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Die Katastrophe der digitalen Bildung

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
Redlineerschienen am11.10.2020
SILICON VALLEY: WARUM DIE TECH-ELITE IHRE KINDER AUF DIE WALDORFSCHULE SCHICKT Die Coronakrise zwang Schülerinnen und Schüler ins 'Homeschooling'. Online-Lernen schien das Gebot der Stunde zu sein. Doch lernschwache Kinder wurden dabei benachteiligt und selbst viele ältere Schüler scheiterten am eigenständigen Lernen. Und: Ein Gros der Eltern geriet massiv unter Druck, Heimschule und Beruf unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig schossen die Bildschirmzeiten in die Höhe - nicht nur für schulische Zwecke, sondern für Computerspiele und soziale Medien. Gibt es in Deutschland einfach zu wenig Tablets und Online-Angebote für Schüler? Vielleicht ... Doch die Ursachen der digitalen Bildungsmisere liegen tiefer. Selbst die »beste aller Digitalwelten« kann keine zugewandten und inspirierenden Lehrer ersetzen! Menschen lernen am besten vom Menschen, ohne Computer. Im Silicon Valley wurde das bereits verstanden. Ingo Leipner zeigt, wie sehr die Debatte über digitale Bildung ein Holzweg ist - und das sogar in Zeiten einer Pandemie.

Ingo Leipner, Diplom-Volkswirt und Wirtschaftsjournalist, ist Autor kritischer Bücher zur Digitalisierung der Gesellschaft. Er ist auch ein gefragter Referent in Sachen Digital-Kritik und leitet seine eigene Textagentur Ecowords. Von ihm sind bereits »Die Lüge der digitalen Bildung« und »Verschwörungstheorien« im Redline Verlag erschienen.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR19,99
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E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR2,99

Produkt

KlappentextSILICON VALLEY: WARUM DIE TECH-ELITE IHRE KINDER AUF DIE WALDORFSCHULE SCHICKT Die Coronakrise zwang Schülerinnen und Schüler ins 'Homeschooling'. Online-Lernen schien das Gebot der Stunde zu sein. Doch lernschwache Kinder wurden dabei benachteiligt und selbst viele ältere Schüler scheiterten am eigenständigen Lernen. Und: Ein Gros der Eltern geriet massiv unter Druck, Heimschule und Beruf unter einen Hut zu bringen. Gleichzeitig schossen die Bildschirmzeiten in die Höhe - nicht nur für schulische Zwecke, sondern für Computerspiele und soziale Medien. Gibt es in Deutschland einfach zu wenig Tablets und Online-Angebote für Schüler? Vielleicht ... Doch die Ursachen der digitalen Bildungsmisere liegen tiefer. Selbst die »beste aller Digitalwelten« kann keine zugewandten und inspirierenden Lehrer ersetzen! Menschen lernen am besten vom Menschen, ohne Computer. Im Silicon Valley wurde das bereits verstanden. Ingo Leipner zeigt, wie sehr die Debatte über digitale Bildung ein Holzweg ist - und das sogar in Zeiten einer Pandemie.

Ingo Leipner, Diplom-Volkswirt und Wirtschaftsjournalist, ist Autor kritischer Bücher zur Digitalisierung der Gesellschaft. Er ist auch ein gefragter Referent in Sachen Digital-Kritik und leitet seine eigene Textagentur Ecowords. Von ihm sind bereits »Die Lüge der digitalen Bildung« und »Verschwörungstheorien« im Redline Verlag erschienen.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783962672409
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum11.10.2020
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2276 Kbytes
Artikel-Nr.5176473
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
KAPITEL 2
AUFSTIEG UND FALL DES MAURICE DE HOND
Warum die Steve-Jobs-Schulen in Holland scheitern mussten

Holland wurde zum Mekka der Digital-Gläubigen: Sie pilgerten voller Begeisterung zu den Steve-Jobs-Schulen, den Stätten künftigen Lernens. Die gefeierte Lehre hatte einen prophetischen Namen: »Unterricht für eine neue Zeit«- Onderwijs voor een Nieuwe Tijd. Abkürzung: O4NT. Ihr Hohepriester war Maurice de Hond, in Holland ein bekannter Meinungsforscher. Seine Schulen lockten auch Pilger aus Deutschland an ⦠so Dr. Julia Hense von der Bertelsmann Stiftung, die sich freute: »Tablets sind hier der Schlüssel zu allem.«19

Entscheidend sei im Unterricht: »Jeder Schüler bekommt so einen ganz individuellen Stundenplan. Jeden Tag«, so Hense. Alle sechs Wochen würden Lehrer, Schüler und Eltern »den Lehrplan für die kommenden sechs Wochen« besprechen. Dr. Hense: »So kann es sein, dass ein Kind sehr viel Mathematik macht und ein anderes mehr Englisch, je nach Motivation und Kenntnisstand. Am Ende des Schuljahres haben trotzdem alle den Lernstoff gelernt - und wer möchte, sogar noch mehr.«

Überall gebe es Tablets und AppleTV, gleichzeitig beobachtete die promovierte Pädagogin auch Kinder, die aus Milchtüten und Papprollen eine Murmelbahn bauten. Die Tablets ermöglichten es den Schülern, »selbstbestimmt zu lernen«, entweder in einer Gruppe oder im Selbstlernbereich. Dr. Henses Resümee: »Das Tablet kann helfen, etwas für alle möglich zu machen, wonach wir schon so lange streben: den individualisierten Unterricht, die optimale Förderung jedes Einzelnen in seinen Eigenheiten und Talenten.« Der heilige Gral der Bildungsforschung schien endlich gefunden zu sein.

Diesen Gral erblickte bei einem Besuch auch Prof. Dr. Stefan Aufenanger: »Die gesamte Pädagogik ist vom Kind aus gedacht. D. h., die Kinder bestimmen ihre Lerngeschwindigkeit selbst und bekommen Aufgaben entsprechend ihrem Lernstand.«20 Das wird möglich, weil die Kinder in Mathe etwa Aufgaben auf ihren iPad bekommen - und »je nach richtiger oder falscher Lösung weiterführende oder wiederholende Aufgaben«, berichtet der Medienpädagoge. So wurde der Traum der perfekten Binnendifferenzierung wahr, automatisiert und inklusive vollständiger Transparenz bei den Leistungen. Prof. Aufenanger: »Diese Lernfortschritte können die Lehrpersonen sowie die Eltern auf ihren iPads verfolgen. So kann man etwa genau erkennen, welche Aufgaben das Kind gelöst hat, ob die Lösung richtig oder falsch ist und wie lange dazu gebraucht wurde.«

Außerdem lassen sich die einzelnen Ergebnisse vergleichen - mit den Leistungen anderer Kinder oder dem Durchschnitt anderer Klassen. »In einem schnellen Überblick erfährt man, wo das Kind in den verschiedenen verlangten Fertigkeiten steht«, so Prof. Aufenanger.

Auf diese Weise trugen Dr. Hense und Prof. Aufenanger ihre frohe Kunde nach Hause, ins rückständige Deutschland, wo wohl auch das »Manifest« von Maurice de Hond kaum Leser gefunden hatte.21 Er schrieb 2013 über O4NT:

»Die Welt verändert sich immer schneller, besonders unter dem Einfluss der digitalen Revolution. Kinder müssen sich sehr früh damit auseinandersetzen. Wir sind überzeugt, dass die Erfindung des iPad eine neue Phase in der Interaktion zwischen Kind und virtueller Welt darstellt.«

Der Schulgründer war sich sicher, »sehr kleine Kinder« seien in der Lage, diese Geräte intuitiv zu bedienen. »Dabei erwerben sie spielerisch Fähigkeiten, die für ihre Zukunft im 21. Jahrhundert wichtig sind.« Illustriert wird das durch ein Erklärvideo, in dem ein Kleinkind in Windeln an einem Stapel Tablets hinaufschaut - sinnbildlich für den Beginn einer Bildungslaufbahn, die Zeit und Raum überwindet. Denn: Die Schule existiert auch in einer weiteren Dimension, der Virtualität. »Alle Schüler haben ein iPad [â¦] und können eine große Zahl von Lern-Apps nutzen«. Diese Aussage führt im »Manifest« direkt zum Glaubensbekenntnis: »Lernen kann überall und jederzeit stattfinden.« Das iPad ist zum universellen Schlüssel zur Bildung geworden, wobei Zeit und Raum aufgehoben sind â¦

Harter Schnitt: Schwarze Gewitterwolken ziehen auf, ein Sturm braust über Holland - und lässt von den vielgepriesenen Steve-Jobs-Schulen nur Ruinen stehen. Wie konnte das geschehen, bei einem so modernen Konzept, dem »Unterricht für eine neue Zeit« (O4NT)? Natürlich war es keine Naturkatastrophe, die O4NT ins Meer spülte ⦠Es waren handfeste ökonomische und pädagogische Gründe, die das Ende des »Unterrichts für eine neue Zeit« einläuteten.


Kreuzfahrer Maurice de Hond

Der holländische Philosoph Hans Schnitzler über die Heilsidee der iPads

Die »faustische Seele« (Oswald Spengler) überwindet die Grenzen von Zeit und Raum; sie errichtet aus Glas und Stahl Kathedralen, die in die Wolken reichen. Für die »faustische Seele« ist Geschichte ein Prozess des Fortschritts, der zu immer mehr Perfektion führt. So eröffnet der holländische Philosoph Hans Schnitzler ein Essay, in dem er digitale Bildung à la Maurice de Hond geistesgeschichtlich einordnet.22

»Nachdem wir alle Ecken der realen Welt erkundet haben, suchen wir unser Glück in der virtuellen Realität«, stellt der Philosoph fest. Sie sei ein Biotop, »in dem sich alles verwirklichen lässt, wo unsere Erlösung nahe ist.« Maurice de Hond sei einer der »Revolutionäre«, die diesen historisch scheinbar »alternativlosen« Kurs einschlagen.

Seinem Weg liegt eine »tief sitzende Vision« zugrunde - das religiöse Ideal der Erlösung. Die Welt Gottes wurde gegen Vernunft und Technik ausgetauscht, »eingewickelt in das Geschenkpapier der Aufklärung«. Die Erlösung werde jetzt im Diesseits gesucht, das Jenseits spielt keine Rolle mehr. Eine »weltliche Heilsidee«! An ihr halten die Utopisten des Fortschritts unerschütterlich fest, auch wenn die Errichtung des »Himmels auf Erden« oft zur Hölle wurde.

Diese Menschen können jetzt ihre Kinder in eine Steve-Jobs-Schule schicken, wo »Gebäude und Lehrer in einem iPad stecken«, schreibt Schnitzler. Was fortschrittlich wirkt, hat aber Schattenseiten: De Hond als »postmoderner Kreuzfahrer« vergesse, so Schnitzler, dass »jeder angebliche Fortschritt seine eigene Pathologie hervorruft«. So würden gerade IT-Schüler unter einem »überdrehten Gehirn« leiden, das zu viele Reize gleichzeitig verarbeiten muss. Konzentrations- und Aufmerksamkeitsstörungen sind die Folge.

Schnitzler sieht als Problem bei den »Fundamentalisten des Fortschritts«: Sie wollten altes, eigentlich gesichertes Wissen überwinden, um ihren Ideen freie Bahn zu geben. Dabei lässt sich Schaden nur vermeiden, wenn dieses expansive Denken gezähmt wird. Der Philosoph denkt an einen Tag im Monat ohne E-Mail, Tweets und Facebook, um in Ruhe zu überlegen, »wie sich die neuen Technologien sinnvoll und verantwortungsvoll ins Leben einbetten lassen.« Schnitzler: »Abstinenz reinigt. Es ist Zeit zum Nachdenken, also Zeit für eine digitale Diät.«


Rückblende: August 2013 nahmen elf Steve-Jobs-Schulen ihre Arbeit auf, ein Jahr später kamen zehn weitere dazu, bis zu hundert waren geplant - und das Ausland war fest im Visier. Das holländische Schulsystem unterstützt solche privaten Gründungen: Sie sind staatlich finanziert wie öffentliche Schulen, genießen aber eine hohe Autonomie. Die Schulaufsicht kontrolliert überall die Qualität des Unterrichts; sie hat ein Auge auf die staatlich definierten Curricula und Lernziele. Es gibt weiterführende Schulen und die basisschool, die Kinder von vier bis zwölf Jahren besuchen. Das entspricht acht Schuljahren (groeps), an deren Ende der »Cito-Test« steht. Er ist gefürchtet und entscheidet bei den Zwölfjährigen, wie ihr weiterer Bildungsweg aussieht.

Zurück zur Grundschule: Ab dem dritten Schuljahr beginnen Sechsjährige Lesen, Schreiben und Rechnen zu lernen. Klasse 1 und 2 entsprechen dem deutschen Kindergarten. Das bedeutet: Weil die Steve-Jobs-Schulen als basisschool konzipiert waren, drückten die Lehrer schon Vierjährigen einen bunten iPad in die Hand, damit sie selbstständig lernen. »Ook de jongste«, wie de Hond in seinem Manifest betont. Laut FAZ hatte er seiner Tochter schon im ersten Lebensjahr erlaubt, ein Smartphone in die Hand zu nehmen. Viele Leute würden nicht verstehen, so de Hond, dass »das Gehirn durch das...
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