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Falsche Gesichter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
480 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am16.02.20211. Auflage
Der Polizeipräsident eines englischen Städtchens wird ermordet. Enthauptet. Seine Hinrichtung gefilmt und ins Netz gestellt. Alles deutet auf einen islamistischen Hintergrund. Doch als Journalistin Nora Sand vor Ort ermittelt, stellt sie fest, dass es in Toppinghham keine Islamisten gibt. Dafür jedoch eine Menge Menschen, die den korrupten Polizisten keinesfalls vermissen. Und es gibt junge Mädchen, um die sich niemand kümmert. Die nachts durch die Straßen irren, ohne dass das Gesetz eingreift.

Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR10,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR4,99

Produkt

KlappentextDer Polizeipräsident eines englischen Städtchens wird ermordet. Enthauptet. Seine Hinrichtung gefilmt und ins Netz gestellt. Alles deutet auf einen islamistischen Hintergrund. Doch als Journalistin Nora Sand vor Ort ermittelt, stellt sie fest, dass es in Toppinghham keine Islamisten gibt. Dafür jedoch eine Menge Menschen, die den korrupten Polizisten keinesfalls vermissen. Und es gibt junge Mädchen, um die sich niemand kümmert. Die nachts durch die Straßen irren, ohne dass das Gesetz eingreift.

Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644002760
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum16.02.2021
Auflage1. Auflage
Seiten480 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1555 Kbytes
Artikel-Nr.5168946
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Kapitel 1

Der Wasserbüffel mampfte ein Büschel saftiges Gras, während er Nora anstarrte, wie jeden Morgen, wenn sie sich auf den Weg zu dem überdachten Dschungelsportplatz am Rande von Thong Sala zu ihrer ersten Trainingssession des Tages machte, solange die Temperaturen noch halbwegs erträglich waren.

Sie machte einen Bogen um den halbzahmen Hund, der zum Inventar von Diamond Muay Thai gehörte und während seines Morgenschlummers nicht einmal mehr den Kopf hob, als sie auf die ziemlich abgewetzte Unterlage trat. Sie legte die Boxhandschuhe und Schienbeinschützer auf den Rand des Boxrings und stellte ihre Anderthalbliterflasche Wasser daneben.

Die Müdigkeit und der Muskelkater vom Vortag saßen ihr immer noch in den Knochen. Sie nickte zwei Typen zu, die bereits mit ihren selbstgemachten Springseilen zugange waren. Mon bestand auf einer Viertelstunde Seilspringen, bevor er die Assistenztrainer überhaupt erst auf den kunterbunten Haufen von Touristen losließ, die mit der Fähre von Koh Samui gekommen waren, um ein wenig von der Weisheit des ehemaligen thailändischen Meisters in Muay Thai zu empfangen.

Einige von ihnen waren semiprofessionelle Boxer und wollten sich auf einen größeren Kampf vorbereiten. Dann gab es noch die amerikanischen Touristen, die ein Sabbatjahr in Asien verbrachten und in neugekauften rosafarbenen Seidenshorts herumsprangen und sich nicht besonders für Mons Lektionen über den spirituellen Aspekt von Muay Thai zu interessieren schienen.

Nora grüßte Joe aus Toppingham. Sie hatten sich bei ihrer ersten Trainingssession kennengelernt und waren einander für das erste Sparring zugeteilt worden. In den Pausen hatten sie völlig außer Atem Smalltalk betrieben, oft darüber, wie anstrengend es war, in dieser schwülen Hitze zu trainieren. Joe hatte erzählt, dass er sich für drei Monate von seinem Job bei The Mercury im südlichen Yorkshire hatte beurlauben lassen, und gemeinsam hatten sie sich darüber amüsiert, dass es zwei Journalisten auf eine Insel im thailändischen Golf verschlagen hatte, wo sie aufeinander einprügelten. Er war ein hochgewachsener Blondschopf Mitte dreißig mit zähen Muskeln und einem steten Lächeln auf den Lippen. Auf dem Arm hatte er sich Schriftzeichen in Thai tätowieren lassen und gestand freimütig, von deren Bedeutung absolut keine Ahnung zu haben.

Wann immer sie vor den großen Spiegeln trainierten, die an den Seiten des großen Blechdachs herunterhingen, konnte Nora keine Ähnlichkeit mehr zu der bleichen und besorgten Journalistin feststellen, die sich dazu entschlossen hatte, den Stecker zu ziehen und London für drei Wochen den Rücken zu kehren, um herauszufinden, was sie mit ihrem Leben und ihrer Karriere bei Globalt anfangen sollte. Das braune Haar hatte sie zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, damit es sie beim Training nicht störte. Es wirkte immer eine Spur dunkler, wenn es von Schweiß durchtränkt war. Die blauen Augen glänzten aus einem ungeschminkten Gesicht, das nach dem Seilspringen vor lauter Anstrengung rot angelaufen war. Nüchtern stellte sie fest, dass das vielleicht ein guter Look für kalifornische Bodybuilder mit vor Schweiß glänzenden Körpern sein mochte, eine dänische London-Korrespondentin jedoch nicht von ihrer besten Seite zeigte. Im Gegenzug bemerkte sie, wie ihre Oberarme immer fester wurden und dass in jedem ihrer Tritte Kraft saß, als sie an den ausgedienten Autoreifen trainierte, die an Eisenketten befestigt von den Decken hingen und zu primitiven Boxsäcken zusammengebunden worden waren.

Es war Noras zweite Woche in Thailand, und im Stillen war sie dankbar, die Phase überstanden zu haben, in der sich ihr Körper wie ein großer, pulsierender Behälter voller Milchsäure angefühlt hatte, wenn sie vom Training nach Hause ging. Jetzt war sie lediglich erschöpft, wenn die zwei Stunden um waren und die Sportsachen an ihrer Haut klebten. Bereit, in den kleinen Bungalow zurückzukehren, den sie gemietet hatte, und ins Meer zu springen, um den Schweiß abzuspülen.

«Meine Freundin will dich gern kennenlernen», sagte Joe, als sie sich nach dem Training dehnten.

«Okay? Ist sie gar nicht in Toppingham?»

«Nein, sie ist hier in einem Yoga-Retreat. Sie ist auch Journalistin.»

Nora wog ab.

Einerseits hatte sie keine Lust, über die Arbeit und die britische Presse und all das zu reden, was zu der Welt gehörte, der sie gerade zu entkommen versuchte. Allein Joes Anwesenheit, der ein für ihre Ohren so gewohntes britisches Englisch sprach, weckte Erinnerungen, vor denen sie zunächst nach Bangkok, dann mit einem Lokalflieger nach Koh Samui und schließlich nach einer einstündigen Fährfahrt auf eine kleine Insel geflohen war. Aus demselben Grund hatte sie bisher einen großen Bogen um den britischen Pub gemacht, der direkt neben der Muay-Thai-Schule lag. Der Pub war mit falschem Fachwerk ausgestattet, mit dunklem Holzfußboden und einer Ausstrahlung, die eher an eine schäbige Filmkulisse erinnerte.

Nora konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass es eine gute Idee wäre, diesen Laden zu betreten, sich eine Portion Fish & Chips und einen halben Liter Bier zu bestellen, wenn sie doch ebenso gut in die Stadt gehen und für einen Bruchteil des Preises grünen Papayasalat mit über Kohle gegrilltem Thai-Hühnchen essen konnte. Aber Joe schien das anders zu sehen.

«Wir können uns doch heute Abend auf ein Bier im Mason´s Arms treffen?», schlug er vor.

Nora nickte, und auf dem kurzen Weg zu ihrem Bungalow verfluchte sie sich für ihre Höflichkeit.

Der Wasserbüffel stand immer noch am selben Fleck und warf ihr einen enttäuschten Blick zu.

*

Nora betrat den Pub als Erste. Sie hatte auf der kleinen Veranda vor ihrem Bungalow gesessen und den Sonnenuntergang genossen, eine Orgie in Gold, Rosa und Blutorangenrot, doch wie immer hatten ihr die blutrünstigen Moskitos mit gezielten Angriffen auf ihre nackten Beine den Augenblick verdorben, also war sie reingegangen und hatte sich mit einem so heftigen Mückenschutzmittel eingesprüht, dass es auf der Haut geradezu brannte. Nun saß sie an einem der dunkel lackierten Tische und wartete auf Joe und seine Freundin.

Außer Nora war nur ein Trio von rotgesichtigen Briten zu Gast, die aussahen, als hätten sie in ihrer ersten Woche in Thailand die einschneidende Erfahrung gemacht, was mit der Haut passiert, wenn man sich ohne UV-Schutz zu lange in der Sonne aufhält. An der Wand über der halbleeren Bar war ein Fernseher angebracht, auf dem Sky lief. Abwechselnd wurden Clips von Tennisturnieren und eine lange Parade von Fußballspielen gezeigt. Nora spähte zur Tür und hoffte, dass es nur ein schnelles Bier werden würde.

Auf einmal änderte sich das Bild auf dem Fernsehgerät, ein besorgter Nachrichtensprecher wurde eingeblendet, und das gelbe Banner an der unteren Seite des Bildschirms blinkte mit Breaking News: Britischer Polizist enthauptet. Verdacht auf Terroranschlag.

«Hey!», rief sie dem Barkeeper zu.

Mit einem mürrischen Gesichtsausdruck kam er aus der Küche.

«Ja?»

«Könnten Sie das bitte laut machen?», fragte sie und zeigte auf den Bildschirm.

Er nahm eine Fernbedienung unter dem Tresen hervor und stellte den Ton an.

Nora wusste, dass sie in diesem Moment im Begriff war, ihren mühsam erkämpften Seelenfrieden einzubüßen. Dass die Tage nun gezählt waren, in denen sie bewusst nicht ins Internet gegangen war, bewusst ihr Telefon ausgestellt hatte, um gemeinsam mit Mon und seinem Training nach einer Art innerem Frieden zu streben. Das unruhige Gefühl, das ihren Körper stets durchströmte, sobald sie eine Story witterte, machte sich bemerkbar.

«Ich muss Sie darauf hinweisen, dass die folgenden Aufnahmen sehr verstörend sind», warnte der Nachrichtensprecher.

Die Bildqualität war miserabel, und das kurze Video sah aus, als wäre es direkt in der Vorhölle aufgenommen worden. Ein Mann mit Sturmhaube und Militäruniform stand im Vordergrund vor einem schwarzen Wandteppich. In der einen Hand hielt er etwas, das einem altmodischen Krummsäbel ähnelte. Den anderen Arm hielt er ausgestreckt, und obwohl Sky das Foto aus Rücksicht auf zartbesaitetere Zuschauer verpixelt hatte, bestand kein Zweifel daran, dass er mit der anderen Hand einen abgesäbelten Kopf ins Bild hielt. Schweigend. Triumphierend.

IS-Terror in Großbritannien war am unteren Rand des Bildschirms zu lesen.

Der Sprecher erklärte, dass diese erschreckenden Bilder aus einem Video stammten, das am Montagabend bei YouTube hochgeladen und anschließend wieder gelöscht worden war. Nora nahm zur Kenntnis, dass die Polizei auch einen Tag nach dem Auftauchen des Videos weder die Leiche des Beamten gefunden noch einen Hinweis auf den Tatort hatte.

Es wurde zu einem Außenkorrespondenten geschaltet, der vor einem roten Backsteingebäude stand.

«Bei dem Opfer handelt es sich um einen fünfundvierzigjährigen Polizeibeamten, aus Rücksicht auf die Angehörigen können wir zunächst jedoch keine Angaben zur Person machen. Der Mann wurde zuletzt am vergangenen Freitagnachmittag gesehen, die Polizei sucht weiterhin nach der Leiche», fasste der Reporter zusammen.

Ein weiterer Ausschnitt des Videos, in dem der Polizist noch am Leben war, flimmerte über den Bildschirm. Hinter der notdürftigen Verpixelung konnte man erkennen, dass ihm die Augen verbunden worden waren. Er kniete in einem abgenutzten Trenchcoat vor der Kamera, die sein Peiniger auf ihn richtete, und er flehte um sein Leben. Mehrmals fragte er:

«Warum? Was habe ich getan?»

Der Mann...
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Lone Theils war jahrelang London-Korrespondentin für die angesehene dänische Tageszeitung Politiken sowie fürs Fernsehen. Ihr Debütroman und Auftakt der Reihe um Nora Sand erscheint in 16 Ländern und wird für das Fernsehen verfilmt. Neben ihrer journalistischen Tätigkeit zwischen Dänemark und England teilt die Autorin mit ihrer Protagonistin auch die Leidenschaft fürs Kickboxen.