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Das Implantat

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
TWENTYSIXerschienen am21.09.20201. Auflage
Alexander und Gregor sind sechzehn Jahre alt, Zwillinge und sie sind gehörlos. Sie genießen ihr Zuhause mit der einfachen Kommunikation in Gebärdensprache und kämpfen gemeinsam im hörenden Umfeld ihrer Schule. Sie spielen beide Handball in einer Gehörlosenmannschaft und haben die gleichen Freunde. Sie sind immer zusammen. Alles scheint sortiert, bis Alexander plötzlich den Wunsch nach einem Cochlea Implantat äußert und Gregor nicht mitziehen will.

Beate Winkler, 1973 geboren in Hamburg, studierte Medizin in Lübeck. Ihre Weiterbildung zur Kinderonkologin absolvierte sie in Tübingen und Würzburg. Seit 2015 lebt sie mit ihren zwei Söhnen in ihrer Heimatstadt. Sie arbeitet weiterhin als Ärztin und schreibt in ihrer Freizeit. 2016 erschien die Trilogie "Viersamkeit, Flucht in die Zweisamkeit, Aus der Einsamkeit". 2020 der Roman "Der eigene Weg", die Vorgeschichte zu diesem Buch.
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR14,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextAlexander und Gregor sind sechzehn Jahre alt, Zwillinge und sie sind gehörlos. Sie genießen ihr Zuhause mit der einfachen Kommunikation in Gebärdensprache und kämpfen gemeinsam im hörenden Umfeld ihrer Schule. Sie spielen beide Handball in einer Gehörlosenmannschaft und haben die gleichen Freunde. Sie sind immer zusammen. Alles scheint sortiert, bis Alexander plötzlich den Wunsch nach einem Cochlea Implantat äußert und Gregor nicht mitziehen will.

Beate Winkler, 1973 geboren in Hamburg, studierte Medizin in Lübeck. Ihre Weiterbildung zur Kinderonkologin absolvierte sie in Tübingen und Würzburg. Seit 2015 lebt sie mit ihren zwei Söhnen in ihrer Heimatstadt. Sie arbeitet weiterhin als Ärztin und schreibt in ihrer Freizeit. 2016 erschien die Trilogie "Viersamkeit, Flucht in die Zweisamkeit, Aus der Einsamkeit". 2020 der Roman "Der eigene Weg", die Vorgeschichte zu diesem Buch.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783740777470
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum21.09.2020
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5361426
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe
Das Gespräch

Manning überflog noch einmal kurz die Mail, die er vor zwei Wochen erhalten hatte.

Sehr geehrter Herr Professor Manning, mein sechzehn-jähriger Sohn Alexander ist gehörlos. Er wünscht sich ein CI. Können Sie uns einen Termin für ein Vorgespräch anbieten? Mit freundlichen Grüßen, Tom Treppin

Die Mail kam vom Chefarzt der Neurochirurgie der Universitätsklinik in Hamburg. Sie war kurz und knapp. Ihn erwartete heute sicher ein Gespräch von Arzt zu Arzt, er würde nicht so viel erklären müssen wie sonst. Hoffentlich gab es keine übertriebenen Hoffnungen. Obwohl⦠das Kind war sechzehn, sicher keine angeborene Gehörlosigkeit. Der Junge hatte bestimmt erst kürzlich sein Gehör verloren, vielleicht durch eine Meningitis oder einen Unfall. Er würde gut sprechen. Es waren diese Patienten, denen er am besten helfen konnte. Sie hatten gehört und wünschten sich das Hören zurück, etwas das sie verloren hatten. Ihr Gehirn hatte eine entwickelte Hörbahn, sie taten sich sehr viel leichter als Erwachsene oder Jugendliche, die von Geburt an gehörlos waren, die das Hören nicht kannten. Diese musste man im ersten Lebensjahr implantieren, dann hatten sie eine realistische Chance auf ein Hören, das den Spracherwerb sehr viel müheloser machte. Einige Kinder waren an ihrer Sprache kaum von einem hörenden Kind zu unterscheiden. Komisch, dass dieser Vater gar nichts zur Ursache der Gehörlosigkeit geschrieben hatte. Einfach mein Sohn ist gehörlos.

Professor Manning erhob sich, um die Familie herein zu rufen. Im Vorbeigehen schenkte er seiner Sekretärin ein freundliches Lächeln und ging flotten Schrittes zu dem kleinen Wartebereich.

»Familie Treppin?«

Er ließ den Blick über die Familie wandern, scannte sie rasch. Die Mutter mit Krücken, einer offensichtlichen Gehbehinderung. Zwei Jungen, Zwillinge, die sich glichen wie ein Ei dem anderen, hübsche, schlanke, sportliche, dunkelhaarige Jungen. Einer trug auffällige, bunte Hörgeräte.

Professor Manning ging auf ihn zu.

»Du bist sicher Alexander?«

Er sprach langsam und deutlich, trainiert im Umgang mit Menschen, die kaum etwas hörten. Der Junge stand auf und reichte ihm die Hand.

»Ja. Professor Manning?«

Der Professor bekam kurz große Augen vor Erstaunen, die Stimme eines Gehörlosen. Wenig klar, kaum Modulation. Er warf dem Vater, der ihm mit einem Nicken die Hand zum Gruß reichte, einen kurzen fragenden Blick zu, dem dieser einfach standhielt. Nur ein Nicken, kein Wort.

»Professor Manning? Kathrin Treppin, leider habe ich keine Hand frei.«

»Hallo, Frau Treppin. Kommen Sie doch erstmal mit in mein Büro. Dort können wir alles in Ruhe besprechen.«

Er ging voraus, hatte den schleifenden Gang der Frau, die sich schwerfällig vorwärts schob, im Ohr und versuchte, ihr nicht davon zu eilen. Die Familie in seinem Rücken schwieg.

In seinem Büro wies er auf den Glastisch, der von sechs Stühlen umgeben war: »Nehmen Sie doch Platz.«

Er selbst wählte seinen Chefplatz an der Stirn des Tisches, blieb an der Lehne seines Stuhls stehen und suchte Sichtkontakt mit Alexander, seinem Patienten.

»Setzt du dich hier zu mir?«

Dieser nickte, zog aber zunächst den Stuhl neben sich vom Tisch und half seiner Mutter. Ein aufmerksamer, höflicher Junge. Die Mutter ließ sich etwas schwerfällig auf dem Stuhl nieder. Der Vater nahm auf der anderen Seite des Tisches gegenüber von Alexander Platz, der Bruder neben ihm, gegenüber seiner Mutter.

Professor Manning setzte sich als letzter, er räusperte sich ein wenig, bevor er begann. Er bemühte sich Alexander anzusehen und wählte seine übliche Einleitung.

»Also, Alexander, Familie Treppin, schön, dass Sie gekommen sind«, er sah Alexander an, konzentrierte sich voll auf ihn, damit dieser eine Chance hätte, etwas von seinen Worten mitzuschneiden. Alexander bemerkte es mit Erstaunen, es fühlte sich gut an, »Alexander, du bist heute hier, weil du Interesse an einem CI hast?«

Die Augen des Jungen drifteten ab, auf einen Punkt im Rücken von Manning. Dieser drehte sich ein wenig um und sah mit Erstaunen, das seine Worte in den Händen des Vaters waren.

Frau Treppin unterbrach: »Warten Sie kurz, Herr Professor Manning, Sie können ganz normal sprechen. Mein Mann übersetzt.«

»Äh, ja, also⦫, er benötigte einen Moment, um sich zu fassen, ein Universitätsprofessor, der offenbar gebärdete und diese Sprache mit seinem tauben Jungen nutzte. Manning wandte sich schließlich der Mutter zu: »Könnten Sie berichten, warum Alexander gehörlos ist? Wie alt war er, als er ertaubt ist? Haben Sie Unterlagen dabei? Ein Audiogramm?«

Frau Treppin begann zu erzählen, nebenher übersetzte der Vater für seinen Sohn: »Alexander hat eine angeborene Gehörlosigkeit. Es fiel im Neugeborenen-Hörscreening auf. In der Untersuchung nach vier Wochen hat es sich bestätigt.«

Manning nahm die Worte mit einer gewissen Verwirrung auf. Es war alles anders, als er erwartet hatte. Er hatte gedacht ein kurzes Gespräch, ein Junge, der sein Gehör durch eine Krankheit oder einen Unfall verloren hatte, sich hörend und sprechend orientierte. Alles hatte in der Mail darauf hingedeutet. Der Vater war Neurochirurg. Warum in aller Weltâ¦? Manning warf erneut einen fragenden Blick zu dem Vater, der jedoch keine Anstalten machte, irgendetwas klar zu stellen.

»Aber«, seine Verwirrung konnte Manning kaum verbergen, die Worte kamen unkontrolliert, unbedacht, eigentlich war das nicht seine Art, »warum kommen Sie denn erst jetzt?«

Vergessen war sein sonstiger Ansatz, sich einem Jugendlichen direkt zuzuwenden, um dessen Vertrauen zu gewinnen. Fast starrte Manning die Mutter an. Er stolperte weiter, an den Vater gewandt: »Sie sind doch Arzt! Sie wissen doch sicher, wie wichtig es ist, ein CI früh zu implantieren, für die Entwicklung der Hörbahn. Die Möglichkeiten gab es doch auch schon vor sechzehn Jahren«, als der Vater weiterhin jedes seiner Worte übersetzte, und ihm keine Antwort gab, wandte sich Manning erneut der Mutter zu, »ist Ihnen klar, was Sie verpasst haben? Sie wissen vielleicht nicht⦫

Sie unterbrach ihn, immer noch die Ruhe selbst: »Professor Manning, ich bin auch vom Fach. Ich bin Kinderärztin. Wir beide wissen als Eltern sehr genau, was empfohlen wird. Wir sind ein wenig andere Wege gegangen.«

Beide Jungen beobachteten die Situation aufmerksam. Der Vater übersetzte weiter jedes gesprochene Wort, er wirkte unbeteiligt, nicht wie der Vater des Patienten, nur wie der Übermittler aller gesprochenen Worte, als sei er gar nicht wirklich da. Manning hatte einen langen Arbeitstag hinter sich, er war müde. Eigentlich hatte er sich auf dieses Gespräch gefreut, Privatpatienten, sicher Eltern, die ihm das Leben leicht machen würden, verständig, gehörig. Er hatte gedacht, dass er praktisch nur einen OP-Termin würde ausmachen müssen, hatte sich auf das dankbare Lächeln auf sein Angebot gefreut.

»Sie haben einen Fehler gemacht! Sie haben ein gehörloses Kind und entscheiden sich gegen ein CI? Warum? Es gibt keinen vernünftigen Grund! Sie haben ihrem Kind über Jahre das Hören vorenthalten.«

Er konnte sein Unverständnis nicht verbergen, seine Wut kaum im Zaum halten. Wie konnten Eltern nur so verantwortungslos sein? Sie waren nicht dumm, umso weniger verstand es Manning.

Eine Hand an seinem Arm, vorsichtig, Alexander. Er suchte seine Aufmerksamkeit.

»Bitte, Herr Professor Manning, überschütten Sie meine Eltern nicht mit Vorwürfen. Wir sind gut groß geworden. Es gab kein Problem. Wir hatten unsere Sprache zu Hause. Jetzt möchte ich ein CI, deshalb sind wir hier. Können wir das besprechen?«

Alexander sah Manning fragend an, ob er ihn verstanden hätte, immer wieder war es schwierig. Sein Sprechen war für die Hörenden ungewohnt. Aber dieser Arzt war ein Profi, er hatte ständig mit Hörgeschädigten zu tun. Manning nickte, er hatte verstanden. Er beruhigte sich ein wenig, blickte in die dunkelbraunen, fast schwarzen Augen des jungen Mannes. Sechzehn Jahre kein Hören und jetzt saß er hier mit seinen Eltern, die es ihm verwehrt hatten und bat darum. Es ging um den Jungen. Manning holte tief Luft, versuchte die Ruhe, die ihn sonst auszeichnete, wieder zu finden.

»Okay, Alexander, ja, du hast Recht. Sprechen wir über das CI. Kannst du mich einigermaßen verstehen?«

»Kein Problem. Mein Vater übersetzt. Das macht es einfacher.«

Manning hatte dem schweigsamen Mann fast den Rücken zugekehrt, er mochte nicht sehen, wie all seine Worte durch dessen Hände flossen.

»In welche Klasse gehst du?«

»In die zehnte.«

»Was für eine Schule?«

»Lohmühlen-Gymnasium in Hamburg. Sie kennen es vielleicht? Es ist eigentlich ein normales Gymnasium,...
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