streng war, blitzte in seinen weit auseinanderstehenden Augen noch immer die unleugbar mehrdeutige Art auf, mit der er Befehle erteilte, seit er sich als junger Offizier in der Endphase der Indianerkriege in den Bergen von Chihuahua und Arizona den Arsch aufgerissen hatte. Der Junge fühlte sich genötigt, eine Erklärung abzugeben: Ich dachte nur, vielleicht würden Sie lieber erst Ihre Männer kennenlernen, bevor Sie sich die Ställe ansehen. Der General strich sich mit Daumen und Zeigefinger über den bereits ergrauten Schnurrbart. Hat man Ihnen beigebracht, zu gehorchen oder Fragen zu stellen? Zu gehorchen, General. Dann bewegen Sie Ihren Arsch und gehen Sie voran. Ich weiß nämlich nicht, ob ich mich noch erinnere, wo es langgeht.

General James Parker war nicht mehr im Fort Sam Houston gewesen, seit er vor etwas mehr als dreißig Jahren für zwanzig Tage als Leutnant der vierten Kavallerie nach San Antonio abkommandiert worden war, gemeinsam mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten, Captain Elpenor Ware Lawton. Sie waren damals mit demselben Zug gefahren, der Gerónimo und die letzten Chiricahua als Kriegsgefangene zum Fort Marion in Florida brachte.

Das Tor zum Quadrangle, dem alten Innenhof, lag näher bei den Verwaltungsgebäuden, als er in Erinnerung hatte. Hier haben wir sie hingebracht, sagte er zu dem Sekretär und betrachtete die vollen Viehgehege, die sich dort erstreckten, wo damals eine ausgedehnte Brache mit gutem, schattigem Weideland gewesen war und irgendein General Hirsche, Wachteln, Fasane und Pfauen gehalten hatte. Wen?, fragte der junge Mann. Die Apachen, antwortete er ohne jede weitere Erklärung.

Sie liefen an den Anlagen entlang. Der junge Mann zeigte ihm stolz das in eine Betriebsstätte umgewandelte Gelände, das den gesamten Milch- und Fleischbedarf des Forts deckte. Der General stützte die Ellbogen auf das Eisengatter eines Pferches; nicht um zu verschnaufen, sondern um sein Gedächtnis aufzufrischen. Sie können sich nicht vorstellen, wie hart das für uns war, sagte er zu seinem Sekretär. Er blähte die Backen und stieß schnaubend die Luft aus, lächelte traurig. Wir waren auf dem Weg nach Florida, sagte er, als der Befehl vom Verteidigungsministerium kam, die Fahrt so lange zu unterbrechen, bis Präsident Cleveland entschieden habe, was mit den Kriegern geschehen solle. Dann kam der Befehl, die Indianer nach Tucson zurückzubringen, damit ihnen dort der Prozess gemacht wird. Der Sekretär, der um die vierundzwanzig, fünfundzwanzig war, verstand nicht alles, was der Alte ihm erzählte. Der General schnalzte mit den Lippen. Wenn man uns befohlen hätte, sie in den Kasernenhof zu treiben und ihnen auf Knien eine Kugel zu verpassen, wäre das weniger grausam gewesen.

Der junge Mann sah den Kommandanten neugierig an. Der General presste die Hände an die Schläfen und sagte mit geschlossenen Augen: Sie waren die unschuldigsten und tapfersten Männer, die ich je gesehen habe, und ich habe viele unschuldige Männer sterben sehen. Was seltsam ist, fuhr er fort, denn sie waren schließlich auch verdammte Mörder. Er zeigte auf ein paar Baracken. Dort haben sie gewohnt, sagte er. Kommen Sie.

Sie gingen zwischen den Pferchen entlang. Der...

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Autor

Álvaro Enrigue, geboren 1969 in Guadalajara, studierte in Mexico City Kommunikationswissenschaften, lehrte anschließend Literatur des 20. Jahrhunderts und promovierte an der University of Maryland. Seit seinem 1996 erschienen Debüt »La muerte de un instalador« gehört er zu den wichtigsten iberoamerikanischen Gegenwartsautoren und gilt als der bedeutendste mexikanische Autor seiner Generation. Seine Werke sind preisgekrönt und wurden in viele Sprachen übersetzt. Zuletzt erschienen im Blessing Verlag »Aufschlag Caravaggio« (2015), »Jetzt ergebe ich mich, und das ist alles« (2021) und »Von Königreichen hast du geträumt« (2023). Álvaro Enrigue lebt in New York.