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Allerletzter Aufruf Tegel!

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
304 Seiten
Deutsch
BeBra Verlagerschienen am12.10.2020
Die besten Geschichten vom tollsten Flughafen der Welt ... Kaum ein deutscher Flughafen war so bekannt, beliebt und umstritten wie Berlin-Tegel. Das legendäre Sechseck mit seinen kurzen Wegen brachte Menschen und Schicksale näher zusammen als viele andere Airports. Über 25 Jahre lang haben die Schwestern Julia und Evelyn Csabai hier Fluggastbefragungen durchgeführt und dabei die kuriosen Erlebnisse von Reisenden, Stewardessen, Schalterpersonal, Sicherheitsleuten, Reinigungskräften und Ladenbesitzern aufgeschrieben. Aktualisierte Neuauflage des Beststellers 'Letzter Aufruf Tegel!' - mit über 40 Abbildungen, einer Übersichtskarte und einer Chronologie des Flughafens von den Anfängen bis zur Schließung 'Es geht um Menschliches und allzu Menschliches, immer mit einem sympathischen Hauch von Nostalgie.' SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 'Eine Liebeserklärung' DER TAGESSPIEGEL

Evelyn Csabai, geboren und aufgewachsen in Budapest, lebt seit 1989 in Berlin und studierte dort Theater und Filmwissenschaften. Nach jahrelanger Tätigkeit als Filmschauspielerin wurde sie 2000 Partnerin einer Schauspielagentur in Hamburg. Seit 2011 ist sie im Auftrag von Produktionsfirmen für Idee- und Drehbuchentwicklung zuständig. Julia Csabai, geboren in Dresden und aufgewachsen in Budapest, ist Autorin und Regisseurin. Auch sie lebt seit 1989 in Berlin, wo sie Publizistik, Nordamerikastudien und Englische Philologie studierte. Sie arbeitete als Berlin-Korrespondentin für den ungarischen Hörfunk, als freie Kultur-Journalistin und ist seit 1999 als Fernsehjournalistin und Filmemacherin tätig.
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Produkt

KlappentextDie besten Geschichten vom tollsten Flughafen der Welt ... Kaum ein deutscher Flughafen war so bekannt, beliebt und umstritten wie Berlin-Tegel. Das legendäre Sechseck mit seinen kurzen Wegen brachte Menschen und Schicksale näher zusammen als viele andere Airports. Über 25 Jahre lang haben die Schwestern Julia und Evelyn Csabai hier Fluggastbefragungen durchgeführt und dabei die kuriosen Erlebnisse von Reisenden, Stewardessen, Schalterpersonal, Sicherheitsleuten, Reinigungskräften und Ladenbesitzern aufgeschrieben. Aktualisierte Neuauflage des Beststellers 'Letzter Aufruf Tegel!' - mit über 40 Abbildungen, einer Übersichtskarte und einer Chronologie des Flughafens von den Anfängen bis zur Schließung 'Es geht um Menschliches und allzu Menschliches, immer mit einem sympathischen Hauch von Nostalgie.' SÜDDEUTSCHE ZEITUNG 'Eine Liebeserklärung' DER TAGESSPIEGEL

Evelyn Csabai, geboren und aufgewachsen in Budapest, lebt seit 1989 in Berlin und studierte dort Theater und Filmwissenschaften. Nach jahrelanger Tätigkeit als Filmschauspielerin wurde sie 2000 Partnerin einer Schauspielagentur in Hamburg. Seit 2011 ist sie im Auftrag von Produktionsfirmen für Idee- und Drehbuchentwicklung zuständig. Julia Csabai, geboren in Dresden und aufgewachsen in Budapest, ist Autorin und Regisseurin. Auch sie lebt seit 1989 in Berlin, wo sie Publizistik, Nordamerikastudien und Englische Philologie studierte. Sie arbeitete als Berlin-Korrespondentin für den ungarischen Hörfunk, als freie Kultur-Journalistin und ist seit 1999 als Fernsehjournalistin und Filmemacherin tätig.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783839341360
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2020
Erscheinungsdatum12.10.2020
Seiten304 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse9544 Kbytes
Artikel-Nr.5391656
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe
ANGEKOMMEN - ABGEFLOGEN

EINMAL RUND UMS TERMINAL

 

 

 

Es war ein Freund, der gerade seine Doktorarbeit schrieb und mit einem Nebenjob am Flughafen das nötige Geld dafür verdiente, durch den wir nach Tegel kamen: Wir sollten in seinem Team Passagierumfragen am Flughafen durchführen. Es war die perfekte Tätigkeit für uns. Wir mussten nur zweimal in der Woche arbeiten und hatten genug Geld zum Studieren. Wir lernten viele Menschen kennen, die sich in einer ähnlichen Situation befanden wie wir: Freiberufler, Künstler, Studenten, Doktoranden, Menschen eben, die Geld brauchten, um ihre Ideen und Wünsche zu realisieren. Für uns war klar, dass wir den Job nur vorübergehend machen würden. Doch es kam anders.

Wir arbeiteten weiter und immer weiter am Flughafen, weiß man doch im künstlerischen Bereich nie, ob der nächste Auftrag kommt oder die nächste Idee verkauft werden kann. Obwohl wir manchmal über Monate nicht in Tegel waren, sind wir immer wieder zurückgekehrt. Schon bald wurden wir Teamleiterinnen und koordinierten gemeinsam die Einsätze. Der Job in Tegel war aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Der Flughafen und die Menschen, die dort arbeiteten, die Passagiere, unser immer größer werdendes Team. Die Besucherterrasse, die Ansagen, der Kerosingestank. Die Rollkoffer, das Gedränge, der Cheeseburger-Geruch. Die Penner, die Flaschensammler, die Kaffeeverkäufer. Die Klofrauen, die blonden Damen von der Lufthansa, die brünetten von der Air France. Unsere Tage am Airport wurden unbemerkt eine Sucht.

Es wurden fünfundzwanzig Jahre, in denen wir Schwestern gemeinsam lustige, traurige und einfach interessante Geschichten miterlebt oder gehört haben. Für dieses Buch haben wir uns entschieden, ganz zu einer Person zu werden und als gemeinsames »Ich« zu schreiben. Denn es sind nicht nur Julias Geschichten und nicht nur Evelyns Geschichten. Es sind unsere Geschichten, es ist unser Rückblick auf vergangene Zeiten.

 


Der Flughafen der kurzen Wege wurde immer wieder erweitert


 

Unser Team traf sich meistens unten im Terminal E, eine separierte Halle im Tiefgeschoss mit den reinen Ankunft-Gates 16 bis 18. Daneben befand sich das Bulky Baggage, dort mussten alle als Sperrgepäck deklarierten Gegenstände aufgegeben werden. In dieser unteren Ebene gab es eine ruhigere Ecke, die wir als Treffpunkt, als »Büro« und »Garderobe« benutzten. An diesem Ort saß ich stundenlang, um während unserer Einsatzzeit auf die abgelegten Jacken und Taschen unserer Belegschaft aufzupassen. Hier fanden mich meine Kollegen, wenn sie Fragen hatten, wenn es technische Fehler gab, wenn sie unerwartet Leerlauf hatten und neu disponiert werden konnten. Lange Tage verbrachte ich dort, mitten im Ankunftsgeschehen. Ich muss gestehen, dass ich selbst nach so vielen Jahren keine halbe Stunde bei der Ankunft oder beim Abflug einer Maschine ohne Tränen der Rührung zuschauen kann. Wiedersehen und Abschied sind am Flughafen so präsent, so existenziell, dass man das Gefühl hat, das Leben bestehe aus nichts anderem.

Abflug und Ankunft erlebte man in Tegel direkt und in einträchtiger Nachbarschaft. Während rechts nach einer letzten Umarmung und einem Kuss traurige Gesichter zurückblieben, strahlten links die Wartenden in erwartungsvoller Sehnsucht, die dem glücklichen Wiedersehen vorausgeht. Abschieds- und Freudentränen im großen Fluss der Reisen und Reisenden. Unweigerlich tauchte ich regelmäßig in diesen Fluss ein. Um meinen obligatorischen Rundgang anzutreten. Um zu sehen, ob bei meinen Mitarbeitern alles gut lief, ob sie Hilfe brauchten, Fragen oder Schwierigkeiten hatten. Wie es sich für eine gute Koordinatorin gehört.

 


Außergewöhnliche Architektur: das futuristische Sechseck


 

Ich bat eine Interviewerin, die gerade Pause hatte, auf unsere Siebensachen aufzupassen, während ich nach oben ging. »In einer Viertelstunde bin ich wieder da!« Dieser Satz ist eher eine Floskel gewesen, jeder von uns war sich im Klaren darüber, dass man es - wenn Tegel voll war - niemals schaffte, in nur fünfzehn Minuten die Runde zu machen. Und Tegel war meistens voll.

Ich verließ unsere Basis. Weit kam ich nicht. Aus dem Gate strömte gerade eine Schar von gelandeten Passagieren. Viele von ihnen blieben stehen, warteten auf weitere, die aus dem Gate traten. Es sammelte sich eine größere Gruppe, bunt zusammengewürfelt, ganz unterschiedliche Menschen, jede Generation war vertreten. Ihre Kleider waren farbenprächtig und wirkten eher wie eine Verkleidung. Innerhalb von Minuten verwandelte sich die Wartehalle in eine fröhliche Bühne. Einige jonglierten mit Bällen, Diabolos oder ihren Hüten. Jemand saß plötzlich auf einem Einrad und kreiste um seinen Gesprächspartner. Größere Kinder staksten auf Stelzen hin und her. Zwei Füße tauchten jäh vor meinem Gesicht auf. Sie gehörten einem Mann, der Distanzen bevorzugt im Handstand bewältigte. Ein Baby übte, auf der Handfläche des Großvaters stehend, das Balancieren. Verzaubert stand ich inmitten einer Arena. Mit der Maschine aus Oslo war eine Zirkus-Großfamilie angekommen. Die letzten Monate hatte sie in Norwegen verbracht, nun blieben sie alle eine Weile in Berlin und Umgebung. Die Sippe reiste mit dem Flugzeug von Auftrittsort zu Auftrittsort. Die Mehrheit flog, nur wenige fuhren die Zirkuswagen auf dem Landweg. Die Kinder flogen immer mit, für die Schulpflichtigen war eigens ein Lehrer dabei. So sieht moderne Zirkusromantik aus.

Mein Blick wanderte über das schillernde Ensemble. In Tegel wurden Vorurteile umgeworfen und abgegriffene Klischees überraschend bestätigt. Ja, die ganze Welt ist ein Zirkus ⦠und Tegel war wohl die Manege.

 


Von Tegel in die Welt: Blick in die Haupthalle


 

Endlich erreichte ich die Treppe und begab mich hinauf in die kreisförmige Haupthalle, das Terminal A. Von links nahte ein Chinese, er hielt eine Fahne hoch in die Luft - eine Fahne, auf der »Russland« stand. Er war ein Reiseleiter, dem Hunderte chinesische Reisende gehorsam und still folgten. Bevor mich die riesige Touristengruppe erreichte, ergriff ich die Flucht und entschied mich, rechtsherum zu gehen.

In der Haupthalle herrschte ebenfalls reger Trubel. Bis ich mich durchgeschlängelt hatte, wurde ich in der Regel mehrfach angesprochen. Wo sind die Toiletten, die Busse, und überhaupt, die Gates? Wo ist die Check-in-Halle, die Apotheke, der Abflugbereich? Man brauchte keine Uniform zu tragen, um immer wieder mit Fragen gelöchert zu werden, es reichte ein sichtbarer Flughafenausweis.

Diesmal war es eine malaysische UN-Abgeordnete, die nach London fliegen wollte, die mich ansprach. Sie suchte den Check-in. Die vornehme, sichtlich kultivierte Frau war aufgebracht. Sie verstand den Flughafen Tegel nicht. Allein die Tatsache, dass man direkt am Gate einchecken musste, war für sie unbegreiflich, obwohl sie zweifellos viele Flughäfen dieser Welt kannte. Wahrlich einmalig war es, dass man in Tegel keinen großen Departure-Bereich hatte. Die Abflug- und Ankunft-Gates lagen abwechselnd am Gang des Ringes. Jedes Abflug-Gate hatte sein eigenes Check-in, seinen eigenen Zugang und seine eigene Sicherheitskontrolle in Terminal A. Ich erklärte der Dame diese Abläufe. Nachdem sie eingecheckt hatte, staunte sie weiter: Sie durfte noch nicht ins Gate, die Sicherheitskontrolle war noch geschlossen. Sie war extra rechtzeitig hergekommen, weil sie noch ausgiebig shoppen wollte! Ich beruhigte sie: Ihr würde genug Zeit bleiben. Nach der Kontrolle tat sich keine überdimensionale Welt der Shoppingmeilen auf, wie sie es vermutet hatte und von anderen Flughäfen kannte. Bedingt durch die Architektur des Flughafens, gab es hier nur einen kleinen Travel Value Shop. Um den zu durchstöbern brauchte man keine Stunden. Die UN-Delegierte stand verloren da, bis sie von einer Luftsicherheitsassistentin herangewunken wurde. Endlich durfte sie rein! Erleichtert nickte sie mir zu. Ich sah, wie sie nach der Sicherheitskontrolle im Gate stehen blieb und sich erst suchend, dann verdutzt umguckte. Schließlich entdeckte sie den kleinen, aber feinen Shop. Man sah förmlich, wie ihr der Kinnladen herunterklappte, doch dann breitete sich ein Lächeln auf ihren Gesichtszügen aus. Die Panik war Zufriedenheit gewichen. Weniger ist eben oft mehr.

Ich entdeckte vor dem nächsten Gate eine meiner neuen Mitarbeiterinnen, die gerade ihren allerersten Arbeitseinsatz hinter sich hatte. Verstört kam sie auf mich zu. »Mein Interviewpartner eben war ein sehr netter Mann, höflich und zuvorkommend. Ich habe ihn angesprochen, weil ich mich gefreut habe, mit ihm Spanisch zu sprechen, meine Mutter ist ja Spanierin. Er war Mexikaner. Nach meiner ersten Frage fing er an zu schluchzen. Der Arme war nicht in der Lage, ruhig weiterzusprechen, mit gepresster Eunuchen-stimme vertraute er mir an, dass er nach Mexiko fliegt, um seine Mutter zu beerdigen.«

Ich erinnerte mich an ein Interview in Tegel, das ich auf Bulgarisch geführt habe: Ich freute mich sehr darüber, wieder einmal diese Sprache zu sprechen; meine Mama kam aus Bulgarien. Ich sprach eine der Bulgarinnen an. Sie lebte in Berlin, weil ihr Mann an der Deutschen...
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Autor

Evelyn Csabai, geboren in Budapest, lebt seit 1989 in Berlin und studierte dort Theater- und Filmwissenschaften. Nach jahrelanger Tätigkeit als Filmschauspielerin wurde sie 2000 Partnerin in der Schauspielagentur Katja Albrecht in Hamburg. Seit 2011 ist sie im Auftrag von Produktionsfirmen für Idee- und Drehbuchentwicklung zuständig.
Julia Csabai, geboren in Dresden, ist Autorin und Regisseurin. Sie lebt seit 1989 in Berlin, wo sie Publizistik, Nordamerikastudien und Englische Philologie studierte. Sie arbeitete als Berlin-Korrespondentin für den ungarischen Hörfunk, als freie Kulturjournalistin und ist seit 1999 als Fernsehjournalistin und Filmemacherin tätig.