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Malvita

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Zsolnay-Verlagerschienen am21.09.20201. Auflage
Irene Diwiak beleuchtet in ihrem neuen Roman die faszinierende Welt der Reichen und Schönen in Italien. Und sie zeigt auch deren Abgründe.
Christina reist nach Italien, um bei der Hochzeit ihrer Cousine Marietta zu fotografieren; sie kennt bisher weder die Braut noch deren Geschwister. Der Reichtum der Familie ist beeindruckend: Sie wohnen in einer schlossartigen Villa, und alle im Dorf scheinen für sie zu arbeiten und vor allem auf die Frauen der Familie zu hören.
Doch die Idylle ist trügerisch: Nach wenigen Tagen findet Christina die Leiche von Blanca, die zuvor als Fotografin vorgesehen war. Und auch sie hat das Gefühl, auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden.
Irene Diwiak gelingt es meisterhaft, uns in eine faszinierende Welt zu entführen, in der man sich wenig Mühe gibt, den Eingang zur Hölle zu verstecken.

Irene Diwiak wurde 1991 in Graz geboren und wuchs in Deutschlandsberg/Steiermark auf. Sie studierte Komparatistik in Wien. Ihre Texte wurden bereits vielfach ausgezeichnet. 2017 erschien ihr erster Roman Liebwies.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR23,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextIrene Diwiak beleuchtet in ihrem neuen Roman die faszinierende Welt der Reichen und Schönen in Italien. Und sie zeigt auch deren Abgründe.
Christina reist nach Italien, um bei der Hochzeit ihrer Cousine Marietta zu fotografieren; sie kennt bisher weder die Braut noch deren Geschwister. Der Reichtum der Familie ist beeindruckend: Sie wohnen in einer schlossartigen Villa, und alle im Dorf scheinen für sie zu arbeiten und vor allem auf die Frauen der Familie zu hören.
Doch die Idylle ist trügerisch: Nach wenigen Tagen findet Christina die Leiche von Blanca, die zuvor als Fotografin vorgesehen war. Und auch sie hat das Gefühl, auf Schritt und Tritt verfolgt zu werden.
Irene Diwiak gelingt es meisterhaft, uns in eine faszinierende Welt zu entführen, in der man sich wenig Mühe gibt, den Eingang zur Hölle zu verstecken.

Irene Diwiak wurde 1991 in Graz geboren und wuchs in Deutschlandsberg/Steiermark auf. Sie studierte Komparatistik in Wien. Ihre Texte wurden bereits vielfach ausgezeichnet. 2017 erschien ihr erster Roman Liebwies.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783552072152
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.09.2020
Auflage1. Auflage
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2648 Kbytes
Artikel-Nr.5155158
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2. Das Model


Am Bahnsteig stand ein Model. Dass es ein Model war, konnte man auf den ersten Blick erkennen: Die Frau war zwei Meter groß, ihre Beine und Arme Fäden, sie war dürr. Kein hübsches Gesicht, aber faszinierend, hart und kantig, fast ein bisschen männlich. Scharf schnitten ihre Wangenknochen, ihre Augen waren unheimlich dunkel, ihre Mundwinkel zwei perfekt gerade Linien, die weder eine Neigung zum Lachen noch zum Leiden erkennen ließen. Sie hatte das, was man in Frauenzeitschriften »olivfarbenen Teint« nannte, fast schon golden, eine mediterrane Modefantasie, ihr dunkles Haar trug sie auf dem Kopf verknotet, bemüht unordentlich, ein durchdesigntes Vogelnest. Ihre Ohren standen gerade so viel und so wenig ab, dass sie noch als begehrenswertes Markenzeichen durchgingen. Sie war ungeschminkt, sie hatte nichts zu kaschieren und trug einen violetten Jumpsuit, der an jeder anderen vermutlich furchtbar ausgesehen hätte. Aber mit Mode kannte Christina sich nicht aus. Sie selbst trug ausschließlich Schwarz, und das nicht erst seit der Sache mit David und Miri. Das wäre ja noch armseliger gewesen, als im Bahnhofscafé zu heulen oder im Bummelzug durch die toskanische Pampa. Sie hatte einfach einmal irgendwo gelesen, dass Schwarz schlank machte, und damit war ihre Kleidungswahl für alle Ewigkeit getroffen. Sie war ja kein Model, sie war Fotografin oder wollte es sein, sie kaschierte sich selbst, wo es nur ging: Sogar jetzt war sie noch stark geschminkt, mit wasserfestem Make-up.

»Hallo!« Das Model winkte, als ob man es übersehen hätte können. Vermutlich war Christina zu zögerlich gegangen, zögerlich vor Ehrfurcht, sie war beeindruckt von dieser Frau. Das Model war zu jung, um Tante Ada zu sein. War das Marietta?

»Ich bin Elena«, sagte das Model und beugte sich tief zu Christina hinunter, als wäre diese ein Kind, im Größenverhältnis war sie es. Küsschen links, Küsschen rechts, Elenas Wangen waren trotz der Hitze kühl, sie fühlten sich an wie kaltes Eisen. Christina musste verwirrt dreingeblickt haben, denn Elena ergänzte: »Ich bin Mariettas kleine Schwester.« Es war schwer vorstellbar, dass Elena kleiner war als irgendjemand, und Christina wusste nicht, ob der Witz beabsichtigt war. Vorsichtshalber lachte sie nicht. »Ich bin Christina - deine Cousine ... Die Fotografin ...«

»Das weiß ich doch alles«, entgegnete Elena, nicht barsch, aber auch nicht wirklich freundlich. Ihre Stimme war seltsam neutral und schnurgerade wie ihr Mund: Weder hoch noch tief, irgendwo mittendrin eintönig, ließ sie weder Gefühlslage noch Dialektfärbung erahnen. Waren Tante Adas Kinder eigentlich zweisprachig aufgewachsen, sprachen sie Italienisch und Deutsch gleichermaßen oder hatten sie das eine nach dem anderen erlernt?

»Mein Auto steht da drüben. Soll ich dir die Tasche abnehmen?«

»Geht schon, danke.«

Die Welt war Elenas Laufsteg und musste im Laufschritt beschritten werden, Christina stolperte hinter ihr her. Der Wagen war nicht sofort zu sehen, Elena hatte ihn direkt hinter dem Bahnhofshäuschen geparkt, in dem niemand saß und vermutlich auch lange keiner gesessen hatte, es sah baufällig aus. Elena drehte sich um und wartete, als wäre sie die Lehrerin und Christina eine Schulwandergruppe. Bei dem Auto handelte es sich um einen roten, tiefgelegten Sportwagen, der in der Sonne glitzerte wie ein Rubin und vermutlich um ein Vielfaches wertvoller war. Christina hatte genau so wenig Ahnung von Autos wie von Mode. Sie war nicht einmal besonders beeindruckt.

»Wow«, sagte sie, um Elena nicht zu enttäuschen.

»Ach das«, antwortete Elena, wieder weder freundlich noch unfreundlich, und Christina sah ein, dass sie sich an diese Stimme und diese Sprechweise würde gewöhnen müssen. Wahrscheinlich war Elena ganz nett, wenn man sie erst einmal richtig kannte. Sie nahm Christina die Reisetasche ab und stellte sie auf den Rücksitz, Christina nahm am Beifahrersitz Platz. Das Auto lag noch tiefer, als es von außen ausgesehen hatte. Christina fragte sich, wie Elena hier ihre langen Beine unterbringen konnte, ob sie sie durch den Autoboden rammen und laufen würde wie Fred Feuerstein. Stattdessen aber schwang Elena sich elegant hinters Steuer, mit geradem Rücken und sanft angewinkelten Beinen, während Christina sich irgendwie zerknautscht und verbogen fühlte. Alles in dem Wagen war mit Leder überzogen: Die Sitze, das Lenkrad, aber auch die Decke und der Boden waren aus Leder oder einem Material, das wie Leder aussah, und irgendwie passte Elenas violettes Outfit haargenau zu diesem Braunton, als hätte sie beides aufeinander abgestimmt, den Jumpsuit zum Auto gekauft oder umgekehrt. Vielleicht hatte sie das sogar wirklich. Tante Adas Mann war sehr vermögend, hatte Christinas Mutter erzählt.

Elena startete den Wagen. Beim Fahren blickte sie gar nicht auf die Straße, sondern auf das Autoradio, eine regelrechte Soundanlage, sie fummelte mit einer Hand daran herum, bis Drum´ n´ Bass-Musik erschallte. Die andere lag lasch am Lenkrad, eigentlich waren es nur zwei Finger derselben, und selbst diese waren lasch. Elena musste die Strecke gut kennen. Christina blickte aus dem Fenster. Der Geschwindigkeit der vorbeiziehenden Landschaft nach zu urteilen, fuhren sie um einiges schneller als der Bummelzug. Es gab keinen Gegenverkehr.

»Wir sind also Cousinen«, sagte Elena plötzlich.

»Ja«, antwortete Christina.

»Wir haben dich nie kennengelernt.«

»Wir dich auch nicht«, wollte Christina sagen, aber dann dachte sie darüber nach, wer dieses »wir« eigentlich sein sollte: Sie selbst und ihre Mutter, aber ihre Mutter kannte immerhin Tante Ada und sie kannte irgendwie auch Marietta, warum sollte sie nicht auch Elena kennen? Christina zuckte mit den Schultern.

»Wir sind drei«, redete Elena nach kurzer Pause weiter. Der Wagen holperte einen Weinberg hinauf und Elena zog ihren Kopf genau so viel ein, dass sie ihn sich nicht an der Decke anschlug. Die Toskana war Gelände, das Auto kein Geländewagen.

»Marietta und ich und Jordie.«

»Jordie ... ist dein Bruder?«

»Ja.«

Christina konnte sich nicht mehr daran erinnern, ob ihre Mutter auch von ihm erzählt hatte, und wenn ja, was. Sie konnte sich allerdings an kaum etwas von dem erinnern, was ihre Mutter gesagt hatte: Marietta heiratete, Toskana, vermögender Onkel.

»Was machst du eigentlich beruflich?«, fragte Christina, um das Gespräch am Laufen zu halten.

»Ich bin Model«, antwortete Elena.

Christina tat, als würde sie das überraschen.

»Ich habe noch nie so ein echtes, professionelles Model kennengelernt!«

»Dafür habe ich schon sehr viele echte, professionelle Fotografen kennengelernt«, antwortete Elena.

Das war jetzt eindeutig ein Witz, dachte Christina, aber Elenas Stimme klang so trocken und gleichgültig wie bei allem, was sie sagte, dass Christina nur hüstelte, ein Geräusch zwischen Lachen und Räuspern, sollte Elena darunter verstehen, was sie wollte. Nun war für Christina eigentlich der ideale Zeitpunkt gekommen, um zu gestehen, dass sie selbst in Wahrheit gar keine echte, professionelle Fotografin war, sondern nur eine gut ausgerüstete Studentin.

»Und was ist Marietta von Beruf?«, fragte sie stattdessen.

Elena wirkte sogar respekteinflößend, wenn sie nur dasaß und starr vor sich hinschaute, nicht unbedingt auf die Straße, sondern immer nur geradeaus. Von der Seite glich sie ganz und gar einem mageren Mann, ein Hungerkünstler in modischem Jumpsuit.

»Marietta arbeitet ...«, antwortete Elena, aber dann stockte sie kurz, als müsste sie darüber nachdenken, »... in einer Bank.«

»Und wo arbeitet Jordie?«

Da brach Elena plötzlich in ein solches Lachen aus, dass sie den Wagen kurzfristig in Schlangenlinien lenkte. Zum ersten Mal hörte Christina Elenas Lachen, und dieses Lachen war so viel sympathischer als ihre Sprechstimme, es war hoch und melodisch und klang ein wenig wie das Klingeln von Weihnachtsglöckchen, so einladend süß, dass Christina einfach mitlachen musste.

»Jordie arbeitet doch noch nicht!«, antwortete Elena, als sie sich wieder einigermaßen beruhigt hatte, aber das Gelächter klang noch in ihrem Sprechen nach. »Jordie ist ein kleiner Engel, ich bringe ihm immer etwas mit, wenn ich aus der Stadt komme.«

Sie griff mit jener Hand, die sie nicht zum Lenken benutzte, in die Tasche ihres Suits und holte eine Maus aus Plüsch heraus. Sie lachte noch einmal ausgiebig, dann packte sie das Stofftier wieder weg, und ihr Gesicht wurde starr, als hätte sie sich gerade jetzt daran erinnert, dass Lachen Falten machte, oder dass Christina keine war, mit der man lachen durfte. Das...
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