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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Aufbau Verlage GmbHerschienen am21.07.20201. Auflage
Das Buch eines Transmannes über die Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft, das die Debatte unbedingt braucht - und »ein wunderschönes Buch, das einfach jeden berühren wird, der ein besserer Mensch werden möchte.« Elif Shafak.

Thomas Page McBee ist 31 Jahre alt, als er eine Geburtsurkunde erhält, die endlich bestätigt, was er schon lange weiß: er ist keine Frau, er ist ein Mann. Dafür hat er viel Geld ausgegeben und sich operieren lassen, ist vor Gericht gezogen und hat sich wöchentlich Hormone gespritzt. Doch der Tag seiner zweiten Geburt ist nicht das Ende dieser Geschichte. Im Grunde ist es erst der Anfang. Denn er ist zwar jetzt ein Mann, aber er will mehr: er will ein guter Mann sein, ein guter Mensch. Warum er deshalb beschließt, Amateurboxer zu werden, und warum er in Ring und Umkleidekabine ebenso viel lernt wie in Gesprächen mit seinem Bruder, mit Psychologen oder Neurowissenschaftlern, davon erzählt »Amateur«: eine berührende und hellwache Erkundung von Männlichkeit und den ungeschriebenen Gesetzen unserer Gesellschaft.

»Ein ungewöhnlich weises, ein wunderschönes Buch.« A.L. Kennedy.


Thomas Page McBee war »Maskulinitätsexperte« für das Vice Magazin und der erste Transmann, der im Madison Square Garden boxte. Seine Essays und Reportagen erschienen in der New York Times, im Playboy, bei Glamour und Salon. Außerdem ist er Co-Autor der Netflix-Erfolge »The L Word« und »Tales of the City«. @ThomasPageMcBee www.thomaspagemcbee.com Stefanie Frida Lemke, Jahrgang 1977, studierte Anglistik und Germanistik und lebt nach verschiedenen Stationen in der Buchbranche seit 2010 als Literaturübersetzerin in Berlin.
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Produkt

KlappentextDas Buch eines Transmannes über die Geschlechterverhältnisse in unserer Gesellschaft, das die Debatte unbedingt braucht - und »ein wunderschönes Buch, das einfach jeden berühren wird, der ein besserer Mensch werden möchte.« Elif Shafak.

Thomas Page McBee ist 31 Jahre alt, als er eine Geburtsurkunde erhält, die endlich bestätigt, was er schon lange weiß: er ist keine Frau, er ist ein Mann. Dafür hat er viel Geld ausgegeben und sich operieren lassen, ist vor Gericht gezogen und hat sich wöchentlich Hormone gespritzt. Doch der Tag seiner zweiten Geburt ist nicht das Ende dieser Geschichte. Im Grunde ist es erst der Anfang. Denn er ist zwar jetzt ein Mann, aber er will mehr: er will ein guter Mann sein, ein guter Mensch. Warum er deshalb beschließt, Amateurboxer zu werden, und warum er in Ring und Umkleidekabine ebenso viel lernt wie in Gesprächen mit seinem Bruder, mit Psychologen oder Neurowissenschaftlern, davon erzählt »Amateur«: eine berührende und hellwache Erkundung von Männlichkeit und den ungeschriebenen Gesetzen unserer Gesellschaft.

»Ein ungewöhnlich weises, ein wunderschönes Buch.« A.L. Kennedy.


Thomas Page McBee war »Maskulinitätsexperte« für das Vice Magazin und der erste Transmann, der im Madison Square Garden boxte. Seine Essays und Reportagen erschienen in der New York Times, im Playboy, bei Glamour und Salon. Außerdem ist er Co-Autor der Netflix-Erfolge »The L Word« und »Tales of the City«. @ThomasPageMcBee www.thomaspagemcbee.com Stefanie Frida Lemke, Jahrgang 1977, studierte Anglistik und Germanistik und lebt nach verschiedenen Stationen in der Buchbranche seit 2010 als Literaturübersetzerin in Berlin.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783841225399
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.07.2020
Auflage1. Auflage
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2295 Kbytes
Artikel-Nr.5228022
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Warum tue ich das?

Warum kämpfen Männer? Warum wollen man che von uns sich ins Gesicht schlagen lassen? Warum wollen andere uns dabei zusehen?

Was macht einen Mann zum Mann?

Als ich mit Testosteron-Spritzen anfing, war ich dreißig und wollte mich endlich schön finden. Mein Werden maß ich in erster Linie in ästhetischer Hinsicht: das T-Shirt, das mir jetzt passte, die Wölbung meines Bizepses, das Sprießen der Bartstoppeln. Ich liebte das Aussehen von Männern, ihren Geruch, die Körperhaltung. Ich liebte ihre Größe und Masse, ihre im Barbershop gestylten Bärte, den breitschultrigen Gang. Ich liebte die stille Effizienz der Herrentoiletten, die unsagbare körperliche Freude, neben meinem Bruder herzulaufen und unsere Schatten auf den Gebäuden zu sehen.

Ich liebte es, ein Mann zu sein, insofern ich es liebte, einen Körper zu haben. Ich hatte mir die Brüste entfernen lassen, ich stach mir jede Woche eine lange Nadel in den Oberschenkel, ich änderte meinen Namen und damit meinen Platz in der Welt - das alles, damit ich mich nicht mehr unter tief in die Stirn gezogenen Baseball-Caps und Kompressionsshirts verstecken musste, sondern einfach mein T-Shirt ausziehen und mich in die Fluten stürzen konnte.

Meine ersten Freuden waren einfach, alltäglich - mich nach dem Duschen abzutrocknen und im beschlagenen Spiegel meine flache Brust zu sehen; wie mir meine Sachen mit den breiteren Schultern und schmaleren Hüften auf einmal passten; die neuen Muskeln, durch die mein Gang breiter, meine Hände, Waden, mein Hals kräftiger wurden. Halbnackt im Badezimmer stehend berührte ich die Vertiefung zwischen meinen Bauchmuskeln und sah, dass der Typ im Spiegel dasselbe machte. Ich drehte mich und er drehte sich. Ich lächelte und er lächelte. Ich straffte die Schultern und er genauso.

Geschichten über trans Menschen, wenn wir sie überhaupt zu hören bekommen, enden oft mit einem solchen glänzenden Symbolismus, der zeigen soll, dass der betreffende Mann oder die Frau die Verwandlung geschafft, die große Aufgabe, endlich er oder sie selbst zu sein, bewältigt hat. Selbst wenn das ein schöner Gedanke und auch etwas Wahres dran ist, genau wie eine Schwangerschaft oder eine Nahtoderfahrung krasse Veränderungen mit sich bringen und unsere Tage und Erinnerungen und sogar die Zeit um das Ereignis herum neu sortieren können, endet meine Geschichte damit nicht. Nicht einmal annähernd.

Ich bin Anfänger, ein mit dreißig Jahren geborener Mann, in einem Körper, der etwas übers Menschsein zeigt, worüber selten nachgedacht wird. Laut Untersuchungen erfahren wir bereits in der frühesten Kindheit Geschlechterkonditionierung, so dass wir das Verhältnis von Angeborenem und Anerzogenem, von Biologie und Kultur, Anpassung und Selbstbehauptung nicht verstehen.

Dieses Buch ist ein Versuch, diese Verwicklungen zu entwirren. Beim Schreiben ist es außerdem eine Art persönliche Rückversicherung geworden, ein Verfolgen und Gestalten meiner eigenen Entwicklung in einer Kultur, in der es so viele toxische Männer gibt.

Auch in meiner Familie gibt es eine Tradition toxischer Männlichkeit.

* * *

Die Wirkung meines durch das Testosteron neugeformten Körpers überraschte mich immer wieder: Ich musste keine Angst mehr haben, nachts allein eine dunkle Straße entlangzugehen, stattdessen war ich jetzt derjenige, der diese Angst bei Frauen hervorrief; der Effekt meiner Stimme, andere in einem Meeting zum Schweigen zu bringen; die ungerechtfertigte Annahme meiner Kompetenz, meiner Macht, meines Potenzials.

Die Wirkung zeigte sich bei Telefonkonferenzen, an Supermarktkassen, bei ersten Dates, und in Reaktion darauf veränderte ich mich. Wie eine sich nach der Sonne drehende Pflanze richtete ich mich nach allem, was an mir belohnt wurde: Aggression, Ehrgeiz, Furchtlosigkeit.

Ich überging das Gefühl, festzuhängen wie zwischen zwei Radiosendern. Und allmählich, je mehr Ratschläge ich zwischendurch aufschnappte, verschwanden die Störgeräusche, bis ich die zunehmende Unstimmigkeit zwischen meinem vorherigen Leben und meinem neuen Körper an einem ansonsten ganz gewöhnlichen Frühlingstag nicht länger ignorieren konnte.

* * *

Auf die anderen Leute auf der Orchard Street musste die Szene ziemlich harmlos gewirkt haben. Ich sah aus wie ein ganz normaler weißer Lower-East-Side-Typ Mitte dreißig: tätowiert, dünn, Sneakers, Sonnenbrille. Aber ich war erst seit vier Jahren auf Testosteron. Mein Bart, von einzelnen grauen Haaren durchsetzt, vermittelte das Bild eines Lebens, das ich noch nicht richtig gelebt hatte.

Außerdem war ich nicht besonders wachsam. Jess, meine neue Freundin, war oben in meiner Wohnung, vor uns lag ein unverplanter Abend, und ich wollte uns gerade ein Eis kaufen, als ich sah, dass das Restaurant mit der schönen Fassade nebenan endlich eröffnet hatte. Ich machte - aus Versehen mit Blitz - ein Foto von dem »modern British«-Spot mit seinen in romantisches Licht getauchten, unglaublich coolen Gästen, schickte es Jess und schrieb ihr mit neuer Selbstverständlichkeit: »Hier gehen wir heute Abend essen.«

»Hey!«

Ich hob den Kopf und blickte in das durch die Bäume fallende sanfte Frühlingslicht, es war wie ein Luftholen vor dem Untertauchen, denn instinktiv wusste ich, dass der Abend verloren war. Ein muskelbepackter Typ im weißen T-Shirt kam auf mich zu. »Fotografierst du etwa mein Auto, du Wichser?«, rief er mit heiserer Stimme.

Ich beobachtete ihn, wie er sich näherte, und der Augenblick dehnte sich zu etwas jetzt schon Größerem aus, die Leute starrten uns an und wichen uns aus, sagten aber nichts. Es war das dritte Mal innerhalb von drei Monaten, dass ich mich kurz vor einer Schlägerei wiederfand. Wie konnte ein eben noch idyllischer Moment so plötzlich in Gewalt umschlagen? Voller Furcht blickte ich ihn an.

Eine Übelkeit erregende Angst stieg in mir auf.

Mein Vorher-Ich wollte wegrennen, so wie ich als Kind vor meinem Stiefvater weggelaufen war, denn dieser Fremde wirkte in seiner direkten, bedrohlichen Art genauso erschreckend wie der Mann, der mich großgezogen hatte.

»Hey!«, sagte er wieder. Er hatte dunkle, wellige Haare, den Unterarm voller Tattoos und das ungepflegte Aussehen eines frisch Geschiedenen. Er wirkte betrunken.

Wahrscheinlich wollte er Aufmerksamkeit, hoffte, nicht nur einen Streit zu provozieren, sondern zum Beweis ein blaues Auge davonzutragen.

Durch das Rauschen in meinem Kopf machte sich ungefragt ein Gedanke breit: Männer laufen nicht weg.

Und so seufzte ich schwer und stellte mich ihm, weil Männer das eben so machen. Mit dem tiefsten Knurren, das ich zustande bekam, fragte ich, »was zum Teufel« er wolle. Er zeigte auf einen leuchtend roten Mercedes vor dem Restaurant - eins dieser Autos, die als Schwanzverlängerung fungieren. Das Gesicht des Mannes war schweißnass, trotz des kühlen Nachmittags. Sein wilder Blick erzeugte zugleich Angst und Mitleid in mir. Was würde Mom jetzt sagen? Nur die Ruhe bewahren. Das war genau ihre Stimme, als ob sie wirklich neben mir stände. Thomas, warnte sie mich, als ich die Hände zu Fäusten ballte.

Er wirkte, als wäre er auf der Flucht vor irgendetwas, fand ich und entspannte die Hände wieder.

»Ich habe nur ein Foto vom Restaurant gemacht«, erklärte ich mit sanfterer Stimme, ein klarer Regelbruch. »Ich will mit meiner Freundin dahin.« Zum Glück dachte ich im letzten Moment noch daran, am Ende des Satzes nicht die Stimme zu heben.

»Ich hab den Blitz gesehen!«, knurrte er, jenseits aller Logik, ein Mann, der auf seinem Standpunkt beharrte.

Das war das Schlimmste daran, wurde mir bewusst. Er konnte mich noch nicht mal sehen.

Ich hätte jeder sein können.

* * *

»Männer umarmen sich nicht«, hatte mein Onkel an einem warmen Tag ein paar Jahre zuvor mal zu mir gesagt und mir die Hand entgegengestreckt. Es war nett gemeint, mein neues Leben bestand aus einer ganzen Reihe solcher ungebetenen Ratschläge für das richtige Verhalten, um als Mann durchzugehen.

Er hatte damals nicht Unrecht gehabt. Jess war oft die Einzige, die mich berührte. Jetzt wurde mir klar, dass dieser unfreundliche, unrasierte Mann, der gerade vor mir stand, einfach nur menschlichen Kontakt brauchte.

Auch ich kannte das Gefühl, vor Verlangen danach beinah verrückt zu werden. Durch stumpfe Wiederholung hatte ich zwar gelernt, mit rausgestreckter Brust zu laufen - genauso wie ich mir abgewöhnt hatte, in Schriftwechseln zu viele Ausrufungszeichen zu verwenden -, doch ich bekam schnell die negativen Reaktionen auf meinen männlichen Körper zu spüren, die kühle Distanz von Freund*innen in schwierigen Momenten, die teilweise auch an meiner befangenen Art besonders Frauen gegenüber lag, weil ich derart fürchtete, als Bedrohung wahrgenommen zu werden, dass ich zum Geist geworden war. Anfangs nahm ich diesen Preis für meinen Eintritt in die Welt der Männer noch hin, doch in letzter Zeit fühlte sich jeder Tag an wie ein Kampf gegen eine falsche Interpretation. Was war mit mir passiert?

Von dem Affentheater gelangweilt wollte ich den Fremden einfach stehenlassen, aber er streckte den fleischigen Arm aus, quer über meine Brust, genau über den Narben, der Erinnerung an die OP, die mir diesen Augenblick erlaubte, diese reiche Belohnung dafür, endlich »im richtigen Körper« zu stecken.

Sein Atem roch nach Pfefferminzbonbons und...
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Thomas Page McBee war »Maskulinitätsexperte« für das Vice Magazin und der erste Transmann, der im Madison Square Garden boxte. Seine Essays und Reportagen erschienen in der New York Times, im Playboy, bei Glamour und Salon. Außerdem ist er Co-Autor der Netflix-Erfolge »The L Word« und »Tales of the City«.

@ThomasPageMcBee
www.thomaspagemcbee.com

Stefanie Frida Lemke, Jahrgang 1977, studierte Anglistik und Germanistik und lebt nach verschiedenen Stationen in der Buchbranche seit 2010 als Literaturübersetzerin in Berlin.