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Die Träume der Sterbenden

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am05.10.2020
Einfühlsam und berührend lassen Dr. Christopher Kerrs Schilderungen wahrer Begebenheiten das Sterben in einem völlig neuen Licht erscheinen. Sein Buch schenkt Vertrauen ins Leben und in das, was uns an dessen Ende erwartet.
Christopher Kerr ist Hospizarzt. Alle seine Patienten sterben. Tausende von Menschen hat er bereits begleitet, die ihm im Angesicht ihres Todes erstaunliche Erlebnisse berichteten. Es sind Erfahrungen, die darauf hindeuten, dass sich während des Sterbens seelische Prozesse in uns ereignen, die verblüffend lebensbejahend und friedvoll sind. Oft sind es Träume oder Visionen, in denen alte Beziehungen intensiv wieder aufleben, wie auch bedeutungsvolle Erfahrungen der Liebe, des Aussöhnens und Verzeihens. Sie markieren für die Betroffenen den Übergang von tiefstem Leid, Schmerz und Verzweiflung hin zu Trost, Hoffnung, ja zum teil Freude und Akzeptanz im Angesicht der eigenen Endlichkeit - und sie ermöglichen es den Strebenden, loszulassen und die Reise 'auf die andere Seite' zuversichtlich anzutreten.

Dr. med. Christopher Kerr ist Hospizarzt und Neurobiologe. Unter seiner Leitung versorgt das Hospiz in Buffalo/New York täglich 1.000 Patienten, wozu auch Kinder zählen. Mit seinem Buch will er Sterbenden eine Stimme geben und zeigen, was sie am Lebensende erleben und was sie bewegt. Über seinen millionenfach angesehenen TEDx Talk berichteten u.a. die BBC, die New York Times, die Huffington Post und Psychology Today. Der Autor ist gefragter Redner auf Konferenzen zu Hospizarbeit und Palliativpflege. Kerrs Forschungen, sein klinisches Wirken und seine Lehrtätigkeit wurden bereits mehrfach ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextEinfühlsam und berührend lassen Dr. Christopher Kerrs Schilderungen wahrer Begebenheiten das Sterben in einem völlig neuen Licht erscheinen. Sein Buch schenkt Vertrauen ins Leben und in das, was uns an dessen Ende erwartet.
Christopher Kerr ist Hospizarzt. Alle seine Patienten sterben. Tausende von Menschen hat er bereits begleitet, die ihm im Angesicht ihres Todes erstaunliche Erlebnisse berichteten. Es sind Erfahrungen, die darauf hindeuten, dass sich während des Sterbens seelische Prozesse in uns ereignen, die verblüffend lebensbejahend und friedvoll sind. Oft sind es Träume oder Visionen, in denen alte Beziehungen intensiv wieder aufleben, wie auch bedeutungsvolle Erfahrungen der Liebe, des Aussöhnens und Verzeihens. Sie markieren für die Betroffenen den Übergang von tiefstem Leid, Schmerz und Verzweiflung hin zu Trost, Hoffnung, ja zum teil Freude und Akzeptanz im Angesicht der eigenen Endlichkeit - und sie ermöglichen es den Strebenden, loszulassen und die Reise 'auf die andere Seite' zuversichtlich anzutreten.

Dr. med. Christopher Kerr ist Hospizarzt und Neurobiologe. Unter seiner Leitung versorgt das Hospiz in Buffalo/New York täglich 1.000 Patienten, wozu auch Kinder zählen. Mit seinem Buch will er Sterbenden eine Stimme geben und zeigen, was sie am Lebensende erleben und was sie bewegt. Über seinen millionenfach angesehenen TEDx Talk berichteten u.a. die BBC, die New York Times, die Huffington Post und Psychology Today. Der Autor ist gefragter Redner auf Konferenzen zu Hospizarbeit und Palliativpflege. Kerrs Forschungen, sein klinisches Wirken und seine Lehrtätigkeit wurden bereits mehrfach ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641250515
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum05.10.2020
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1510 Kbytes
Artikel-Nr.5143215
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Von dort hierher

Glauben Sie nicht, daß der, welcher Sie zu trösten versucht, mühelos unter den einfachen und stillen Worten lebt, die Ihnen manchmal wohltun. [...] Wäre es aber anders, so hätte er jene Worte nie finden können.

Rainer Maria Rilke

Der Prozess, in dem Ärzte »entstehen«, hat einen Anfang, eine Mitte, nie aber ein Ende. Nach dem Studienabschluss brennen die angehenden Mediziner darauf, ihr neu erworbenes Wissen schnellstmöglich in der Praxis anzuwenden. Während der nächsten Etappe ihrer Ausbildung, im Klinikalltag, wissen die werdenden Ärzte dann zwar schon einiges über Erkrankungen, aber immer noch viel zu wenig über das Kranksein. Erstere betreffen Organe, Letzteres hat mit Menschen zu tun.

Die darauf folgende wichtigste Phase in der beruflichen Entwicklung der Damen und Herren Doktoren schließlich kommt nie zum Abschluss. Von nun an sind die Patienten ihre Lehrmeister und sie selbst hoffentlich nicht nur bereit, sondern auch klug beziehungsweise bescheiden genug, auf sie zu hören. Denn so erfahren sie, dass es auf der Suche nach der richtigen Diagnose oft viel hilfreicher sein kann, das Stethoskop auch einmal beiseitezulegen und sich zu erkundigen, was der Mensch auf dem Herzen hat, statt ihm bloß den Brustkorb abzuhorchen. Und eines Tages, wenn sie sich längst für ausgebuffte Weißkittel halten, treffen sie auf einen Patienten, der sie veranlasst, sich auch der Seele anzunehmen. Dieser Moment birgt eine Lektion in Sachen Empathie, die sie nie vergessen werden, die erste von vielen, die ihnen die ganze Tragweite ihres Berufes zu Bewusstsein führen. Mir persönlich wies eine Frau namens Mary den Weg durch die erste Erfahrung dieser Art.

Die siebzigjährige Mary, Malerin und vierfache Mutter, war eine meiner ersten Hospiz-Patient*innen. Als ich sie in ihrem Zimmer besuchte, hatte sich die ganze »Rasselbande«, wie sie ihre Verwandtschaft nannte, bei einer Flasche Wein um ihr Bett versammelt. Auch wenn sie hin und wieder wegdämmerte, schien Mary das zwanglose Familientreffen doch sehr zu genießen. Und dann geschah etwas Merkwürdiges: Aus heiterem Himmel begann sie, ein nur für sie sichtbares Baby im Arm zu wiegen. Wie sie so dalag in ihrem Krankenbett, wirkte es, als spiele sie eine Rolle in einem Bühnenstück und hätte jeglichen Kontakt mit dem Hier und Jetzt verloren. Sie küsste den imaginären Säugling, den sie Danny nannte, streichelte ihm übers Köpfchen und flüsterte ihm zärtliche Worte zu. Was mich jedoch am meisten verblüffte, war die schiere Glückseligkeit, mit der diese für uns unbegreiflichen Augenblicke mütterlicher Zuwendung Mary erfüllten. Ihre Söhne und Töchter guckten mich an und fragten: »Was ist denn da los? Hat Mutter etwa Hallus? Die hängen bestimmt mit den Medikamenten zusammen, die sie bekommt, oder?«

Was da geschah und warum, konnte ich mir zwar auch nicht erklären, eines aber lag für mich auf der Hand: Die einzig angemessene Reaktion darauf bestand im Verzicht auf jede Art medizinischer Intervention. Mary hatte ja keine Schmerzen, die es zu lindern galt. Und auch sonst gab es keinerlei Grund für mich, als Arzt aktiv zu werden. Was ich hier vor mir sah, war eine Frau, die ohne jeden Zweifel und deutlich spürbar einen Moment großer Liebe erlebte, auch wenn sich dieser meinem beruflichen Verständnis entzog.

Die Traumerfahrungen unseres Patienten Tom waren mir nur aus Schwester Nancys Erzählungen bekannt gewesen. Persönlich von ihnen überzeugt hatte ich mich nicht und konnte sie deshalb auch nicht bestätigen. Ganz anders bei Mary: Ich hatte selbst miterlebt, wie zuversichtlich und unbeschwert sie ihrem Lebensende nun entgegensah. Und so unerklärlich mir diese Erfahrung auch war, hätte ich sie doch beim besten Willen nicht bestreiten können.

Ich beobachtete Mary voller Ehrfurcht, genau wie ihre vier Kinder. An die Stelle ihrer ursprünglichen Verwirrung war inzwischen eine Vielzahl von Emotionen getreten, nicht zuletzt die Erleichterung, ihre Mutter so heiter und gelassen zu sehen. Mary brauchte sie nicht, ebenso wenig, wie sie darauf angewiesen war, dass ich etwas tat, eine Entscheidung traf oder etwas sagte, was ihre letzten Momente hätte verändern können. Nein, Mary erschloss sich eine innere Ressource, von der wir gar nicht gewusst hatten, dass sie ihr zur Verfügung stand. Ein großartiges Gefühl der Dankbarkeit und Ruhe überkam uns.

Als Marys Schwester am nächsten Tag aus der Stadt zu Besuch kam, konnte sie das Rätsel lösen, vor dem wir standen: Lange bevor ihr erstes Kind auf die Welt kam, hatte Mary eine Totgeburt gehabt, einen Jungen, den sie Danny nannte. Ihre Trauer um den Verlust war unermesslich, da sie aber nie darüber sprach, hatten ihre anderen vier Kinder nie von Danny erfahren. Doch in diesem Moment, in dem ihr Tod unmittelbar bevorstand, schien sich etwas in Mary so an das Erlebnis jener Geburt zu erinnern, dass es sie mit Wärme und Liebe erfüllte und sie nach all der Zeit vielleicht sogar ein wenig für ihren schweren Verlust entschädigte. An der Schwelle zum Tod konnte sie sich mit dem Trauma versöhnen. Wie deutlich zu spüren war, hatte sie sich mit diesem Aspekt ihrer Vergangenheit arrangiert und sah jetzt sogar irgendwie jünger aus. Gegen Marys körperliche Leiden war kein Kraut gewachsen. Ihre seelischen Wunden aber heilten allem Anschein nach ab. Kurz nach der geschilderten Episode starb Mary einen friedlichen Tod. Nicht aber, ohne mein Verständnis von einem »friedlichen Tod« ein für alle Mal zu verändern. Dem Prozess ihres Sterbens haftete etwas an, das nicht nur von therapeutischer Bedeutung war, sondern auch ganz autonom ablief, völlig unabhängig von den Bemühungen ihrer Pfleger - auch denen ihres Arztes.

* * *

Dass ich mich heute um Patienten kümmere, die seelisch mindestens genauso viel Unterstützung brauchen wie medizinisch, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Denn während meiner gesamten Studienzeit hatte ich eine tiefe Abneigung gegen die nicht körperlichen Aspekte des Sterbens empfunden. Und die rührte daher, dass ich bereits als Kind einen Elternteil verloren hatte.

Zum letzten Mal habe ich meinen Vater mit zwölf gesehen. Ich weiß noch: Meine Mutter ging raus, um mit meinem Onkel zu sprechen, und ich blieb mit meinem Dad in seinem Krankenhauszimmer allein. Mit einem Mal griff er nach den Knöpfen meiner Jacke und fing an, daran herumzufummeln. Ich solle mich fertigmachen, sagte er, weil er mich in unsere Hütte oben in Kanada mitnehmen und mit mir angeln gehen wolle. Ganz intuitiv war mir in dem Moment klar, dass ich ihn lebend nie wiedersehen würde. Als ich die Hand ausstreckte, um ihn zu berühren, betrat ein Priester den Raum und sagte: »Dein Vater redet wirr, du solltest jetzt lieber gehen.«

Dad starb wenige Stunden später. Und ich war noch zu jung, um Worte zu finden, mit denen ich den Verlust hätte ausdrücken können, der mein ganzes weiteres Leben prägen sollte.

Ich habe die Erfahrungen am Sterbebett meines Vaters nie auch nur mit einer Silbe erwähnt, geschweige denn zur Diskussion gestellt. Erst als ich mich ein halbes Leben später auf einen TED-Talk über Träume und Visionen am Lebensende vorbereitete, fiel mir auf, wie absurd das im Grunde war: Denn in gewisser Weise geht alles, was ich beruflich tue und je getan habe, auf dieses eine nachhaltige Kindheitserlebnis zurück - ohne dass mir dieser Zusammenhang je so recht bewusst war.

Zunächst einmal bin ich Arzt geworden - genau wie mein Vater auch. Und so komisch es sich anhören mag: Für jemanden mit einer Abneigung gegen den Tod bietet die medizinische Fakultät ein geradezu ideales Umfeld. Denn das »T-Wort« wird dort so gut wie nie auch nur ausgesprochen. Und noch weitaus seltener ist von den Erfahrungen die Rede, die Menschen im Prozess des Sterbens machen. Das gesamte Studium der Medizin dreht sich darum, dem Tod zu trotzen. Und wenn das nicht klappt, wird er geleugnet, ganz oder wenigstens, so gut es eben geht.

Zum ersten Mal wurde mir das klar, als ich mich während meiner Zeit als Assistenzarzt auf den »Vorabvisiten« auch um todkranke Patienten kümmern musste. Damals bestand meine Aufgabe darin, von Bett zu Bett zu gehen, meistens morgens gegen fünf, und Infos für die Visite des Chef-Assistenzarztes eine Stunde später zu sammeln. Wir haben seinerzeit übrigens im Krankenhaus gewohnt und locker achtzig bis hundert Stunden pro Woche runtergeschrubbt. Was mir bei dieser Arbeit besonders auffiel oder, besser gesagt, unangenehm aufstieß, war die Praxis des »Abschreibens« gewisser Patienten. Gemeint ist damit, dass wir Ärzte an einem bestimmten Punkt aufhörten, uns um Patienten, die mit Sicherheit dem Tod geweiht waren, noch weiter zu kümmern. So gaben wir diese Menschen nicht einfach nur auf, sondern taten es auch noch mit den schlimmsten Worten, die Leidenden, auf Hilfe Angewiesenen gegenüber nur denkbar sind, nämlich: »Wir können nichts mehr für Sie tun.« Aus medizinischer Sicht gab es nichts mehr, was hätte diagnostiziert oder behandelt werden können, ein frisch gebackener Arzt konnte hier nichts mehr lernen.

Dieses »Abschreiben« war meine erste Begegnung mit der institutionellen Aufgabe sterbender Patienten und fester Bestandteil meiner medizinischen Ausbildung. Erst später sollte ich realisieren, dass es noch vieles gibt, was wir für Patienten an der Schwelle zum Tod tun können; wir können die vergessene Kunst der »Bettkanten-Medizin« wiederbeleben und uns um die Sterbenden kümmern, indem wir, wenn eine Heilung nicht mehr möglich ist, für sie da sind und ihr Leiden lindern - was viel mehr impliziert als reine Schmerztherapie. Nach einer...

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Autor

Dr. med. Christopher Kerr ist Hospizarzt und Neurobiologe. Unter seiner Leitung versorgt das Hospiz in Buffalo/New York täglich 1.000 Patienten, wozu auch Kinder zählen. Mit seinem Buch will er Sterbenden eine Stimme geben und zeigen, was sie am Lebensende erleben und was sie bewegt. Über seinen millionenfach angesehenen TEDx Talk berichteten u.a. die BBC, die New York Times, die Huffington Post und Psychology Today. Der Autor ist gefragter Redner auf Konferenzen zu Hospizarbeit und Palliativpflege. Kerrs Forschungen, sein klinisches Wirken und seine Lehrtätigkeit wurden bereits mehrfach ausgezeichnet.