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Held Hermann

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Tyroliaerschienen am18.09.2020
Zeitgeschichte neu erzählt Hermann ist 12, der Vater an der Front, der ältere Bruder Feindsender-Hörer und die kleine Schwester lästig. Mit viel Kraft versucht die Mutter, das Familienleben am Laufen zu halten - soweit möglich in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs in einer Mühlviertler (OÖ) Grenzstadt. Und die Zeiten lassen sie auch zu, die einigermaßen unbeschwerten Kindertage mit Schwimmen in der Jaunitz und Herumkraxeln im Kirchturm. Aber natürlich sind der Krieg und alle seine Begleiterscheinungen immer präsent. Da mag eine Familie mit verbotener sozialistischer Gesinnung schon vorsichtig sein. Vor allem, wenn sie sich einem Geheimbund anschließt, heimlich Geld sammelt, Widerstand plant. Im Gegensatz zu seinem nur ein Jahr älteren Bruder soll Hermann in all diese Geschehnisse nicht eingebunden werden, soll bewahrt und beschützt werden. Aber Häuptling Falkenauge lässt sich nicht unterkriegen. Gemeinsam mit seinen Freunden geht er Ungereimtheiten auf die Spur und deckt nach und nach all das auf, was in den letzten Kriegstagen in zahlreichen Verhaftungen und teils sehr brutalen Hinrichtungen mündet. Nur durch Zufall bleibt Hermanns Familie davon verschont. Jugendbücher über den zweiten Weltkrieg gibt es viele, Leonora Leitl findet allerdings einen ganz neuen, eigenen Zugang. In frischer, aufgeweckter Sprache wird ein junger Mensch begleitet, für den Krieg alltäglich ist, der auch mal kindliche Flausen im Kopf hat und sich auf der Suche nach der eigenen Männlichkeit einen Weg durch die verschiedenen Heldenbilder schlägt - von den von der HJ-Jugend propagierten über die in den Wild-West-Romanen präsentierten bis hin zu den direkt vor seiner Nase im Geheimen agierenden Helden und Heldinnen. Ein Buch, das dieser Zeit ein ganz eigenes Denkmal setzt. Dann beschließe ich Papa zu folgen. Vielleicht bringt mich das auf eine Spur.

Die Autorin und Illustratorin Leonora Leitl, geb. 1974. Meisterklasse für Grafik- und Kommunikationsdesign in Linz. Selbständige Illustratorin und Autorin. Seit vielen Jahren intensive Beschäftigung mit Kinderbuchillustration. Für ihr Schaffen wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet (u. a. Outstanding Artist Award, Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien). Lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Gramastetten im Mühlviertel. Zu 'Held Hermann' wurde sie von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert. leonoraleitl.blogspot.com
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Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,00
BuchGebunden
EUR19,95
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR12,99

Produkt

KlappentextZeitgeschichte neu erzählt Hermann ist 12, der Vater an der Front, der ältere Bruder Feindsender-Hörer und die kleine Schwester lästig. Mit viel Kraft versucht die Mutter, das Familienleben am Laufen zu halten - soweit möglich in den letzten Jahren des 2. Weltkriegs in einer Mühlviertler (OÖ) Grenzstadt. Und die Zeiten lassen sie auch zu, die einigermaßen unbeschwerten Kindertage mit Schwimmen in der Jaunitz und Herumkraxeln im Kirchturm. Aber natürlich sind der Krieg und alle seine Begleiterscheinungen immer präsent. Da mag eine Familie mit verbotener sozialistischer Gesinnung schon vorsichtig sein. Vor allem, wenn sie sich einem Geheimbund anschließt, heimlich Geld sammelt, Widerstand plant. Im Gegensatz zu seinem nur ein Jahr älteren Bruder soll Hermann in all diese Geschehnisse nicht eingebunden werden, soll bewahrt und beschützt werden. Aber Häuptling Falkenauge lässt sich nicht unterkriegen. Gemeinsam mit seinen Freunden geht er Ungereimtheiten auf die Spur und deckt nach und nach all das auf, was in den letzten Kriegstagen in zahlreichen Verhaftungen und teils sehr brutalen Hinrichtungen mündet. Nur durch Zufall bleibt Hermanns Familie davon verschont. Jugendbücher über den zweiten Weltkrieg gibt es viele, Leonora Leitl findet allerdings einen ganz neuen, eigenen Zugang. In frischer, aufgeweckter Sprache wird ein junger Mensch begleitet, für den Krieg alltäglich ist, der auch mal kindliche Flausen im Kopf hat und sich auf der Suche nach der eigenen Männlichkeit einen Weg durch die verschiedenen Heldenbilder schlägt - von den von der HJ-Jugend propagierten über die in den Wild-West-Romanen präsentierten bis hin zu den direkt vor seiner Nase im Geheimen agierenden Helden und Heldinnen. Ein Buch, das dieser Zeit ein ganz eigenes Denkmal setzt. Dann beschließe ich Papa zu folgen. Vielleicht bringt mich das auf eine Spur.

Die Autorin und Illustratorin Leonora Leitl, geb. 1974. Meisterklasse für Grafik- und Kommunikationsdesign in Linz. Selbständige Illustratorin und Autorin. Seit vielen Jahren intensive Beschäftigung mit Kinderbuchillustration. Für ihr Schaffen wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet (u. a. Outstanding Artist Award, Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien). Lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Gramastetten im Mühlviertel. Zu 'Held Hermann' wurde sie von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert. leonoraleitl.blogspot.com
Details
Weitere ISBN/GTIN9783702238964
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Verlag
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum18.09.2020
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse26551 Kbytes
Artikel-Nr.5362505
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Am Fuß des vorletzten Holztreppenabsatzes kommt der riesige, grob zugehauene Holzbalken mit den tiefen Rissen. Dort hat ein gewisser Johann Siebenhandl seine Unterschrift hinterlassen. Im Jahre 1832.

Jedes Mal muss ich hier ein bisschen innehalten. Vor mehr als hundert Jahren ist dieser Siebenhandl genau hier gestanden. Seine Hand berührte genau dieselbe Stelle, die ich jetzt berühre. Darunter stehen noch weitere Namen. Die sind aber schon so verblichen, dass man sie nicht mehr lesen kann.

Willis Vater vermutet, dass Johann Siebenhandl einer der unzähligen Zimmerleute war, die den Turm renoviert haben. Vorsichtig streiche ich über die Schrift, die sich elegant den Balken entlangschwingt.

Was er in dem Moment gedacht hat, als er hier unterschrieben hat? Wie alt war er? Wie hat er ausgesehen und was für Kleidung hat er getragen? War er arm oder reich?

Und das Unglaublichste an meinen Überlegungen: Johann Siebenhandl hätte, also wenn er es sich hätte leisten können, einfach nach Amerika fahren können. Damals waren die Amerikaner noch keine Feinde. Ich stelle mir das so vor: Der Siebenhandl würde einfach ein Schiff nehmen und dann einen Planwagen oder ein Pferd. Dann würde er in den Wilden Westen reiten und dort edle Wilde wie Winnetou kennenlernen. Oder er würde in den Saloon auf ein Bier gehen. Vielleicht würde er ein wenig jammern, weil es dort kein Freistädter Bier gibt, so wie alle erwachsenen Freistädter Männer das tun, wenn sie gezwungen sind, ein anderes Bier zu trinken. Aber mit der Zeit würde ihm das wurscht sein und er würde Old Shatterhand im Saloon treffen. Gemeinsam würden sie in den Westen aufbrechen. Nach einiger Zeit würde er sich mit Indianern anfreunden und sie würden ihm den Namen Old John Sevenhand geben. Amerika wäre für den Zimmermann Siebenhandl ein Paradies, er würde den lieben langen Tag Bäume fällen und Blockhütten zimmern, soweit das Auge reicht.

Dann würde er Gold schürfen, einen riesen Nugget finden und eine schwarzhaarige Indianerfrau. Sie würden in einem Wigwam wohnen und glücklich sein. Und das Beste von allem: In Amerika würden sie von alledem, was hier bei uns geschieht, nichts mitbekommen. Wenn der Krieg ausbricht, dann werden Old John und seine Squaw schon lange tot und begraben sein. Jessas, was für ein Leben.

Ich erklimme die letzten Stufen, komme endlich oben an und klopfe in unserer höchst geheimen Klopfsprache an die Tür. »Kloooopf, kloooopf, klopf, klopf, klopf, gefolgt von kloooopf, kloooopf, KLOPF mit Tremolo« heißt: Hermann steht vor der Tür. Die Geheimsprache ist kompliziert, es soll sie ja nicht jeder verstehen.

»Hau uns nicht die Tür ein, Tauber!«, höre ich Willis Vater hinter der Tür schreien.

»Hmm«, denke ich. Vielleicht sollten wir unseren Code wieder einmal ändern.

Die Klopfsprache haben wir wegen Willis Eltern entwickelt, weil sie es hassen, wenn wir Freunde mit großem Karacho in die Türmerstube platzen. Die Stube ist winzig und die Familie Walchshofer wohnt dort zu viert: der Willi, seine Eltern und sein kleiner Bruder. Zwei Betten, ein Ofen, ein Tisch, vier Sessel, eine Anrichte. Das ist das ganze Mobiliar von Willis Familie. Aber wenn ich es mir überlege, dann haben wir auch nicht recht viel mehr.

Kurz darauf öffnet sich die Tür einen kleinen Spalt und Willi schlüpft heraus. Wir nicken uns zu. Wahre Freunde, wie Winnetou und Old Shatterhand, brauchen nicht viele Worte.

»Hast Zeit?«, frage ich »Machen wir was?«

Willi zuckt mit den Schultern. »In der Kirche herumkraxeln?«

»Haben wir gerade erst gestern gemacht.«

»Tauben jagen?«

»Hab meine Steinschleuder nicht dabei«, murmle ich und denke an das Führerbild.

»Dann schauen wir einfach, ob wir jemanden von den anderen treffen.«

»In Ordnung!«

»Wer als erster unten ist!« Noch bevor Willi den Satz fertig hat, ist er schon losgestürmt.

»Ich krieg dich!«, schrei ich und renne ihm in halsbrecherischem Tempo hinterher. Am Ende jedes Treppenabsatzes stützen wir uns mit den Händen am Geländer ab und springen die letzten drei, vier Stufen hinunter.

Willi und ich haben schon einmal ausprobiert, wer die meisten Stufen überspringen kann. Bei sechs hat sich Willi den Fuß verstaucht und musste eine Woche humpeln. Er konnte deswegen nicht an Leibesertüchtigung teilnehmen und musste Schinagls hämischen Spott über sich ergehen lassen. Aber beim Willi traut sich der Schinagl nicht so richtig, seine Gemeinheiten auszuleben. Willis Vater ist der Mesner, das ist angesehen.

Der Schinagl weiß bestens Bescheid, wer in seiner Klasse die Nazikinder sind und welche nicht. Wir sind Sozialisten, Sozis, und die sind verboten und daher auch Freiwild für Lehrer Schinagl. Er liebt es, uns bei jeder noch so kleinsten Verfehlung an den Haaren zu ziehen, ganze Haarbüschel auszureißen, seine Watschen auszuteilen, uns mit dem Stock zu schlagen oder uns auf Holzscheitern knien zu lassen. Bei den Kindern der Parteigenossen traut er sich das nicht, aber an mir lässt er gerne seine Launen aus. Nur: Ich bin hart. Hart wie Kruppstahl, von dem der Schinagl dauernd schwafelt und an dem er sich bei mir schon öfters die Zähne ausgebissen hat.

Unten angekommen rennen wir die Pfarrgasse hinunter, biegen links in die Eisengasse ein und stoßen beinahe mit Frau Bodingbauer und ihrem Leiterwagerl zusammen.

»Jessas, Marantana!«, schreit Frau Bodingbauer. »Habt ihr Buben denn keine Augen im Kopf? Müsst ihr mich so erschrecken!« Sie steht mitten auf der Gasse und starrt auf einen Kübel mit ausgeschütteten Kohlen.

»Wir waren das nicht!«, verteidigen sich Willi und ich reflexartig.

»Ja sicher wart s ihr das nicht!«, fährt uns Frau Bodingbauer an. »Aber aufpassen könnt s trotzdem!« Entnervt fährt sie sich durch das wirre Haar. »So ein Malheur! Auch das noch! Zugehn tut s, ja mei, die Welt steht nimmer lang.«

Sie steht einfach da, den Tränen nahe, jammert vor sich hin. Willi und ich stehen etwas ratlos vor ihr, da stößt mich Willi leicht in die Seite und deutet mit dem Kinn aufgeregt nach vorne.

Scheiße, der hat uns gerade noch gefehlt. Herausgemascherlt und in HJ-Uniform kommt uns der Scholze Gernot mit schneidigem Schritt entgegen. Er ist unser HJ-Führer, einige Jahre älter als wir und ein Reichsdeutscher. Wir sind nur Österreicher, darum brauchen wir einen echten Deutschen wie den Scholze, der uns zeigt, wo s langgeht.

Bei der HJ, der Hitlerjugend, sind wir die Jüngsten, wir heißen Pimpfe. Der Willi, der Karli, der Ludwig und ich gehen in die gleiche Klasse und darum auch in dieselbe HJ-Gruppe. Diese Stunden sind verpflichtend, man muss hingehen, auch wenn man keine Lust dazu hat. Und wir haben sehr oft keine Lust.

»Heil Hitler!«, plärrt uns der Scholze an, kaum dass er uns sieht, und reißt die Hand zum Hitlergruß gen Himmel. Willi und ich murmeln einen Gruß, ohne ihn anzusehen, strecken unser Arme halbherzig in die Höhe und sammeln verbissen Frau Bodingbauers Kohlen ein.

»Alles in Ordnung, gute Frau?«, will der Scholze von Frau Bodingbauer wissen und mustert uns kritisch. Der Scholze weiß nicht, wie Frau Bodingbauer heißt, weil er nicht aus Freistadt ist. Es klingt auch ziemlich komisch, wenn er spricht. Allesch in Ornung, jute Frau. Das ist doch nicht Deutsch! Und sowas von einem Reichsdeutschen.

Frau Bodingbauer ist aus ihrer Erstarrung erwacht und fixiert den Scholze mit festem Blick. Ohne ihn aus den Augen zu lassen, sagt sie mit klarer, fester Stimme: »Alles in bester Ordnung. Diese beiden tüchtigen Burschen helfen mir aus meiner misslichen Lage.«

Willi ist mittlerweile schwarz beschmiert.

»Du schaust aus wie ein Neger!«, feixt der Scholze. »Geh nach Hause und wasch dich gefälligst! So wie du ausschaust, bist du eine Schande für die HJ! Pimpfe sind stets sauber und adrett!« Doch der Willi hört nicht auf, Frau Bodingbauers Kohlen aufzusammeln.

Scholzes Gesichtsfarbe wird zusehends röter. »Na, wird s bald, geh dich waschen!«, plärrt er und versetzt dem Willi einen kräftigen Stoß, sodass er hinfällt. Willi rappelt sich auf, nickt mir verstohlen zu und trabt ohne ein weiteres Wort davon.

»Hilfst du mir, die Kohlen in die Wohnung hinaufzutragen?«, fragt Frau Bodingbauer. Natürlich mache ich das liebend gerne. Hauptsache ich bin das Ekel Scholze los.

Ich schenke ihr ein umwerfendes Lächeln, packe den schweren Kohlenkübel und schleppe ihn hinter ihr her. Sie hält mir die Haustür auf, ich hieve den Kübel die Stufen empor. Im Stiegenhaus riecht es muffig, Putz bröckelt von den Wänden und gibt den Blick auf ältere Wandfarben...
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Autor

Die Autorin und Illustratorin
Leonora Leitl, geb. 1974. Meisterklasse für Grafik- und Kommunikationsdesign in Linz. Selbständige Illustratorin und Autorin. Seit vielen Jahren intensive Beschäftigung mit Kinderbuchillustration. Für ihr Schaffen wurde sie bereits mehrfach ausgezeichnet (u. a. Outstanding Artist Award, Österreichischer Kinder- und Jugendbuchpreis, Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien). Lebt mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Gramastetten im Mühlviertel. Zu "Held Hermann" wurde sie von ihrer eigenen Familiengeschichte inspiriert. leonoraleitl.blogspot.com

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