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Unheimlich nah

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am11.01.20211
Wie geht independent, wenn man ständig bedroht und bewacht wird? Ein Leben im Ausnahmezustand, das verheimlicht werden muss und etliche Lügen nach sich zieht 'Ich musterte mich im Spiegel: Sondereinsatzkommandostiefel kombiniert mit einer weißen Jeans, wie sie Farin Urlaub auf einem BRAVO-Poster anhatte, darüber ein muffeliges Pornostar-T-Shirt und eine Militärjacke, die zu sauber aussah, um als linkes Statement zu gelten.' Dieser Coming-of-Age-Roman ist eine Offenbarung: Nie ist auf so selbstironische und komische Art über den Wunsch nach Freiheit und Normalität geschrieben worden. Während zu Hause nichts mehr ist wie früher, aber keiner darüber spricht, kann Johann keinen Schritt vor die Tür setzen, ohne ihn vorher anzukündigen. Sobald er im Freien ist, steht er unter Beobachtung. Genau diese Überwachung muss er aber vor Freunden, in der Schule, bei Nebenjobs und Dates und auf Partys verheimlichen. Das scheint sogar zu gelingen, er findet eine Freundin, probt mit seiner Band und bekommt einen Plattenvertrag. Aber er gerät ständig in groteske und peinliche Situationen, weil er gezwungen ist, unehrlich zu sein. Die Ausreden, Halbwahrheiten und Notlügen drohen ihn zu erdrücken. Kann er diesem Lügenleben entkommen? Coming-of-Age unter Extrembedingungen, getrieben von massivem Freiheitsdrang »Berührend und mit lakonischem Witz.« 3sat Kulturzeit

Johann Scheerer, geboren 1982, gründete mit fünfzehn Jahren seine erste Band, nahm mit »Score!« 1999 sein erstes Album auf und ging auf Deutschlandtour. Nach dem Abitur bekam er einen Plattenvertrag für sein Soloprojekt »Karamel« und gründete 2003 das Tonstudio »Rekordbox«. Seit 2005 betreibt er das Tonstudio »Clouds Hill Recordings« mit angeschlossenem Label und Musikverlag 'Clouds Hill'. Johann Scheerer arbeitet als Musikproduzent mit international renommierten Musikerinnen und Musikern wie Omar Rodríguez-López, At the Drive-In, Alice Phoebe-Lou, Gallon Drunk, Rocko Schamoni oder Peter Doherty. » It´s magic what this young German did to my songs. He saved my life.« Peter Doherty // The Libertines, Babyshambles. 2018 erschien sein hochgelobter erster Roman »Wir sind dann wohl die Angehörigen«.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextWie geht independent, wenn man ständig bedroht und bewacht wird? Ein Leben im Ausnahmezustand, das verheimlicht werden muss und etliche Lügen nach sich zieht 'Ich musterte mich im Spiegel: Sondereinsatzkommandostiefel kombiniert mit einer weißen Jeans, wie sie Farin Urlaub auf einem BRAVO-Poster anhatte, darüber ein muffeliges Pornostar-T-Shirt und eine Militärjacke, die zu sauber aussah, um als linkes Statement zu gelten.' Dieser Coming-of-Age-Roman ist eine Offenbarung: Nie ist auf so selbstironische und komische Art über den Wunsch nach Freiheit und Normalität geschrieben worden. Während zu Hause nichts mehr ist wie früher, aber keiner darüber spricht, kann Johann keinen Schritt vor die Tür setzen, ohne ihn vorher anzukündigen. Sobald er im Freien ist, steht er unter Beobachtung. Genau diese Überwachung muss er aber vor Freunden, in der Schule, bei Nebenjobs und Dates und auf Partys verheimlichen. Das scheint sogar zu gelingen, er findet eine Freundin, probt mit seiner Band und bekommt einen Plattenvertrag. Aber er gerät ständig in groteske und peinliche Situationen, weil er gezwungen ist, unehrlich zu sein. Die Ausreden, Halbwahrheiten und Notlügen drohen ihn zu erdrücken. Kann er diesem Lügenleben entkommen? Coming-of-Age unter Extrembedingungen, getrieben von massivem Freiheitsdrang »Berührend und mit lakonischem Witz.« 3sat Kulturzeit

Johann Scheerer, geboren 1982, gründete mit fünfzehn Jahren seine erste Band, nahm mit »Score!« 1999 sein erstes Album auf und ging auf Deutschlandtour. Nach dem Abitur bekam er einen Plattenvertrag für sein Soloprojekt »Karamel« und gründete 2003 das Tonstudio »Rekordbox«. Seit 2005 betreibt er das Tonstudio »Clouds Hill Recordings« mit angeschlossenem Label und Musikverlag 'Clouds Hill'. Johann Scheerer arbeitet als Musikproduzent mit international renommierten Musikerinnen und Musikern wie Omar Rodríguez-López, At the Drive-In, Alice Phoebe-Lou, Gallon Drunk, Rocko Schamoni oder Peter Doherty. » It´s magic what this young German did to my songs. He saved my life.« Peter Doherty // The Libertines, Babyshambles. 2018 erschien sein hochgelobter erster Roman »Wir sind dann wohl die Angehörigen«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492997300
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum11.01.2021
Auflage1
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4086 Kbytes
Artikel-Nr.5157590
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Prolog

»Das macht 2459,70 Euro.«

Ich sah den Typ im verdreckten Blaumann an. Das gefaltete Papier zog eine Schneise in den dunklen Staub, als er mir die Rechnung über den Tresen schob.

»Das sind dann ja â¦«, ich überschlug die Zahl und setzte neu an: »Sind das 5000 Mark?«

Ich blickte ungläubig durch die Seitenscheiben des hellblauen Volvos meiner Mutter, der neben uns auf der heruntergefahrenen Hebebühne stand. Die Stelle an der Rückseite der Kopfstütze des Fahrersitzes, die ich bei einem kindlichen Anfall von Wut und Langeweile, weil irgendwas nicht so schnell gegangen war, wie ich es gern gehabt hätte, von der Rückbank aus herausgebissen hatte, war gut zu erkennen. Der Schaumstoff hatte sich über die Jahre gelb verfärbt und bröselte in den Fußraum. Diese Kopfstütze, dachte ich, hatten sie offensichtlich nicht repariert.

»Allein 800 Euro für die Kabel«, der Mechaniker hinter dem Schreibtisch zeigte mit seinen öligen Fingern auf die einzelnen Positionen der Rechnung, »1443 Euro für die Arbeitsstunden«, er betonte das Wort Euro so deutlich und doch so beiläufig, als wäre die Währung schon immer da gewesen und nicht erst wenige Tage alt. »Wir mussten ja die ganze Verkleidung abnehmen, um von der zusätzlichen Batterie von vorne ganz nach hinten durchzukommen.«

Ich wusste überhaupt nicht, wovon er sprach.

»Zwei Knöpfe, eine Birne und Fassung, Ölwechsel, alles einmal durchgecheckt.« Er zuckte mit den Schultern und deutete auf die Gesamtsumme. »EC oder bar?« Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Ich hatte den Volvo meiner Mutter in die Werkstatt gebracht, weil ich übermorgen, wenige Monate nach dem Ende des Zivildienstes, den ich direkt nach meinem Abitur im Jahr 2002 angetreten hatte, von Hamburg nach München fahren wollte und von dort mit der Bahn weiter nach Italien. Mit meinem noch frischen Führerschein wollte ich das erste Mal 1000 Kilometer am Stück fahren. Den endlosen Diskussionen mit meiner Freundin Svenja entkommen und allein, nur in Begleitung eines Stapels CDs, einfach mal weg. Testament der Angst von Blumfeld, Bleed American von Jimmy Eat World, Das grüne Album von Weezer, The Strokes Is This It, White Blood Cells von den White Stripes, Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer! von Die Ärzte und natürlich Toxicity von System Of A Down. Und auch wenn ich das Stück Neue Zähne für meinen Bruder und für mich immer skippte, hatte ich noch Wasser marsch! von Superpunk eingepackt.

Ich wollte, begleitet von diesem phänomenalen Soundtrack, im Frühjahr 2003 die Freiheit genießen. Nichts muss, aber alles kann. Meine Mutter fuhr nur noch selten selbst. Seit ein paar Jahren musste sie gefahren werden, und so hatte sie mir erlaubt, ihren Volvo, der die meiste Zeit in der Garage stand, für ein paar Wochen auszuleihen. Sie hatte allerdings darauf bestanden, dass ich ihn vorher durchchecken ließ. Damit er auch bremst, wenn er soll, hatte sie gesagt. Und nun sollte ich 5000 Mark für diesen Check bezahlen? Ich bekam kein Taschengeld mehr. Aber ich konnte von den früheren Einkünften unserer Band ganz gut leben. Trotzdem waren 5000 Mark, ich meine 2459,70 Euro, deutlich mehr, als ich eingeplant hatte.

Ich holte Luft. »Eigentlich wollte ich doch nur die Bremsen checken lassen«, sagte ich vorsichtig und blickte erneut, diesmal aber leicht nach vorn gebeugt, zum Auto, als könnte ich so erkennen, ob die Bremsen neu wären.

»Yo. Steht hier auch: Test Bremsbeläge  - war alles gut. EC oder bar?«

Langsam richtete ich mich wieder auf und schaute den Mechaniker an. »Wieso mussten Sie dafür die gesamte Verkleidung des Innenraums rausnehmen?«

Er wirkte genervt. »Mensch, Junge, Markus hatte angerufen und gesacht, dass wir die Knöppe hier auch noch machen sollen. Wie bei den anderen Fahrzeugen.«

Ich stand auf dem Schlauch. »Wer ist Markus?«, fragte ich.

»Markus!« Er sagte den Namen etwas lauter, wohl in der Annahme, er würde den Groschen mittels Schalldruck zum Fallen bringen.

Ich zuckte mit den Schultern.

»Markus - Mensch, wie heißt der noch mit Nachnamen?«

»Ich weiß es nicht«, antwortete ich wahrheitsgemäß.

Der Mann blätterte in seinen Unterlagen und seufzte. »Da. Markus â¦ Kramer!«

»Ach so. Eine Sekunde bitte.« Ich zog mein Nokia 3310 aus der Hosentasche. Mit zwei Tastendrücken kam ich zum Adressbucheintrag »aaaaaaaaaaaaa« und wählte. Mit dem Handy am Ohr ging ich vor die Tür. Es meldete sich sofort jemand. »Zentrale, hallo?«

»Moin, hier ist Johann, ist Herr Kramer da?«

»Der müsste eigentlich direkt bei dir vor der Werkstatt sein.«

Ich blickte mich um. Kramer kam auf mich zu. Er war nur noch wenige Meter von mir weg. »Alles klar. Danke«, sagte ich in den Hörer und legte auf.

»Moin!«, grüßte ich ihn.

»Alles okay hier bei dir?«, fragte er mich freundlich. Seine schwarze Funktionsjacke, die gerade so seine Hüften bedeckte, trug er offen, obwohl es nur wenige Grad plus hatte. Darunter ein ebenfalls offenes, dickes Karoflanellhemd und darunter eine Schicht, die ich als Skiunterwäsche identifizierte. Das perfekt-unauffällige Outfit, mit dem er für alle Witterungsverhältnisse gewappnet war.

»Ja, alles okay«, antwortete ich beiläufig, »haben Sie mit der Werkstatt irgendwas besprochen?«

Kurz sah er mich an, als wüsste er nicht, was er sagen sollte, doch dann legte er umso schneller los. Seine militärisch gedrillte Sprache, die es schaffte, sogar den unbetonten Wörtern im Satz eine abgehackte Betonung zu geben, schoss auf mich ein. »Du fährst die Woche auf deine Tour, und da wollten wir nur sichergehen, dass wir quasi mit an Bord sind. Wir haben noch zwei Features installiert.« Er sagte wir, als hätte er die Arbeiten selbst durchgeführt. Deine Tour, hallte es in meinem Kopf nach. Ein Teil meines Privatlebens, ein simples Vorhaben, stand vermutlich schon irgendwo auf einem Plan als übergeordneter Punkt einer langen Liste von kryptischen Unterpunkten. Während er sprach, bewegte er sich zum Eingang der Autowerkstatt. Ich würde es nicht verhindern können, dass wir gemeinsam den Raum betraten und der Mechaniker denken müsste, dass ich mir Hilfe geholt hatte. Peinlich. Leider entsprach es noch dazu der Wahrheit.

Kaum war der Satz gesprochen, waren wir auch schon drin, und Kramer winkte dem Mechaniker freundschaftlich zu. »Moin, Frank, alles im Lack?«

»Klar«, antwortete der Mechaniker, der offenbar Frank hieß, »ich schnurr wie geschmiert. Normalzustand.«

Kramer grinste ihn an und sagte: »Zeig mir doch mal deinen Bierdeckel.«

Mit einem Kopfnicken zeigte Mechaniker-Frank Richtung Tisch, und Kramer nahm die Rechnung. Er fuhr mit seinem Zeigefinger über die aufgelisteten Positionen. »Ach so, ja, genau: Wir dachten, es macht Sinn, wenn wir vorne nen Überfalltaster einbauen.« Ich atmete tief ein, doch mein Magen zog sich trotzdem unangenehm zusammen. »Da kannste dann im Fall der Fälle direkt mit dem Knie gegendrücken. Müsste von der Höhe her hoffentlich passen.« Hoffentlich?, dachte ich kurz, konnte aber keinen klaren Gedanken fassen. Verstohlen blickte ich mich in der Werkstatt um. Ich hatte das Gefühl, dass Kramer wahnsinnig laut redete. »Und dann dachten wir, es wäre irgendwie am falschen Ende gespart â¦« Auf einmal wirkte es so, als würden die Wände der Werkstatt über mich hinauswachsen. Hoch in den Himmel. Ich fühlte, wie ich immer kleiner wurde und nur noch mein pochendes Herz, groß wie ein aufgeblasener Airbag, zwischen den kilometerhohen schmutzigen Autowerkstattwänden immer stärker und lauter schlug, während die Stimme von Kramer in ohrenbetäubender Lautstärke fortfuhr, als er lachend sagte: »â¦ sozusagen buchstäblich am falschen Ende gespart, wenn du verstehst, was ich meine, wenn wir im Kofferraum nicht auch einen Notfalltaster anbringen.« Er nickte aufmunternd mit dem Kopf, während er diese letzten Worte sprach, als wollte er mich zum Mitlachen auffordern. Als wäre das alles ein großer Spaß. Ein tolles gemeinsames Hobby, das aber mein Leben war.

Ich sah ihn an. Kniff einmal die Augen zusammen und wischte heimlich meine mittlerweile schweißnassen Handflächen an meiner Jeans ab. Ich blickte hinüber zum hellblauen Volvo. Mein Blick fiel auf den Kofferraum.

Kramer, der meinem Blick folgte, ging ein paar Schritte zum Auto und öffnete die Heckklappe. »Hier.« Er deutete auf einen schwarzen Knopf in der Verkleidung des Kofferraums und dann zu einem weiteren Schalter. »Und hier haben wir ne kleine Lampe eingebaut. Die hat ne extra Batterie, dass man die anmachen kann, wenn das Auto nicht läuft. Der Schalter dafür ist hier.« Er zeigte auf einen weiteren Knopf und schlug dann die Klappe zu. »Kann losgehen, oder? Mensch, ich erinner mich noch dran, als ich jung war. Direkt nach der Schule bin ich auch erst mal weg. Das wird bestimmt ein super Trip. Mit dem Fahrzeug gleitest du jetzt direkt in die Freiheit.«

Ich sah ihn an. Er blickte auf die Tüte von WOM mit den CDs in meiner Hand. »Soll ich die mal in den Wechsler laden, während du zahlst? Ich kann dich echt gut verstehen. Endlich mal richtig weit weg nach dem ganzen Stress. Würd ich genauso machen. Na ja â¦«, er lachte, »ich komm ja auch irgendwie mit.« Das Fahrzeug. In die Freiheit gleiten. Der Stress im Zivildienst. Der war vorbei. Da hatte er recht.

Wortlos reichte ich ihm die Plastiktüte. Mechaniker-Frank, der die ganze Zeit in Hörweite von uns gestanden hatte, kam, als hätte er das Stichwort für seinen...
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Autor

Johann Scheerer, geboren 1982, gründete mit fünfzehn Jahren seine erste Band, nahm mit "Score!" 1999 sein erstes Album auf und ging auf Deutschlandtour. Nach dem Abitur bekam er einen Plattenvertrag für sein Soloprojekt "Karamel", gründete 2003 das Tonstudio "Rekordbox" und 2005 "Clouds Hill Recordings". Mittlerweile konnte er die einhundertste Veröffentlichung als Musiker und Produzent feiern, u.a. mit Faust, Gallon Drunk, Bosnian Rainbows, Rocko Schamoni, James Johnston, Peter Doherty und aktuell At the Drive-In. " It¿s magic what this young German did to my songs. He saved my life." Peter Doherty // The Libertines, Babyshambles. 2018 erschien sein erster Roman "Wir sind dann wohl die Angehörigen"