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Das verborgene Zimmer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
336 Seiten
Deutsch
DuMont Buchverlag GmbHerschienen am01.09.20201. Auflage
Als Sylvie Durand einen Brief erhält, der sie auf das verlassene Anwesen ihrer Familie in der Provence zurückruft, weiß sie, dass sie gehen muss. Mitten in einem schwülen Sommer voller Hitzewellen und verheerender Brände auf dem Land reist die alleinerziehende Mutter mit ihrer jüngsten Tochter Emma im Schlepptau nach »La Rêverie«. Dabei wollte sie Emma doch unter allen Umständen von diesem Ort fernhalten ... Zurück im alten Zuhause kommen Erinnerungen hoch: Über dem Haus schwebt bedrohlich der Geist von Élodie, Sylvies erstem Kind. Élodie mit dem goldenen Haar. Élodie, die genau wusste, wie sie bekam, was sie wollte. Élodie, über die im Dorf immer noch getuschelt wird. Während Sylvie sich in den Gedanken an das, was mit Élodie im Sommer vor zehn Jahren passierte, zu verlieren droht, gerät die Situation in »La Rêverie« mehr und mehr außer Kontrolle ... Kate Riordan erzählt von einer Mutter, die gegen die Schatten ihrer Vergangenheit kämpft - um zu retten, was sie liebt. >Das verborgene ZimmerIm Spiegel ferner TageDie Sanduhr unserer Liebe< (2017).mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAls Sylvie Durand einen Brief erhält, der sie auf das verlassene Anwesen ihrer Familie in der Provence zurückruft, weiß sie, dass sie gehen muss. Mitten in einem schwülen Sommer voller Hitzewellen und verheerender Brände auf dem Land reist die alleinerziehende Mutter mit ihrer jüngsten Tochter Emma im Schlepptau nach »La Rêverie«. Dabei wollte sie Emma doch unter allen Umständen von diesem Ort fernhalten ... Zurück im alten Zuhause kommen Erinnerungen hoch: Über dem Haus schwebt bedrohlich der Geist von Élodie, Sylvies erstem Kind. Élodie mit dem goldenen Haar. Élodie, die genau wusste, wie sie bekam, was sie wollte. Élodie, über die im Dorf immer noch getuschelt wird. Während Sylvie sich in den Gedanken an das, was mit Élodie im Sommer vor zehn Jahren passierte, zu verlieren droht, gerät die Situation in »La Rêverie« mehr und mehr außer Kontrolle ... Kate Riordan erzählt von einer Mutter, die gegen die Schatten ihrer Vergangenheit kämpft - um zu retten, was sie liebt. >Das verborgene ZimmerIm Spiegel ferner TageDie Sanduhr unserer Liebe< (2017).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783832170554
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum01.09.2020
Auflage1. Auflage
Seiten336 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1582 Kbytes
Artikel-Nr.5157498
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

1993

Als du ins Arbeitszimmer kommst, sortiere ich gerade alte Bücher aus - größtenteils vergilbte Taschenbücher, die ich bestimmt nie wieder lesen werde. Staubpartikel schweben und wirbeln in unsichtbaren Strömen durch die Luft. Ich bin schon den ganzen Nachmittag hier drin; es hat allein schon Stunden gedauert, die alten Briefe meines Vaters durchzugehen und in Mülltüten zu stecken.

»Mum?«

Ich greife mir an die Brust. »Meine Güte, hast du mich erschreckt. Ich war gerade ganz woanders.«

Du kratzt an einem Mückenstich, wirkst irgendwie abwesend. »Können wir spazieren gehen oder so?«

Ich werfe einen Blick zum Fenster und sehe, dass es schon Abend ist. Da fällt mir auf, dass ich bereits eine ganze Weile die Augen zusammenkneifen muss, um die Titel auf den Buchrücken lesen zu können.

»Alles in Ordnung? War bestimmt langweilig heute, so ganz alleine.« Ich folge dir in die Küche, wo der uralte Kühlschrank laut vor sich hin brummt. »Em?«

»Nein, ich wollte nur ...« Du unterbrichst dich, und deine Nägel drücken sich fest in den Stich. Ich ziehe deine Hand sanft weg und widerstehe dem Drang, nach deinem Kinn zu greifen, dein Gesicht nach oben zur Lampe zu drehen und dich noch einmal zu fragen, ob mit dir alles in Ordnung ist, ob du dich an irgendwas erinnert hast.

Die Atmosphäre zwischen uns oder um uns herum, da bin ich mir nicht ganz sicher, wird leichter, als wir den Garten hinter uns lassen. Die Felder rings um das Haus gehörten früher einmal zu La Rêverie, aber mein Vater hat das letzte Stück Land noch kurz vor seinem Tod verkauft. Es gehört inzwischen seit über zwanzig Jahren Laurent, und die Carignan-Trauben, die er Ende der Siebziger gepflanzt hat, sehen prall und gesund aus. Genau wie in meiner Erinnerung liegen die Reben unter der tief stehenden Sonne wie breite, gewundene Bänder in Braun und Grün.

»Du hast doch dein Skizzenbuch dabei, oder?«

»Ja, warum?«

»Ich meine nur, du könntest hier draußen ja ein bisschen zeichnen, oder im Garten. Von da drüben hat man einen guten Blick aufs Haus.« Ich deute in die Richtung und schäme mich für meinen eifrigen Ton. Du schaust nicht einmal hoch. Seit ein paar Jahren weiß ich nie, welche Seite von dir im nächsten Moment zum Vorschein kommt, ob ich dich gleich einfach nur überreden oder richtig anbetteln muss.

»Vielleicht«, sagst du.

»Wenn du Lust hast, könnten wir ja auch nach einem richtigen Kunstkurs für dich suchen, wenn wir wieder zu Hause sind.«

Du überlegst kurz, dann strahlst du mich an; die Sonne kommt wieder zum Vorschein. »Echt? Das wäre cool. Laura geht dienstagabends immer zu einem Kurs. Kann ich da auch hin?«

»Wenn es nicht zu teuer ist.«

»Kann ich sie nachher anrufen? Dann kann ich fragen, was es kostet.«

Ich nicke, und du hakst dich bei mir unter.

»Also, warum wolltest du rausgehen, chérie?«, frage ich nach einer Weile vorsichtig. »Ich kann mich nicht erinnern, dass du jemals freiwillig spazieren gehen wolltest. Was hast du mit meiner Tochter gemacht?«

Der Scherz verunglückt irgendwie, und du ignorierst ihn, löst dich von mir und bist wieder ganz verschlossen.

»Emma?«

»Weiß nicht. Hab mich heute Nachmittag irgendwie komisch gefühlt. Als ich mit Kopfhörern am Pool gelegen hab, dachte ich immer mal wieder, dass jemand mit mir redet, aber wenn ich die Musik dann ausgemacht hab ...« Du trittst mit der Fußspitze in die Erde, und ich biege auf den Weg, der um das Feld herum führt.

Ich berühre dich leicht am Arm. »Wahrscheinlich weil wir gestern über Geister gesprochen haben. Ich war als Kind genauso. Ich hatte auch ständig ein komisches Gefühl wegen solcher Sachen. Camille hat immer die Augen verdreht und gesagt, ich sei total dramatisch.«

Am anderen Ende des Feldes verwandelt sich eine verschwommene Gestalt beim Näherkommen in Laurent. Sein Bart ist grau meliert, und sein Hemd spannt ein wenig am Bauch, wodurch er etwas plump wirkt.

»Siehst gut aus, Sylvie«, brummt er mir ins Ohr, als wir uns umarmen. »Ich hatte gehofft, dass du mal rüberkommst. Ich wollte nicht einfach reinplatzen.« Seine Augen sind immer noch dieselben, und ich hatte die mulmige Mischung aus Zuneigung und Schuldgefühlen vergessen, die sie immer in mir auslösten.

Ich lächele. »Tut mir leid, dass ich es bis jetzt nicht geschafft habe. Ich ...«

»Macht doch nichts.«

Ich lege den Arm um dich. Du runzelst leicht die Stirn, fühlst dich wahrscheinlich aus dem Gespräch ausgeschlossen.

»Und das ist meine Emma«, sage ich auf Englisch.

Er nimmt deine Hand in seine großen und tätschelt sie. »Du bist eindeutig eine Durand«, sagt er mit starkem Akzent. »Das gleiche ...« Er deutet auf seinen Mund.

»Lächeln?«, sage ich.

Dabei siehst du meinem Teil der Familie gar nicht ähnlich. Mit den Sommersprossen und der Neigung zum Rotwerden kommst du eher nach deinem Vater. Élodie sah mir ähnlich, mit ihrem herzförmigen Gesicht, wenngleich meine Züge in ihrem viel feiner ausgeprägt und beinahe unheimlich symmetrisch waren. Das einzig Asymmetrische war das Grübchen in der linken Wange, genau wie bei mir. Ein Makel, den die Leute hübsch finden.

»Sie muss jetzt genauso alt sein wie ihre Schwester, als ...«

»Vielen Dank, dass du Luc gebeten hast, sich um den Pool zu kümmern«, unterbreche ich ihn auf Französisch. »Emma ist kaum noch da raus zu bekommen.«

Laurent zuckt die Schultern. »Da muss Luc von selber drauf gekommen sein. Er ist ein guter Junge, meistens zumindest. Er hilft mir mehr, als andere es tun würden.«

»Und wie gehts Annette?«, frage ich.

Er legt den Kopf schief und sieht etwas betrübt aus. »Ach, du weißt schon. Annette ist eben Annette.«

Ich werfe dir einen Blick zu, aber du schaust woandershin, schon wieder ausgeschlossen durch das schnelle Französisch. Ich bin nicht sonderlich erpicht darauf, dass du Annette kennenlernst. Bei ihr weiß man nie, was sie als Nächstes sagt, was sie aus Spaß mal eben auskramt, das war schon damals so. Sie kann auch besser Englisch als Laurent.

»Wer ist Annette?«, fragst du, als wir außer Hörweite sind.

»Lucs Mum.«

»Ihr habt euch wohl nicht gut verstanden?«

Ich lache und zupfe dir spielerisch an einer Haarsträhne. »Wie bist du denn darauf schon wieder gekommen?« Ich spähe über die Schulter, aber Laurent ist nicht mehr zu sehen.

»Die Art, wie du ihren Namen gesagt hast.«

Ich seufze. »Laurent war meine Sandkastenliebe, und das hat sie mir nie verziehen. Einmal hat sie sogar versucht, deinen Vater zu küssen.«

Es ist nicht richtig von mir, dir das zu erzählen. Ich weiß genau, wie fesselnd diese Feinheiten des Erwachsenenlebens für dich sind, von denen du sonst normalerweise nichts erfährst.

»Was?«, sagst du genauso erregt und empört, wie ich erwartet habe. Jugendliche sind fast immer konservativ eingestellt, die ganze Lockerheit ist nur aufgesetzt, eine dünne Fassade. »Ich glaube, Laurent steht immer noch auf dich. Hab ihn beobachtet.«

Ich verberge mein Lächeln über deinen altklugen Tonfall, indem ich mich der untergehenden Sonne zuwende. Sie überzieht die Weinreben mit einem dunklen Kupferton. Am apricotfarbenen Himmel über uns schießen Fledermäuse hin und her, schwarze Pfeile, so schnell, dass man ihnen nicht folgen kann.

Im Supermarkt habe ich ein Dutzend Dosen Panaché gekauft - du wolltest das Zeug gern haben, weil Alkohol drin ist, wenn auch nur minimal -, und du läufst los und holst uns je eine, damit wir sie im Garten trinken können. Hier draußen kann ich dem Drang, einfach unsere Sachen zu packen und zu verschwinden, besser widerstehen.

Seit unserer Rückkehr nach La Rêverie fühlen sich meine Sinne geschärft an, ein bisschen wie während der Schwangerschaft. Wohin ich auch schaue, überall werde ich von Schönheit und neuen Eindrücken übermannt. Ich hatte vergessen, wie sich die grauen Steine des Hauses in der Abendsonne golden färben und wie sich der helle, rutschige Kies unter den Füßen anfühlt. Das Haus kommt mir vor wie ein früherer Geliebter, dem ich nicht trauen sollte, der mich aber zurückerobern will. Du spürst diese Verführungsversuche ebenfalls, glaube ich, würdest jeden Hauch einer Chance ergreifen, dass wir länger hierbleiben könnten.

»Ich war heute Nachmittag in ihrem Zimmer«, sagst du, als wir ausgetrunken haben.

Ich merke, wie ich die Schultern ein kleines Stück hochziehe. »Oh.« Mehr bringe ich nicht heraus.

Mir fällt auf, wie viel älter du hier wirkst, ohne deine Londoner Schuluniform. Da entdecke ich die Halskette. Du musst sie unters T-Shirt gesteckt haben, aber jetzt ist sie hervorgerutscht und glitzert auf deiner Haut: eine zarte Silberkette mit winzigen türkisen Steinen, die ich überall wiedererkennen würde.

Als du meinen Gesichtsausdruck siehst, greifst du danach, als hättest du Angst, ich könnte sie dir vom Hals reißen. »Du willst nicht, dass ich sie trage, oder?«

Ich schlucke. »Schon gut, wenn du möchtest«, sage ich. »Aber ich dachte, wir wollten ihr Zimmer gemeinsam ausräumen.«

»Du warst so beschäftigt mit den Büchern. Außerdem habe ich nur in die Kommode geguckt, und da war nicht viel drin. Die Kette lag dahinter.«

Das hätte ich auch so gewusst. Ich erinnere mich noch lebhaft, wie sie dorthin gekommen ist, wie sie über das Holz rutschte und verschwand. Kurz danach haben wir ihr Zimmer weitgehend leer geräumt. Greg und ich konnten es nicht...
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Autor

Kate Riordan ist freie Journalistin und schreibt u. a. für den Guardian und Time Out. Auf Deutsch erschienen bisher die Romane >Im Spiegel ferner TageDie Sanduhr unserer Liebe