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Maurice Ravel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
160 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am19.05.20201. Auflage
Maurice Ravel (1857 - 1937) gehört zu den populärsten Musikern des 20. Jahrhunderts. In seiner Oper «L'Enfant et les sortilèges» hat er sein eigenstes Wesen dargestellt: ein Mensch im Zaubergarten nie gehörter Klänge, ernst und spielerisch zugleich, ein Märchenerzähler und Magier der Musik. Schon die Zeitgenossen lobten die Vollkommenheit seiner Werke. «Ravels Aussagekraft ist von einer Klarheit, einem Raffinement und einem so unvergleichlichen Glanz, dass alle Musik nach ihm unvollkommen erscheint», schrieb Romain Rolland. Mit seinem «Boléro» hat er 1928 ein Stück komponiert, das seither alle Generationen begeistert und inspiriert. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück. Studium (Komposition, Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte) in Münster und Paris, u. a. in der Meisterklasse von Olivier Messiaen. Schwerpunkte seiner Arbeit sind der kanadische Pianist Glenn Gould, Mozart und Schubert, die russische und die französische Musik. Hörspiele, Sendereihen und Moderationen kreuz und quer durch die ARD, darunter seit 1987 das WDR3 Klassik Forum. Deutscher Hörbuchpreis (2008) für «The Glenn Gould Trilogy». Rund ein Dutzend Bücher, darunter die Rowohlt-Monographien zu Antonio Vivaldi, Camille Saint-Saëns und Maurice Ravel und zuletzt «Franz Liszt - Genie im Abseits» (Piper). Seit 2002 auf dem Lehrstuhl für historische Musikwissenschaftler an der TU Dortmund. Seit 2016 Herausgeber der «?uvres instrumentales complètes» von Camille Saint-Saëns im Kasseler Bärenreiter-Verlag. 2017 vom französischen Kultusministerium zum «Chevalier des Arts et des Lettres» ernannt.
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Produkt

KlappentextMaurice Ravel (1857 - 1937) gehört zu den populärsten Musikern des 20. Jahrhunderts. In seiner Oper «L'Enfant et les sortilèges» hat er sein eigenstes Wesen dargestellt: ein Mensch im Zaubergarten nie gehörter Klänge, ernst und spielerisch zugleich, ein Märchenerzähler und Magier der Musik. Schon die Zeitgenossen lobten die Vollkommenheit seiner Werke. «Ravels Aussagekraft ist von einer Klarheit, einem Raffinement und einem so unvergleichlichen Glanz, dass alle Musik nach ihm unvollkommen erscheint», schrieb Romain Rolland. Mit seinem «Boléro» hat er 1928 ein Stück komponiert, das seither alle Generationen begeistert und inspiriert. Das Bildmaterial der Printausgabe ist in diesem E-Book nicht enthalten.

Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück. Studium (Komposition, Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte) in Münster und Paris, u. a. in der Meisterklasse von Olivier Messiaen. Schwerpunkte seiner Arbeit sind der kanadische Pianist Glenn Gould, Mozart und Schubert, die russische und die französische Musik. Hörspiele, Sendereihen und Moderationen kreuz und quer durch die ARD, darunter seit 1987 das WDR3 Klassik Forum. Deutscher Hörbuchpreis (2008) für «The Glenn Gould Trilogy». Rund ein Dutzend Bücher, darunter die Rowohlt-Monographien zu Antonio Vivaldi, Camille Saint-Saëns und Maurice Ravel und zuletzt «Franz Liszt - Genie im Abseits» (Piper). Seit 2002 auf dem Lehrstuhl für historische Musikwissenschaftler an der TU Dortmund. Seit 2016 Herausgeber der «?uvres instrumentales complètes» von Camille Saint-Saëns im Kasseler Bärenreiter-Verlag. 2017 vom französischen Kultusministerium zum «Chevalier des Arts et des Lettres» ernannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644007932
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum19.05.2020
Auflage1. Auflage
Seiten160 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5156333
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Ich bin eben so eine Art Ludwig II. von Bayern ...


«In den Aufzeichnungen, die sich auf die Kindheit beziehen, werden wir den Keim zu den seltsamen Träumereien des Mannes und, besser gesagt, zu seinem Genie finden. Es wäre doch ein Leichtes, durch einen philosophischen Vergleich der Werke eines gereiften Künstlers mit dem Kindheitszustand seiner Seele zu beweisen, dass das Genie nichts anderes ist als die wiedergefundene Kindheit, die nun, um sich Ausdruck zu verschaffen, begabt ist mit mannbaren Organen und mit dem analytischen Geist, der es ihr erlaubt, die Gesamtheit des willkürlich aufgespeicherten Materials zu ordnen.»


Charles Baudelaire



Montfort-l´Amaury, ein kleines Städtchen etwa fünfzig Kilometer westlich von Paris, auf einem Hügel nördlich des Waldes von Rambouillet gelegen. Auch die Villa «Le Belvédère» - das Haus Nummer 5 der rue Saint-Laurent (heute rue Maurice Ravel) - liegt am Hang; von der Straße her gelangt man über sieben Stufen eines «Perrons» in das obere Stockwerk des Hauses; das rückwärtige untere Stockwerk zur Gartenseite hin ist nur von außen zu erreichen, über den Balkon und eine Treppe, die zum Garten hinabführt. Eine kreuz und quer verbaute Phantasie-Architektur im typischen Fin-de-siècle-Stil, mit einem quadratischen, von einem rundum weit überstehenden Schiefer-Zeltdach gekrönten «Belvédère»-Türmchen, dem die Villa ihren Namen verdankt.

Als Maurice Ravel 1921 für 20000 Francs «Le Belvédère» erwarb, war das Haus in desolatem Zustand. Ich kampiere in einer Ecke des Hauses und versuche, die Langsamkeit der Maurer, Maler, Tischler etc. anzutreiben; mit dem Hin- und Herfahren zwischen Montfort und Paris verfliegen die Tage in entsetzlicher Geschwindigkeit. Es sollte mehr als ein halbes Jahr vergehen, bevor er sich halbwegs eingerichtet hatte; aber Sie können mir glauben: ich bereue nichts - zumal Umbau und Dekoration der Villa eine Komposition besonderer Art waren, der sich Ravel mit ganzer Kraft und begeisterter Liebe zum Detail widmete: «Ravel entwarf selbst seine Tapeten, brachte an Stühlen Brandmalereien im Stil der Jahrhundertwende an, bemalte den Marmor des Kamins mit wunderlichen Ornamenten und begann, verrückte und kitschige Dinge zu sammeln: gotische Aschenbecher, Gegenstände aus falschem chinesischen Porzellan, eine mechanische Nachtigall, die singt, wenn man sie aufzieht. [...] Auch der [Érard-]Flügel war vollgestellt mit seltsamen Dingen. Für die Beleuchtung sorgten zwei feierliche Metall-Lampen mit den ziselierten Milchglaskugeln der belle époque. Tabatieren und allerlei Büchschen von unklarer Bestimmung lagen herum, im Tintenfass steckte eine gewaltige Feder, wie vom Vogel Strauß oder einem Schwan. Mehrstöckige Etageren waren in die Zimmerecken eingepasst und trugen teils hübschen, teils lächerlichen Krimskrams aus Meißener und französischen Manufakturen. Nur das große, breitgerahmte Bild der Mutter blickte ernst und stolz auf das Kuriositätenreich, das sich der Sohn geschaffen hatte.»

Nicht anders der Garten dieser gewaltigen Spielzeugschachtel: ein geheimnisvoller Jardin féerique, ein mit Bonsais und anderen Zwergpflanzen kunstvoll hergerichteter Mikrokosmos, in dem sich der nur einen Meter achtundfünfzig große Komponist wie ein neuzeitlicher Gulliver vorgekommen sein mag. «Durch die höchst geschickte Anordnung kleiner Mauern und Kletterpflanzen wie Efeu war es Ravel gelungen, die sichtbaren Grenzen seines Reiches vollständig zu verbergen. Der kleine Weg etwa, der kaum zehn Meter vom Haus entfernt verlief und das Grundstück abschloss, war nicht zu sehen, sodass ein Besucher den Eindruck haben konnte, der Garten erstrecke sich ins Unendliche.»

Hier in «Le Belvédère» und seinem Garten liegt der Schlüssel zu Ravels Wesen verborgen, zu seinen «seltsamen Träumereien» und seinem «Genie, das nichts anderes ist als die wiedergefundene Kindheit». Tatsächlich gibt es wohl nur wenige Komponisten, auf die der Aphorismus Charles Baudelaires so genau zuträfe wie auf Maurice Ravel - mehr noch: das Genie Ravels ist nicht das einer «wiedergefundenen», sondern einer nie verlorenen Kindheit. «Er hat Kinder über alles geliebt, vielleicht weil sie noch kleiner waren als er, der doch unter seiner dürftigen Körperlichkeit so sehr litt. Es kam vor, dass er bei Einladungen die Gesellschaft der Erwachsenen verließ und schließlich im Kinderzimmer wiedergefunden wurde, vertieft in gemeinsame Spiele mit den Kleinen.» Und wo Partituren wie Noël des jouets, Ma Mère l´Oye oder L´Enfant et les sortilèges ganz offensichtlich der phantastischen Sphäre der Kinderträume und -märchen angehören, da erweisen sich bei näherer Betrachtung fast alle Werke Ravels als verschlüsselte «Spiele», als eine atemberaubende Folge von raffinierten, im wahrsten Sinne des Wortes unerhörten Zauberkunststücken und Taschenspielertricks, die der Komponist als «maître de jeu» seinem staunenden Publikum vorführt.

Und so wie Verkleidungen und Maskeraden seit jeher zum favorisierten Repertoire kindlicher Spiele gehören, so liebte es Ravel, sich in immer neuen Gewändern und Larven zu präsentieren: im Renaissancekostüm (Épigrammes de Clément Marot) oder als antiker Schäfer (Daphnis et Chloé), spanisch (Rapsodie espagnole und L´Heure espagnole), orientalisch (Shéhérazade) oder exotisch (Chansons madécasses), als Zigeuner (Tzigane) oder als «Ritter von der traurigen Gestalt» (Don Quichotte à Dulcinée). Auch die erstaunliche Vielzahl von Eigenbearbeitungen gehört zu den «Verkleidungen» Ravels. Natürlich war keine seiner Kostümierungen «echt» - im Gegenteil: je unechter, desto besser! «Besonderen Spaß bereitete ihm eine Art kleines Boudoir in Montfort-l´Amaury, das sozusagen chinesisch eingerichtet war. Alles darin war falsch, und es amüsierte ihn riesig zu wissen, dass all diese angeblich chinesischen Objekte Fälschungen waren. Gerade weil sie falsch waren, hatte er sie gekauft und dort aufgestellt.» Sogar einen falschen Renoir hatte er - zum Entsetzen seiner Freunde - jahrelang an der Wand hängen. Einer ähnlichen Lust an «Fälschungen» begegnet man allenthalben in Ravels Musik: Wenn etwa im Vorspiel zu L´Enfant et les sortilèges nach elf Takten zu der ruhigen Achtel-Bewegung zweier Oboen eine hohe Melodiestimme hinzukommt, könnte man schwören, eine Flöte oder Klarinette zu hören; tatsächlich aber handelt es sich um Flageolett-Töne auf der G-Saite eines Solo-Kontrabasses!

Er sei nun einmal artificiel par nature, erklärte Ravel einmal gegenüber Michel-Dimitri Calvocoressi über seine raffinierte Kunst des Trompe-l´Åil (oder besser gesagt: des Trompe-l´oreille). Dies ist auch einer der fundamentalen Unterschiede zu Claude Debussy, mit dem Ravel so oft in einem Atemzug genannt wird: Debussy behauptete, die wahre Freiheit komme von der Natur, man höre nicht genug auf «die tausend Geräusche der Natur, [...] diese so vielfältige Musik, die sie uns so überreich darbietet», und überhaupt sei «die Betrachtung eines Sonnenaufgangs nützlicher, als sich [Beethovens] Pastorale anzuhören». Für Ravel dagegen - von Natur aus künstlich - war allein die «gefälschte» Natur vollkommen: die Wogen, über die Ravel in den Miroirs seine Barque sur l´océan gleiten lässt, sind ebenso künstlich wie jenes Meer von Muscheln, Blumen und Seesternen, auf dem sich in «Le Belvédère» - unter einem Glassturz auf dem Flügel - Schiffe zu wiegen scheinen.

«Vor allem hat Ravel meisterlich die Kunst verstanden, ein anderer zu werden als er selbst, und er bediente sich der äußeren Welt, um seine innere zu verschleiern: [...] kurz, er spricht von den Dingen, um nicht von sich sprechen zu müssen.» Es ist erstaunlich, wenn nicht gar erschreckend, dass ein Komponist wie Maurice Ravel, dessen Lebensspanne (von 1875 bis 1937) kaum drei, vier Generationen zurückliegt, seine Biographen bis heute vor ein quasi unlösbares Rätsel stellt. Selbst Menschen, die jahrelang engen Umgang mit Ravel pflegten und sich rühmen durften, seine Freundschaft errungen zu haben, gelangten nie über gewisse Grenzen der Intimität hinaus. «Dieser außergewöhnlich reservierte Mann» (Alexis Roland-Manuel), «widersprüchlich und von scheuer Zärtlichkeit» (Hélène Jourdan-Morhange), «krankhaft verschämt» (Marguerite Long), «wahrscheinlich insgeheim schüchtern, was er hinter einer distanzierten, trockenen Attitüde verbarg» (Colette), blieb auch ihnen ein Geheimnis. Ich bin eben so eine Art Ludwig II. von Bayern, na ja, nicht ganz so «spinnert», charakterisierte Ravel sich selbst.

«Es gibt keine rätselhaftere Figur in der Galerie der neueren Komponisten als die Maurice Ravels. Jeder Versuch, zwischen seiner Musik, dieser raffinierten, bald aufpeitschenden, bald dämonischen, bald sinnlich-kitzelnden Nervenkunst und den bekannten Tatsachen seines Lebens eine Verbindung herzustellen, mündet in Ratlosigkeit. Je mehr man das Phänomen beobachtet, je gründlicher man die Studien liest, die Freunde und Schüler über ihn veröffentlicht haben, desto fester wird man in der Überzeugung, das Wesentliche an diesem Mann entziehe sich dem Licht. Kaum...
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Autor

Michael Stegemann, geboren 1956 in Osnabrück. Studium (Komposition, Musikwissenschaft, Romanistik, Philosophie und Kunstgeschichte) in Münster und Paris, u. a. in der Meisterklasse von Olivier Messiaen. Schwerpunkte seiner Arbeit sind der kanadische Pianist Glenn Gould, Mozart und Schubert, die russische und die französische Musik. Hörspiele, Sendereihen und Moderationen kreuz und quer durch die ARD, darunter seit 1987 das WDR3 Klassik Forum. Deutscher Hörbuchpreis (2008) für «The Glenn Gould Trilogy». Rund ein Dutzend Bücher, darunter die Rowohlt-Monographien zu Antonio Vivaldi, Camille Saint-Saëns und Maurice Ravel und zuletzt «Franz Liszt - Genie im Abseits» (Piper). Seit 2002 auf dem Lehrstuhl für historische Musikwissenschaftler an der TU Dortmund. Seit 2016 Herausgeber der «OEuvres instrumentales complètes» von Camille Saint-Saëns im Kasseler Bärenreiter-Verlag. 2017 vom französischen Kultusministerium zum «Chevalier des Arts et des Lettres» ernannt.