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Lotte Lenya und das Lied des Lebens

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am01.11.20201. Auflage
Lotte Lenya ist die wohl bekannteste Sängerin der Dreigroschenoper. Dieser Roman erzählt die Geschichte der einzigartigen Schauspielerin und Sängerin Lotte Lenya - die Frau, die Kurt Weill und Bertolt Brecht ihre Stimme schenkte. Inmitten der 1920er Jahre lernt die noch unbekannte Schauspielerin Lotte Lenya ihren zukünftigen Ehemann Kurt Weill kennen - sie rudert ihn über einen See und beide verlieben sich unsterblich ineinander. An Weills Seite gelingt ihr einige Jahre später der Durchbruch, sie lernt Bertolt Brecht kennen und spielt die Seeräuber Jenny in der Dreigroschenoper. Doch die Liebe des Künstlerpaars ist Höhen und Tiefen ausgesetzt ... Kenntnisreich und emotional erzählt Eva Neiss die Geschichte von Lotte Lenya, die mit ihrer besonderen Stimme, ihrer charmanten Eigenwilligkeit und ihrem Drang nach Leben ihre Zeitgenossen in den Bann zog.

Eva Neiss, geboren 1977, hat einen Magister in Literaturwissenschaften und einen Bachelor in Psychologie. Während ihres Studiums und jahrelanger journalistischer Arbeit entdeckte sie ihre Liebe zum ausgiebigen Recherchieren und Erkunden von gesellschaftlichen Zusammenhängen. Leider kam zwischen all den Fakten das Erfinden von Geschichten zu kurz, weshalb sie sich dazu entschloss, beide Leidenschaften beim Schreiben historischer Romane zu verbinden. Heute lebt Eva Neiss glücklich zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextLotte Lenya ist die wohl bekannteste Sängerin der Dreigroschenoper. Dieser Roman erzählt die Geschichte der einzigartigen Schauspielerin und Sängerin Lotte Lenya - die Frau, die Kurt Weill und Bertolt Brecht ihre Stimme schenkte. Inmitten der 1920er Jahre lernt die noch unbekannte Schauspielerin Lotte Lenya ihren zukünftigen Ehemann Kurt Weill kennen - sie rudert ihn über einen See und beide verlieben sich unsterblich ineinander. An Weills Seite gelingt ihr einige Jahre später der Durchbruch, sie lernt Bertolt Brecht kennen und spielt die Seeräuber Jenny in der Dreigroschenoper. Doch die Liebe des Künstlerpaars ist Höhen und Tiefen ausgesetzt ... Kenntnisreich und emotional erzählt Eva Neiss die Geschichte von Lotte Lenya, die mit ihrer besonderen Stimme, ihrer charmanten Eigenwilligkeit und ihrem Drang nach Leben ihre Zeitgenossen in den Bann zog.

Eva Neiss, geboren 1977, hat einen Magister in Literaturwissenschaften und einen Bachelor in Psychologie. Während ihres Studiums und jahrelanger journalistischer Arbeit entdeckte sie ihre Liebe zum ausgiebigen Recherchieren und Erkunden von gesellschaftlichen Zusammenhängen. Leider kam zwischen all den Fakten das Erfinden von Geschichten zu kurz, weshalb sie sich dazu entschloss, beide Leidenschaften beim Schreiben historischer Romane zu verbinden. Heute lebt Eva Neiss glücklich zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104911793
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.11.2020
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1640 Kbytes
Artikel-Nr.5156293
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Szene


Das Ruderboot - Grünheide,

Sommer 1924.


Mit dem Handrücken wischt Lotte sich die Schweißperlen von der Stirn. Das Salz brennt auf dem frischen Mückenstich an ihrem Handgelenk. Gleich ein ganzer Schwarm dieser Biester hat sie umzingelt, während sie das Boot über das Wasser steuerte. Sie hat das Ruder nicht ein einziges Mal abgelegt, um nach ihnen zu schlagen, so sehr ist sie in Eile gewesen. Es gilt, einen wichtigen Auftrag zu erfüllen. Vermutlich wartet der Herr Komponist am Bahnhof schon ungeduldig darauf, von ihr abgeholt zu werden. Er soll die Musik zum neuen Libretto ihres Gastgebers verfassen. Seit Monaten lebt sie in dem prächtigen Haus der Familie Kaiser, ohne einen Pfennig zahlen zu müssen. Sie schuldet ihnen viel und willigte sofort ein, als der Herrscher des Kaiserreichs sie bat, einen Herrn Weill vom Bahnhof abzuholen. »Nimm einfach eines der Boote, dann musst du nicht den langen Fußmarsch durch den Wald antreten«, riet er ihr.

Sie hat es zunächst für einen Riesenspaß gehalten, hier im Ruderboot vorzufahren. Doch nachdem sie hastig den ganzen See überquert hat, brennen die Muskeln in ihren Oberarmen. Nicht so schlimm. Der Kaiser hat seinen Gast als vollkommenen Kavalier beschrieben. Sicher wird er gleich die Ruder in die Hand nehmen. Sorgfältig bindet sie das Boot am Steg fest und klettert auf die Planken. Die Stelle an ihrem Handgelenk juckt immer noch so furchtbar, dass sie den Zeigefinger zwischen die Lippen steckt, um etwas Spucke auf dem Stich zu verteilen. Als ihr einfällt, dass sie diese Hand gleich dem Gast reichen muss, trocknet sie die Stelle schnell an ihrem weißen Sommerkleid.

Andererseits hätte es ihm vielleicht nichts ausgemacht. Es ist sogar sehr wahrscheinlich, dass es sich bei dem Ankömmling um einen Speichellecker handelt. Lotte hat so ihre Erfahrungen mit aufstrebenden Musikern gemacht, die sich dem Herrn Kaiser andienen wollen. Ihr kann es egal sein, die Abwechslung kommt ihr gelegen.

Munter blickt sie der Sonne entgegen, mit der Hand an der Stirn, um die Augen vor dem gleißenden Licht zu schützen. Nie hat sie weniger Sorgen gehabt als in diesen Tagen. Im Hause der Kaisers inmitten von all dem Grün und Wasser kommt es ihr vor, als könne nichts Schlimmeres geschehen, als dass eine dunkle Wolke sie vom Baden abhält. Viel zu tun hat sie nicht, außer dem Nachwuchs eine Art große Schwester zu sein. Da sie mit mehreren Geschwistern aufgewachsen ist, fiel es ihr leicht, in die gewünschte Rolle zu schlüpfen. Sie genießt es, in dieser Familie das große Kind sein zu dürfen, das sie zuvor nie gewesen ist. Gut, dass sie nicht geahnt hatte, wie blond, sonnig und behütet man aufwachsen kann, sonst wäre sie jetzt vielleicht ganz gelb vor Neid. Manchmal geht sie auch im Haushalt ein wenig zur Hand, wobei alle anspruchsvolleren Arbeiten der Hauslehrer, der Gärtner oder die Köchin erledigen.

Das Einzige, was sie vermisst, ist die Bühne. Aber bislang ist sie darauf nicht so weit gekommen, wie sie es sich erhofft hat. Und bis sie endlich ein neues Engagement ergattert, ist sie hier viel besser aufgehoben - ohne finanzielle Sorgen, fordernde Liebhaber und all die Verlockungen, Geld aus dem Fenster zu werfen. Nein, viel klüger ist es da doch wohl, sich vom beliebtesten Dramatiker des Landes Unterschlupf gewähren zu lassen. Schon allein das Essen ist hier so viel besser als in ihrer letzten Butze, wo sie sich immer einreden musste, Fischfrikadellen zu essen, wenn die Wirtin wieder einmal Speisen in unnatürlichen Farben auftischte. Zur Beruhigung hatte die gute Frau wenig mehr zu sagen als: »´ne Katze is et nich.« Vermutlich hätte es sich gelohnt, einmal die Ratten im Haus vor und nach der Mahlzeit zu zählen, aber krummnehmen konnte Lotte der Kriegswitwe ihre Ruppigkeit nie. So war das eben, wenn man drei Kinder am Leben halten musste, von denen eines Tuberkulose hatte. Die Miete hat sie jeden Tag kassiert, schließlich war nicht vorherzusehen, wer sich sein Zimmer am folgenden Sonnenaufgang noch leisten konnte, so schnell wie das Geld wertlos wurde. Lotte gefielen das ständige Kommen und Gehen, die Wirtin und ihre Nachbarn - bis ausgerechnet der schöne, russische Klavierstudent aus dem Zimmer nebenan sich umbrachte. Vielleicht hatte er es über, zu kommen und zu gehen. Vielleicht konnte er es sich auch schlicht nicht mehr leisten, irgendwo hinzugehen. Aber auch danach erschien Lotte ihre Wohnung immer noch besser als ihre erste Bleibe in Berlin, wo kaum jemand sein Geld auf ehrliche Weise verdiente und sich dennoch fünf Menschen eine Matratze teilen mussten.

Sie hat den Kaisers von dem Leben in solchen Pensionen erzählt, als handele es sich dabei um einen herrlichen Spaß. Die Gastgeber lachten voll faszinierter Ungläubigkeit, und um ihnen die Freude nicht zu verderben, verschwieg sie den Studenten.

Auf dem Weg zu den Gleisen fragt sie sich, wie sie den Herrn Weill überhaupt erkennen soll. Sie hat Kaiser gebeten, ihn zu beschreiben, woraufhin er lachend erwiderte: »Na, wie soll er schon aussehen? Wie alle anderen Musiker auch.«

Der Zug fährt gerade ein, verpasst hat sie ihn also nicht. Während sich die Türen öffnen, hofft sie, dass es nicht allzu viele Passagiere in diesen entlegenen Winkel am Rande Berlins verschlägt. Doch ihre Sorge, ihn zu übersehen, stellt sich als unnötig heraus. Als Herr Weill mitsamt seinem Koffer auf dem Bahnsteig steht, erkennt sie ihn sofort. Sie kann schon deshalb nicht daran zweifeln, den Richtigen ausfindig gemacht zu haben, weil niemand sonst den Zug verlassen hat. Da steht einzig und allein dieses drollige Kerlchen, das kaum größer als sie selbst zu sein scheint. Sie geht auf ihn zu und mustert währenddessen den dunkelblauen Anzug, den kleinen Schlips und den schwarzen Borsalino auf seinem Kopf. Jeder Musiker, der etwas auf sich hält, trägt gerade einen solchen Hut. Somit hat Kaiser mit seiner Beschreibung recht behalten. Über seine Kopfbedeckung hinaus hat dieser Mann aber nichts an sich, das sein Metier verraten könnte. Im Gegenteil. Je näher Lotte ihm kommt - er selbst bequemt sich ja nicht loszumarschieren -, erinnert er sie immer mehr an einen Mathematikprofessor. Auf jeden Fall aber an jemanden sehr Gelehrtes, der sich mit lauter unglaublich wichtigem Zeug befasst, das außer ihm kein Mensch versteht. Wenn er eine so dicke Brille benötigt, muss der Arme blind wie ein Katzenjunges sein. Vielleicht hat er sich deshalb nicht fortbewegt. Jemand wie er muss wohl bei Verabredungen in der Hoffnung verharren, gefunden zu werden.

Doch als sie direkt vor ihm steht, vertreibt der Schalk in seinem schiefen Lächeln den Gelehrten. Aus der Nähe betrachtet, scheint er sogar noch jünger als sie selbst mit ihren sechsundzwanzig Jahren zu sein. »Sind Sie vielleicht der Herr Weill?«

»Das bin ich.«

Seine Stimme gefällt ihr. Sie ist sanft wie ein Windhauch und damit das willkommenste Geschenk an einem warmen Tag wie diesem.

»Fein. Ich komme, um Sie abzuholen, und soll Sie zu den Kaisers bringen. Ich bin die Lotte Lenja«, sagt sie und reicht ihm die Hand, die er mit unerwartet festem Druck ergreift. »Guten Tag, Fräulein Lenja.«

Je häufiger sie diesen Namen ausgesprochen hört, desto weniger befremdlich klingt er in ihren Ohren. So weit, dass sie ihn ganz selbstverständlich über die Lippen bringen würde, ist es allerdings noch nicht. Dafür ist sie zu lange eine Karoline Blaumauer gewesen. Ihr Gegenüber wirkt ein wenig angespannt, was daran liegen mag, dass er einen Oberarm ganz eng an den Körper presst. Darunter hält er eine Mappe eingeklemmt.

»Bewachen Sie ein wertvolles Gut?«, fragt Lotte lächelnd.

»Mein Wertvollstes«, erklärt er. »Das ist meine Notenmappe.«

»Und das da?« Sie tippt auf eines der knitterigen Papiere, die aus seiner Jackentasche hervorlugen. »Wenn diese Bündel das Trinkfeld für Ihren Chauffeur sein sollen, sollten Sie es aber vorher noch bügeln, damit er es überhaupt annimmt.«

Sein Blick folgt ihrem mit einem verlegenen Lächeln. »Das sind nur ein paar Notizen. Ich kann nicht anders. Sobald mir ein Klang durch den Kopf geht, muss ich ihn auf Papier festhalten.«

Später wird Lotte denken, dass sie diese Äußerung als Warnung hätte nehmen sollen. Zu diesem Zeitpunkt ahnt sie jedoch weder, dass wirklich jede Faser dieses Mannes von Tönen durchdrungen ist, noch, dass auch nur eine einzige Eigenheit dieses Fremden jemals eine Bedeutung für sie haben könnte.

»Na, dann folgen Sie mir mal«, sagt sie.

Am Steg angekommen, betrachtet er zweifelnd den See. »Sehr idyllisch. Aber ich sehe gar kein Haus.«

Lachend klettert sie in das Boot. »Würde es Ihnen wohl etwas ausmachen, ebenfalls in dieses Vehikel zu steigen? Der Kahn ist nämlich unser Transportmittel.«

Als sie seinen erschrockenen Blick sieht, lässt sie das Boot absichtlich ein wenig wackeln, um ihn zu ärgern.

»Ist das Ihr Ernst?«, fragt er.

Amüsiert nimmt Lotte das beunruhigte Zucken seiner Oberlippe zur Kenntnis. Neben seiner Stimme ist dieser Mund das Schönste an ihm. Ein markantes Kinn rettet die vollen Lippen davor, zu feminin zu wirken.

Sie nickt. »Es sei denn, Sie möchten lieber versuchen, sich Ihren Weg durch den Wald zu bahnen?«

»Ich weiß nicht recht«, murmelt er. Vorsichtig setzt er einen Fuß in das Boot. Mit seinen unentschlossenen Bewegungen bringt er den ganzen Kahn zum Schaukeln.

»Angst?«, fragt Lotte. Sie lässt ihre Wimpern flattern, die ganz schwer von schwarzer Wimperntusche sind.

Ohne ihre Frage einer Antwort zu würdigen, reicht er ihr die...
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Eva Neiss, geboren 1977, hat einen Magister in Literaturwissenschaften und einen Bachelor in Psychologie. Während ihres Studiums und jahrelanger journalistischer Arbeit entdeckte sie ihre Liebe zum ausgiebigen Recherchieren und Erkunden von gesellschaftlichen Zusammenhängen. Leider kam zwischen all den Fakten das Erfinden von Geschichten zu kurz, weshalb sie sich dazu entschloss, beide Leidenschaften beim Schreiben historischer Romane zu verbinden. Heute lebt Eva Neiss glücklich zwischen Fiktion und Wirklichkeit sowie mit Mann und Sohn im Süden Hamburgs.