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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am03.08.20201
Peter Siebert weiß, was alle wollen. Mit absoluter Intuition entwirft er Produkte und Kampagnen, die immer ein Erfolg werden. Deswegen wird er von einer Tech-Firma im Silicon Valley abgeworben, die ein Gerät zur Steigerung der Gehirnleistung entwickelt. Peter soll es zur Marktreife bringen und begibt sich auf eine Reise, die seine Existenz auf den Kopf stellt. Dafür ist auch die mysteriöse Anne verantwortlich, mit der er in eine verhängnisvolle Beziehung gerät. Wird Peter seinen geheimen Auftrag erfüllen und gleichzeitig authentisch bleiben können? En passant blickt man tief in das Leben sonderbarer Menschen, die seinen Weg kreuzen. Eine rasante Mischung aus Abenteuerroman, Wissenschaftsthriller und Liebesgeschichte. Temporeich, spannend und klug.

Alard von Kittlitz ist aufgewachsen in Indien, Äthiopien und Deutschland. Er hat Philosophie und Geschichte studiert und wurde Journalist. Seine Laufbahn begann im Jahr 2009 bei der FAZ, wo er später Redakteur im Politikressort war. Im Jahr 2013 wechselte er zu NEON und ist seit November 2015 bei der ZEIT.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR16,99

Produkt

KlappentextPeter Siebert weiß, was alle wollen. Mit absoluter Intuition entwirft er Produkte und Kampagnen, die immer ein Erfolg werden. Deswegen wird er von einer Tech-Firma im Silicon Valley abgeworben, die ein Gerät zur Steigerung der Gehirnleistung entwickelt. Peter soll es zur Marktreife bringen und begibt sich auf eine Reise, die seine Existenz auf den Kopf stellt. Dafür ist auch die mysteriöse Anne verantwortlich, mit der er in eine verhängnisvolle Beziehung gerät. Wird Peter seinen geheimen Auftrag erfüllen und gleichzeitig authentisch bleiben können? En passant blickt man tief in das Leben sonderbarer Menschen, die seinen Weg kreuzen. Eine rasante Mischung aus Abenteuerroman, Wissenschaftsthriller und Liebesgeschichte. Temporeich, spannend und klug.

Alard von Kittlitz ist aufgewachsen in Indien, Äthiopien und Deutschland. Er hat Philosophie und Geschichte studiert und wurde Journalist. Seine Laufbahn begann im Jahr 2009 bei der FAZ, wo er später Redakteur im Politikressort war. Im Jahr 2013 wechselte er zu NEON und ist seit November 2015 bei der ZEIT.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492997287
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum03.08.2020
Auflage1
SpracheDeutsch
Dateigrösse3267 Kbytes
Artikel-Nr.5157568
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
2
UNTERWEGS/NEW PILGRIMZ

Wir haben ihn vorübergehend aus den Augen verloren, da ist er aber wieder: Peter Siebert, den man getrost als den Helden dieser Geschichte bezeichnen dürfte, wäre dies eine Heldengeschichte. Freund Peter also, gekleidet mittlerweile in einen bequemen taupefarbenen Kaftan aus feinster ägyptischer Baumwolle, darüber eine leichte maßgeschneiderte Weste aus brauner Rohseide, er befindet sich am Flughafen von Los Angeles, wo er ein paar Stunden Zeit hat, bevor er in seinen red eye nach Dulles steigen soll.

Schon ist er durch die Q-Zone, hat den viral swipe und das Fiebermessen erfolgreich überstanden, jetzt bestellt er sich vor dem Tom Bradley International Terminal ein Uber, um noch ein bisschen was einzukaufen, denn in Kalifornien, das weiß jedes Kind, wird das beste Gras der Welt angeboten. Jedes Mal, wenn Peter durch diesen Teil der Welt kommt, fährt er daher zu Le Maréchal Pétard, einer kleinen avantgardistischen Weedboutique in Angelino Heights, die unter Kennern legendären Status besitzt.

Unterwegs schaut Peter aus dem Fenster der Limousine, sieht die Häuser von Silver Lake und Echo Park vorbeiziehen, all die schönen Namen in Amerika, all die Reklamen, Autos, Straßen, Ampeln, der endlose sprawl im pinken Licht eines kalifornischen Nachmittags. Die Palmen in der warmen Luft, die goldenen Wolken am Himmel, jedes Mal wieder eine Freude. Die Welt ist eine Kulisse aus tausend Filmen, und Peter verspricht sich, dass er seinen nächsten Job unbedingt in Kalifornien erledigen will, und denkt eigentlich schon wieder oder vielleicht eher noch immer an Neuseeland und die Kündigung.

»Fucking hobbits, man«, sagt er unvermittelt laut in den Wagen.

»Absolutely, sir«, antwortet der Fahrer ohne Zögern.

Peters Handy brummt, es erreicht ihn eine SMS: »Enjoying LA? ;-) Looking forward. cb«. Peter wischt die Nachricht der Anwältin erschrocken vom Display und fühlt sich dann gleich noch schlechter, tauchen auf seinem Screen doch nun wieder die ungeöffneten, vorgeblich »ungelesenen« Nachrichten von der Assistentin Friederike und dem Bruder Harald auf: »Alles klar? Ruf mal an, komische Mail gekriegt«, Friederike; und »Na, busy busy?«, Harald. Er bringt es nicht über sich, den beiden zu antworten.

In Peter wächst das unangenehme Gefühl, etwas Verbotenes, Unbedachtes zu tun mit seinem Ausritt nach Amerika. Im Flieger hat er Clementine Bouvet gegoogelt (»clem.bouvet23@gmail.com«, hmm) und keinen einzigen Eintrag gefunden zu dieser sogenannten Anwältin. Über Drew Itautis, den berühmten Unternehmer, an den Peter bei dem Anruf denken musste, erfährt er nur, dass der sich kürzlich aus dem Vorstand seines gigantischen Start-up-Inkubators joule, zurückgezogen habe, um für eine Weile ungestört seiner persönlichen Leidenschaft für die Neurowissenschaften nachgehen zu können. Peter fürchtet nun, dass er sich gerade total lächerlich macht, dass er zu irgendwelchen Hochstaplern oder Selbstüberschätzern fahren muss. Er stellt sich den Anruf bei Friederike vor: »Du, na ja, ich bin in West Virginia gestrandet, ich sitze hier bei ganz seltsamen Leuten, für die ich einen neuartigen Radiergummi entwerfen soll.« Auch sein Coach, ahnt er, würde ihn warnen, dass er sich mit seiner Heimlichkeit gerade mal wieder ins Abseits, in die Kontaktlosigkeit begebe, dass er aus übertriebener Scham über die Entlassung ausgerechnet jetzt sofort und unbedingt einen riesengroßen Auftrag landen wolle, als könnte er dadurch irgendwie endgültig und objektiv seine Begabtheit beweisen.

Der Coach weiß, dass Peter seit vielen Jahren von einem Job träumt, der ihn wirklich berühmt machen würde - diese Fantasie, ein großer, weltbekannter Produktdesigner zu werden, hat Peter schon mehrere Male ächzend gestanden. Er kann sich da nicht helfen. Wahrscheinlich, das weiß Peter zerknirscht, ist es nur der Hunger nach Anerkennung und Arriviertheit, der ihn diese Reise an ein obskures Ziel hat antreten lassen.

Das Maréchal Pétard befindet sich in einem viktorianischen Haus in einer stillen Straße von Angelino Heights, Peters Uber hält gleich davor. Ein paar Stufen vorbei an Azaleen und Sukkulenten durch den Vorgarten hinauf, neben der Türe ein diskretes Klingelschild aus poliertem Messing, L. M. P. Peter klingelt. Der Summer geht, im Laden wird er, unfassbar, gleich erkannt vom Verkäufer. »Peter, man, how s tricks? How long has it been, a year?«

Peter lässt sich von Bautista, denn auch er erinnert sich nun wieder an den Namen des schmalen, langhaarigen Mexikaners, der da in einer Apothekerschürze im Schummerlicht steht, beraten, und ist wie beim letzten Mal angetan von der gelassenen, präzisen Art, in der dieser Verkäufer die verschiedenen Produkte zu beschreiben versteht, die vor ihm in einer Glasvitrine liegen wie präparierte Moose in der Sammlung eines Botanikers. »You can t go wrong dawg, they are all excellent«, sagt Bautista und lügt nicht, »but right now, for your particular tastes, I would think that these three are our most exciting strains.«

*Eyes Wide Shut* - complete focus.

*Jay Esbee* - big music.

*Osho* - freezes time. »Gotta watch out with that one though. Shit is crazy strong. Strictly for the pros, aight?«

Peter kauft von allen drei Sorten jeweils ein paar Gramm, lässt Bautista die knisternden Goldfoliebeutelchen geruchsdicht einschweißen und zur Tarnung in Kindergeschenkpapier wickeln. Ein Krümelchen Jay Esbee allerdings steckt er gleich in die Tasche, er folgt außerdem Bautistas Empfehlung und kauft auf dem Weg zurück zum Flieger den brandneuen Nike Feather, einen kleinen pinken Stift aus vinylartigem Plastik, angeblich der mit Abstand beste tragbare Grasverdampfer, der je gebaut wurde. Fabelhaftes Design, denkt Peter beim Befingern des Geräts schmerzlich, das wäre ein Traumjob für mich gewesen, aber das haben die bestimmt inhouse gemacht.

Noch in der Limousine lädt er den Vaporizer mit dem Gras, ausgestiegen stellt er sich in eine stille Ecke neben dem Terminalgebäude, vor dem gerade die übliche Traube an Provids steht, diesen Leuten, die sich eine stillgelegte Welt wie zu Zeiten der Pandemie zurückwünschen, sie demonstrieren gegen den wieder zunehmenden Flugverkehr. Peter schiebt das Gerät in den Mund und zieht dreimal daran. Kühler Dampf füllt seine Lungen, und fast sofort merkt er, wie ihm die Bekifftheit in den Körper geht, diese seltsame Taubheit der Fingerspitzen, das Wattierte des Gesichtsfeldes, die Zunge, die sich zusammenrollen will. Der Geschmack des Grases ist ausgezeichnet, findet Peter, Noten von Bergamotte und altem Papier, er will nun aber vor allem unbedingt herausfinden, ob die Züchtung hält, was sie verspricht: big music.

Denn hier begegnen sich die zwei Dinge, die Peter Siebert wahrhaftig liebt, die zwei Lieben, über die er kaum jemals zu irgendwem spricht, empfindet er sie doch als unmännlich und nerdig, noch nicht einmal mit Harald spricht er über seine Erfahrungen in diesen Sphären, noch nicht einmal zum Coach. Es geht um Gras und Musik beziehungsweise um die Kombination. Wobei das Gras erst spät kam, erst an seinem achtzehnten Geburtstag, die Musik hingegen ist für Peter da, seit er denken kann, immer präsent, eine andere Welt anderer Gesetze, in der er derart versinken kann, dass er sein Dasein glücklich vergisst.

Das Kind Peter, zu Füßen seiner Mutter, die, am Flügel sitzend, ein Händel-Menuett spielt, das ist die erste Erinnerung, die Peter überhaupt hat, wie diese Musik ihn, den Dreijährigen, so furchtbar traurig machte und zugleich unendlich tröstete und er sich plötzlich, von diesen eigenartig widersprüchlichen Gefühlen wie zerrissen, wild an die Beine seiner Mutter klammerte, ihre Füße von den Pedalen riss, dass sie mit dem Musizieren aufhören musste, und in diesem Moment übrigens begriff der kleine Peter dann auch gleich noch, dass nicht nur die Musik irgendwann aufhörte, sondern dass auch die Mutter irgendwann aufhören würde und dass auch er selbst irgendwann aufhören würde. Was in der Rückschau so war, als ob sich über ihm am Himmel ein gigantisches schwarzes Portal in die Unabwendbarkeit des Nichtseins öffnete, um nie mehr zu verschwinden.

Peter versteht, dass jedes Musikgenre seinen eigenen Reiz hat, eigenen Gesetzen folgt, eigene Subtilitäten kennt. Sehr viele verschiedene Formen können ihn mitreißen und zu Tränen rühren. Talent zum eigenen Musizieren besitzt er überhaupt keins. So ist das mit ihm fast in allen Belangen: Spüren kann er nur, was von außen in ihn hineindrängt, nicht aber das, was in ihm selbst tobt und nach Ausdruck verlangen könnte. Er ist wie ein dunkler Diamant, der alles Licht schluckt, ohne eigenes Feuer.

Da ist er also, vor dem Flughafen, bereits total stoned, er schiebt den Vapie vorsichtig zurück in die Innentasche seiner Weste und holt sein Equipment hervor, seine Kopfhörer, sehr teure, für ihn maßgefertigte In-Ear-Monitore, die verbunden sind mit einem uralten iPod Shuffle, Peter findet das schön, diese Kombination von high- und low-fidelity. Mühsam friemelt er die Kopfhörer in die Ohren, checkt dreimal, ob er alles beisammen hat, atmet durch und drückt auf Play. Die Musik beginnt.

Er erkennt sofort, was die Maschine ihm ausgesucht hat: Sticks, den großen Kracher des Cannonball Adderley Quintet von der Platte »Mercy, Mercy, Mercy! Live at The Club «.

Jazz! Das bedeutet: kurzer Auftakt, wie der Kickstarter eines Motorrads, und dann schon das Riff, gespielt vom Österreicher Josef Zawinul am Klavier, dazu Gaskin und McCurdy an Bass und Schlagzeug,...
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