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Oktoberfest 1900 - Träume und Wagnis

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
496 Seiten
Deutsch
FISCHER E-Bookserschienen am01.08.20201. Auflage
Im bunten Zauber des berühmtesten Volksfestes der Welt kämpfen zwei Frauen in Zeiten der Umwälzung um Aufstieg, Anerkennung und Liebe. Der große Frauenroman zum größten Fest der Welt. In diesem Jahr gehen wir mit dem großen ARD-Mehrteiler »Oktoberfest 1900« auf die Wiesn und feiern ein mitreißendes Lesefest mit diesem Roman. München, 1900: Dass sie ein einfaches Schankmädchen war, muss Colina verheimlichen. Denn jetzt ist sie aufgestiegen zur Gouvernante der jungen, eigenwilligen Clara. Deren Vater, der Brauereimagnat Prank, strebt nach Macht und Einfluss auf dem Oktoberfest. Auch Claras Verheiratung soll dabei helfen. Aber Clara will sich seinen Befehlen nicht unterordnen. Trotz Colinas Warnung flieht sie von zu Hause. Der Skandal droht alles zu zerstören. Doch dann entwickelt Colina mitten im Glanz und Getriebe des Oktoberfestes einen gewagten Plan: für sich und Clara will sie eine neue Chance aufs Glück erkämpfen. »Das Oktoberfest ist ein überwältigender Ort, an dem man in einen Strudel gerät, der einem den Atem nimmt.« Martina Gedeck, Hauptdarstellerin im großen ARD-Mehrteiler »Oktoberfest 1900«

Petra Grill ist aufgewachsen und ansässig in Erding. Das Oktoberfest kennt und liebt sie seit ihrer Kindheit. Gern denkt sie daran zurück, wie sie schon als Kind mit ihren Eltern zwischen Schiffschaukeln, Karussells und dem Duft von gebrannten Mandeln über die Theresienwiese ging.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIm bunten Zauber des berühmtesten Volksfestes der Welt kämpfen zwei Frauen in Zeiten der Umwälzung um Aufstieg, Anerkennung und Liebe. Der große Frauenroman zum größten Fest der Welt. In diesem Jahr gehen wir mit dem großen ARD-Mehrteiler »Oktoberfest 1900« auf die Wiesn und feiern ein mitreißendes Lesefest mit diesem Roman. München, 1900: Dass sie ein einfaches Schankmädchen war, muss Colina verheimlichen. Denn jetzt ist sie aufgestiegen zur Gouvernante der jungen, eigenwilligen Clara. Deren Vater, der Brauereimagnat Prank, strebt nach Macht und Einfluss auf dem Oktoberfest. Auch Claras Verheiratung soll dabei helfen. Aber Clara will sich seinen Befehlen nicht unterordnen. Trotz Colinas Warnung flieht sie von zu Hause. Der Skandal droht alles zu zerstören. Doch dann entwickelt Colina mitten im Glanz und Getriebe des Oktoberfestes einen gewagten Plan: für sich und Clara will sie eine neue Chance aufs Glück erkämpfen. »Das Oktoberfest ist ein überwältigender Ort, an dem man in einen Strudel gerät, der einem den Atem nimmt.« Martina Gedeck, Hauptdarstellerin im großen ARD-Mehrteiler »Oktoberfest 1900«

Petra Grill ist aufgewachsen und ansässig in Erding. Das Oktoberfest kennt und liebt sie seit ihrer Kindheit. Gern denkt sie daran zurück, wie sie schon als Kind mit ihren Eltern zwischen Schiffschaukeln, Karussells und dem Duft von gebrannten Mandeln über die Theresienwiese ging.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783104913018
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.08.2020
Auflage1. Auflage
Seiten496 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1608 Kbytes
Artikel-Nr.5156297
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1. Mehr als genug

»Hör auf jetzt, mehr gibt´s nicht!«

»Geh, jetzt stell dich halt nicht so an!«

Verschwitzte Hände drückten Colina gegen die Bretterwand. Sie spürte einen Balken im Rücken, die Kante schnitt in ihre Haut. Gollhubers Wanst presste sich gegen sie. Sie schob Gollhubers Schultern von sich weg, was er in seinem Suff wahrscheinlich nicht einmal bemerkte. Sein Mund saugte an ihrem Hals, eine Hand vergrub sich ungeschickt in Colinas Mieder. Gesprungene Fingernägel kratzten über die Haut ihrer Brüste.

Gott, wie er roch!

Ein Bild stieg in ihr auf. Ein anderer Mund, andere Hände. Sie schob es zurück in die Finsternis, aus der es aufgestiegen war, schloss die Augen und duldete die fleischigen Lippen, die ihren Mund suchten. Eine Zunge schob sich zwischen ihre Zähne und mit ihr ein Geschmack, der gleichzeitig süßlich war - Bier - und ein wenig ranzig wie Öl.

Maxi, dachte sie.

Als Gollhubers andere Hand anfing, ihren Rock in die Höhe zu raffen, schlug Colina ihm auf die Finger.

»Ich hab´ gesagt, jetzt ist Schluss!« Sie wollte sich aus seinem Griff winden. Er hielt sie allein schon mit seinem Ranzen an Ort und Stelle.

»Komm jetzt. Tu nicht so prüde.« Er lallte so, dass Colina ihn kaum verstand. »Kriegst noch eine Mark obenauf, wenn ich darf.«

»Du hast schon mehr gehabt als genug!«

Wahrscheinlich hätte Colina ihn einfach weitermachen lassen sollen. Die Chancen, dass er beim Versuch, seinen Hosenstall aufzuknöpfen, das Gleichgewicht verlor, umkippte und auf dem Stroh im Schuppen einschlief, standen nicht einmal schlecht.

Und selbst, wenn nicht. Zwei Mark waren viel Geld, und es war ja nicht, als ob es für Colina etwas Neues gewesen wäre, mit einem von Lochners Gästen im alten Schuppen hinter dem Wirtshaus zu verschwinden.

Wenn Gollhuber nur nicht so entsetzlich gestunken hätte! Nach Schweiß, nach Fett, nach billigen Zigarren, nach Schnaps und nach Bier. Vor allem nach Bier. Dazu das faulige Stroh auf dem Boden, auf dem heute wahrscheinlich auch schon Lochner und Johanna, und Louise und Fonshofer ...

Er stank, wie Rupp gestunken hatte. Der Gedanke gab Colina die Kraft, Gollhuber trotz dessen Gewichts von sich wegzustoßen. Er taumelte, stolperte fast rückwärts über einen alten Melkschemel, hielt sich aber auf den Füßen.

»Schluss und aus!«, wiederholte Colina. »Wenn du dir nichts sagen lassen kannst, dann kriegst halt gar nichts. Dann brauch ich dein Trinkgeld nicht.«

»Das kannst dir eh malen, du blöde Urschel!« Gollhuber wollte wütend zur Tür herumfahren, torkelte dafür aber zu stark. Sein Gewicht zog ihn immerhin in die richtige Richtung, der Türstock verhinderte, dass er fiel. »Was meinst denn du, was du für eine bist? Erst die Zähn´ lang machen und dann die Mimose spielen! Wart nur, der Lochner is´ ned die einzige Wirtschaft in München.«

Beim zweiten Versuch gelang es ihm, den Riegel zurückzustoßen und die Tür aufzureißen. Er taumelte in den nachtdunklen Hof hinaus.

»Probier´s bei der Gerdi in der Müllerstraß´!«, rief Colina ihm hinterher. »Und einen schönen Gruß an die Frau Gemahlin!«

Sie wischte sich mit dem Handrücken die Mundwinkel; dann schob sie ihre Röcke wieder zurecht und ließ sich einen Moment auf den Schemel sinken, um in Ruhe ihre Bluse wieder über die Schultern emporzuziehen und sich das Mieder zuzuknöpfen.

Die Müdigkeit sprang sie an wie ein Tier. Seit vierzehn Stunden war sie heute auf den Beinen; ihre Füße spürte sie kaum noch. Dabei war es erst kurz nach neun; zur Tür herein krochen noch die letzten schmutzig-roten Reste Sonnenlicht aus dem Hof. Vier Stunden musste Colina in jedem Fall heute noch durchhalten. Das würde sie auch. Sie hatte immerhin schon die schlechte Laune Lochners und Johannas den ganzen Tag ertragen, und sie hatte für Louise mit ausgeholfen, als diese für eine halbe Stunde mit einem anderen Stammgast im Schuppen verschwunden war.

Aber Gollhuber - nein, das wäre wirklich zu viel gewesen für einen einzigen Tag.

Zweifelnd blickte Colina hinauf in die Ecke des Schuppens, wo über einem Regalbrett voll rostiger Werkzeuge eine Kreuzspinne bewegungslos in ihrem Netz saß. Colina hatte nie viel Schulbildung erworben, obwohl sie sich bemühte, das nachzubessern, und Zeitungen aufsammelte, wo immer sie ihrer habhaft werden konnte. Hieß es nicht von Spinnen, sie würden ihre Männchen nach der Paarung auffressen?

»Ihr Viecher seid gar nicht so blöd«, sagte sie in Richtung der Spinne. Das Tier verzichtete vornehm auf jede Antwort.

 

Auf dem Hof stank es durchdringend nach Urin. Und nach Erbrochenem; auf dem Weg stieg Colina über eine weißliche Lache. Über die Hofmauer herein schauten die Hinterhäuser der benachbarten Gebäude, ihre Fassaden kahl, weil alle Verzierungen, Farben und eingemauerten Heiligenbilder natürlich nach vorn zur Straße hinausgingen, ihre Fenster dunkel und mit weit aufgerissenen Läden. Es war Anfang Juli, die Nacht war warm, in den oberen Etagen stand die Luft.

Lochners Wirtsstube war mäßig besucht. Am Stammtisch, unter den verblichenen Drucken der Monarchen Max, Ludwig und Otto, schlug man die Karten auf den Tisch; vier, fünf Haus- und Stallknechte hatten Ausgang, und ein paar junge Bahnarbeiter in der Ecke machten Lärm für einen ganzen Saal. Colina kam gerade rechtzeitig, um Gollhubers Abgang mitzuerleben, nachdem dieser sich offenbar ausgiebig bei Oberkellnerin Johanna beschwert hatte. Johanna warf ihr einen wütenden Blick zu, bevor sie Gollhuber hinterher auf die Straße stürzte.

Colina trat an den Tresen. Louise stellte leere Bierkrüge vor ihr ab mit einer Miene, die halb betreten war, halb mitfühlend.

»Manchmal ist´s einfach zu viel verlangt«, murmelte sie. Afra, die Krüglwascherin, nahm ihr kopfschüttelnd die schweren Steingutgefäße aus der Hand. Sie sprach erst, als sie den ersten Keferloher schon ins Wasser getaucht hatte.

»Nutz deine Zeit, Deandl.« Sie schaute auf, um zu verdeutlichen, dass sie Colina meinte. »So jung bist nimmer. Wie viel Jahr hast denn? Achtundzwanzig? Dreißig?«

Einunddreißig, dachte Colina, sagte aber nichts. Afra wartete auch nicht auf Antwort. »Jetzt bist noch frisch und ansehnlich, jetzt sehen sie´s noch gern, wenn du mit ihren Krügen an den Tisch kommst, und beim Mieder steht der oberste Knopf auf. Sei ned dumm, nimm mit, was du mitnehmen kannst. Leg dich hin, halt still, denk an was anderes. Zwei Mark sind zwei Mark, und sogar wenn´s nur eine is´, ist´s immer noch mehr als die zehn Pfennig, die dir einer sonst als Trinkgeld gibt.« Sie schaute wieder auf und lächelte wehmütig. »Aber du bist fesch mit deinen schönen blonden Haaren, du könntest bestimmt drei Mark auch kriegen. Nimm´s, und dann, Deandl, leg dir was zurück! Ewig bleibt die Schönheit nicht, und wenn sie erst beim Teufel ist, schickt die Johanna lieber eine Jüngere an den Tisch, und du bist wieder da, wo ich bin. Beim Krüglwaschen.« Sie tauchte ihre stämmigen roten Arme ins Wasser bis fast zu den Achseln. Die Adern zeichneten sich beinahe schwarz unter der Haut ab. Ihr Kopftuch war verrutscht, darunter fiel strähniges graues Haar hervor.

Wie alt mochte Afra sein? Fünfzig, sechzig?

»Ich kann nichts zurücklegen«, sagte Colina. »Ich brauch´ mein Geld.«

Afra schaute auf, noch immer lächelnd. »Bub oder Mädel?«

Colina lächelte zurück. »Bub. Sieben Jahr.«

»Hast ihn gut untergebracht? Bei mir war´s a Mäderl.« Sie wischte sich mit feuchten Händen das Haar aus dem Gesicht. »Lebt aber nimmer.«

Vielleicht hätte sie noch mehr gesagt, aber sie kam nicht mehr dazu. Inzwischen war Johanna in die Gaststube zurückgekehrt, und zum zweiten Mal binnen einer Viertelstunde krachte Colinas Rückgrat gegen eine Wand.

»Was glaubst denn du?« Johannas stahlgraue Augen blitzten vor Colinas Gesicht. »Du damische Trutsch´n, meinst du, du kannst uns unsere Stammgäst´ vergraulen? Glaubst du, ich hab dich eingestellt, weil du ein bisschen vornehm tun und Preußisch daherreden kannst? Wenn du so mit unsere Gäst´ umgehst, stehst du gleich wieder auf der Straß´, das sag ich dir!«

»Jetzt fass die Lina nicht so hart an«, meldete sich eine amüsierte Stimme unter den Gästen. »Wenn ich so ein fesches Ding wär, tät ich so einen wie den Gollhuber auch weiterschicken.«

»Du machst das schon richtig, Lina!«, kommentierte einer der jungen Burschen am Tisch der Arbeiter. »Lass dir nicht alles gefallen.«

»Außerdem hat der Gollhuber das sowieso morgen Früh vergessen«, spottete der grauhaarige Matthäus vom Stammtisch. »Bei dem Rausch! Spätestens übermorgen ist er wieder da und bettelt, dass die Lina an unseren Tisch kommt, bloß damit er ihr in den Ausschnitt schauen kann.«

So sehr Colina sich über die Unterstützung der Männer freute, so wenig gab sie letztlich darauf. Erstens wusste sie gut, dass die meisten nur redeten in der Hoffnung, demnächst glücklicher zu sein als Gollhuber. Was in einigen Fällen durchaus möglich war; es stanken ja nicht alle so wie der. Zweitens ahnte sie aber auch, wie wenig ihr alle Unterstützung helfen würde, wenn Johanna den Wirt hinter sich wusste. Und Lochner, der in diesem Moment aus dem Keller kam und von Johanna unverzüglich in hastigem Gezischel eingeweiht wurde, sah gerade noch griesgrämiger aus als sonst.

Allerdings wollte er seinen Stammgästen nicht offen widersprechen.

»Jetzt pass einmal auf, Lina«, setzte er an. »Biermadl kann ich mir holen, so viele ich will. Dich hab ich genommen, weil du anstellig bist und singen kannst und eine...
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