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E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
184 Seiten
Deutsch
ars vivendi Verlagerschienen am25.02.2020
Das Lachen ist eine der schönsten Verhaltensweisen des Menschen und zugleich eine der geheimnisvollsten. Es dient nicht nur dem unmittelbaren Ausdruck von Freude und Zuneigung, sondern auch von Spott und Häme. Es vereint und entzweit, kann Angst bekämpfen und hervorrufen, entlastet, heilt und lässt die Welt mitunter für einen Augenblick zu einem Ort des absoluten Glücks werden. Kein Wunder, dass sich Literaten und Künstler seit jeher dieses Themas angenommen haben. So auch Michael Köhlmeier, Franz Hohler, Root Leeb, Monika Helfer, Nata?a Dragni? und Rafik Schami, die in den Kurzgeschichten dieses Bandes gewitzt und originell von diesem einzigartigen Phänomen erzählen. Ein großes Lesevergnügen nach einer Themenidee von Michael Köhlmeier!mehr
Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR20,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR14,99

Produkt

KlappentextDas Lachen ist eine der schönsten Verhaltensweisen des Menschen und zugleich eine der geheimnisvollsten. Es dient nicht nur dem unmittelbaren Ausdruck von Freude und Zuneigung, sondern auch von Spott und Häme. Es vereint und entzweit, kann Angst bekämpfen und hervorrufen, entlastet, heilt und lässt die Welt mitunter für einen Augenblick zu einem Ort des absoluten Glücks werden. Kein Wunder, dass sich Literaten und Künstler seit jeher dieses Themas angenommen haben. So auch Michael Köhlmeier, Franz Hohler, Root Leeb, Monika Helfer, Nata?a Dragni? und Rafik Schami, die in den Kurzgeschichten dieses Bandes gewitzt und originell von diesem einzigartigen Phänomen erzählen. Ein großes Lesevergnügen nach einer Themenidee von Michael Köhlmeier!
Details
Weitere ISBN/GTIN9783747201565
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum25.02.2020
Seiten184 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1391 Kbytes
Artikel-Nr.5281061
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


 

Das Kasmandl

Das Kasmandl ist klein und breit und hat eine Joppe an, die ist klein und breit und schwer, und hat eine Hose an, die ist klein und breit und schwer und grob, und hat Schuhe an, die sind klein und breit und schwer und grob und hart wie Buchenholz. Das Kasmandl braucht ein ganzes Jahr, um drei Wörter zu lernen, und nach drei Jahren vergisst es wieder ein Wort, dafür lernt es im nächsten Jahr vier Wörter dazu, und nach vier Jahren vergisst es ein halbes, und dann lernt es fünf Wörter, und nach fünf Jahren vergisst es das Viertel eines Wortes. Und so geht das weiter. Das Kasmandl ist mehr als hundert Jahre alt; jetzt kann man sich ausrechnen, wie viele Wörter es reden kann.

Manchmal kommt das Kasmandl ins Tal herunter und stellt sich am frühen Morgen vor die Tür eines Hauses und wartet, bis die Tür aufgemacht wird von innen und ein Mensch dasteht, der fragt, was es will. Dann sagt das Kasmandl:

 

Will ein Biss

Will Brot, weil Not

 

Wenn man ihm dann nur einen Ronken Brot gibt und sonst nichts dazu, dann sagt es:

 

Gut für Bauch

Will Milch auch

 

Wenn ein Mensch aber besonders freigebig ist und Brot, Milch, Butter, ein Rad Schinken und eine Banane rausrückt, dann neigt das Kasmandl seinen eisgrauen Kopf, sodass der Bart bis weit über das Bäuchlein hängt, und sagt:

 

Essen gut

Brauch noch Hut

 

Und wenn der Mensch dann empört ist und dem Kasmandl vorwirft, dass man nicht immer nur fordern soll, dass man auch einmal dankbar sein muss, dann wirft das Kasmandl alles von sich, was es geschenkt bekommen hat, und ruft aus:

 

Böse, du

Nimmer Ruh

 

Und läuft davon. Der Mensch aber hat von da an keine Ruh mehr in seinem Leben, keine Nacht schläft er mehr durch, und wenn er sitzt, denkt er ans Gehen, und wenn er geht, denkt er ans Liegen, und wenn er liegt, denkt er ans Stehen. Bis er sich zuletzt an einem Baum womöglich aufhängt.

 

Da war einmal ein Jäger, der schoss zur Winterszeit hoch oben in den Bergen eine Gams, eine junge dazu, und weil er schon so lange auf den Beinen war, ohne dass er etwas zwischen die Zähne gekriegt hatte, dachte er bei sich: Wenn ich diese herrliche junge Gams ins Tal hinunterschleppe, was sicher fünf Stunden dauert, dann kommt womöglich von hinten ein Fuchs angeschlichen und beißt mir Stück für Stück von der zarten jungen Beute herunter, ohne dass ich es merke, und wenn ich unten ankomme, sind nur noch die Kutteln und die Flachsen übrig. Wenn aber, angenommen, der Fuchs nicht kommt und auch sonst niemand und ich die Beute heil ins Tal bringe, dann tut mir erstens der Buckel weh, zweitens bin ich so müde, dass ich mich hinlegen muss, was die Kollegen ausnutzen werden, um mir die zartesten Brocken vor der Nase wegzuessen.

Deshalb beschloss der Jäger, in einer verlassenen Almhütte Rast zu machen und sich einen Festbraten zu gönnen. Sicher, so dachte er, hat der Senn, als er im November die Hütte verließ, ein paar Zwiebeln zurückgelassen und auch einen Laib Brot und ein paar Kartoffeln.

Und so war s auch.

Das war eine schöne Hütte, eine gemütliche Hütte! Da lag auch Brennholz, und gar nicht wenig. Draußen fiel der Schnee in handtellergroßen Flocken vom Himmel, bis zum Gürtel war der Jäger eingesunken, seine Beinkleider waren durchnässt und seine Hände klamm, und ihm war kalt bis hinein in die Knochen. Da machte er sich im Herd ein Feuer an und rieb darüber die Hände. Er griff in seinen Hosensack und holte ein Schnapsfläschchen heraus und trank und war glücklich.

Dann brach er mit seinem Messer die Gams auf, nahm die Leber heraus, freilich waren da Zwiebeln, freilich auch Brot und Kartoffeln, sogar Salz, und warf alles miteinander in die Pfanne, und die stellte er auf den Herd, und bald begann es zu prasseln und zu duften.

»Ich bin glücklich!«, rief der Jäger in die Hütte hinein, die inzwischen so bullig warm war, dass kein Lebewesen der Welt lieber im Schloss des Königs gewesen wäre als hier. »Ich bin glücklich!«

Da hörte er hinter dem Ofen ein Rascheln. Da war nämlich eine Kiste, in der lag Stroh, wie man es braucht, wenn man den Boden sauber halten will.

»Was raschelt da?«, fragte der Jäger. Aber er griff nicht zu seiner Flinte. So gut gelaunt war er, dass er in niemandem einen Feind sah, wär s auch der Teufel selber gewesen.

Aus dem Stroh krabbelte das Kasmandl. Es hatte hier Unterschlupf gefunden im Winter. Es sah den Jäger an mit seinen eisgrauen Augen und schnupperte und sagte:

 

Gut schmeck

Will leck

 

»Bist herzlich eingeladen!«, sagte der Jäger, und weil er einen Spaß machen wollte, fügte er hinzu: »Und wenn du noch einen Wein und einen Käs hast, dann haben wir s besser als der König.«

Das Kasmandl verschwand kurz unter dem Stroh, gleich war es wieder da. In der einen Hand hielt es eine Weinflasche, in der anderen einen Teller mit Käse, und es lachte und tanzte und sang dazu:

 

Käs ist räß

Wein ist fein

Zwiebel scharf

Essen darf

 

Das Kasmandl übernahm Kochlöffel, Töpfe und Pfannen und hantierte, der Jäger legte sich zu einem kleinen Schläfchen aufs Ohr und genoss die Gerüche und ließ sie in seine Träume hineinwehen.

Und dann gab s ein Festessen: Gamsleber, mit Zwiebeln angebraten, dazu Rösti und in Fett geröstete Brotbröcklein, mit Käse überbacken, und Wein, erst eine Flasche, dann eine zweite, das Kasmandl verschwand und kam zurück und hatte eine dritte.

Und als sie gegessen und getrunken hatten und am Boden lagen, weil ihre Bäuche es so verlangten, da sagte der Jäger: »Jetzt fehlt mir eigentlich nur noch ein Pfeifchen Tabak.«

Und schon verschwand das Kasmandl, und schon war es wieder da, und in jeder Hand hielt es eine Tabakspfeife, eine für den Jäger, eine für sich selber.

Einen schöneren Abend, das musste sich der Jäger eingestehen, hatte er noch nie erlebt.

»Was kann ich Gutes für dich tun?«, fragte er das Kasmandl. »Dir verdanke ich den schönsten Abend meines Lebens, die Gams hat besser geschmeckt, als sie im feinsten Restaurant der feinsten Stadt schmecken würde, die Rösti waren auf dem Punkt, die Brotbröcklein mit dem geschmolzenen Käse ein Gedicht, und der Wein stellt den besten Italiener in den Schatten. Und zuletzt der Tabak, edelster Virginia! Was kann ich Gutes für dich tun?«

Das Kasmandl lachte unter seinem eisgrauen Bart über sein ganzes eisgraues Gesicht, und leise begann es zu singen:

 

Hässlich klein

Freund will sein

Im Herzen drin

Bei dir ich bin

Bin hässlich klein

Doch Freund will sein

 

»Ich verspreche dir«, sagte der Jäger, »ich werde jedes Jahr um diese Zeit hierherkommen und eine Gams mitbringen, eine junge, zarte, und wir beide werden uns einen schönen Abend machen, und ich werde alles mit dir teilen. Das schwör ich!«

 

Ach, könnt ihr euch denken, wie es ausging? Warum kann nicht einmal etwas gut ausgehen? Oder überhaupt nicht ausgehen? Einfach so weitergehen?

Eine Zeit ging es auch so weiter. Jedes Jahr kam der Jäger mit einer Gams, und das Kasmandl kochte und briet und zauberte Wein herbei, so gut, wie er nicht einmal im Keller des Königs gelagert wurde, und sie verbrachten ihren schönen Abend und schmauchten zuletzt ihr Pfeifchen. Aber dann verliebte sich der Jäger und verlobte sich. Sie war eine Jägerin, was das Verlieben und Verloben natürlich erleichterte, weil ein Riesenhaufen gleicher Interessen da war, gute Schützen waren sie beide, er nicht besser als sie, sie nicht besser als er, sodass kein Streit zwischen ihnen aufkam. Er mochte an ihr, dass sie so weich war. Sie mochte an ihm, dass er ein warmes Herz hatte.

Und dann, eines Tages im Winter, sagte der Jäger zu seiner geliebten Verlobten: »Du, ich habe eine Überraschung für dich.« Und damit meinte er: die Almhütte und das Kasmandl und ein unübertreffliches Menü und einen Spitzenwein und hinterher ein Pfeifchen.

Die Jägerin - das braucht nicht erwähnt zu werden, ich tu s trotzdem, der Form halber - war natürlich sehr schön. Und das Kasmandl hat sich in sie verschaut. Das war abzusehen. Daran hat der Jäger aber vor lauter Verliebtheit nicht gedacht. Das Kasmandl sagte:

 

Frau so viel schön

Soll mit mir gehn

 

Da lachten der Jäger und die Jägerin. Sie lachten und konnten nicht mehr damit aufhören, sie lachten und lachten aus, sie lachten das Kasmandl aus.

Das Kasmandl sagte:

 

Hast geschworen

Sonst Freund verloren

 

Da lachte der Jäger noch lauter: »Ich kann dir doch nicht meine Verlobte geben! Sie ist eine schöne Frau, du bist ein hässlicher Zwerg!«

Das Kasmandl aber sagte:

 

Hast versprochen

Hast...

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