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Margherita

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am21.07.20201. Auflage
Für Peggy Guggenheim war sie die First Lady Venedigs.

1920: Die fünfundzwanzigjährige Margherita, die in ihrem Heimatstädtchen Treviso die Zeitungen austrägt, wird durch die Heirat mit dem adeligen Antonio Revedin zur First Lady Venedigs. Heute ist ihr Name vergessen: Doch Margherita verstand es, sich durch ihre unvoreingenommene Art zum Mittelpunkt einer sich neu erfindenden Stadt zu machen. Peggy Guggenheim wird ihre beste Freundin, und die Künstlerfeste auf der Terrasse des Hotel Excelsior, zu denen sie Greta Garbo, Coco Chanel, Clark Gable oder Pablo Picasso einlud, werden legendär.

Jana Revedin erzählt mitreißend von den Schicksalsjahren Venedigs - und ihrer eigenen Familie.



Jana Revedin, geboren 1965 in Konstanz, ist Architektin und Schriftstellerin. Nach dem Studium von Architektur und Städtebau in Buenos Aires, Princeton und Mailand promovierte und habilitierte sie an der Universität Venedig und ist heute ordentliche Professorin für Architektur und Städtebau an der École Spéciale d´Architecture Paris. 2018 erschien ihr Bestseller über Ise Frank, 'Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus', 2020 ihr Roman 'Margherita' über die Renaissance Venedigs in den 1920er Jahren, der ebenfalls zum Bestseller wurde. Zuletzt erschien von ihr der Roman 'Flucht nach Patagonien' über Jean-Michel Frank und Eugenie Errazuriz (2021). Sie lebt in Venedig und Wernberg in Kärnten.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
HörbuchCompact Disc
EUR16,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextFür Peggy Guggenheim war sie die First Lady Venedigs.

1920: Die fünfundzwanzigjährige Margherita, die in ihrem Heimatstädtchen Treviso die Zeitungen austrägt, wird durch die Heirat mit dem adeligen Antonio Revedin zur First Lady Venedigs. Heute ist ihr Name vergessen: Doch Margherita verstand es, sich durch ihre unvoreingenommene Art zum Mittelpunkt einer sich neu erfindenden Stadt zu machen. Peggy Guggenheim wird ihre beste Freundin, und die Künstlerfeste auf der Terrasse des Hotel Excelsior, zu denen sie Greta Garbo, Coco Chanel, Clark Gable oder Pablo Picasso einlud, werden legendär.

Jana Revedin erzählt mitreißend von den Schicksalsjahren Venedigs - und ihrer eigenen Familie.



Jana Revedin, geboren 1965 in Konstanz, ist Architektin und Schriftstellerin. Nach dem Studium von Architektur und Städtebau in Buenos Aires, Princeton und Mailand promovierte und habilitierte sie an der Universität Venedig und ist heute ordentliche Professorin für Architektur und Städtebau an der École Spéciale d´Architecture Paris. 2018 erschien ihr Bestseller über Ise Frank, 'Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus', 2020 ihr Roman 'Margherita' über die Renaissance Venedigs in den 1920er Jahren, der ebenfalls zum Bestseller wurde. Zuletzt erschien von ihr der Roman 'Flucht nach Patagonien' über Jean-Michel Frank und Eugenie Errazuriz (2021). Sie lebt in Venedig und Wernberg in Kärnten.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841225801
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.07.2020
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2239 Kbytes
Artikel-Nr.5150883
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2

Jetzt betrat eine Menschenseele den Platz. Der erste Kunde des neuen Jahres 1920 bog aus der schattigen Via Ricatti in die gleißende Morgensonne und blieb kurz stehen. Wahrscheinlich war er geblendet. Er trug einen langen Kaschmirmantel mit Pelzkragen, Schal und Melone und stand einen Augenblick bewegungslos, das Gesicht zum Himmel gerichtet.

Ja, natürlich, das war die schmale, hochgewachsene Gestalt des jungen Grafen Revedin, Margheritas liebsten Klienten am Borgo Cavour. Er verwickelte sie fast täglich in lange Diskussionen um das Tagesgeschehen, und sie fragte sich seit Jahren, warum ein so hochwohlgeborener Herr sich mit jemandem wie ihr abgab, einem Kind aus dem Volk.

Wohl war er nach dem Tod all seiner Familienangehörigen in den vergangenen Kriegsjahren sehr allein?

Doch was machte ein Herr wie er, der in seinem Palais außer einer Tante, die ihn ab und an aus Turin besuchen kam, zwar keine Familie, jedoch eine Schar von Hausbediensteten hatte, schon so frühmorgens auf der Straße?

Und das an einem Feiertag?

Er stand auf der Piazza wie vom Himmel gefallen, und Margherita wurde es warm ums Herz. Mit keinem Menschen in der ganzen Stadt konnte man so gepflegt über die Rubriken in den Zeitungen diskutieren, die sie von jeher am meisten interessierten: Das waren die Weltpolitik und die Kulturnachrichten.

Und von keinem konnte man so viel zu den liberalen Strömungen erfahren, denen sich die herrschenden Schichten außerhalb Italiens schon in der zweiten Generation öffneten. Die Revedins, und dafür bewunderte Margherita diese Familie seit je, wurden im Städtchen Treviso zwar wortlos respektiert, aber vielerorts auch gefürchtet oder gar gehasst. Der Vater des jungen Grafen, der Conte Ruggero, hatte nämlich schon als junger Großgrundbesitzer eine aufgeklärte Gleichberechtigung seiner Arbeiter verteidigt. Solch demokratische Ideen hatten in Deutschland oder Finnland seit dem Krieg zu neuen Staatsformen geführt. In Italien, das ja fest in seiner tausendjährigen kirchlichen Regentschaft verankert war, waren sie aber bis heute, trotz der neuerlich aufkommenden »roten« Bewegungen, unvorstellbar.

Als einzige Großgrundbesitzer der ganzen Region hatten die Revedins schon um die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Agrarreform umgesetzt und Gesindehäuser gebaut, in denen die Landarbeiter, ihre Kinder und Alten besser untergebracht waren als irgendwo anders. Sie besaßen eine neue bauliche Form, die Luft an alle Fassaden ließ und die die ganze Landschaft rund um Treviso, von Castelfranco bis Cessalto prägte.

In den Jahren vor dem Krieg hatte Margherita zunehmend böse Leserbriefe zu den »gesunden Lebensbedingungen«, die der Conte Ruggero ermöglicht hatte, im Gazzetino Veneto entdeckt. Sie hatte sie dem jungen Grafen regelmäßig gezeigt, und der hatte laut lachen müssen, wenn seine Landarbeiterhäuser »Nester des Kommunismus« genannt wurden oder »Sündenpfuhl gefährlich korrosiver Kräfte«.

Während des Kriegs waren diese Kommentare dann verstummt, spätestens seit die Schützengräben der Front genau durch den Großgrundbesitz der Revedins liefen.

In den Zeiten vor dem Krieg hatte der junge Graf aus jedem Morgen, den Margherita den Corriere in den Innenhof des Palais am Borgo Cavour lieferte, ein kleines Fest gemacht. Sie traf ihn an, wie er sein Automobil bestieg, um auf seine Ländereien um Oderzo und Piavon, Gorgo al Monticano und Motta di Livenza zu fahren, und er lud sie, die ja schon gute zwei Stunden in aller Frühe und bei jedem Wetter in der Stadt unterwegs war, je nach Jahreszeit zu einem Milchkaffee, einer heißen Schokolade oder einem Glas kühlem Obstsaft ein. Jacques, der Chauffeur, zauberte diese Aufmerksamkeiten in Windeseile aus der Gesindeküche im Erdgeschoss in den lichten Innenhof.

Jeden Morgen hatte er sie nach dem Befinden ihrer Schwestern und ihrer Mutter gefragt, und beim Abschied hatten sich seine Züge für einen Augenblick entspannt. Ein Lächeln hatte sich auf seine schmalen Lippen gezaubert, ein hingehauchtes Lächeln, das unendlich fern war und unendlich weich und das Margherita durch den ganzen Tag trug.

Oft hatte er sie in den vergangenen Kriegsjahren, als das Palais Revedin der Sitz der Cadorna-Kriegskommandatur geworden war, sogar zum Kaffee in die Wohnräume in der Beletage gebeten, um dem Innenhof zu entkommen, den Offiziere und Adjutanten im Laufschritt kreuzten und in dem eine ständige Unruhe herrschte.

Doch sie hatte immer abgelehnt.

Was, wenn sie dort oben seinen Vater, den Conte Ruggero, den landesweit bekannten Großindustriellen angetroffen hätten? Oder gar seinen jüngeren Bruder, den glorreichen Kavallerieoffizier, über dessen mutige Frontangriffe man in der ganzen Region sprach?

»Keine Angst, nur ich bin zu Hause«, hatte er immer entwaffnend bescheiden gesagt. Er, der Erstgeborene, hatte sich für die Verwaltung der Ländereien zuständig erklärt, während der Vater und der Bruder in Mailand, Rom oder Turin unterwegs waren und »die Welt verteidigten«, wie er zu sagen pflegte. In Wahrheit hatte er sich aber schon in den allerersten Kriegsmonaten auf seine ganz eigene Weise für die Frontkommandantur unersetzlich gemacht, indem er auf eigene Kosten und mit eigener Photographieausrüstung das Kriegsgeschehen entlang den Schützengräben im Triestiner Karst, dann am Isonzo und am Piave minutiös dokumentierte.

In seinen Tagen und Nächten an vorderster Front musste er einen unbezahlbaren Schatz an Archivmaterial geschaffen haben, doch er sprach nie darüber.

Margherita war es in den langen Kriegsjahren jeden Tag, den sie ihn im Borgo Cavour angetroffen hatte, erschienen, als würde er sich am liebsten in seinen eigenen vier Wänden unsichtbar machen.

Er begrüßte Margheritas große Schwester draußen auf der Piazza mit angedeutetem Handkuss, wie er das immer tat, wenn er hier im Städtchen erschien, und sie tauschten ein paar Worte aus. Die weißen Wölkchen, die der Atem der beiden verursachte, blieben beinahe wie Säulen über ihnen in der Luft stehen.

Jetzt wandte er sich zur Ladentür, die sich mit dem Ding-Dong der Kundenglocke ins Innere des kleinen Verkaufsraums öffnete. Während er sich seine cognacfarbenen Ziegenlederhandschuhe abstreifte, rollte Margherita schon den obersten Corriere auf dem Zeitungsstapel zusammen und reichte ihn über den Tresen.

»Buon anno!«, nahm er ihr zwar die Zeitung ab, wechselte sie aber in die Linke und nahm ihre Hand zum Handkuss.

Das war neu!

Margherita war hier nicht die Chefin, die ein Herr wie er mit Handkuss begrüßen konnte, sondern nur die kleine zuarbeitende Schwester. Sie würde dieses Frühjahr fünfundzwanzig und hatte zwar einen Schulabschluss, doch sonst nichts, aber auch gar nichts im Leben vorzuweisen. Keinen Beruf, keinen Mann, nicht einmal einen Verehrer.

Noch nie in all den Jahren, die sie jetzt für Lisetta die Zeitungen austrug, hatte der junge Graf ihr die Hand gegeben, geschweige denn ihre Hand geküsst. Nicht hier im Zeitungskiosk und erst recht nicht vor oder nach ihren langen Diskussionen im Palais Revedin am Borgo Cavour. Immer waren sie sich außerhalb aller gesellschaftlichen Normen begegnet, wie zwei, die sich etwas zu sagen hatten, doch den Rahmen ignorierten, in dem sich dieses Sich-etwas-zu-sagen-Haben zutrug.

Vielleicht aber, das war wahr, war aus ihrer kleinen Geschichte über die Kriegsjahre etwas mehr geworden, denn Margherita hatte geradezu körperlich spüren können, wie sehr ihn das Leid an der Front und die Verluste in seiner Familie mitgenommen hatten.

Vielleicht war aus dem Sich-etwas-zu-sagen-Haben wortlos ein Sich-etwas-Bedeuten geworden?

»Buon anno, buon decennio, panterina«, wiederholte er, indem er sich wieder aufrichtete.

»Kleine Pantherin«, ja, diese Bezeichnung war Margherita vertraut, seit sie ihm das allererste Mal im Hof seines Palais begegnet war. Sie mochte damals zwölf Jahre alt gewesen sein. Bei jener ersten Begegnung hatte er sich vor sie hingestellt, ganz gerade, wie vor eine Erwachsene, die Hände gefaltet und ihr kurz direkt in die Augen gesehen.

»Der neue Zeitungsbote?«, hatte er gespielt überrascht gefragt. Margherita hatte sich nicht zu antworten getraut und stumm genickt.

»Hat smaragdgrüne Augen und einen Pantherschopf?«

Auch das stimmte. Nur Margherita hatte von ihrem Vater das kohlrabenschwarze, dichte Haar und die meergrünen Augen geerbt, ihre Schwestern sahen aus wie ihre Mutter und alle anderen venezianischen Mädchen, sie hatten dunkelblondes bis kastanienrotes Haar und rehbraune oder himmelblaue Augen. Seine warme Stimme hatte Margherita damals unmittelbar an die ihrer Mutter erinnert. Er musste genauso wenig sprechen wie sie und jedes Wort bedachtsam abwägen. Er war ihr sofort vertraut gewesen.

»Buon anno, Signor Conte«, wünschte sie ihm jetzt ebenfalls ein gutes neues Jahr.

»Ein glückliches Jahr vielleicht, bei diesem herrlichen Morgen? Wie Joseph Conrad seinen jungen Marlow in Youth sagen lässt: It was January, and the weather was beautiful! Sie haben, belesen wie Sie sind, diesen wunderbaren Autor sicher schon entdeckt?«

»O ja! Es war ein Januarmorgen, und das Wetter war prachtvoll ...«, bestätigte Margherita.

Sie hatte Conrads Erzählung, die noch nicht ins Italienische übersetzt war, im englischen Original mit Umbertina entschlüsselt, indem sie gemeinsam Satz für Satz mithilfe des Wörterbuchs übersetzt hatten. Eine mühsame Arbeit, doch sie erinnerten sich so auswendig an...
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Autor

Jana Revedin, geboren 1965 in Konstanz, ist Architektin und Schriftstellerin. Nach dem Studium von Architektur und Städtebau in Buenos Aires, Princeton und Mailand promovierte und habilitierte sie an der Universität Venedig und ist heute ordentliche Professorin für Architektur und Städtebau an der École Spéciale d¿Architecture Paris. 2018 erschien ihr Bestseller über Ise Frank, "Jeder hier nennt mich Frau Bauhaus", 2020 ihr Roman "Margherita" über die Renaissance Venedigs in den 1920er Jahren, der ebenfalls zum Bestseller wurde. Zuletzt erschien von ihr der Roman "Flucht nach Patagonien" über Jean-Michel Frank und Eugenie Errazuriz (2021). Sie lebt in Venedig und Wernberg in Kärnten.