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88 Namen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am01.11.20201. Auflage
Teils Detektivgeschichte, teils Science-Fiction-Thriller - und ganz der neue, witzige Roman von Kultautor Matt Ruff. John Chu liebt seinen Job. Als Sherpa begleitet er zahlungskräftige Kunden in Online-Rollenspiele wie das populäre Call to Wizardry und zeigt ihnen die Kniffe des Games. Das Geschäft brummt, und John würde sich als glücklich bezeichnen, wären da nicht zwei klitzekleine Probleme: Zum einen hat seine Ex-Freundin nach einer unglücklich verlaufenen Trennung geschworen, seine berufliche und private Existenz zu vernichten. Zum anderen vermutet er, dass es sich bei seinem neuesten Kunden in Wirklichkeit um den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un handelt, der die virtuelle Welt studieren möchte, um sie für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren. John versucht, der wahren Identität des ominösen »Mr. Jones« auf die Spur zu kommen - und verstrickt sich in ein Komplott, das ihn den Kopf kosten könnte. Für Leser*innen von Ernest Cline, Jasper Fforde und Douglas Adams.

Matt Ruff, 1965 in New York geboren, wurde bereits mit seinem ersten Roman (»Fool on the Hill«) zum Kultautor. Seitdem nimmt er sich auf seine unnachahmliche Weise verschiedenste Fragen der Gegenwartskultur an. In »88 Namen« beschäftigt er sich mit unklaren Identitäten im Internetzeitalter.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextTeils Detektivgeschichte, teils Science-Fiction-Thriller - und ganz der neue, witzige Roman von Kultautor Matt Ruff. John Chu liebt seinen Job. Als Sherpa begleitet er zahlungskräftige Kunden in Online-Rollenspiele wie das populäre Call to Wizardry und zeigt ihnen die Kniffe des Games. Das Geschäft brummt, und John würde sich als glücklich bezeichnen, wären da nicht zwei klitzekleine Probleme: Zum einen hat seine Ex-Freundin nach einer unglücklich verlaufenen Trennung geschworen, seine berufliche und private Existenz zu vernichten. Zum anderen vermutet er, dass es sich bei seinem neuesten Kunden in Wirklichkeit um den nordkoreanischen Diktator Kim Jong-un handelt, der die virtuelle Welt studieren möchte, um sie für seine politischen Zwecke zu instrumentalisieren. John versucht, der wahren Identität des ominösen »Mr. Jones« auf die Spur zu kommen - und verstrickt sich in ein Komplott, das ihn den Kopf kosten könnte. Für Leser*innen von Ernest Cline, Jasper Fforde und Douglas Adams.

Matt Ruff, 1965 in New York geboren, wurde bereits mit seinem ersten Roman (»Fool on the Hill«) zum Kultautor. Seitdem nimmt er sich auf seine unnachahmliche Weise verschiedenste Fragen der Gegenwartskultur an. In »88 Namen« beschäftigt er sich mit unklaren Identitäten im Internetzeitalter.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104913148
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.11.2020
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1089 Kbytes
Artikel-Nr.5156241
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



AVATAR - die audiovisuelle Manifestation einer Person oder eines Software-Agenten in einer virtuellen Umgebung. Avatare können jedem beweglichen oder unbeweglichen Gegenstand ähneln, den der Host-Computer rendern kann. Außerdem können sie den betrachtenden Personen unterschiedlich dargestellt werden: In einer Online-Konferenz mit drei Teilnehmern sieht Alice für Bob aus wie eine fotorealistische Darstellung ihrer selbst. Charlie sieht und hört sie dagegen als eine Cartoon-Figur, ein sprechendes Pferd oder den Geist von Neville Chamberlain. Die Fähigkeit, mehrere Aspekte zu übertragen, wird als Facettierung bezeichnet und bietet die Möglichkeit, viele verschiedene Exploits zu nutzen oder anderen Quatsch anzustellen.

Lady Adas Lexikon


»Ihr kriegt keinen verschissenen Cent von mir.«

Jolene und ich haben Brad in der Game-Lobby wiedergetroffen, einer virtuellen Lounge, die Spieler gerne vor oder nach Runs zum Abhängen nutzen. Die Lobby ist im Cyberpunk-Stil gehalten: Alles ist verchromt, und überall sind Neonlichter; es gibt eine Bar mit einem Jumbotron-Fernseher, der immer deinen Lieblingskanal zeigt, eine Tanzfläche, über die Laserstrahlen zucken und auf der dreimal die Woche Karaoke-Abende stattfinden, Spielautomaten, die alte Spiele emulieren können, und überall hängen interaktive Bildschirme, mit denen man Teammitglieder für Call to Wizardry und ein Dutzend anderer beliebter MMORPGs finden kann. Wegen der Sponsorenvereinbarung mit Tempest dürfen Sherpas in der Lobby keine Werbung machen, aber nichts hindert dich daran, auf einem eigenen Pop-up-Bildschirm das Sherpa-Forum auf GigSearch aufzurufen.

Wir drei stehen um einen Tisch am Rand der Tanzfläche. Ich habe eine Kuppel der Stille benutzt, damit wir uns nicht über die Musik hinweg anschreien müssen. Wir nutzen alle unsere Standardavatare. Brad sieht zwar nicht mehr aus wie der Charakter aus einer Gilbert-und-Sullivan-Operette, aber ich habe trotzdem den Eindruck, dass ich ihn in der realen Welt lieber nicht kennenlernen möchte. Ich habe meine Schulzeit nicht auf einer normalen Highschool verbracht, also blieben mir die rituellen Demütigungen erspart, aber ich habe genug Folgen von Glee gesehen, um zu wissen, dass Brad seine prägenden Jahre damit verbracht hat, Nerds in Spinde zu sperren.

Jolene ist eine große, sportliche schwarze Frau in den frühen Fünfzigern. Ihr Avatar ähnelt ihren Facebook-Fotos, aber wie die meisten hat sie einige Schönheitsfehler kaschiert und die Lücke zwischen den Schneidezähnen entfernt. Im echten Leben trägt sie eine konservative, natürliche Kurzhaarfrisur, die zu ihrem Job als IT-Spezialistin in einer Kanzlei in Colorado Springs passt. Ihr Avatar hingegen trägt mehrere aufwendig miteinander verflochtene Zöpfe. Für diese Frisur müsste man in echt Hunderte von Dollar in Extensions stecken und wer weiß wie viele Stunden in Pflege investieren. Hier in der Phantasiewelt ist die Frisur kostenlos, und du musst dir keine Sorgen machen, dass ein Fremder einfach so deine Haare angrabbelt.

Wer das People-Magazin abonniert hat, kennt meinen Avatar aus einem Artikel in der Ausgabe vom 8. März: »John Chu, Sherpa greift nach den Sternen.« Mein echter Nachname ist Conway, aber aus Respekt für meine Mutter nenne ich mich Chu. Sie hat mich aufgezogen und mich vor unangenehmen Fragen wie »Wieso hast du einen irischen Nachnamen, wenn du Asiate bist?« bewahrt.

Mein Avatar hat weniger Akne-Narben als ich, aber den größten Unterschied macht der Mom-und-Dad-Schalter aus. So nenne ich den Code, den mein Freund Djimon Campbell eingebaut hat. Djimons Eltern kommen ebenfalls von verschiedenen Kontinenten: Die Familie seines Vaters kommt aus England und Schottland, und seine Mutter ist eine Yoruba. Djimons Eltern leben getrennt, haben sich aber das Sorgerecht geteilt, und als Kind hat er gemerkt, dass man ihn anders behandelt, je nachdem, bei welchem Elternteil er gerade ist. Eines Tages hat er ein Experiment gestartet und mit einer Public-Domain-Morphing-Software eine Avatar-Erweiterung gebastelt, mit der er entweder den Erbteil seines Vaters oder den seiner Mutter betonen kann. Seine Haut wurde dunkler oder heller, als sie eigentlich war. Das Ergebnis verblüffte ihn: Er hatte erwartet, dass seine Hautfarbe das Verhalten der Leute beeinflussen würde, doch er hatte nicht damit gerechnet, dass es so krass werden würde.

Ich habe Djimon einhundert Kröten bezahlt, damit er meinem Avatar einen ähnlichen Code schreibt. Für mich ist das ein Arbeitswerkzeug. Die historisch gewachsene Verbindung zwischen chinesischen Hackern und Gold-Farmern hat das Vorurteil geprägt, dass Menschen, die chinesisch aussehen, die geborenen Sherpas sind. Genauso, wie wir Chinesen immer Streber sind. Für das erste Treffen mit einem neuen Kunden hebe ich also das Erbteil meiner Mom hervor. Wenn sich dagegen jemand beschwert, kann man nicht europäisch genug aussehen.

Im Augenblick steht die Dad-Einstellung auf elf. Der Wert ist ziemlich hoch, und trotzdem kann es sein, dass Brad nichts auffällt. Jolene fällt es definitiv auf.

Sie öffnet einen privaten Kanal: Für Brad sieht es so aus, als stünde sie bewegungslos mit auf dem Tisch gefalteten Händen vor ihm, doch ich sehe, dass sie sich mit vor Erstaunen geweiteten Augen zu mir herüberlehnt. »Oh mein Gott!«, sagt sie. »Weiß ... weißer ... schneeweiß!«

Ich ignoriere sie. Äußerlich sehe ich wie mein Vater aus, doch innerlich bin ich ganz im Mom-Modus, erstelle ein psychologisches Profil von Brad und versuche herauszufinden, wie ich ihn dazu bringe, den Rest unseres Honorars rauszurücken. Ich könnte damit drohen, ihn im Sherpa-Forum anzuschwärzen, aber das würde ihn vermutlich nur zum Lachen bringen. An seine Fairness zu appellieren würde vermutlich gleichzeitig jenen Teil in ihm ansprechen, der gerne Nerds in Spinde sperrt. Bloß nichts tun, was als Schwäche ausgelegt werden könnte. Ich beschließe, dass meine einzige Hoffnung darin besteht, ihn aus dem Konzept zu bringen und seine Wut in andere Bahnen zu lenken.

»Habt ihr mich gehört? Ich habe gesagt, ihr kriegt keinen ...«

»Du hast Gold gekauft«, sage ich.

Das macht ihn sprachlos. »Was?«

»Im Auktionshaus kostet Ivars Hammer mindestens 25000 Gold. Der Samurai war pleite, als du ihn übernommen hast, und für das Katana kannst du nicht mehr als ein paar hundert bekommen haben, also hast du Gold gekauft.«

»Und?«

»Ich vermute mal, dass du das nicht im In-Game-Laden gekauft hast.« Nachdem sie mehrere Jahre lang versucht haben, Gold-Farmer aus Call to Wizardry auszuschließen, hat Tempest beschlossen, ihnen die Geschäftsgrundlage zu entziehen und Goldkäufe völlig legal in den offiziellen Shop einzubauen. Der Preis schwankt wie auf dem echten Goldmarkt, doch er wird immer so niedrig gehalten, dass Goldgeschäfte auf dem Schwarzmarkt nicht mehr profitabel sind. Mit einer Ausnahme.

»Das Gold kommt von einem Kerl, den ich in dem Forum gefunden habe, wo ich euch auch angeheuert habe«, sagt Brad.

Ich nicke wissend. »Die Sache ist die ... Man kann in Call to Wizardry nur dann gutes Geld mit Goldverkäufen machen, wenn man es gestohlen hat. Die Verkäufer knacken die Accounts von anderen Spielern, liquidieren deren Sachen und verkaufen das Gold dann an ...« - Idioten wie dich - »Leute, die ein Schnäppchen machen wollen.«

Brad zuckt die Achseln. Spieler, die so unvorsichtig sind, dass man ihre Accounts hacken kann, sind nicht sein Problem, will er mir damit sagen.

Sind sie aber doch. »Alles, was in der Spielwelt passiert, wird aufgezeichnet«, sage ich. »Sobald die Accounts als gehackt gemeldet werden, kann Tempest ganz genau nachverfolgen, wo das Gold hin ist. Die Diebe kriegen sie nicht, aber die Käufer können sie sehr wohl drankriegen.«

Brad zuckt erneut die Achseln, aber seine selbstsichere Fassade bröckelt. »Woher wollt ihr wissen, dass es an mir lag?«, fragt er. »Euch haben sie auch hochgenommen.«

»Weil wir mit dir zusammen waren. Tempest ist der Spur des Goldes gefolgt. Sie haben uns eine Weile belauscht und so herausgefunden, dass wir Sherpas sind.« Ich improvisiere weiter: »Und um uns eine richtige Lektion zu erteilen, haben sie auf den perfekten Augenblick gewartet, um uns den Stecker zu ziehen. Sogar die Beute in Anastasias Höhle war vermutlich absichtlich legendär.«

»Das Schwert? Das haben sie uns absichtlich gegeben?«

»Und dann haben sie es sich gleich wieder zurückgeholt«, sage ich. Ich erzähle Blödsinn, aber das weiß Brad ja nicht. »Ich kann wirklich verstehen, dass du aufgebracht bist, aber wir haben dich nicht verarscht, sondern Tempest. Oder der Betrüger, der dir das Gold verkauft hat.«

Brad wendet den Blick ab und scheint darüber nachzudenken. Als er sich mit ruhiger Mine wieder mir zuwendet, nickt er und wirkt wie die Vernunft selbst. Spätestens jetzt weiß ich, dass wir am Arsch sind.

»Du hast recht, es ist nicht eure Schuld«, sagt Brad. »Aber ihr kriegt trotzdem keinen scheiß Cent von mir.« Er zuckt wieder die Achseln. »Es ist genau, wie du gesagt hast: Ich kann diejenigen, die dafür verantwortlich sind, nicht drankriegen, also muss ich es wohl an euch auslassen.«

Jolene bricht ihr Schweigen. »Mann, was läuft denn bloß falsch bei dir? Warum willst du unbedingt so ein ...«

Brad schneidet ihr das Wort ab: »Wer hat dich nach deiner Meinung gefragt, Beyoncé? Glaubst du, ich gebe einen feuchten Dreck, was du ...«

»Du bist für mich...
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Autor

Matt Ruff, 1965 in New York geboren, wurde bereits mit seinem ersten Roman (»Fool on the Hill«) zum Kultautor. Seitdem nimmt er sich auf seine unnachahmliche Weise verschiedenste Fragen der Gegenwartskultur an. In »88 Namen« beschäftigt er sich mit unklaren Identitäten im Internetzeitalter.Alexandra Jordan (*1992) lebt in Münster und übersetzt Literatur (Ernest Cline, Matt Ruff) und Videospiele.