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Buch der geträumten Inseln

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
272 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.08.20201. Auflage
Beinahe jede Kultur Asiens kennt das Wesen mit Namen - als Yeren in China, Chemo in Tibet, als Ebu Gogo auf Flores oder Orang Pendek auf Sumatra. Seit Jahrhunderten hat es einen festen Platz in Mythen und Imaginationen. Nur die Wissenschaft will nichts wissen vom 'missing link' zwischen Mensch und Tier. Robert Akeret ist fest entschlossen, das zu ändern. Auf Geheiß einer kryptozoologischen Gesellschaft bricht er auf zu einer Expedition ins Innere Papua Neuguineas. An seiner Seite ein Mann von der Volksgruppe der Bugis; am Steuer des Bootes einer, der sich Jonah nennt. Und dann noch Blum, sein Schweizer Assistent, ein Mittzwanziger mit schwachen Nerven, aber ausgeprägtem Bewusstsein für 'political correctness'. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Fahrt ins wohl bemessen Ungewisse. Mit einem handgeschweißten Käfig auf dem Bug ... Lukas Maisel ist womöglich das 'missing link' zwischen Claude Lévi-Strauss und Karl May. Sein Romandebüt, 'Buch der geträumten Inseln', ist ein literarisches Abenteuer, leichthändig und intelligent, eine fesselnde Verbindung von Kulturgeschichte, Ethnographie und erzählerischer Phantasie.

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen ersten Roman, Buch der geträumten Inseln, erhielt er einen Werkbeitrag des Kantons Aargau, den Förderpreis des Kantons Solothurn und zuletzt den Terra-nova-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextBeinahe jede Kultur Asiens kennt das Wesen mit Namen - als Yeren in China, Chemo in Tibet, als Ebu Gogo auf Flores oder Orang Pendek auf Sumatra. Seit Jahrhunderten hat es einen festen Platz in Mythen und Imaginationen. Nur die Wissenschaft will nichts wissen vom 'missing link' zwischen Mensch und Tier. Robert Akeret ist fest entschlossen, das zu ändern. Auf Geheiß einer kryptozoologischen Gesellschaft bricht er auf zu einer Expedition ins Innere Papua Neuguineas. An seiner Seite ein Mann von der Volksgruppe der Bugis; am Steuer des Bootes einer, der sich Jonah nennt. Und dann noch Blum, sein Schweizer Assistent, ein Mittzwanziger mit schwachen Nerven, aber ausgeprägtem Bewusstsein für 'political correctness'. Gemeinsam begeben sie sich auf eine Fahrt ins wohl bemessen Ungewisse. Mit einem handgeschweißten Käfig auf dem Bug ... Lukas Maisel ist womöglich das 'missing link' zwischen Claude Lévi-Strauss und Karl May. Sein Romandebüt, 'Buch der geträumten Inseln', ist ein literarisches Abenteuer, leichthändig und intelligent, eine fesselnde Verbindung von Kulturgeschichte, Ethnographie und erzählerischer Phantasie.

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen ersten Roman, Buch der geträumten Inseln, erhielt er einen Werkbeitrag des Kantons Aargau, den Förderpreis des Kantons Solothurn und zuletzt den Terra-nova-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644008021
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum18.08.2020
Auflage1. Auflage
Seiten272 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5168924
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Beinahe drei Wochen, bevor Akeret mit dem Blechteller ertappt wurde, hatte er ohne Ziel den Zug bestiegen, um sich in seinem kleinen Land noch ein wenig umzuschauen. Es war der erste August, Nationalfeiertag, und ihn hatte Wehmut ergriffen, für die er sich schämte. Wieder und wieder hatte er auf dieses Land, in dem er geboren und aufgewachsen war, geschimpft, es langweilig und verstockt genannt. Die schlimmste Eigenart seiner Landsleute war, wie er fand, alles klein zu halten und das Erhabene, das Weitschweifende, das Weltumspannende nicht zu würdigen - und damit auch sein Vorhaben nicht. Das zeigte sich schon an der Sprache, einer Mundart, welche die Verkleinerung liebte und die entsprechende Endung allen unmöglichen Wörtern anhängte. So wurde selbst ein Schlaganfall zum Kalauer, zum Schlägli verniedlicht.

Die Ablehnung der anderen, die Akeret deutlich zu spüren glaubte, war ihm Bestätigung. Es gab nichts Schlimmeres für ihn als laues, unwidersprochenes Tun, denn dass niemand sich daran störte, zeigte, wie unbedeutend es war. Sein Vorhaben dagegen war von einer Kühnheit, die nicht in dieses Land und in diese Zeit passte. Akeret wollte eine einfache und große Tat vollbringen in einem Jahrhundert der Zerstreuung, in dem die Wissenschaften zersplittert waren in unzählige Teilgebiete. Viel zu lange war ihm gewesen, als lebe er sein Leben falsch, so wie man falsch schwimmen kann und all seine Kraft aufwendet, um nur den Kopf über Wasser zu halten.

Nun, wenige Tage vor seiner Abreise in die ersehnte Ferne, ergriff ihn aber, gewissermaßen vorauseilend, ein lästiges Heimweh. Er hatte in einem leeren Viererabteil Platz genommen, in seinem Schoß ein Buch, das er gut kannte, das ihm wie ein Freund war. Akeret gab acht, den Buchrücken nicht zu überdehnen, er wollte jene unschönen Falten vermeiden, wie sie sich bei alten Menschen zwischen Nase und Oberlippe bilden.

Manchmal blickte er auf, ließ seinen Blick über das Sommerland springen, dabei die Hand im Buch, angeschmiegt an das raue, kühle Papier. Dann schlug er es wieder auf, las manche Sätze mit bewegten Lippen, auch zweimal, dreimal hintereinander. Manche Sätze las er sich selbst flüsternd vor, sodass ein Beobachter ihn für einen Geistlichen hätte halten mögen, der sich in seine Heilige Schrift versenkt.

Als er beim nächsten Halt aufschaute, fiel sein Blick auf die Bahnhofsuhr, und ihm wurde bewusst, dass er vor erst zehn Minuten eingestiegen war. Lesen ist wie Träumen, dachte er, es dehnt die Zeit.

Da setzte sich ein Mann ihm gegenüber, was ihn irritierte, hatte er doch gelernt, sich Fremden nur so weit wie nötig zu nähern. Der Mann trug einen grauen Bart und einen Fischerhut auf dem Kopf, er machte einen leutseligen Eindruck. Bestimmt war er Stammgast in einer Beiz und grüßte, wenn er durch sein Quartier ging, viele Leute.

Akeret versenkte sich ins Buch und vermied es, den Blick zu heben und aus dem Fenster zu schauen, denn der Mann schien nur darauf zu lauern, ein Gespräch zu beginnen. Akeret war kein redefreudiger Mensch, konnte aber in manischen Redefluss verfallen, wenn man ihn zu einem seiner Spezialgebiete befragte. Sprache diente ihm zur Übermittlung von Informationen, weswegen er auf Höflichkeitsformeln verzichtete, auch wenn er wusste, dass dies harsch und unfreundlich wirken mochte. Er sah keinen Sinn im Aussprechen von Floskeln, von denen beide Seiten wussten, dass sie nicht ehrlich gemeint waren, und so fühlte er oft über Tage keinen Drang zu sprechen, und sein Schweigen entrückte ihn den Menschen.

Dennoch, ein Leben ohne Zuschauer erschien Akeret sinnlos. Ob diese Zuschauer nun aber Freunde waren oder Bewunderer, war im Grunde gleich. Er verstand, was vereinsamte Menschen in den Selbstmord trieb: Weil niemand ihr Leben wahrnahm, machte es für sie keinen Unterschied, ob sie lebten oder nicht. Wenn sie sich nun zwischen einem Dasein, das ihnen Qualen bereitete, und dem sinnenlosen Nichts entscheiden mussten, dann wählten sie verständlicherweise Letzteres, das Nichts. Das waren Leute, die im Zug Selbstgespräche führten und zu denen niemand sich setzte. Aber es waren keine Verrückten, es waren nur Einsame, vom Verschwinden Bedrohte, die sich durch lautes Sprechen ihres Daseins vergewisserten und der Unsichtbarkeit zu entgehen suchten.

Akeret hegte die Sorge, auch er könnte eines Tages so werden und nicht mehr merken, wie seine Gedanken den Weg zur Zunge fänden. Wenn niemand sich zu ihm setzte, die anderen Abteile aber gefüllt schienen, betastete er fahrig sein Gesicht, um darin zu suchen, was die anderen abstieß. Deshalb war er nicht nur unangenehm berührt, als der Fremde sich ohne Zögern in seinem Abteil niederließ, sondern auch - tatsächlich - erleichtert.

Es ging ein Geruch von warmer, etwas muffiger Gemütlichkeit von dem Fischhutträger aus, ein Geruch, der in Altkleidersammlungen herrschte. Obwohl Akeret die Stirn gerunzelt hielt, um zu zeigen, wie sehr ihn das Lesen beanspruchte, sprach der Mann ihn an.

Das sehe aus wie ein recht schweres Buch, sagte er heiter, und Akeret verstand nicht, was er ihm eigentlich mitteilen wollte. Er hatte oft Mühe, die unausgesprochenen, verborgenen Absichten der Menschen zu erraten, und wenn dann noch Worte hinzukamen, die mehrere Bedeutungen hatten, wie eben das Wörtchen schwer, dann wurde ein scheinbar einfacher Satz zum unlösbaren Rätsel.

Nein, sagte er nach einer zu langen Pause, das Buch sei nicht schwer, das Papier besitze bei geringer Dichte ein hohes Volumen, was für englische Bücher typisch sei - sie seien immer viel leichter, als man vermute. Deutsche Bücher dagegen seien schwerer, wohl weil man Wissen gleichsetze mit Gewicht und allzu leichten Büchern misstraue. Auch er selbst spüre beim Lesen gern eine gewisse Schwere auf den Oberschenkeln.

Der Mann zog ein zerknittertes Taschentuch aus seiner Hose, die sich über den unteren Teil seines Bauches spannte. Während er sich die Nase schnäuzte, prüfte Akeret seine Möglichkeiten. Er wusste, dass es unhöflich wäre, einfach den Sitzplatz zu wechseln, und so blieb er sitzen und beachtete den Fischerhutträger nicht weiter.

Doch schon meldete sich der Mann wieder zu Wort. Er wollte wissen, worum es in dem Buch ging, und Akeret begann in einer langatmigen Rede, dessen Thematik auszubreiten. Er tat es nicht, um sie dem Mann begreiflich zu machen, sondern vielmehr um sich selbst zu beweisen, dass er alles verstanden hatte.

Der Titel, der Titel des Werkes laute ON THE TRACK OF UNKNOWN ANIMALS, begann er stockend, mit leiser, betonungsarmer Stimme und schaute dabei aus dem Zugfenster. Ihn hemmte die Angst, einen Satz zu beginnen, dessen Ende er nicht würde finden können, sich in immer weiter verschachtelnden Sätzen zu verlieren. Und so verstummte er wieder, um sich die Sätze zurechtzulegen.

Bernard Heuvelmans, fuhr er fort, habe mit diesem Buch den Grundstein gelegt für die Kryptozoologie, die Wissenschaft von der Suche nach unbekannten Arten. In seiner Jugend habe sich Heuvelmans sowohl für Jazz als auch für die Evolution begeistert, und Ende der Dreißigerjahre wurde er in Brüssel mit einer Arbeit zur Zahnstruktur des Erdferkels promoviert. Bald darauf wurde er eingezogen und geriet in deutsche Gefangenschaft. Nach dem Ende des Krieges trat er als Jazzsänger auf. Über Akerets Gesicht spielte ein leises Lächeln, dessen er sich nicht bewusst war. Er hatte nun Vertrauen in seine Stimme und seinen Vortrag gefasst, jedes gesprochene Wort ergab das nächste.

Die Arbeit als wissenschaftlicher Autor, fuhr er ein wenig lauter fort, habe Heuvelmans aber nie aufgegeben. Heuvelmans begeisterte sich für die Sagen über angebliche Fabelwesen und die These, dass solche Sagen stets einen wahren Kern hätten. Seiner Arbeit über mythische Kreaturen blieb die Unterstützung seiner Universität jedoch versagt. Die Kryptozoologie habe leider, so Akeret, nie den Ruf einer seriösen Wissenschaft erwerben können. Dazu beigetragen hätten vor allem amerikanische Forscher - er zeichnete Gänsefüßchen in die Luft -, die etwa behaupteten, es existiere noch heute eine Population von Dinosauriern im Kongobecken.

Er legte seine Hände, nachdem er sie für die Gänsefüßchen erhoben hatte, nicht mehr zurück auf die Oberschenkel, sondern begann, lebhaft zu gestikulieren - freilich ohne sein Gegenüber anzublicken.

Die Kryptozoologie aber sei, um es mit den Worten von Heuvelmans zu sagen, keine okkulte oder arkane Wissenschaft. Man könne nur ahnen, wie sie sich entwickelt hätte, wenn sich frühzeitig eine nüchterne Schweizer Schule als Gegengewicht gebildet hätte. Das Fach wäre heute wohl selbstverständlicher Teil der an der Universität gelehrten Zoologie, und - Akeret lächelte - es gäbe Studenten, die ihre Dissertationen zu Tatzelwurm, Chupacabra oder Igopogo schrieben.

Auf der anderen Seite, fuhr er ernst fort, stehe die ebenfalls wenig hilfreiche Behauptung, die Erde sei vermessen und vollständig durchforscht, ein Irrglaube, der sich zu allen Zeiten finde - auch bei großen Forschern. So habe Georges Cuvier im Jahre 1812 verkündet, es könnten keine großen Vierfüßer mehr entdeckt werden. Eine Behauptung, die bloß noch von jener Charles H. Duells übertroffen werde, dem Vorsteher des amerikanischen Patentamts, der 1899 zu wissen glaubte: Alles, was erfunden werden kann, ist erfunden worden.

Akeret, dem die Fähigkeit fehlte, laut zu lachen, stieß verächtlich Luft aus. Der Fremde ihm gegenüber ließ keine Geräusche hören, doch das sollte Akeret erst später auffallen, nachdem er mit...
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Autor

Lukas Maisel, geboren 1987 in Zürich, machte eine Lehre zum Drucker, bevor er am Literaturinstitut in Biel studierte. Für seinen ersten Roman, Buch der geträumten Inseln, erhielt er einen Werkbeitrag des Kantons Aargau, den Förderpreis des Kantons Solothurn und zuletzt den Terra-nova-Preis der Schweizerischen Schillerstiftung.
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