Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Pol Pots wunderschöne Tochter

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
218 Seiten
Deutsch
Golkonda Verlagerschienen am22.01.2014
Menschen in extremen Situationen ... Darf man seinen eigenen Körper verkaufen, wenn es ums Überleben geht? Sind im Krieg gegen einen übermächtigen Feind alle Mittel erlaubt? Lastet die Schuld der Väter auch auf unseren Schultern, und wie sollen wir damit umgehen? Ein visionärer Kurzroman über die Zukunft der Biotechnologie, die uns längst eingeholt hat; die Legende eines Kriegers, von dem die Samurai viel lernen könnten; eine kambodschanische Geistergeschichte von allergrößter politischer Brisanz ? Geoff Ryman geleitet uns in diesen sechs Erzählungen mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit in exotische Gefilde, konfrontiert uns mit atemberaubender Schönheit und grenzenlosem Grauen. ? 'Das unbesiegte Land' ('The Unconquered Country' | Interzone, Frühjahr 1984) ? 'Die letzten zehn Jahre im Leben des Helden Kai' ('The Last Ten Years in the Life of Hero Kai' | Fantasy & SF, Dezember 2005) ? 'Pol Pots wunderschöne Tochter' ('Pol Pots Beautiful Daughter' | Fantasy & SF, Oktober/November 2006) ? 'Aufgehalten' ('Blocked' | Fantasy & SF, Oktober/November 2009) ? 'Herzlichkeit' ('Warmth' | Interzone, Oktober 1995) ? 'Geburtstage' ('Birth Days' | Interzone, April 2003)

Geoff Ryman hat (u.a.) die Romane The Child Garden, Was und The King's Last Song verfasst und wurde (u.a.) mit dem ?Nebula Award?, dem ?British Science Fiction Award?, dem ?World Fantasy Award? und dem ?Arthur C. Clarke Award? ausgezeichnet. Der gebürtige Kanadier hat in Brasilien gelebt, ist inzwischen in Großbritannien beheimatet und unternimmt immer wieder Reisen nach Kambodscha.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextMenschen in extremen Situationen ... Darf man seinen eigenen Körper verkaufen, wenn es ums Überleben geht? Sind im Krieg gegen einen übermächtigen Feind alle Mittel erlaubt? Lastet die Schuld der Väter auch auf unseren Schultern, und wie sollen wir damit umgehen? Ein visionärer Kurzroman über die Zukunft der Biotechnologie, die uns längst eingeholt hat; die Legende eines Kriegers, von dem die Samurai viel lernen könnten; eine kambodschanische Geistergeschichte von allergrößter politischer Brisanz ? Geoff Ryman geleitet uns in diesen sechs Erzählungen mit geradezu traumwandlerischer Sicherheit in exotische Gefilde, konfrontiert uns mit atemberaubender Schönheit und grenzenlosem Grauen. ? 'Das unbesiegte Land' ('The Unconquered Country' | Interzone, Frühjahr 1984) ? 'Die letzten zehn Jahre im Leben des Helden Kai' ('The Last Ten Years in the Life of Hero Kai' | Fantasy & SF, Dezember 2005) ? 'Pol Pots wunderschöne Tochter' ('Pol Pots Beautiful Daughter' | Fantasy & SF, Oktober/November 2006) ? 'Aufgehalten' ('Blocked' | Fantasy & SF, Oktober/November 2009) ? 'Herzlichkeit' ('Warmth' | Interzone, Oktober 1995) ? 'Geburtstage' ('Birth Days' | Interzone, April 2003)

Geoff Ryman hat (u.a.) die Romane The Child Garden, Was und The King's Last Song verfasst und wurde (u.a.) mit dem ?Nebula Award?, dem ?British Science Fiction Award?, dem ?World Fantasy Award? und dem ?Arthur C. Clarke Award? ausgezeichnet. Der gebürtige Kanadier hat in Brasilien gelebt, ist inzwischen in Großbritannien beheimatet und unternimmt immer wieder Reisen nach Kambodscha.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783942396981
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2014
Erscheinungsdatum22.01.2014
Seiten218 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1866 Kbytes
Artikel-Nr.5312854
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Inhaltsverzeichnis
- 'Das unbesiegte Land' ('The Unconquered Country' Interzone, Frühjahr 1984)
- 'Die letzten zehn Jahre im Leben des Helden Kai' ('The Last Ten Years in the Life of Hero Kai' Fantasy & SF, Dezember 2005)
- 'Pol Pots wunderschöne Tochter' ('Pol Pots Beautiful Daughter' Fantasy & SF, Oktober/November 2006)
- 'Aufgehalten' ('Blocked' Fantasy & SF, Oktober/November 2009)
- 'Herzlichkeit' ('Warmth' Interzone, Oktober 1995)
- 'Geburtstage' ('Birth Days' Interzone, April 2003)
mehr
Leseprobe


Ich beobachtete eine Familie von etwa 8 Personen, einen Mann und eine Frau, beide von ungefähr 50 Jahren, mit deren Kindern, so ungefähr 1-, 8- und 10-jährig, sowie zwei erwachsene Töchter von 20-24 Jahren. Eine alte Frau mit schneeweißem Haar hielt das einjährige Kind auf dem Arm und sang ihm etwas vor und kitzelte es. Das Kind quietschte vor Vergnügen.

Das Ehepaar schaute mit Tränen in den Augen zu. Der Vater hielt an der Hand einen Jungen von etwa 10 Jahren, sprach leise auf ihn ein. Der Junge kämpfte mit den Tränen. Der Vater zeigte mit dem Finger zum Himmel, streichelte ihm über den Kopf und schien ihm etwas zu erklären.

Der Prozeß gegen die Hauptkriegsverbrecher vor dem Internationalen Militärgerichtshof Nürnberg, 14. November 1945 - 1. Oktober 1946, Band XIX, Nürnberg 1948, S. 568f.

Teil I

Die neuen Zahlen

Drittes Kind hatte nichts zu verkaufen als ihren Körper. Sie verkaufte ihr Blut. Ein junger Mann mit grausamem Kriegergesicht - eine Hakennase zwischen zwei Pausbacken - suchte sie alle zwei Wochen in ihrem Zimmer auf. Er nannte sich ihr Agent, riss in einem fort deftige Witze und trug einen Apparat um den Hals. Der sah aus wie ein Dudelsack, und er hing an ihm und wimmerte.

Dritte vermietete ihren Bauch gewerblich. Sie war billiger als die Glaskästen. In ihrem Leib wuchsen Teile lebendiger Maschinen - Lkw-Getriebe, kleine Haushaltsgeräte. Sie gebar Reklamepuppen, kleine Zeichentrickfiguren, die etwas sangen. Es gab für sie keine andere Arbeit in der Stadt. Die Stadt hieß nach dem Buddha Saprang Song, was »Göttliche Lotusblume« bedeutet.

Wenn Dritte Glück hatte, bekam sie einen Vertrag über Waffen. Die Bezahlung war gut, denn die Sache war gefährlich. Die Waffen brachen plötzlich, begleitet von großem Blutverlust, aus ihr hervor, meistens mitten in der Nacht: ein Schwall glänzender, gesprenkelter, dunkelbrauner Guppys mit schwarzen, sanften Augen und einem strahlenden, zähnebleckenden Nagetierlächeln. Auch wenn sie sich noch so krank oder erschöpft fühlte, schippte Dritte sie auf der Stelle in Eimer und machte die Deckel fest zu. Wenn sie das nicht sofort getan hätte, wenn sie etwa eingeschlafen wäre, hätten die Guppys sie gefressen. Sie tobten in ihren Eimern herum, während Dritte sie die Treppen hinuntertrug, und fraßen sich gegenseitig auf. Sie musste sich beeilen und sich mit schlurfenden Schritten, so schnell sie bei dem Gewicht konnte, zu den Nachbarn begeben. Die Nachbarn bezahlten ihr nur die am Leben gebliebenen. Sie bekam Stücklohn.

Die Nachbarn waren schon seit Generationen auf die Gebiete aus gewesen, die das Volk Drittes bewohnte. Dann hatte das Volk aus dem Großen Land aus unerfindlichen Gründen die Nachbarn mit Waffen beliefert. Drittes Staat hatte sich den Namen »Unbesiegtes Land« gegeben. Es war niemals kolonisiert worden. Dann kamen die Nachbarn und eroberten das Land. Den Süden mit seinen Städten und Bewohnern eroberten sie zuerst. Der Norden kämpfte noch. Die wandernden Dörfer zogen in die Berge.

Dritte war als Kind eines Rebellendorfes aufgewachsen, das in einem Tal verborgen lag. In der Mitte des Dorfes wehte an einer hölzernen Stange die weißgelbe Fahne der Unbesiegten. Die Frauen hatten die Reisfelder bestellt, während die Männer mit alten Gewehren aus früheren Kriegen in den Bergen Wache hielten.

Der Name »Drittes Kind« war ein Zauber gewesen, der sicherstellen sollte, dass ihre Eltern nicht noch mehr Kinder bekamen. Der Zauber wirkte. Einen Monat nach Drittes Geburt wurde ihr Vater getötet. Von einem Tiger, erzählte man sich. Es gab nur noch wenige Tiger. Sie waren zu bösen Omen geworden. Sie fraßen Menschen.

Dritte sah recht gewöhnlich aus, in ihren eigenen Augen wie auch in denen anderer. Sie liebte Zahlen. Ihr Vetter hatte eine Stelle als Buchhalter. Oft saß Dritte hingerissen und still staunend neben ihm, wenn die Schafgarbenstängel vorwärts und rückwärts sprangen und fächerförmige Zahlenmuster bildeten. Ihr Vetter freute sich, dass sie sich dafür interessierte, lieb und still, wie es sich für ein Kind gehörte. Er zeigte ihr, wie die Schafgarben funktionierten.

Auch Zahlen waren Omen. Sie wurden als Orakel benutzt. Das war eine praktische Sache. Man zählte Reisschößlinge; man sagte Ernteerträge voraus; man bewahrte Samen auf. Zahlen breiteten sich fächerförmig in die Zukunft aus.

Dritte konnte sie lesen. Im Geiste sah sie die Schafgarben, Geisterschafgarben nannte sie sie manchmal, und sie sprossen den wirklichen Stängeln voraus. Wie sie aufschossen und sich verflochten, war zu schnell für Dritte. Die Schafgarben waren blitzartig bei den korrekten Lösungen angelangt, bevor ihr Vetter sie heraushatte.

Wenn jemand Dritte fragte, wie viel Reis in einer Schüssel sei, antwortete sie: »Genug.« Es war immer höflich zu erklären, dass es noch genug Reis gab, selbst wenn es nicht stimmte. Aber wenn es jemand genauer hätte wissen wollen, hätte Dritte antworten können: »Sechs- bis siebenhundert Körner.« Die Schafgarbenstängel in ihrem Geiste verrieten ihr dann auf einen Blick, wie viel Platz zehn Körner einnahmen - dargestellt durch soundso viele auf einem Stängel markierte Abschnitte - und wie viel Platz in einer Schüssel war. Die Geisterschafgarben öffneten und schlossen sich wie eine Reihe wedelnder Fächer, schön, ordentlich, wahr.

Während Dritte ihrer Mutter das Essen aufs Feld hinausbrachte, bewegten sich die Schafgarben. Sie verrieten ihr die Anzahl der Reisschößlinge und deren Wuchsgeschwindigkeit. Dritte hatte dann ein Vorgefühl von der Ernte und davon, in wie viel Tagen sie sich alle ausruhen konnten. Sie konnte den wedelnden Fächern nicht folgen, aber sie spürte, wie ihr Geist sie antrieb. Es war angenehm, dieses vage Gefühl, etwas vorwärtszuzwingen. Sie konnte sie schneller sprießen lassen, wenn sie wollte.

So sah sie auch die Welt: als ob die Welt ein Schafgarbenwald wäre, der rings um sie her wogte, als ob Zahlen Blätter wären, die im Wind raschelten.

Dritte redete nicht viel. Dies wurde als erfreulich sittsam erachtet. Sie half überall im Haus mit, ihr fiel das Mithelfen bei der Hausarbeit leicht, und sogar ihre Mutter, die schließlich an sie gewöhnt war, musste über Drittes Ordentlichkeit staunen. Ihre zweitälteste Schwester wurmte das. Aber ihre älteste Schwester war stolz auf sie. Alles an Dritte war ordentlich. Die Matte, die Vase, der Holznapf, der Bratrost, der Tontopf mit saurer Soße: Alles stand an Ort und Stelle. Man wusste, dass Dritte am Werk gewesen war, weil es schön aussah. Nach einem unsichtbaren Prinzip geordnet, dessen Gediegenheit sogar die Zahlenblinden erkennen konnten.

»Unsere kleine Prinzessin«, pflegte ihre ältere Schwester sie zu nennen. Nur Prinzessinnen in Märchen hatten Zeit, Blumen zu richten. In diesem Haus gab es keine Blumen, aber es hatte den Anschein, als gäbe es welche.

Die Rebellen waren auf Bildung bedacht. Sie schickten eine Lehrerin in das Dorf Drittes, eine überaus vielseitige Frau. Sie blieb acht Wochen und zwei Tage, dann musste sie wieder in den Krieg ziehen. Das war, wie man immer sagen musste, genug.

Sie sollte den Kindern Lesen und Zählen beibringen. Mit den Buchstaben kam Dritte durchschnittlich schlecht zurecht. Das lag hauptsächlich an ihrer Schüchternheit. Zum Lesen musste man aufstehen und sprechen, und dazu war sie niemals angehalten worden. Die Sprache des Volkes war nicht piktografisch, sondern tonal, jedes Lautzeichen musste Änderungen der Tonhöhe anzeigen. Es war wahnsinnig kompliziert. Dritte interessierte sich für den Bau der Zeichen. Ihre Formen verwandelten sich in ihrem Geiste immerzu in Verhältnisse, die noch keinen Sinn ergaben. Die Lehrerin zwang sie zu sprechen, etwas zu sagen.

»Das gefällt mir«, sagte Dritte, wobei sie auf einen Bogen in einem Zeichen deutete und ihn mit dem Finger nachfuhr.

»Aber wie klingt das Zeichen?«, fragte die Lehrerin hartnäckig.

Dritte verstummte. Enttäuscht fühlte sie, dass sie etwas verkehrt machte. Die Frage erschien ihr sinnlos. Wie das Zeichen klingt? Ein Zeichen klingt? Das braune Gesichtchen und die schwarzen Knopfaugen waren düster vor Verstocktheit und Zerknirschung.

O mein Volk, dachte die Lehrerin bei sich und sah sie verzweifelnd an. Es gab so viel zu tun. Sie konnte ihnen nicht böse sein.

Gerade in Mathematik war Dritte merklich hinter den anderen zurück. Zahlen waren für sie immer Teil von etwas. Es konnte sie nur in Beziehung zu andern Zahlen geben, in Beziehung zu wirklichen Dingen. Sie konnten nicht entwurzelt und vereinzelt werden. Sie standen in Zusammenhängen, genau wie Menschen.

»Welche Zahl ist das?«, fragte die Lehrerin und hielt eine Karte hoch.

»Zahl in welcher Beziehung?«, murmelte Dritte. Sie versuchte, die Ziffern zu lesen, wie sie die Schafgarben las. Ihre Verhältnisse ergaben keinen Sinn.

»Zahl in jeder Beziehung«, antwortete die Lehrerin. »Einfach die Zahl an sich.«

Dritte starrte sie traurig an, und die Lehrerin machte mit einem anderen Kind weiter. Die Lehrerin unterrichtete die Kinder tagsüber unter einer Bambusüberdachung, sodass sie aus der Luft nicht gesehen werden konnten.

»Eines Tages«, erzählte sie ihnen, »werden die Nachbarn fort sein. Die Nachbarn werden fort sein, und die Fremden werden fort sein, und das Volk wird arbeiten und bauen müssen. Ihr werdet bauen müssen. Ihr werdet arbeiten, zählen, lesen müssen.«

Kämpfer - das musste jeder aus dem Volk sein, das mussten sie alle werden. Darin kannte die Lehrerin sich aus....

mehr

Autor

Geoff Ryman hat (u.a.) die Romane The Child Garden, Was und The King's Last Song verfasst und wurde (u.a.) mit dem >Nebula AwardBritish Science Fiction AwardWorld Fantasy AwardArthur C. Clarke Award