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Fratelli tutti

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
Herder Verlag GmbHerschienen am12.10.20201. Auflage
'Wir sitzen alle in einem Boot!' - Der Ausruf von Franziskus angesichts der Coronakrise ist heute schon legendär und fasst viel von dem zusammen, was den Papst nicht nur in diesen turbulenten Tagen umtreibt. In seiner neuen Enzyklika stellt er die Zusammenhänge von den konkreten Erfahrungen im Alltag und den globalen Entwicklungen her, immer wieder auch mit Blick auf Corona. Der Papst fragt: Wie kann sich die Welt nach der Pandemie weiterentwickeln? Wie können wir den sozialen Zusammenhalt weiter pflegen, der sich in so vielen Facetten geäußert hat? Welche Schwachstellen unserer Gesellschaft hat die Pandemie offengelegt, im Kleinen wie im Großen? Und was kann die Kirche und jeder Einzelne tun? Gewohnt leidenschaftlich, einfühlsam und visionär kämpft Franziskus um eine bessere Lebensweise, die allen Menschen zugutekommt. So ist auch das titelgebende Zitat seines Namenspatrons Franz von Assisi zu verstehen: Das Schreiben richtet sich an 'alle Geschwister' nicht nur innerhalb der Kirche, sondern der ganzen Menschheitsfamilie. Eine bahnbrechende Enzyklika, die Herzen erreichen und die Welt verändern will.

Papst Franziskus, Jorge Mario Bergoglio, geb. 1936, ist seit dem 13. März 2013 Bischof von Rom. Der argentinische Jesuit ist Sohn einer siebenköpfigen Familie italienischer Auswanderer und war von 1973 bis 1979 Provinzial der argentinischen Jesuiten. Von 1998 bis 2013 war Erzbischof von Buenos Aires, er wurde 2001 zum Kardinal ernannt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR14,00
E-BookPDF1 - PDF WatermarkE-Book
EUR13,99
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR13,99

Produkt

Klappentext'Wir sitzen alle in einem Boot!' - Der Ausruf von Franziskus angesichts der Coronakrise ist heute schon legendär und fasst viel von dem zusammen, was den Papst nicht nur in diesen turbulenten Tagen umtreibt. In seiner neuen Enzyklika stellt er die Zusammenhänge von den konkreten Erfahrungen im Alltag und den globalen Entwicklungen her, immer wieder auch mit Blick auf Corona. Der Papst fragt: Wie kann sich die Welt nach der Pandemie weiterentwickeln? Wie können wir den sozialen Zusammenhalt weiter pflegen, der sich in so vielen Facetten geäußert hat? Welche Schwachstellen unserer Gesellschaft hat die Pandemie offengelegt, im Kleinen wie im Großen? Und was kann die Kirche und jeder Einzelne tun? Gewohnt leidenschaftlich, einfühlsam und visionär kämpft Franziskus um eine bessere Lebensweise, die allen Menschen zugutekommt. So ist auch das titelgebende Zitat seines Namenspatrons Franz von Assisi zu verstehen: Das Schreiben richtet sich an 'alle Geschwister' nicht nur innerhalb der Kirche, sondern der ganzen Menschheitsfamilie. Eine bahnbrechende Enzyklika, die Herzen erreichen und die Welt verändern will.

Papst Franziskus, Jorge Mario Bergoglio, geb. 1936, ist seit dem 13. März 2013 Bischof von Rom. Der argentinische Jesuit ist Sohn einer siebenköpfigen Familie italienischer Auswanderer und war von 1973 bis 1979 Provinzial der argentinischen Jesuiten. Von 1998 bis 2013 war Erzbischof von Buenos Aires, er wurde 2001 zum Kardinal ernannt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783451822506
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.10.2020
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse913 Kbytes
Artikel-Nr.5378902
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Zweites Kapitel:
Ein Fremder auf dem Weg

56

Alles, was ich im vorigen Kapitel erwähnt habe, ist mehr als eine abgehobene Beschreibung der Wirklichkeit, denn »Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute, besonders der Armen und Bedrängten aller Art, sind auch Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Jünger Christi. Und es gibt nichts wahrhaft Menschliches, das nicht in ihren Herzen seinen Widerhall fände«.1 In der Absicht, ein Licht inmitten der Geschehnisse, die wir gerade durchleben, zu finden, möchte ich, bevor ich einige Handlungsleitlinien entwerfe, einer Erzählung Jesu vor zweitausend Jahren ein Kapitel widmen. Wenn sich dieses Schreiben auch an alle Menschen guten Willens, jenseits ihrer religiösen Überzeugungen, richtet, so äußert sich das Gleichnis doch in einer Weise, dass jeder von uns sich von ihm ansprechen lassen kann.

»In jener Zeit stand ein Gesetzeslehrer auf, um Jesus auf die Probe zu stellen, und fragte ihn: Meister, was muss ich tun, um das ewige Leben zu erben? Jesus sagte zu ihm: Was steht im Gesetz geschrieben? Was liest du? Er antwortete: Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und deiner ganzen Seele, mit deiner ganzen Kraft und deinem ganzen Denken, und deinen Nächsten wie dich selbst. Jesus sagte zu ihm: Du hast richtig geantwortet. Handle danach und du wirst leben! Der Gesetzeslehrer wollte sich rechtfertigen und sagte zu Jesus: Und wer ist mein Nächster? Darauf antwortete ihm Jesus: Ein Mann ging von Jerusalem nach Jericho hinab und wurde von Räubern überfallen. Sie plünderten ihn aus und schlugen ihn nieder; dann gingen sie weg und ließen ihn halbtot liegen. Zufällig kam ein Priester denselben Weg herab; er sah ihn und ging vorüber. Ebenso kam auch ein Levit zu der Stelle; er sah ihn und ging vorüber. Ein Samariter aber, der auf der Reise war, kam zu ihm; er sah ihn und hatte Mitleid, ging zu ihm hin, goss Öl und Wein auf seine Wunden und verband sie. Dann hob er ihn auf sein eigenes Reittier, brachte ihn zu einer Herberge und sorgte für ihn. Und am nächsten Tag holte er zwei Denare hervor, gab sie dem Wirt und sagte: Sorge für ihn, und wenn du mehr für ihn brauchst, werde ich es dir bezahlen, wenn ich wiederkomme. Wer von diesen dreien meinst du, ist dem der Nächste geworden, der von den Räubern überfallen wurde? Der Gesetzeslehrer antwortete: Der barmherzig an ihm gehandelt hat. Da sagte Jesus zu ihm: Dann geh und handle du genauso! « (Lk 10,25-37).
I. Der Hintergrund

57

Dieses Gleichnis greift einen jahrhundertealten Hintergrund auf. Kurz nach der Erzählung von der Erschaffung der Welt und des Menschen zeigt die Bibel die Herausforderung unserer zwischenmenschlichen Beziehungen. Kain beseitigt seinen Bruder Abel, und da ertönt die Frage Gottes: »Wo ist Abel, dein Bruder?« (Gen 4,9). Die Antwort ist die gleiche, wie wir sie oft geben: »Bin ich der Hüter meines Bruders?« (ebd.). Mit seiner Nachfrage stellt Gott jede Art von Determinismus oder Fatalismus infrage, die vorgeben, die Gleichgültigkeit als einzig mögliche Antwort zu rechtfertigen. Er befähigt uns stattdessen, eine andere Kultur zu schaffen, die uns dahin ausrichtet, die Feindschaften zu überwinden und füreinander zu sorgen.

58

Das Buch Ijob nimmt die Tatsache, dass wir einen gemeinsamen Schöpfer haben, als Grundlage für einige allgemeine Rechte: »Hat nicht er, der mich im Mutterleib gemacht hat, ihn gemacht, hat nicht Einer uns im Mutterschoß geformt?« (31,15). Viele Jahrhunderte später drückte der heilige Irenäus dies mit dem Bild der Melodie aus: »Wer die Wahrheit liebt, darf sich durch die Unterschiedlichkeit der einzelnen Töne nicht verleiten lassen und mehrere Künstler und Schöpfer annehmen, wobei der eine die hohen Töne, ein anderer die tiefen und noch ein anderer die mittleren beigetragen hätte, sondern es war ein und derselbe, zur Demonstration des ganzen Werks und der Weisheit, der Gerechtigkeit, Güte und Gnade.«2

59

In der jüdischen Tradition scheint der Imperativ, den anderen zu lieben und sich um ihn zu kümmern, sich auf die Beziehungen zwischen den Gliedern ein und desselben Volkes zu beschränken. Das alte Gebot »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (Lev 19,18) verstand man für gewöhnlich auf die Landsleute bezogen. Doch besonders im Judentum, das sich außerhalb des Landes Israel entwickelte, begannen sich die Grenzen zu weiten. Es wurde die Aufforderung erhoben, dem anderen nicht das zuzufügen, was einer nicht will, dass man es ihm selbst antut (vgl. Tob 4,15). Der Weise Hillel (1. Jh. v. Chr.) sagte in diesem Zusammenhang: »Darin besteht das Gesetz und die Propheten, alles andere ist nur die Erläuterung.«3 Der Wunsch, die göttliche Haltung nachzuahmen, führte zur Überwindung der Tendenz, sich nur auf die Nächsten zu beschränken: »Das Erbarmen eines Menschen gilt seinem Nächsten, das Erbarmen des Herrn aber gilt allen Lebewesen« (Sir 18,13).

60

Im Neuen Testament findet das Gebot des Hillel einen positiven Ausdruck: »Alles, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun, das tut auch ihnen! Darin besteht das Gesetz und die Propheten« (Mt 7,12). Dieser Aufruf ist universal, er strebt danach, alle zu umfassen, allein wegen ihres Menschseins; denn der Allmächtige, der himmlische Vater »lässt seine Sonne aufgehen über Bösen und Guten« (Mt 5,45). Und folglich wird verlangt: »Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist!« (Lk 6,36).

61

Es gibt eine Motivation, das Herz so weit zu machen, dass es den Fremden nicht ausschließt, die schon in den ältesten Texten der Bibel zu finden ist. Sie lässt sich auf die beständige Erinnerung des jüdischen Volkes zurückführen, dass es als Fremder in Ägypten gelebt hat:

»Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid im Land Ägypten Fremde gewesen« (Ex 22,20).

»Einen Fremden sollst du nicht ausbeuten. Ihr wisst doch, wie es einem Fremden zumute ist; denn ihr selbst seid im Land Ägypten Fremde gewesen« (Ex 23,9).

»Wenn bei dir ein Fremder in eurem Land lebt, sollt ihr ihn nicht unterdrücken. Der Fremde, der sich bei euch aufhält, soll euch wie ein Einheimischer gelten und du sollst ihn lieben wie dich selbst; denn ihr seid selbst Fremde in Ägypten gewesen« (Lev 19,33-34).

»Wenn du in deinem Weinberg die Trauben geerntet hast, sollst du keine Nachlese halten. Sie soll den Fremden, Waisen und Witwen gehören. Denk daran: Du bist in Ägypten Sklave gewesen« (Dtn 24,21-22).

Im Neuen Testament ertönt nachdrücklich der Aufruf zur geschwisterlichen Liebe:

»Denn das ganze Gesetz ist in dem einen Wort erfüllt: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst!« (Gal 5,14).

»Wer seinen Bruder liebt, bleibt im Licht und in ihm gibt es keinen Anstoß. Wer aber seinen Bruder hasst, ist in der Finsternis« (1 Joh 2,10-11).

»Wir wissen, dass wir aus dem Tod in das Leben hinübergegangen sind, weil wir die Brüder lieben. Wer nicht liebt, bleibt im Tod« (1 Joh 3,14).

»Wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, kann Gott nicht lieben, den er nicht sieht« (1 Joh 4,20).

62

Auch diese Einladung zur Liebe konnte falsch verstanden werden. Nicht von ungefähr ermahnte der heilige Paulus seine Jünger, angesichts der Versuchung der ersten Gemeinden, geschlossene und isolierte Gruppen zu bilden, Liebe zueinander »und zu allen« (1 Thess 3,12) zu üben; und in der Gemeinde des Johannes forderte man, die Brüder gut aufzunehmen, »sogar [die] Fremden« (3 Joh 5). Dieser Zusammenhang hilft, den Wert des Gleichnisses Jesu vom barmherzigen Samariter zu verstehen: Für die Liebe ist es unerheblich, ob der verletzte Bruder von hier oder von dort kommt. Denn es ist »die Liebe, die die Ketten sprengt, die uns isolieren und trennen, indem sie Brücken schlägt; Liebe, die es uns möglich macht, eine große Familie zu bilden, in der wir uns alle zu Hause fühlen [â¦]; Liebe, die nach Mitgefühl und Würde schmeckt«.4
II. Der Verlassene

63

Jesus erzählt, wie ein verwundeter Mann auf dem Weg am Boden lag, weil er überfallen worden war. Mehrere Menschen gingen an ihm vorbei und blieben nicht stehen. Es waren Menschen mit wichtigen Stellungen in der Gesellschaft, die aber die Liebe für das Gemeinwohl nicht im Herzen trugen. Sie waren nicht in der Lage, einige Minuten zu erübrigen, um dem Verletzten zu helfen oder zumindest Hilfe zu suchen. Einer blieb stehen, schenkte ihm seine Nähe, pflegte ihn mit eigenen Händen, zahlte aus eigener Tasche und kümmerte sich um ihn. Vor allem hat er ihm etwas gegeben, mit dem wir in diesen hektischen Zeiten sehr knausern: Er hat ihm seine Zeit geschenkt. Sicherlich hatte er sein Programm für jenen Tag, entsprechend seiner Bedürfnisse, seiner Aufgaben oder seiner Wünsche. Aber er ist fähig gewesen, angesichts dieses Verletzten alles beiseite zu legen, und ohne ihn zu kennen, hat er ihn für würdig befunden, ihm seine Zeit zu...

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