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Der Unfehlbare

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
434 Seiten
Deutsch
C.H. Beckerschienen am16.07.20201. Auflage
'DIE TRADITION BIN ICH!' PIUS IX.
Alles sprach dagegen, dass aus dem kleinen Giovanni Maria Mastai Ferretti (1792 - 1878) etwas wird. Hubert Wolf schildert den erstaunlichen Weg des kränkelnden jungen Adligen aus der Provinz zum mächtigsten und am längsten amtierenden Papst der Geschichte (1846 - 1878), der den Katholizismus neu erfand. Das fesselnd und anschaulich geschriebene Buch ist eine kalte Dusche für alle, die im Papst den Repräsentanten uralter Traditionen sehen.
Nach der Französischen Revolution lag das prächtige, aber jahrhundertelang krumm und schief gewachsene Gebäude des Katholizismus in Trümmern und musste neu errichtet werden. Doch in welchem Stil? Romantisch-mittelalterlich? Oder zeitgemäß-modern? Während die einen noch stritten, bauten die anderen schon neu: Hubert Wolf beschreibt, wie der Katholizismus im Namen erfundener Traditionen ganz auf Rom ausgerichtet wurde. Mit Pius IX. wurde 1846 der richtige Papst für dieses Programm gewählt: Im Bewusstsein eigener Machtvollkommenheit verkündete er das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, schottete die Kirche mit dem «Syllabus errorum» von Demokratie und Moderne ab und ließ sich auf dem Ersten Vatikanischen Konzil für unfehlbar erklären. Traditionalistischen Kritikern beschied er kühl: «La tradizione sono io», die Tradition bin ich! Als kurz darauf der Kirchenstaat endgültig verloren ging, konnte das die weltweite Verehrung des «Gefangenen im Vatikan» nur noch steigern. Das Buch macht eindrucksvoll deutlich, wie seither alles mit dem Papst steht - und mit ihm fällt.
Die erste deutschsprachige Biographie über Papst Pius IX.

Ein neues Bild vom Katholizismus

Souverän erzählt von einem der führenden Kirchenhistoriker


Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er wurde mit dem Leibniz-Preis der DFG, dem Communicator-Preis, dem Gutenberg-Preis sowie der Ehrendoktorwürde der Universität Bern ausgezeichnet.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR32,00
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EUR24,99
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR24,99

Produkt

Klappentext'DIE TRADITION BIN ICH!' PIUS IX.
Alles sprach dagegen, dass aus dem kleinen Giovanni Maria Mastai Ferretti (1792 - 1878) etwas wird. Hubert Wolf schildert den erstaunlichen Weg des kränkelnden jungen Adligen aus der Provinz zum mächtigsten und am längsten amtierenden Papst der Geschichte (1846 - 1878), der den Katholizismus neu erfand. Das fesselnd und anschaulich geschriebene Buch ist eine kalte Dusche für alle, die im Papst den Repräsentanten uralter Traditionen sehen.
Nach der Französischen Revolution lag das prächtige, aber jahrhundertelang krumm und schief gewachsene Gebäude des Katholizismus in Trümmern und musste neu errichtet werden. Doch in welchem Stil? Romantisch-mittelalterlich? Oder zeitgemäß-modern? Während die einen noch stritten, bauten die anderen schon neu: Hubert Wolf beschreibt, wie der Katholizismus im Namen erfundener Traditionen ganz auf Rom ausgerichtet wurde. Mit Pius IX. wurde 1846 der richtige Papst für dieses Programm gewählt: Im Bewusstsein eigener Machtvollkommenheit verkündete er das Dogma von der Unbefleckten Empfängnis Mariens, schottete die Kirche mit dem «Syllabus errorum» von Demokratie und Moderne ab und ließ sich auf dem Ersten Vatikanischen Konzil für unfehlbar erklären. Traditionalistischen Kritikern beschied er kühl: «La tradizione sono io», die Tradition bin ich! Als kurz darauf der Kirchenstaat endgültig verloren ging, konnte das die weltweite Verehrung des «Gefangenen im Vatikan» nur noch steigern. Das Buch macht eindrucksvoll deutlich, wie seither alles mit dem Papst steht - und mit ihm fällt.
Die erste deutschsprachige Biographie über Papst Pius IX.

Ein neues Bild vom Katholizismus

Souverän erzählt von einem der führenden Kirchenhistoriker


Hubert Wolf ist Professor für Kirchengeschichte an der Universität Münster. Er wurde mit dem Leibniz-Preis der DFG, dem Communicator-Preis, dem Gutenberg-Preis sowie der Ehrendoktorwürde der Universität Bern ausgezeichnet.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783406755767
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum16.07.2020
Auflage1. Auflage
Seiten434 Seiten
SpracheDeutsch
Illustrationenmit 27 Abbildungen und 1 Karte
Artikel-Nr.5213463
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



ERSTES KAPITEL
Generalangriff auf die Tradition

Die Verwirrungen des jungen Gianmaria
(1792-1814)


Paris, Jahr 1 der Republik: Beginn einer neuen Zeitrechnung


In Paris, der Capitale der Grande Nation, der Hauptstadt Frankreichs, war mit dem Sieg der Revolution von 1789 eine Tradition an ihr Ende gelangt.[1] Nach Ansicht der revolutionären Chefstrategen war nicht nur das Ancien Régime untergegangen und damit eine ganz neue Zeit von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit angebrochen, sondern auch das Christentum als die bestimmende Macht vernichtet worden. Ein radikaler Neubeginn, der zugleich als die alles entscheidende Wende in der gesamten Menschheitsgeschichte propagiert wurde, sollte nun auch in einer Revolution des Kalenders Ausdruck finden und so im ganz normalen Leben der Menschen Tag für Tag erfahrbar werden. Dabei hatten die Revolutionäre die doppelte Bedeutung des Begriffs «Revolution» vor Augen: einerseits die gewalttätige «Umwälzung» der bestehenden sozialen und politischen Ordnung und andererseits den «Umlauf» eines Planeten um sein Zentralgestirn im astronomischen Sinn.[2] So bestimmt die einmalige «Revolution» der Erde um die Sonne die Dauer eines Jahres.

Der französische Nationalkonvent in Paris beschloss in seiner Sitzung vom 24. November 1793 nach Anhörung des Erziehungsausschusses deshalb einen wahrlich revolutionären Kalender, der die christliche Zeitrechnung vollständig ablösen sollte.[3] Seitdem sich das Christentum im fünften Jahrhundert im Imperium Romanum und darüber hinaus endgültig als Staatsreligion etabliert hatte, begann man die Jahre nicht mehr nach den Regierungsdaten der Kaiser, Könige und anderer Herrscher zu zählen, sondern nach dem Datum der Geburt Christi.[4] Diese wurde jetzt als die große Zäsur der Weltgeschichte interpretiert und trennte die gesamte Weltzeit in zwei grundsätzlich verschiedene heilsgeschichtliche Epochen: in die Zeit vor und in die Zeit nach Christi Geburt. Die Menschwerdung Gottes in Jesus von Nazareth bildete den Wendepunkt der Geschichte schlechthin, mit der Inkarnation begann für die christliche Theologie und Weltdeutung die endgültige göttliche Heilszeit. Deshalb sprach man bei Datumsangaben nach Christi Geburt auch häufig vom «Jahr des Heils». In der Folge mussten alle vorher gültigen Zeitangaben in die christliche Zeitkonzeption umgerechnet werden, weil Christus als der Herr der Zeit galt - was nicht immer ganz einfach war.

Und auch das Jahr selbst bildete die christliche Heilsgeschichte ab und wiederholte von Advent und Weihnachten über Karfreitag, Ostern und Pfingsten bis hin zu Allerheiligen die wichtigsten Ereignisse. Dadurch erhielt das Jahr eine feste christliche Struktur, die in den agrarischen Ablauf bestens integriert war. Die Woche stammte, ohne über eine astronomische Entsprechung wie Monat und Jahr zu verfügen, aus dem jüdischen Kalender mit den sieben Schöpfungstagen des Buches Genesis und war in sechs Arbeitstage und einen Ruhetag, den Sabbat, eingeteilt. Dieser wurde durch den Sonntag als ersten Tag der Woche, den Tag der Auferstehung Jesu, ersetzt. Dadurch war die christliche Botschaft und Weltdeutung im wahrsten Sinn des Wortes Jahr für Jahr und Tag für Tag präsent und bestimmte das Alltagsleben von Christen, aber auch von Menschen, die mit Kirche und Glauben wenig am Hut hatten oder diese sogar bekämpften.

Die katholische Kirche war eben auch die Herrin der Zeit, wie zuletzt Papst Gregor XIII. im Jahr 1582 eindrücklich unter Beweis gestellt hatte. Damals glich er den Julianischen Kalender Caesars wieder an die kosmischen Tatsachen an. Der Papst ließ dazu im Oktober einfach zehn Tage aus, um Sonnenstand und Kalender wieder in Deckung zu bringen. Die orthodoxen Kirchen und die Protestanten lehnten die katholische Kalenderreform ab, weil sie keinem Diktat des Papstes folgen wollten, obwohl sie naturwissenschaftlich schlicht richtig war. Sie brauchten mitunter sogar Jahrhunderte, um sie schließlich doch zu übernehmen. Diese Verzögerung tat aber der Kompetenz von Papst und Kirche über Zeit und Ewigkeit - zumindest in deren eigenem Selbstbewusstsein - keinen Abbruch.[5]

Diese christlich-kirchliche Grundierung von Welt und Zeit musste verschwinden, wenn im revolutionären Frankreich dem verhassten Katholizismus endlich der Garaus gemacht werden sollte - davon waren die Macher der Revolution zutiefst überzeugt. «Die Ära der Franzosen» sollte, wie es im ersten Artikel des einschlägigen Dekrets des Nationalkonvents heißt, an die Stelle der endgültig abgelaufenen Ära Jesu Christi treten und rückwirkend mit dem 22. September 1792, der herbstlichen Tagundnachtgleiche, beginnen.[6] Am Vortag, dem 21. September, war die französische Monarchie abgeschafft und die Republik ausgerufen worden.

Das Jahr wurde in «zwölf gleiche Monate von je dreißig Tagen» eingeteilt. Am Jahresende folgten fünf monatsfreie Tage, die zu Ehren der Sansculotten, die während der heftigsten revolutionären Auseinandersetzungen die radikalen Jakobiner unterstützt hatten, Sansculotiden genannt wurden. Die Siebentagewoche, die zu sehr an die biblische Schöpfungsgeschichte erinnerte, wurde abgeschafft und durch drei Dekaden pro Monat ersetzt. Die Dekadentage hatten keine eigenen Namen mehr, sondern wurden einfach durchnummeriert. Der Décadi als zehnter Tag war als Ruhetag vorgesehen. Auf diese Weise sollte insbesondere der Sonntag als Herrentag verschwinden, an dem die Heilige Messe gefeiert wurde. Die Sonntagspflicht trieb nach wie vor viele Gläubige in die Kirchen und setzte sie nach Meinung der Jakobiner immer weiter der Propaganda der verfluchten Pfarrer aus, die als die schlimmsten Konterrevolutionäre galten. Auf diese Weise hoffte der Nationalkonvent den christlichen Lebensrhythmus, der nicht nur das kirchliche, sondern auch das gesellschaftliche und politische Leben dominierte, endgültig durchbrechen zu können.

Hinter der revolutionären Kalenderreform stand zunächst sicherlich die «aufklärerische Lust am glatt und gleichmäßig Teilbaren», insbesondere «an der Ästhetik des Dezimalsystems».[7] Unterschiedlich lange Monate von dreißig, einunddreißig und achtundzwanzig Tagen Dauer und die Siebentagewoche galten als unlogisch. Vor allem der jährlich wechselnde Termin des Osterfestes - immer am Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond -, von dem wiederum zahlreiche andere christliche Feste und damit auch Termine des öffentlichen Lebens abhingen, war den radikalen Aufklärern ein Gräuel.

Bei den Beratungen im Erziehungsausschuss befeuerten sich aufgeklärter Impetus und radikaler antikirchlicher Affekt gegenseitig, was am Ende den Ausschlag für die Revolution des Kalenders gegeben haben dürfte. Es wurde behauptet, die christliche Zeitrechnung habe über «achtzehn Jahrhunderte lang den Fortschritt des Fanatismus gesichert» und den «skandalösen Triumph von Hochmut, Laster und Dummheit» verursacht. Der Mathematiker und entschiedene Kirchenfeind Charles-Gilbert Romme brachte die Notwendigkeit der radikalen Kalenderreform und den damit verbundenen Beginn einer ganz neuen Epoche so auf den Punkt: «Die alte Zeitrechnung war die Ära der Grausamkeit, der Lüge, der Perfidie und des Sklavengeistes» - die Zeit des Christentums eben. Jetzt schlage die Zeit «ein neues Buch in der Geschichte auf; und in ihren neuen, majestätischen, einfach-gleichmäßigen Ablauf gilt es mit kraftvollem Meißel die Annalen des wiedergeborenen Frankreich einzutragen».[8]

Einen derart massiven Angriff hatte die Kirche seit den Verfolgungen im Römischen Reich nicht mehr erlebt. Vor allem Frankreich hatte über viele Jahrhunderte als älteste und treueste Tochter Roms und des römischen Katholizismus gegolten. Ausgerechnet hier sollte jetzt der Anfang vom Ende der christlichen Zeitrechnung und der katholischen Kirche in Europa und der Welt eingeläutet werden. Eine ganz neue Zeit von Republik statt Kirche, von Vernunft statt Offenbarung, von Wissenschaft statt Glauben, von Demokratie statt Hierarchie, von mündigen Staatsbürgern statt unmündigen Kirchenschafen sollte beginnen. Katholische Kirche und christlicher Glaube sollten keinen Platz mehr haben in der von der Revolution neu geschaffenen Welt.

Für all das stand der neue Kalender. Eine achtzehn Jahrhunderte währende Tradition sollte durch den revolutionären Generalangriff endgültig beendet werden. To be or not to be: Für den Katholizismus ging es ums Ganze. Wie sollte die Kirche auf diese existenzbedrohende Herausforderung reagieren? Konnte sie irgendwie verhindern, dass sich die verunsicherten und verfolgten...
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