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Lesereise Israel

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
132 Seiten
Deutsch
Picus Verlagerschienen am26.02.2020
Israel, die Wiege der drei monotheistischen Religionen, ist nicht bloß einer der unruhigsten Orte der Welt, sondern auch ein lebendiger, jugendlicher Mikrokosmos, in dem Moderne und Tradition, Abendland und Morgenland mit- und nebeneinander bestehen. Ein arabischer Siedler, humorvolle ultraorthodoxe Juden und ein israelischer Elitesoldat, der für einen Palästinenserstaat demonstriert, sind einige der Beispiele dafür, wie Gil Yaron mit verbreiteten Stereotypen über Israel aufräumt. Stein für Stein legt der Autor ein facettenreiches, farbenfrohes Mosaik dieser vielschichtigen Gesellschaft.

Gil Yaron wurde 1973 in Haifa geboren. In Düsseldorf aufgewachsen, kehrte er nach dem Abitur nach Israel zurück. Heute arbeitet der ehemalige Molekularbiologe als Nahost-Korrespondent für zahlreiche Zeitungen, Ma­gazine und Radiosender in Deutschland und Kanada, darunter die 'Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung' und der 'FOCUS'. Im Picus Verlag erschienen seine Lesereisen Israel, Israel/Palästina und Jerusalem.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextIsrael, die Wiege der drei monotheistischen Religionen, ist nicht bloß einer der unruhigsten Orte der Welt, sondern auch ein lebendiger, jugendlicher Mikrokosmos, in dem Moderne und Tradition, Abendland und Morgenland mit- und nebeneinander bestehen. Ein arabischer Siedler, humorvolle ultraorthodoxe Juden und ein israelischer Elitesoldat, der für einen Palästinenserstaat demonstriert, sind einige der Beispiele dafür, wie Gil Yaron mit verbreiteten Stereotypen über Israel aufräumt. Stein für Stein legt der Autor ein facettenreiches, farbenfrohes Mosaik dieser vielschichtigen Gesellschaft.

Gil Yaron wurde 1973 in Haifa geboren. In Düsseldorf aufgewachsen, kehrte er nach dem Abitur nach Israel zurück. Heute arbeitet der ehemalige Molekularbiologe als Nahost-Korrespondent für zahlreiche Zeitungen, Ma­gazine und Radiosender in Deutschland und Kanada, darunter die 'Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung' und der 'FOCUS'. Im Picus Verlag erschienen seine Lesereisen Israel, Israel/Palästina und Jerusalem.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783711754240
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum26.02.2020
Seiten132 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1031 Kbytes
Artikel-Nr.5312934
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Wie der Holocaust nach Israel kam
Der Holocaust ist ein entscheidender Bestandteil der israelischen Psyche. Das war nicht immer so

Beruhigend tickt die große Standuhr im Hintergrund und passt so gar nicht zu der Geschwindigkeit, in der dieser agile dreiundachtzig Jahre alte Mann sein ereignisreiches Leben Revue passieren lässt. »Es ist vielleicht nur eine Nebensache«, sagt Gabriel Bach. »Aber jedes Mal, wenn ich ein Kind in einem roten Mantel sehe, bekomme ich Herzklopfen. Dieser Anblick erinnert mich mehr an den Prozess als alles andere.« Selbst bei jemandem, der so abgebrüht und erfahren ist wie Gabriel Bach, hinterlässt es schmerzvolle Narben, einen der größten Mörder des 20. Jahrhunderts anzuklagen. Das Aktenzeichen 40/61 mag harmlos klingen. Hinter diesen Ziffern versteckt sich jedoch einer der wichtigsten Prozesse in Israels Staatsgeschichte. Kein anderes Gerichtsverfahren prägte die israelische Gesellschaft so nachhaltig wie der Prozess gegen SS-Obersturmbannführer Otto Adolf Eichmann, der als Leiter des Referats IV D4 im Reichssicherheitshauptamt maßgeblich für die Deportation und Ermordung von Millionen Juden verantwortlich war. Bach hat als Staatsanwalt und später als Richter am Höchsten Gerichtshof an mehreren spektakulären Prozessen mitgewirkt. Kein Ereignis prägte sein Leben jedoch so wie die Monate, in denen er als stellvertretender Chefankläger im Eichmann-Prozess fungierte.

Als israelische Geheimdienstagenten den Obersturmbannführer 1960 in Buenos Aires aufgriffen und nach Jerusalem vor Gericht brachten, begann für Bach und den ganzen Staat Israel ein neues Kapitel. Am 11. Mai 1960 versetzte Israels Premier David Ben-Gurion das Land in Aufregung. In trockenen Worten verkündete er vor der Knesset, dass »unsere Sicherheitsdienste vor kurzer Zeit einen der berüchtigtsten Naziverbrecher, Adolf Eichmann, gefasst haben. Er war gemeinsam mit der Führung der Nazis für das verantwortlich, was sie als die Endlösung der Judenfrage bezeichneten - in anderen Worten, die Vernichtung von sechs Millionen europäischen Juden. Adolf Eichmann ist bereits in unserem Land in Haft, und wird [â¦] hier in Israel vor Gericht gestellt werden.« - »Es war, als hätte Ben-Gurion uns einen Stromschlag versetzt«, erinnert sich Bach.

Zwei Tage später erhielt er den bereits erwarteten Anruf vom Justizminister, der ihn bat, im Prozess eine besondere Rolle zu spielen, nicht zuletzt wegen seiner perfekten Deutschkenntnisse. »Ich sollte die Beratung der Polizeieinheit 06 übernehmen, die die Anklageschrift gegen Eichmann vorbereitete.« Bach war kurze Zeit zuvor im Alter von dreiunddreißig Jahren zum stellvertretenden Generalstaatsanwalt ernannt worden. Wie viele seiner Mitbürger war auch Bach ursprünglich ein Flüchtling aus dem »Dritten Reich«. »Eine Reihe von glücklichen Zufällen hat dafür gesorgt, dass ich noch lebe«, sagt Bach. Seine Familie entschloss sich erst 1938 zur Flucht aus Berlin, zwei Wochen vor der Reichspogromnacht, nach der die Flucht aus Deutschland unmöglich wurde. Fast wäre die Flucht gescheitert: »An der holländischen Grenze hielt ein SS-Offizier uns an und befahl uns, aus dem Zug zu steigen. Er durchsuchte unsere Koffer und ließ uns erst gehen, als der Zug bereits zu fahren begann.« Zu seinem »Glück«, so erinnert sich Bach heute mit einem leichten Schmunzeln, trat ihm der SS-Mann in den Hintern und half ihm so auf den Waggon. Ein markanter Abschied für jemanden, der später einmal das Bundesverdienstkreuz erhalten sollte. Nur einen Monat vor dem Einmarsch Deutschlands in Holland reiste seine Familie nach Palästina aus. »Es war die letzte Fahrt der Patria - auf der nächsten Überfahrt wurde das Schiff versenkt«, sagt Bach.

Nachdem er die Beratung der Einheit 06 übernommen hatte, lebte Bach neun Monate neben der Zelle, in der der Nazischerge untergebracht war: »Sie hatten das ganze Gefängnis geräumt. Ich war Eichmanns einzige Verbindung zur Außenwelt.« Bach erinnert sich noch genau an sein erstes Treffen mit Eichmann. Er lehnt sich in dem gemütlichen Ohrensessel zurück und erzählt: »Ich las gerade die Autobiografie von Rudolf Höß, dem Kommandanten des Vernichtungslagers Auschwitz«, sagt Bach. »Ich hatte die Stelle erreicht, in der Höß beschreibt, wie sie damals mehr als tausend jüdische Kinder am Tag töteten.« Bach verengt seine Augen und zitiert aus dem Buch, als läse er vor: »Wenn ich die Kinder in die Gaskammer stoßen musste, bekam ich manchmal Kniezittern. Aber ich hab mich immer für meine Schwäche geschämt, nachdem ich mit Obersturmbannführer Adolf Eichmann gesprochen hatte. Denn Eichmann hatte mir erklärt, dass es hauptsächlich die Kinder sind, die man zuerst töten sollte. Denn wo ist die Logik, dass man eine Generation von älteren Menschen umbringt, und eine Generation von möglichen Rächern, die ja auch eine Keimzelle für die Wiedererrichtung dieser Rasse bedeuten könnten, dass man die am Leben lässt.« Zehn Minuten später bat Eichmann um ein erstes Treffen mit Bach, der für alle Belange Eichmanns zuständig war: »Als ich seine Schritte hörte und er mir gegenübersaß, fiel es mir nicht leicht, eine ruhige Miene zu bewahren.«

Nicht nur für Bach, sondern für den ganzen Staat war die Konfrontation mit Eichmann und dem Holocaust ein Trauma, selbst wenn es nicht das erste Mal war, dass die Schoah vor Gericht oder in den Medien behandelt wurde. Schon die Nürnberger Prozesse spielten 1945-1949 in den Medien eine große Rolle. Noch rückten aber die Schrecken des Zweiten Weltkriegs das Verbrechen der Nazis an den Juden in den Hintergrund. Dessen wahre Ausmaße wurden zu diesem Zeitpunkt noch nicht begriffen. Israelische Zeitungen berichteten kühl und distanziert, stützten sich, wie die Ankläger, hauptsächlich auf die Sichtweise der Täter. Jüdische Opfer waren in dieser Berichterstattung nur ein passives Objekt und wurden nicht in den Zeugenstand gerufen.

Diese Betrachtungsweise deckte sich mit der Weltanschauung der zionistischen Staatsgründer. Die wollten nicht bloß einen jüdischen Staat errichten, sondern gleich einen anderen Menschenschlag, einen »neuen Juden«, schaffen. Rabbiner sollten zu Bauern und Kämpfern werden. Die eckigen, glatt rasierten Gesichtszüge auf zionistischen Propagandapostern kontrastierten bewusst das blasse Antlitz bärtiger orthodoxer Juden. Der neue Hebräer sollte nicht nur zu seinen geografischen Wurzeln in Palästina, sondern auch zu den biblischen Wurzeln wehrhafter jüdischer Königreiche zurückkehren. Max Nordau, einer der wichtigsten Führer der zionistischen Bewegung, meinte, man solle aus blassen »Judenleichen« der Ghettos »Muskeljuden« machen, die in die Fußstapfen der wackeren Hebräer treten: »Knüpfen wir wieder an unseren ältesten Überlieferungen an: Werden wir wieder tiefbrüstige, strammgliedrige, kühnblickende Männer«, forderte Nordau im Jahr 1900 in einem Aufsatz in der Jüdischen Turnzeitung.

Die wehrlose Opferrolle der Juden in der Schoah widersprach diesem Traum. Mit den jüdischen Widerstandskämpfern der Ghettos von Wilna oder Warschau konnte man sich identifizieren, den Überlebenden der Vernichtungslager warf man hingegen vor, sie hätten sich »wie Lämmer auf die Schlachtbank« führen lassen. »Seifen« nannten die Zionisten die Holocaust-Überlebenden, in Anlehnung an ein Gerücht, laut dem die Nazis aus toten Juden Seife gemacht hätten. Zu dieser offensichtlichen Geringschätzung gesellte sich die Anschuldigung, die Juden der Diaspora trügen eine Mitschuld an ihrer Vernichtung, weil sie die Möglichkeit, rechtzeitig nach Palästina einzuwandern und das zionistische Projekt zu stärken, abgelehnt hatten. Die Überlebenden wurden von Schuldgefühlen geplagt. Der Autor Mark Dworzecki fasste sie 1946 in seinem Aufsatz »Wie hast du überlebt?« in bewegende Worte: »Es scheint mir, als sei ich mit einem Kainsmal behaftet, das niemals ausradiert werden kann. [â¦] ich meine die Schande, überlebt zu haben, wenn alle anderen tot sind. [â¦] es ist mir unmöglich, den Fragen zu entkommen [â¦] Ich höre die Stimmen der Toten, die mir sagen: Wir wurden ermordet [â¦] und du lebst? Gewissen, bitte sag mir, welche Antwort soll ich ihnen geben?«

Eine Antwort auf diese Frage war das »Gesetz zur Bestrafung von Nazis und Nazihelfern«. Indem man die Opfer beschuldigte, gab man sich der Illusion hin, in der Schoah nicht hilflos gewesen zu sein, sondern Alternativen gehabt zu haben. In den fünfziger Jahren war man in Israel in den »Kapo-Verfahren« damit beschäftigt, das »eigene Lager zu säubern«, sagte damals Justizminister Pinchas Rosen. Doch die Mehrheit der Überlebenden wünschte sich nicht Rache, sondern einen Neuanfang, um die Schrecken der Vergangenheit zu vergessen. Die Überlebenden, die bald ein Viertel der israelischen Bevölkerung...
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