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Bad Regina

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
400 Seiten
Deutsch
Kiepenheuer & Witsch GmbHerschienen am14.01.20211. Auflage
Eine bitterböse und urkomische literarische Fantasie über den Untergang Europas. Eine Geisterstadt im Herzen der Alpen, ein mysteriöser chinesischer Immobilientycoon, der alles aufkauft und verfallen lässt, und 46 Verbliebene, die beschließen, den Kampf aufzunehmen - mit »Bad Regina« ist David Schalko eine brillante literarische Allegorie auf einen sterbenden Kontinent gelungen. Verstörend, grotesk, morbide, komisch - und äußerst spannend. Nur noch wenige Menschen leben in Bad Regina, einem einst glamourösen Touristenort in den Bergen, starren auf die Ruinen ihres Ortes und schauen sich selbst tatenlos beim Verschwinden zu. Denn ein mysteriöser Chinese namens Chen kauft seit Jahren für horrende Summen ihre Häuser auf - nur um sie anschließend verfallen zu lassen. Als er auch noch das Schloss des uralten örtlichen Adelsgeschlechts erwerben will, entschließt sich Othmar, der von Gicht geplagte ehemalige Betreiber des berühmtesten Partyklubs der Alpen, herauszufinden, was es mit diesem Chen auf sich hat und was dieser mit Bad Regina vorhat. Dabei erleben Othmar und die verbliebenen Einwohner eine böse Überraschung ... In »Bad Regina« entwirft David Schalko eine faszinierende Geisterwelt, in der nicht nur die Bauwerke, sondern auch die wenigen verbliebenen Bewohner wankende Ruinen der Vergangenheit sind. Ein bitterböser und gleichzeitig urkomischer Roman über ein Europa, das immer und immer wieder moralisch versagt - und über dessen Zukunft nun andere entscheiden.

David Schalko, geboren 1973 in Wien, lebt als Autor und Regisseur in Wien. Bekannt wurde er mit revolutionären Fernsehformaten wie der »Sendung ohne Namen«. Seine Filme und Serien »Aufschneider«, »Braunschlag«, »Altes Geld«, »Ich und die Anderen« und das Remake von »M - eine Stadt sucht einen Mörder« wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen seine Romane »Schwere Knochen« und »Bad Regina«.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR24,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR14,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextEine bitterböse und urkomische literarische Fantasie über den Untergang Europas. Eine Geisterstadt im Herzen der Alpen, ein mysteriöser chinesischer Immobilientycoon, der alles aufkauft und verfallen lässt, und 46 Verbliebene, die beschließen, den Kampf aufzunehmen - mit »Bad Regina« ist David Schalko eine brillante literarische Allegorie auf einen sterbenden Kontinent gelungen. Verstörend, grotesk, morbide, komisch - und äußerst spannend. Nur noch wenige Menschen leben in Bad Regina, einem einst glamourösen Touristenort in den Bergen, starren auf die Ruinen ihres Ortes und schauen sich selbst tatenlos beim Verschwinden zu. Denn ein mysteriöser Chinese namens Chen kauft seit Jahren für horrende Summen ihre Häuser auf - nur um sie anschließend verfallen zu lassen. Als er auch noch das Schloss des uralten örtlichen Adelsgeschlechts erwerben will, entschließt sich Othmar, der von Gicht geplagte ehemalige Betreiber des berühmtesten Partyklubs der Alpen, herauszufinden, was es mit diesem Chen auf sich hat und was dieser mit Bad Regina vorhat. Dabei erleben Othmar und die verbliebenen Einwohner eine böse Überraschung ... In »Bad Regina« entwirft David Schalko eine faszinierende Geisterwelt, in der nicht nur die Bauwerke, sondern auch die wenigen verbliebenen Bewohner wankende Ruinen der Vergangenheit sind. Ein bitterböser und gleichzeitig urkomischer Roman über ein Europa, das immer und immer wieder moralisch versagt - und über dessen Zukunft nun andere entscheiden.

David Schalko, geboren 1973 in Wien, lebt als Autor und Regisseur in Wien. Bekannt wurde er mit revolutionären Fernsehformaten wie der »Sendung ohne Namen«. Seine Filme und Serien »Aufschneider«, »Braunschlag«, »Altes Geld«, »Ich und die Anderen« und das Remake von »M - eine Stadt sucht einen Mörder« wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen seine Romane »Schwere Knochen« und »Bad Regina«.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783462319996
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum14.01.2021
Auflage1. Auflage
Seiten400 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse4569 Kbytes
Artikel-Nr.5171217
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1


Othmar starrte auf das schwarze Display, in dem sich sein aufgedunsenes Gesicht spiegelte. Das Ding hatte einfach seinen Geist aufgegeben. Ohne Vorwarnung. Während er Selma eine Nachricht geschrieben hatte.

Ich sitze auf der Terrasse und beobachte dich. Ich halte meinen Schwanz in der ...

Weiter war er nicht gekommen. Statt seines Schwanzes hielt er das tote Ding in der Hand. Er hatte das Gefühl, ausschließlich von toten Dingen umgeben zu sein. Der Kühlschrank, der Fernseher, der Geschirrspüler, die Kaffeemaschine, die Waschmaschine, die Mikrowelle, der Wasserkocher - die Liste ließe sich endlos fortsetzen. Wann hatte er aufgehört, Dinge zu kaufen? Es musste kurz vor der Jahrtausendwende gewesen sein. Damals war der Kühlschrank eingegangen. Seither gab es nur noch im Winter kaltes Bier.

Selma hatte gesagt, dass es ungesund sei, von so vielen toten Gegenständen umgeben zu sein. Das übertrage sich auf das Gemüt. Worauf Othmar entgegnete, dass die Dinge doch keinen Geist hätten. Dass man sich das nur einbilde. Und dass er sich weder Reparatur noch Neuanschaffung leisten könne. Eine leere Wohnung käme ihm allerdings noch ungesünder vor. Weshalb er beschlossen habe, nichts wegzuwerfen. Er hätte sonst das Gefühl, überhaupt nicht zu existieren. Schließlich gehörten all diese Dinge zu seinem Charakter. Was wiederum Selma als Einbildung bezeichnete.

Abgesehen davon wüsste er auch gar nicht, wer in Bad Regina noch irgendetwas reparieren sollte. Bei nur 46 Verbliebenen. So etwas ließ sich ja kaum noch Demografie nennen. Wenn etwas kaputt war, dann war es kaputt. Man hatte gelernt, damit zu leben. Auch die meisten verlassenen Häuser waren inzwischen von der Natur übernommen worden. Wenn der Wasserfall nicht so laut gewesen wäre, hätte man den Wildwuchs regelrecht wuchern gehört.

Othmar hatte sich oft gefragt, wie lange ein Haus ein Haus blieb und ab wann man es wieder Natur nennen müsste. War das alte Helenenbad noch ein Bad? Othmar hatte nie das Bedürfnis gehabt, dort schwimmen zu gehen. Zu viel Marmor. Zu viel Kurort. Erst als es zusperrte, spürte er das Verlangen danach. Ähnliches galt für das Grand Hotel, das Casino, das Sanatorium Kleeberg, die Radon-Bäder, das Kraftwerk - selbst das brutalistische Kongresszentrum, das sie in den Siebzigern in die Mitte des Ortes gestellt hatten, nahm Othmar erst richtig wahr, als es dem Verfall überlassen wurde. Als ob nur ein abgestürztes Flugzeug ein Flugzeug wäre. Oder eine gepflückte Blume eine Blume.

 

Othmar saß auf dem eiskalten Balkon und steckte das kaputte Telefon in die Tasche. Er öffnete sich trotz Gichtschubs das fünfte Bier. Sein Spitzbauch stand unter der Lederjacke hervor, als hielte er Ausschau. Das orangefarbene Licht in Selmas Haus. Sie würde sich bestimmt wundern, warum er nicht antwortete. Vielleicht sollte er hinuntergehen, auch wenn es gegen ihre Abmachung verstieße. Aber schließlich musste es auch Ausnahmen geben. Was, wenn ein Notfall eintrat? Othmar dachte nach. Es fiel ihm keiner ein, den ihm Selma glauben würde. Eine schriftliche Nachricht an ihrer Tür hinterlassen? Aber auch das würde Verdacht erregen. Charlotte, ihre Tochter, war alles andere als dumm. Im Gegenteil. Sie hatte es faustdick hinter den Ohren.

Er könnte einen Weg ins Luziwuzi vortäuschen. Die bleichen Sparlampen und der gelbe Schriftzug schimmerten am Ende des Tals. Um diese Zeit trank der Wirt Tschermak meistens mit seiner Gattin Karin allein. Höchstens, dass ihm Zesch, der Bürgermeister, noch Gesellschaft leistete. Oder doch hinauf ins Hotel Waldhaus? Bei Moschinger würde er wenigstens Zesch nicht über den Weg laufen. Er hatte seine wehleidigen Parolen satt.

Ein Glück, dass zumindest der Plattenspieler noch funktionierte. Aus dem Zimmer dröhnte Joy Division. Eigentlich sollte er nach Alpha sehen. Er kam ihm heute besonders trübsinnig vor. Was genauso absurd war, wie in die Dinge einen Geist hineinzuprojizieren.

Alpha saß wie jeden Abend vor dem sich drehenden Plattenteller und starrte unbewohnt vor sich hin. Trotz der vollen Ladung Manchester. Othmar war davon überzeugt, dass die heimatlichen Klänge in seinem Inneren ankamen. Irgendein verlorenes Delay würde bestimmt durchdringen. Auch wenn es keine nachweislichen Ausschläge gab. Sein Blick wie eine ausgefädelte Tonbandkassette. Nur das wasserstoffblonde Haar zappelte über die schwarzhäutige Stirn.

Der eisige Wind, der von draußen hereindrang.

Die stehende Finsternis, die auf Einlass wartete.

Die unbewohnten Fenster - wie die Augen von Blinden.

Othmars Blick glitt von Alphas Rollstuhl zum Hospiz. Es war zu spät, seinen Vater zu besuchen. Abgesehen davon würde Schwester Berta merken, dass er getrunken hatte. Den Blick auf den Karlsstein vermied er. Zu schmerzlich der Gedanke, dass der Krake keinen Laut mehr von sich gab. Sein Krake! Der berühmteste Klub der Alpen. Im Berginneren schlägt das Partyherz Europas, hatte der Guardian einst geschrieben. Selbst die zwölf Meter Granit hatten es nicht vermocht, die Beats daran zu hindern, ins Freie zu dringen.

Heute war es still. Hätte man eine Bombe auf Bad Regina geworfen, es hätte nichts geändert. Was war bloß passiert? War es der Hochmut, der ihnen zum Verhängnis wurde? War es die Arroganz, die man schon den Häusern ansah? Wie Messer steckten sie in den steilen Bergwänden. Je unmöglicher, desto spöttischer standen sie da. Wer war auf die Idee gekommen, unter so widrigen Umständen zu bauen? Das Tal wie eine tiefe Schnittwunde. Der rauschende Wasserfall ein Aderlass, der die letzten Lebensenergien ausleitete. Tatenlos sahen sich alle beim eigenen Verschwinden zu.

Es lag ein Fluch über Bad Regina. Und dieser Fluch hieß Chen. Niemand von den Verbliebenen kannte ihn. Niemand wusste, was er vorhatte. Aber alle nahmen sein Angebot an. Irgendwann stand er bei jedem vor der Tür. Othmar hatte sich darauf vorbereitet. Hatte sich jeden Tag einen anderen Satz zurechtgelegt, mit dem er den Verkauf seiner Wohnung ablehnen würde. Aber Chen kam nicht.

Er blies einen Rauchschwall durch die offene Balkontür. Die Schwaden umschlangen den reglos im Rollstuhl sitzenden DJ wie zu seinen besten Zeiten. Eine Rotzglocke löste sich geräuschlos und rann über die Lippen seines starren Gesichts. Kein Leben auf Alpha X.



Alpha X is not a DJ.

Alpha X is a planet.

Please welcome from Manchester.

Utz-Utz-Utz.



Othmar hatte ihm trotz seines würdelosen Zustands die Würde bewahrt. Alle zwei Wochen kam Selma und restaurierte ihn. Auftrittsreif, wie sie sagte. Othmar kannte niemanden, der zärtlicher mit Alpha umging als Selma. Ja, er wünschte sich oft, er wäre an seiner Stelle gewesen. Die Zärtlichkeit einer Pflege war für ihn allerhöchste Zärtlichkeitsstufe. Aber wenn Selma zu ihm kam, dann suchte sie etwas anderes. Dann war die Restaurierung von Alpha nur Teil ihres Vorspiels. Liebevoll schnitt sie ihm die Haare. Gemeinsam zogen sie ihn um. Selma rügte ihn dann dafür, dass Alpha schon wieder ranzig roch. Was Othmar reflexartig mit seinem schlechten Geruchssinn entschuldigte. Dass es der Faulheit geschuldet war, brauchte keiner zu erwähnen. Abgesehen davon nahm es Othmar bei sich selbst mit der Pflege auch nicht genau. Aber Selma störte das nicht. Sie hatte es gern, wenn ein Mann ein gewisses Aroma versprühte, und gab zu, sich selbst oft tagelang nicht zu waschen, um Othmar beim Masturbieren noch zu spüren.

- Aber warum können wir uns dann nicht öfter sehen? Das ist doch ...

Othmar fiel das Wort nicht ein. Und Selma lächelte, wie nur Selma lächelte, wenn sie auf etwas nicht antworten wollte.

- Das haben wir doch schon zur Genüge besprochen.

Was insofern stimmte, als die Unterhaltung immer gleich vonstattenging, aber nichts daran änderte, dass sie nie zu Ende geführt wurde.

 

Das mit Othmar und Selma lief seit zwei Jahren. Es störte sie nicht, dass sein körperlicher Verfall inzwischen weiter gediehen war als der von Bad Regina. Umgekehrt hatte er aufgehört zu fragen, wann sie sich wieder die Haare wachsen lassen würde. Inzwischen fand er Gefallen daran. Der süßliche Geruch eines glatt rasierten Schädels war besonders intensiv. Er vergrub sich darin, wie andere an Klebstoff schnüffelten.

- Warum, hatte er so oft gefragt.

- Weil ich zu schön bin, hatte sie genauso oft geantwortet.

Das Weibliche habe den Blick auf ihr eigentliches Wesen verstellt. Die Männer, die immer nur ihre bezaubernde Fassade sehen wollten. Immer nur das Mädchen. Immer nur schön, schön, schön. Aber Selma war nicht schön. Sie war sogar ziemlich hässlich. Das hatte er ihr natürlich nie gesagt. Weil es keine Rolle spielte. Die Mankos spielten längst keine Rolle mehr. Vermutlich, weil es keine Alternativen gab. Man nahm, was man kriegen konnte. Man liebte, was vorhanden war. Vielleicht war das die Definition von Glück. Dass man sich exakt nach dem sehnte, was bereits vorhanden war.

Inzwischen störte es ihn auch nicht mehr, wenn Alpha dabei zusah. Wenn er ins Leere starrte, während sich Othmar sexuell abrackerte. Als ob es keinen Unterschied machte. Trotzdem hoffte er, wenigstens eine kleine Regung ins Gesicht seines Freundes zu zaubern. Denn sie waren Freunde. Mehr als vor dem Unfall. Da waren sie nur Geschäftspartner gewesen. Da war Othmar ein größenwahnsinniger Klubbetreiber gewesen, der sich seinen Traum erfüllte, indem er für eine horrende Summe den Star-DJ Alpha X aus Manchester einfliegen ließ. Da hatte sein Chef, der alte Schandor, ordentlich mit den Ohren...
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Autor

David Schalko, geboren 1973 in Wien, lebt als Autor und Regisseur in Wien. Bekannt wurde er mit revolutionären Fernsehformaten wie der »Sendung ohne Namen«. Seine Filme und Serien »Aufschneider«, »Braunschlag«, »Altes Geld«, »Ich und die Anderen« und das Remake von »M - eine Stadt sucht einen Mörder« wurden mit zahlreichen internationalen Preisen ausgezeichnet. Zuletzt erschienen seine Romane »Schwere Knochen« und »Bad Regina«.