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Schatten im Wasser

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
768 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am29.06.2012
Eine unglückliche Affäre und die unbändige Sehnsucht nach Freiheit führen die junge und unangepasste Catherine le Roux 1849 nach Afrika. Sie begegnet einem Land, in dem der Tod genauso allgegenwärtig ist wie die Schönheit und der Reichtum der Natur.
Wie schon in ihrem Bestseller 'Ein Land, das Himmel heißt' schafft Stefanie Gercke beim Leser das unwiderstehliche Gefühl, mittendrin zu sein. Ihre neue, große Afrika-Saga ist faszinierend realistisch, hochspannend und sinnlich zugleich.


Stefanie Gercke wurde auf einer Insel des Bissagos-Archipels vor GuineaBissau/Westafrika als erste Weiße geboren und wanderte mit 20 Jahren nach Südafrika aus. Politische Gründe zwangen sie Ende der Siebzigerjahre zur Ausreise, erst unter der neuen Regierung Nelson Mandelas konnte sie zurückkehren. Sie liebte ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in die südafrikanische Provinz Natal und lebte zuletzt mit ihrer großen Familie bei Hamburg. Stefanie Gercke starb am 17. Oktober 2021.
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Produkt

KlappentextEine unglückliche Affäre und die unbändige Sehnsucht nach Freiheit führen die junge und unangepasste Catherine le Roux 1849 nach Afrika. Sie begegnet einem Land, in dem der Tod genauso allgegenwärtig ist wie die Schönheit und der Reichtum der Natur.
Wie schon in ihrem Bestseller 'Ein Land, das Himmel heißt' schafft Stefanie Gercke beim Leser das unwiderstehliche Gefühl, mittendrin zu sein. Ihre neue, große Afrika-Saga ist faszinierend realistisch, hochspannend und sinnlich zugleich.


Stefanie Gercke wurde auf einer Insel des Bissagos-Archipels vor GuineaBissau/Westafrika als erste Weiße geboren und wanderte mit 20 Jahren nach Südafrika aus. Politische Gründe zwangen sie Ende der Siebzigerjahre zur Ausreise, erst unter der neuen Regierung Nelson Mandelas konnte sie zurückkehren. Sie liebte ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in die südafrikanische Provinz Natal und lebte zuletzt mit ihrer großen Familie bei Hamburg. Stefanie Gercke starb am 17. Oktober 2021.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641091675
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2012
Erscheinungsdatum29.06.2012
Seiten768 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse765 Kbytes
Artikel-Nr.5277308
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

DER ANFANG

Der Mann am Ruder des Schoners richtete seinen Kurs auf einen Fixstern aus, summte dabei munter vor sich hin und dachte an seine Frau und die Kinder in Deutschland, träumte davon, sie wenigstens im nächsten Jahr wiederzusehen. Die zarten Wolkenschleier, die jetzt hinter ihm von Süden aufzogen und sich zu violettschwarzen Sturmwolken verdichteten, sah er nicht.

Der Wind an dieser verführerisch schönen Küste war ein tückischer Geselle. In dieser Nacht im November 1844 kam er aus dem glühenden Norden Moçambiques, strich um das Schiff herum, versetzte ihm einen spielerischen Stoß und rüttelte frech an der Takelage, ehe er sich duckte und eine Verschnaufpause einlegte. Das Ruder bockte unter den Händen des Steuermanns. Argwöhnisch spähte er vor sich in die mondlose Finsternis. Doch keine Wolke verdeckte den funkelnden Sternenhimmel, und das Meer atmete leise. Der Mann entspannte sich und korrigierte seinen Kurs ein wenig. Geräuschlos glitt das Schiff dahin. Alles war ruhig. Die Stunden bis zum Tagesanbruch versprachen friedlich zu werden.

Nun regte der Wind sich wieder, hüpfte übers Wasser, schlug ein paar sahnige Schaumköpfe, während er die Küste nach Süden hinunterfegte, und legte sich hinter dem Wolkenberg auf die Lauer. Er atmete tief ein und pumpte sich auf. Von Minute zu Minute gewann er an Kraft, und dann machte er sich auf den Weg. Mit furioser Stärke stürmte er übers Meer und warf sich auf das Schiff. Die Segel blähten sich mit einem Knall, der Schoner legte sich hart backbords, und dem Steuermann lief jählings das Ruder aus der Hand. Er fluchte und griff nach, konnte es aber nicht halten. Das Schiff torkelte, und unter Deck wurde Johann Steinach, der Kapitän, gegen die Wand seiner Koje geworfen.

Er sprang von der Seegrasmatratze, bevor er richtig wach war, und Sekunden später stand er neben seinem Rudergänger und stemmte sich mit ihm gegen das Rad, wobei auch er einen stetigen Strom heftigster Flüche von virtuoser Farbigkeit ausstieß.

Schwerfällig reagierte der Segler und schwang langsam wieder auf Kurs. Der Rest der Mannschaft, sechs verwegen aussehende Burschen, polterte den Niedergang hoch.

»Hängt euch ans Ruder«, brüllte Johann Steinach die beiden größten an. Sie gehorchten, und mit ihrem Gewicht gelang es ihm, das Ruder herumzuwuchten und Kurs aufs offene Meer zu nehmen. Er atmete durch. Seine größte Angst war, in die starke Strömung zu geraten, die direkt unter Land nach Norden lief, und auf die berüchtigten Unterwasserriffe Natals gedrückt zu werden.

»Alles sturmklar machen, refft die Segel!«, befahl er, und die vier übrigen Männer schwärmten aus.

Doch so schnell, wie er es noch nie vorher erlebt hatte, blies sich der Wind zur Orkanstärke auf. Die Wellen wurden steiler und gewaltig, sie warfen das Schiff herum wie eine Nussschale. Sein Schreien und Ächzen trafen Johann Steinach ins Herz, aber blankes Entsetzen überfiel ihn, als er die Riesenfaust der mächtigen Nordströmung spürte, die den Segler mit rasender Geschwindigkeit mit sich zog. Böen, härter als Hammerschläge, trafen es und trieben es immer näher an die steinerne Barriere. Zusammen mit dem Steuermann kämpfte er wie ein Berserker. Sein Schiff war alles, was er in diesem Leben sein Eigen nannte.

Der Orkan heulte auf und knickte den Hauptmast wie einen dürren Zweig. Der krachte aufs Deck, zerstörte das Ruder und schleuderte den Steuermann und die beiden Matrosen, die sich noch an dem Rad festklammerten, in die tobende See. Johann hatte Glück. Er landete auf den Planken, wurde vom schäumenden Wasser mitgerissen. Seine Nägel kratzten übers Holz, splitterten, fanden keinen Halt, aber er blieb in der Reling hängen. Gleichzeitig hob eine riesige Woge den manövrierunfähigen Segler hoch, bis Bug und Heck frei hingen, und dann ging es in halsbrecherischer Fahrt die haushohe Wasserwand hinunter geradewegs in die Hölle.

Johann stürzte brüllend über das senkrecht stehende Deck hinab ins Meer. Fässer, losgerissene Planken, Taue, Eisenhaken prasselten auf ihn herunter und drückten ihn unter Wasser, Strudel zogen ihn in die Tiefe, wirbelten ihn um und um, bis er das Gefühl für sich verlor, nicht mehr wusste, wo oben und unten war.

Man sagt, dass der Mensch in seinen letzten Minuten sein Leben an sich vorbeiziehen sieht und an seine Liebsten denkt. Johann aber war nur wütend auf sich selbst, dass er, getreu dem alten Seemannsbrauch, nie schwimmen gelernt hatte. Welch hanebüchener Unsinn war es, zu glauben, dass der Wassertod ein schneller und angenehmer war, kämpfte man nicht dagegen, sondern ließ ihn geschehen. Rotes Feuerwerk explodierte hinter seinen Augen, seine Lungen wollten schier platzen, bis er endlich in einem Wellental auftauchte und krampfhaft nach Luft schnappte. Aber schon baute sich der nächste Wasserberg über ihm auf. Und wieder schmetterte ein Brecher ihn bis auf den Meeresboden, schurrte ihn über den Sand, zog ihm die Haut in Fetzen herunter und spuckte ihn wieder aus. Als sein Kopf die Wasseroberfläche durchbrach, sah er, dass sich am fernen Horizont der erste rosafarbene Schimmer des neuen Tages zeigte, und nun sah er auch, dass er nur noch einen Steinwurf vom Riff entfernt war.

Bevor er sich wehren konnte, erfasste ihn die Brandung und warf ihn auf die Felsen. Er packte zu, direkt, wie es ihm schien, in Millionen aufgestellter Messer. Er brüllte vor Schmerz und ließ wieder los, eine Entscheidung, die ihm das Leben rettete, denn als Nächstes landete er mit dem Gesicht nach unten auf festem Boden. Seine Hände vergruben sich im groben Sand. Mühsam öffnete er seine verklebten Augen. Er lag auf einem leicht ansteigenden Strand, der von dem Riff aus pockenbewachsenen, rund gewaschenen Felsen gegen die donnernde Brandung geschützt war. Er hatte keine Ahnung, wo er sich befand. Von Port Natal und der kleinen Siedlung Durban war bis zum Horizont nichts zu entdecken.

Seine Knochen schrien nach Ruhe, er war überzeugt, sich nie mehr auch nur einen Zoll weiterbewegen zu können. Doch die nächste Welle kam und zerrte ihn schon wieder zurück in die brodelnde See. Noch einmal nahm er seinen ganzen Willen zusammen und kroch gegen den Sog des rücklaufenden Wassers aufs Trockene, rollte herum und stemmte sich mit letzter Kraft auf seinen Ellbogen. Sein Blick strich übers Meer, suchte gegen alle Hoffnung seine Mannschaft. Jeden Einzelnen kannte er seit vielen Jahren, kannte ihre Frauen und Kinder. Sie waren seine Familie. Er suchte, bis ihm die Augen tränten. Er entdeckte niemanden. Der Ozean hatte sie alle verschlungen.

Erst nach Minuten brachte er den Mut auf, sich nach seinem Schiff umzusehen. Mit herausgerissenen Eingeweiden hing es, mitten in der schäumenden Gischt festgekeilt, auf den Felsen. Die Aufbauten waren vollkommen zerstört, in der Bordwand klaffte ein riesiges Loch. Mit stummer Verzweiflung beobachtete er, wie ein großer Teil der Ladung herausgespült und zum Spielball der Brandungsbrecher wurde. Welle auf Welle schlug gegen den Rumpf, brach Stück für Stück heraus, und langsam starb sein Schiff.

Als er es nicht mehr ertragen konnte, wandte er sich ab, barg seinen Kopf in den Armen und weinte. Er war so abgekämpft, so sterbensmüde, und der Schlaf lockte mit Ruhe und Vergessen. Er wehrte sich nicht mehr. Mit einem Rest seines Bewusstseins erinnerte er sich an Geschichten über Grausamkeiten der Schwarzen dieser Gegend gegen hilflose Fremde und die Furcht erregenden Dinge, die man ihm über menschenfressende Löwen und Leoparden, die hier in großer Zahl herumstreifen sollten, erzählt hatte. Er blinzelte hinauf zu dem undurchdringlichen Küstenwald, überlegte, ob die Raubkatzen sich tatsächlich auf den offenen Strand wagen würden, und schlief ein.

Die Sonne stieg und vertrieb die Sturmwolken. Der Orkan war jetzt nicht mehr als ein starker Wind und zog sich in den Süden zurück. Das aufgewühlte Meer beruhigte sich, die meterhohen Wogen schrumpften zu kabbeligen Wellen.

Als die Sonne im Zenit stand, wachte Johann Steinach auf und glaubte, ihm würde der Kopf platzen. Er lag noch immer auf dem Bauch am Strand, stellte er fest, obwohl er meinte, jetzt näher am Rand des Buschs zu sein. Vorsichtig bewegte er Arme und Beine. Die Schmerzen, die dabei durch seinen Körper schossen, waren teuflisch und entlockten ihm ein Stöhnen, aber zeigten ihm immerhin, dass er offenbar noch im Besitz aller Gliedmaßen war. Auf seiner Haut waren Salz und Sand zu einer Kruste getrocknet, und auf jeder unbedeckten Stelle hatte die Sonnenhitze Blasen gezogen. Er war nackt bis auf seine Hose, die aber nur noch aus Fetzen bestand. Durch einen Schlitz seiner mit Salz und Schleim verklebten Lider versuchte er, seine Umgebung zu erkennen. Er spähte hinüber zu seinem Schiff. Es war verschwunden. Ein paar Holzplanken wirbelten in den Wellen herum, der Mast war angeschwemmt worden.

Er schielte nach vorn über den Sand, entdeckte Spuren unmittelbar vor seinem Gesicht und erstarrte wie vom Donner gerührt, als ihm klar wurde, dass es Fußspuren waren. Menschliche Fußspuren. Während er geschlafen hatte, waren Menschen gekommen, um ihn herumgegangen und vor ihm stehen geblieben. Ob sie sich wieder entfernt hatten, konnte er nicht ausmachen. Die übrigen Abdrücke waren verwischt. Er wagte nicht, sich zu rühren, tat so, als schliefe er noch, gewiss, von einer Horde feindseliger Schwarzer umringt zu sein. Fieberhaft überlegte er, wie er seine Haut retten konnte.

Da lachte jemand vergnügt, ein glucksendes Lachen tief in der Kehle, und er glaubte, seinen Ohren nicht trauen zu können. Ohne den Kopf zu bewegen, schaute er sich verstohlen um. Und dann sah er die Füße, die diese Spuren gemacht hatten. Sie gehörten einem Burschen, der ein paar Schritte entfernt...

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Autor

Stefanie Gercke wurde auf einer Insel des Bissagos-Archipels vor GuineaBissau/Westafrika als erste Weiße geboren und wanderte mit 20 Jahren nach Südafrika aus. Politische Gründe zwangen sie Ende der Siebzigerjahre zur Ausreise, erst unter der neuen Regierung Nelson Mandelas konnte sie zurückkehren. Sie liebte ihre regelmäßigen kleinen Fluchten in die südafrikanische Provinz Natal und lebte zuletzt mit ihrer großen Familie bei Hamburg. Stefanie Gercke starb am 17. Oktober 2021.