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Für unsere Zukunft

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
224 Seiten
Deutsch
oekom verlagerschienen am06.10.2020
»Damit die Wende gelingt, brauchen wir Vorreiter*innen, von denen wir lernen können.« Tanja Busse Bio-Lebensmittel sind heute in nahezu jedem Supermarkt zu finden. Bis das so weit war, mussten viele Widerstände überwunden werden. Wie haben es zunächst einige Wenige geschafft, »bio« in unserer Gesellschaft zu verankern? Was leisten diese Pioniere und Vorreiterinnen noch heute täglich für uns? Der Journalist Jens Brehl hat ausgewählte Bio-Pioniere aus unterschiedlichen Branchen in ganz Deutschland getroffen. Lebendig und unterhaltsam schildert er deren Bestreben, eine bessere Zukunft zu schaffen. In diesem Buch werden unter anderem porträtiert: - tegut Lebensmittelmarkt - Rapunzel Naturkost - Andechser Molkerei Scheitz - Hofpfisterei - Herrmannsdorfer Landwerkstätten - Voelkel Naturkostsafterei ... und viele mehr.

Der Journalist Jens Brehl erhielt 2016 den Salus-Medienpreis für sein Buch »Regionale Biolebensmittel«. Er berichtet regelmäßig über ökologische Landwirtschaft, die Bio-Branche und Medien. Neben diversen Buchpublikationen ist er Herausgeber des Öko-Onlinemagazins »über bio« (www.ueber-bio.de).
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR22,00
E-BookPDF0 - No protectionE-Book
EUR17,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR17,99
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR4,99

Produkt

Klappentext»Damit die Wende gelingt, brauchen wir Vorreiter*innen, von denen wir lernen können.« Tanja Busse Bio-Lebensmittel sind heute in nahezu jedem Supermarkt zu finden. Bis das so weit war, mussten viele Widerstände überwunden werden. Wie haben es zunächst einige Wenige geschafft, »bio« in unserer Gesellschaft zu verankern? Was leisten diese Pioniere und Vorreiterinnen noch heute täglich für uns? Der Journalist Jens Brehl hat ausgewählte Bio-Pioniere aus unterschiedlichen Branchen in ganz Deutschland getroffen. Lebendig und unterhaltsam schildert er deren Bestreben, eine bessere Zukunft zu schaffen. In diesem Buch werden unter anderem porträtiert: - tegut Lebensmittelmarkt - Rapunzel Naturkost - Andechser Molkerei Scheitz - Hofpfisterei - Herrmannsdorfer Landwerkstätten - Voelkel Naturkostsafterei ... und viele mehr.

Der Journalist Jens Brehl erhielt 2016 den Salus-Medienpreis für sein Buch »Regionale Biolebensmittel«. Er berichtet regelmäßig über ökologische Landwirtschaft, die Bio-Branche und Medien. Neben diversen Buchpublikationen ist er Herausgeber des Öko-Onlinemagazins »über bio« (www.ueber-bio.de).
Details
Weitere ISBN/GTIN9783962387174
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum06.10.2020
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5351297
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


»Wir stehen bei bio noch am Anfang«

Lebensmittelhändler tegut, Hessen

Ende der 1990er-Jahre ereilte mich mein »Gesundheitsrappel«, wie ich ihn rückblickend nenne. So begann ich darauf zu achten, genug Wasser zu trinken, und ernährte mich fortan vegetarisch. Ab einem gewissen Punkt rückten Bio-Lebensmittel in meinen Fokus, obwohl ich in dieser Hinsicht in einer konventionellen Familie aufwuchs. Mit bio oder Landwirtschaft hatten wir nichts am Hut.

Noch heute denke ich gerne an die Zeit zurück, in der ich Bio-Lebensmittel ganz neu für mich entdeckte. Im gewissen Sinne waren meine ersten Einkäufe regelrechte Schatzsuchen. Vegetarische Brotaufstriche waren für mich fast das achte Weltwunder. Eine meiner ersten Anlaufstellen war das Reformhaus Dr. Heidl in Fulda. Damals befand ich mich noch mitten in meiner Berufsausbildung, und dennoch gab ich dort pro Einkauf meist über 100 Mark aus. Noch heute sehe ich mich vor meinem inneren Auge das Ladengeschäft betreten und meine mitgebrachte Klappbox hinter dem Kassentresen verstauen.

Weniger aufregend waren meine Besuche beim Lebensmittelhändler tegut, denn hier hatte ich zuvor schon eingekauft. War das Reformhaus für mich in gewissem Sinne ein exotischer Ort, betrat ich meinen gewohnten und »normalen« Supermarkt. Hier gab es Bio-Lebensmittel bereits in sämtlichen Warengruppen, und sie standen im Regal neben ihren konventionellen Pendants. Ich griff einfach zu einem anderen Produkt. So banal ich das Erlebnis damals empfunden habe, ist mir heute klar, dass ich es tegut verdanke, so unkompliziert an Bio-Lebensmittel gelangt zu sein. Bereits 1982 - also zwei Jahre nach meiner Geburt - hielten sie dort Einzug. Während ich an der Kasse warte, gehört es mittlerweile zu meinen heimlichen Hobbys zu beobachten, welche Waren die anderen auf das Band legen. Dort landet dann schon mal neben Bio-Milch und Demeter-Gemüse eine Tüte Maggi Fix oder Coca-Cola.


Einer der ersten Läden. Foto: tegut


In meiner Heimatstadt Fulda hat Theo Gutberlet 1947 quasi aus dem Nichts heraus zwei Tante-Emma-Läden eröffnet. Es ist eine dieser fast schon klassischen Nachkriegserfolgsgeschichten.1 Natürlich war damals noch nicht absehbar, inwieweit das Unternehmen wachsen und ab einem gewissen Punkt sogar Bio-Pionier sein würde.


Dieser Tante-Emma-Laden würde heute nur wenige Gehminuten von meinem Medienbüro entfernt liegen. Foto: tegut


Fernab von Einkaufsregalen und Scannerkassen besuche ich Wolfgang Gutberlet, den Sohn des 1994 verstorbenen Gründers, auf seinem Demeter-Hof LindenGut in Dipperz. Petrus ist auf unserer Seite, denn es scheint die Sonne und ein angenehm frischer Wind weht mir um die Nase. In solchen Momenten merke ich, wie sehr es selbst in der vergleichsweise kleinen Stadt Fulda wegen der Autoabgase zeitweise zum Himmel stinkt. Ich lasse den Blick über den bunten Gemüsegarten schweifen, im Hintergrund stehen zwei Gewächshäuser. Von der Aubergine bis zur Zucchini gedeiht hier eine schier unglaubliche Vielfalt. Blumen und Kräuter sorgen für eine wunderschöne Farbenpracht. Wer ein wildes Durcheinander vermutet, irrt sich gewaltig. Die Gärtner überlegen genau, welche Pflanzen miteinander harmonieren - sprich gegenseitiges Wachstum begünstigen, Schädlinge vertreiben oder Nützlinge anlocken. Permakultur spielt eine große Rolle, so ist der Boden beispielsweise gemulcht. Das unterdrückt unerwünschte Beikräuter, und der Boden kann Feuchtigkeit besser bewahren. Den Hitzesommer 2018 hat der Garten vergleichsweise gut überstanden. Auf 1,2 Hektar wächst Streuobst, alleine 180 Apfelsorten sind dort beheimatet. Ein paar Gänse sind ausgebüxt und tollen herum, auch die Laufenten sind kaum zu halten. Auf einer Weide grasen friedlich Rinder. »Jedes Tier hat eine Aufgabe«, erklärt Anja Lindner, die den Hof leitet und mir das Anwesen zeigt. Die Laufenten sichern die Grenzen vor Nacktschnecken, Pferd und Esel dienen auf den Streuobstflächen als natürliche Rasenmäher, und Ziegen sind für die Hühner eine Art Sicherheitsdienst. Seitdem trauen sich Fuchs oder Habicht nicht mehr in die Nähe.

Die Hühner sind in zwei Mobilställen untergebracht, die regelmäßig versetzt werden. Somit haben die Tiere stets frischen Boden und müssen nicht wie bei stationären Ställen immer wieder durch den eigenen Dreck laufen. Wer genau hinsieht, erkennt bei den Hühnern Unterschiede. In einem Mobilstall sind Hybridhühner der Rasse »Lohmann Brown« untergebracht, die auch auf Bio-Höfen oft zu finden sind. Es handelt sich um Hochleistungshühner, die auf eine hohe Legeleistung optimiert sind und nicht selbst weitergezüchtet werden können. Da die Tiere kaum Fleisch ansetzen, ist es unwirtschaftlich, die Hähne zu mästen. Daher tötet man in der Regel die männlichen Küken am Tag des Schlüpfens. Mancherorts gibt es sogenannte Bruderhahn-Patenschaften, doch kritische Stimmen merken an, dass wir damit das System der Hybride zementieren. Denn auch die Hühner sind mitunter am Ende kaum als Suppenhuhn zu gebrauchen, da sie durch die enorme Legeleistung im Grunde ausgezehrt sind. Kein Wunder, denn circa 320 Eier legen sie im Jahr. Daher befinden sich im zweiten Mobilstall zum Vergleich echte Zweinutzungshühner der Rassen »Cream« und »Coffee«, die im Gegensatz zu den Hybriden eine Balance zwischen Legeleistung und Fleischansatz aufweisen. »Die Unterschiede in der Legeleistung sind bei uns im Grunde marginal, da die Zweinutzungshühner nur etwa zehn Prozent weniger Eier legen«, erklärt Lindner. Ganz bewusst arbeitet der Hof mit der ökologischen Tierzucht von Bioland und Demeter zusammen.2

Die auf dem Hof produzierten Lebensmittel verarbeiten das eigene angeschlossene Bio-Hotel und der Bio-Caterer »bankett sinnreich« in Fulda. Der Rest wird ab Hof oder mittels Verkaufsautomaten direkt vermarktet. Als Freund von regionalen Wirtschaftskreisläufen bin ich begeistert. Ein eigener Brunnen, die Photovoltaikanlage und die Pflanzenkläranlage runden das ökologische Bild ab.


»Wenn etwas richtig ist, muss man es machen.« Wolfgang Gutberlet Foto: photoebene Marzena Seidel


Lebensmittel waren für Wolfgang Gutberlet Liebe auf den zweiten Blick. Tatsächlich wäre es ihm sogar lieber gewesen, sein Vater hätte Autos verkauft. »Ich kann nicht kochen und bin kein großer Genießer, auch wenn ich gerne esse«, sagt er lapidar. Seine Sichtweise änderte sich, als er 1972 mit seiner Familie einen kleinen Bauernhof am Mittelberg in der hessischen Rhön bezog. Eigentlich sollte es nur eine Wochenendwohnung sein, doch einmal die Dunkelheit bei Nacht und die herrliche Stille genossen, gab es keinen Weg mehr zurück in die laute Stadt. Gutberlet begann Rinder und Schafe zu halten, doch ein Umstand machte ihn stutzig. »Der Hof hatte mit seinen sechs Hektar früher eine ganze Familie ernährt, selbst als wir auf sieben Hektar erweiterten, hätten wir noch nicht einmal die Kosten decken können.« Seine Gedanken begannen um die Landwirtschaft zu kreisen. Zwar waren die Hungerwinter und Mangelzeiten nach dem Krieg überwunden, aber nicht jeder Bauer profitierte vom Aufschwung. »Die Landwirte haben schon immer zu wenig für ihre Erzeugnisse bekommen, außer in Krisenzeiten.« Zunehmend näherte sich Wolfgang Gutberlet Lebensmittel unter dem Aspekt der Gesundheit. Weihnachten 1982 zog die Familie auf den Bauernhof LindenGut um, der jedoch im Januar 1984 abbrannte. Doch schon im August fand Wolfgang Gutberlet dort wieder seine Heimat.

Schon lange ist er ein bekennender Anthroposoph. Schlüsselerlebnis war ein Besuch der Lebensgemeinschaft Sassen in Schlitz, wo Menschen mit und ohne Behinderung gemeinsam leben und arbeiten. Angeschlossen ist unter anderem ein Bauernhof, eine Gärtnerei und eine Bäckerei, die nach Demeter-Richtlinien wirtschaften. Gutberlet spürte eine besondere Art und Weise, wie die Menschen dort miteinander umgingen. Gefragt, woran das liege, fiel der ihm bis dato unbekannte Name Rudolf Steiner, Begründer der Anthroposophie. Wieder zu Hause, zog Gutberlet das Lexikon zurate. Am nächsten Morgen rief er in der Buchhandlung an und bestellte Steiners Gesamtwerk. Es folgte ein Rückruf, ob es ihm wirklich ernst damit sei, 300 Bücher erwerben zu wollen. »Daher holte ich mir auf dem Hofgut Sassen Tipps, wo ich am besten beginnen konnte, mich mit der Materie zu beschäftigen.« Schließlich besuchten alle Kinder die Rudolf-Steiner-Schule im nahe gelegenen Loheland.

Als er Götz Werner, den Gründer von dm, am Flughafen in Kopenhagen traf, erfuhr er, dass auch dessen Kinder eine Waldorfschule besuchten. »Wir haben umgehend beschlossen, zusammen anthroposophisch zu arbeiten. Die Kernfrage war, wie man die Philosophie konkret im Unternehmen umsetzen kann. Wir alle haben gute Gedanken und Werte, aber im Alltag schieben wir sie oft beiseite.« Die beiden sollten später bedeutende Geburtshelfer der Bio-Branche werden und Bio-Lebensmittel für noch mehr Menschen zugänglich machen.

Spätestens als Theo Gutberlet 1973 die Geschäftsleitung an seinen Sohn weitergab, eröffneten sich vielfältige Chancen, tegut zu gestalten. Wolfgang Gutberlet war damals 29 Jahre alt und bildete mit Willibald Arnold und Karl Jungmann die Geschäftsleitung. Ihnen oblag die Aufgabe, tegut aus seiner Pionierphase herauszubegleiten und neue Strukturen zu schaffen. »Wenn eine Organisation größer wird, reicht das Bauchgefühl nicht mehr. Ab einer gewissen Größe muss man anfangen, verbindliche Grundsätze aufzustellen. Man muss Prozesse festlegen und eine Kultur begründen. Das war nun meine Aufgabe. Die Kultur, die mein Vater begründet hatte, war eine Pionierkultur gewesen. Er ging voran, alle schauten auf ihn, und sein Charisma...

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