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Die Glasperlenmädchen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
528 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am26.04.2021
Eine Familie getrennt durch die Wirren des Kriegs und eine mitreißende Suche, die ein ganzes Jahrhundert umspannt.
1987: Als die Lehrerin Benedetta das erste Mal die Schule in Augustine, Louisiana, betritt, ist nichts wie erwartet - schon gar nicht ihre Schüler. Erst als sie die Klasse für ihre eigene Vergangenheit begeistert, beginnen die Kinder ihr zu vertrauen. Gemeinsam erforschen sie die Geschichte des Ortes und stoßen dabei auf eine alte Vermisstenanzeige.
1875: Nachdem der Bürgerkrieg das Land verwüstet hat, werden drei Frauen auf ihrer Reise zu Weggefährtinnen: Lavinia, die Tochter weißer Plantagenbesitzer, ihre Halbschwester Juneau Jane sowie Hannie, eine ehemalige Sklavin. Während Lavinia und Juneau um ihr Erbe kämpfen, sucht Hannie nach ihrer Familie, die einst von Sklavenhändlern verschleppt wurde. Nur drei blaue Glasperlen und eine Zeitungsannonce sind ihr als Mittel geblieben, um ihre Liebsten wiederzufinden ...
Nach »Libellenschwestern« endlich der neue bewegende Roman von SPIEGEL-Bestsellerautorin Lisa Wingate - inspiriert von einer wahren Begebenheit!

Die Amerikanerin Lisa Wingate, geboren im rheinischen Landstuhl, ist Journalistin und Autorin mehrerer preisgekrönter Romane. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit »Libellenschwestern«. Der Roman führte nicht nur die »New York Times«-Bestsellerliste über ein Jahr hinweg an, er eroberte auch die SPIEGEL-Bestsellerliste sowie Tausende Leser*innenherzen im Sturm. Die Autorin lebt in den Ouachita Mountains in Arkansas, USA.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine Familie getrennt durch die Wirren des Kriegs und eine mitreißende Suche, die ein ganzes Jahrhundert umspannt.
1987: Als die Lehrerin Benedetta das erste Mal die Schule in Augustine, Louisiana, betritt, ist nichts wie erwartet - schon gar nicht ihre Schüler. Erst als sie die Klasse für ihre eigene Vergangenheit begeistert, beginnen die Kinder ihr zu vertrauen. Gemeinsam erforschen sie die Geschichte des Ortes und stoßen dabei auf eine alte Vermisstenanzeige.
1875: Nachdem der Bürgerkrieg das Land verwüstet hat, werden drei Frauen auf ihrer Reise zu Weggefährtinnen: Lavinia, die Tochter weißer Plantagenbesitzer, ihre Halbschwester Juneau Jane sowie Hannie, eine ehemalige Sklavin. Während Lavinia und Juneau um ihr Erbe kämpfen, sucht Hannie nach ihrer Familie, die einst von Sklavenhändlern verschleppt wurde. Nur drei blaue Glasperlen und eine Zeitungsannonce sind ihr als Mittel geblieben, um ihre Liebsten wiederzufinden ...
Nach »Libellenschwestern« endlich der neue bewegende Roman von SPIEGEL-Bestsellerautorin Lisa Wingate - inspiriert von einer wahren Begebenheit!

Die Amerikanerin Lisa Wingate, geboren im rheinischen Landstuhl, ist Journalistin und Autorin mehrerer preisgekrönter Romane. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit »Libellenschwestern«. Der Roman führte nicht nur die »New York Times«-Bestsellerliste über ein Jahr hinweg an, er eroberte auch die SPIEGEL-Bestsellerliste sowie Tausende Leser*innenherzen im Sturm. Die Autorin lebt in den Ouachita Mountains in Arkansas, USA.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641268916
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum26.04.2021
Seiten528 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2239 Kbytes
Artikel-Nr.5393299
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


KAPITEL 1
Hannie Gossett

LOUISIANA, 1875

Der Traum kommt mitten im seelenruhigen Schlaf, wie so viele Male zuvor, erfasst mich wie ein Staubwedel die Flusen in vergessenen Ecken. Schon schwebe ich dahin, zwölf Jahre in die Vergangenheit, aus dem Körper einer fast erwachsenen Frau in den einer Sechsjährigen, sehe das Bild, das sich in meine Augen damals eingebrannt hat.

Käufer versammeln sich auf dem Hof des Sklavenmarkts, als ich durch die Lücken im Staketenzaun des Verschlags spähe. Der Boden unter mir ist eiskalt, festgetrampelt von zahllosen Füßen, die vor mir hier gestanden haben - große Füße wie die von meiner Mama, aber auch kleine wie meine eigenen und die von Mary Angel. Zehen und Hacken, die tiefe Dellen und Furchen im Matsch hinterlassen haben.

Wie viele haben hier schon vor mir gestanden?, überlege ich. Wie viele Menschen, mit hämmernden Herzen und angespannten Muskeln, aber ohne die Chance zu entkommen?

Hundert könnten es gewesen sein, vielleicht sogar noch mal hundert oder Hunderte mehr. Überall Fußabdrücke, paarweise Fersen, zehnerweise Zehen. So weit kann ich noch gar nicht zählen. Erst vor wenigen Monaten bin ich sechs geworden. Jetzt ist Feb-Feb-u-bah-bah, ein Wort, das ich nicht richtig aussprechen kann, deshalb hört es sich an wie das Blöken eines Schafs. Meine Geschwister ärgern mich ständig damit, alle acht, sogar die jüngeren. Meistens haben wir miteinander gerangelt, wenn Mama bei der Arbeit auf dem Feld oder im Spinnhaus war, wo sie die Wolle verzwirnen und weben. Dann hat jedes Mal unsere ganze Holzhütte gewackelt und gebebt, bis einer durchs Fenster oder zur Tür rausgefallen ist und zu weinen angefangen hat. Worauf natürlich Ol´Tati mit dem Rohrstock angelaufen gekommen ist und geschimpft hat: »Wenn ihr elenden Bälger nicht gleich Ruhe gebt, setzt es ´ne anständige Tracht Prügel.« Sie hat uns spielerisch Klapse auf den Hintern und die Beine verpasst, und wir sind weggerannt und dabei übereinander drüber gefallen wie eine Horde kleiner Ziegen, die durchs Tor drängeln. Wir haben uns unter den Betten versteckt, aber es hat nichts genützt, weil hier ein Ellbogen, da ein Knie vorgelugt hat.

Aber damit ist längst Schluss. Alle von Mamas Kindern wurden fortgebracht, einzeln oder zu zweit. Jenny Angel und drei ihrer vier Mädchen sind auch weg, verkauft auf Sklavenmärkten wie diesem hier, von Süd-Louisiana bis fast rüber nach Texas. Ich muss mich anstrengen, um mich zu erinnern, wohin es uns alle verschlagen hat. Jeden Tag ist unsere Familie weiter geschrumpft, während wir hinter Jep Loachs Karren herschlurfen mussten - die erwachsenen Sklaven mit Ketten um die Handgelenke, während uns Kindern nichts anderes übrig blieb, als ihnen zu folgen.

Am schlimmsten sind die Nächte. Wir können bloß hoffen, dass Jep Loach schnell einschläft, weil er müde vom Whiskey und der langen Reise ist. Denn dann passieren die schlimmen Sachen nicht, anfangs Mama und Tante Jenny, aber jetzt nur noch Mama allein, weil Jenny weg ist. Bloß Mama und ich sind übrig. Und Aunt Jennys Jüngste, die kleine Mary Angel.

Wann immer sie kann, flüstert Mama mir die Worte ins Ohr - wem sie uns weggenommen haben, wie die Männer heißen, die sie vom Versteigerungspodest heruntergekauft und wohin sie sie gebracht haben - zuerst Aunt Jenny und ihre drei älteren Mädchen, dann meine Brüder und Schwestern, dem Alter nach sortiert. Hardy in Big Creek verkauft an einen Mann namens LeBas aus Woodville. Het in Jatt gekauft von einem Mann namens Palmer aus Big Woods ...

Prat, Epheme, Addie, Easter, Ike und Baby Rose. Sie alle wurden meiner Mutter in einer Stadt namens Bethany aus den Armen gerissen. Baby Rose hat geweint, und Mama hat sich aus Leibeskräften dagegen gewehrt. »Wir müssen zusammenbleiben. Das Baby ist noch nicht entwöhnt. Es braucht noch seine Mama ...«, hat sie gefleht und gebettelt.

Sosehr ich mich heute auch dafür schäme, aber ich habe an Mamas Rockzipfel gehangen und geschrien: »Mama, nein! Mama, nein! Mama! Nicht!« Am ganzen Leib hab ich gezittert und war völlig durcheinander, halb verrückt vor Angst, die könnten mir meine Mama wegnehmen, und dann würde ich ganz allein zurückbleiben, nur mit meiner kleinen Cousine Mary, wenn der Karren davonfährt.

Jep Loach hatte von Anfang an geplant, uns loszuwerden und das Geld einzusacken, jetzt allerdings verkauft er in jedem Ort nur einen oder zwei, damit es nicht auffällt. Sein Onkel hätte ihm die Erlaubnis dafür gegeben, behauptet er, aber das stimmt nicht. Old Marse und Old Missus wollten, dass er tut, was alle gerade im Süden von Louisiana tun, seit die Yankees in ihren Kanonenbooten den Fluss von New Orleans heraufgekommen sind - ihre Sklaven nach Westen schaffen, damit die Federals uns nicht befreien können. Wir sollen auf dem Gossett-Anwesen in Texas bleiben, bis der Krieg vorbei ist. Deshalb haben sie uns mit Jep Loach losgeschickt, aber der hat uns stattdessen gestohlen.

»Wenn Marse Gossett herausfindet, dass Jep Loach ihn übern Tisch gezogen hat, kommt er uns holen«, hat Mama wieder und wieder versprochen. »Und dann spielt es auch keine Rolle mehr, dass er der Neffe von Old Missus ist. Marse schickt Jep geradewegs zur Armee, und dann muss er in den Krieg ziehen. Jep trägt die graue Uniform bloß noch nicht, weil Marse dafür zahlt, dass er nicht eingezogen wird. Aber damit ist dann Schluss, und Jep ist für immer weg. Wart´s nur ab. Und deshalb sagen wir uns immer wieder die Namen der Käufer laut vor, damit wir wissen, wo wir suchen müssen, wenn Old Marse uns holen kommt. Merk´s dir gut, damit du es sagen kannst, wenn du als Erste gefunden wirst.«

Doch die Hoffnung ist so schwach wie die fahle Wintersonne, die durch die Planken unseres Verschlags auf dem Sklavenmarkt fällt. Nur Mama, ich und Mary Angel sind noch da, und eine von uns wird auch heute verkauft werden. Mindestens. Damit hat Jep Loach noch mehr Geld in der Tasche, und alle Übrigen müssen mit ihm weiterziehen. Er wird sich sowieso als Erstes Schnaps davon kaufen, ohne sich darum zu scheren, dass er sein eigen Fleisch und Blut bestiehlt. Die ganze Familie von Old Missus - die Loaches - sind faule Äpfel, verrottet bis ins Mark, und Jep ist der Schlimmste von allen, schlimmer noch als Old Missus selbst, die der Teufel ist.

»Komm her, Hannie«, sagt Mama. »Komm her zu mir.«

Plötzlich geht die Tür auf. Ein Mann packt Mary Angel an ihrem dünnen Ärmchen, während Mama sie fest umklammert hält. Tränen strömen ihr übers Gesicht, als sie dem Kerl, einem Baum von einem Mann und so dunkel wie die Augen eines Hirschs, zuflüstert: »Wir gehören gar nicht ihm. Er hat uns Marse William Gossett gestohlen, dem Besitzer der Goswood Grove Plantage, unten an der River Road, südlich von Baton Rouge. Wir sind verschleppt worden. Wir ...«

Sie fällt auf die Knie, schlingt schützend die Arme um Mary Angel. »Bitte. Bitte! Meine Schwester Jenny hat dieser Kerl schon verkauft. Und all ihre Kinder, bis auf die Kleine hier, und meine Kinder auch, nur Hannie ist noch hier. Lasst doch wenigstens uns drei zusammenbleiben. Nimm uns mit, alle drei. Sag deinem Master, die Kleine hier ist zu schwach, um allein zu bleiben. Sag ihnen, wir können nur zu dritt verkauft werden. Sag ihm, wir wurden Marse William Gossett von Goswood Grove gestohlen, unten an der River Road. Man hat uns gestohlen. Gestohlen!«

Der Mann stöhnt bloß. »Ich kann da nichts machen. Keiner kann da was machen. Du machst es bloß noch schwerer für die Kleine, es nützt alles nix. Zwei werden heute weggebracht, aber nicht zusammen, sondern jede für sich. Zuerst die eine, dann die andere.«

»Nein!« Mama kneift die Augen zusammen, schlägt sie wieder auf und sieht dem Mann ins Gesicht. »Sag meinem Master William Gossett wenigstens, wo man uns hingebracht hat, wenn er uns holen kommt«, stößt sie hervor, wobei ihr die Tränen übers Gesicht laufen. »Sag ihm die Namen von denen, die uns mitgenommen haben, und wohin sie uns bringen. Old Marse Gossett wird uns dann schon finden und uns nach Texas bringen, wo wir bleiben können, bis der Krieg vorbei ist.«

Der Mann gibt keine Antwort. Mama wendet sich Mary Angel zu und zieht ein handgewebtes braunes Stoffstück heraus, das sie unterwegs aus dem Saum von Jenny Angels schwerem Winterunterrock getrennt hat. Eigenhändig haben Mama und sie fünfzehn kleine Halsbänder gebastelt, mit Fäden, die sie aus den Jutesäcken auf dem Karren stibitzt haben.

An jedem hängen drei blaue Glasperlen von der Kette, die Grandma immer wie ihren Augapfel gehütet hat. Sie waren ihre größte Kostbarkeit, mitgebracht aus dem fernen Afrika. Dorther kamen meine Großeltern. An langen Winterabenden hat sie uns davon erzählt, wenn wir uns im Schein der Talgkerze zu ihren Füßen geschart haben - von Afrika, wo all unsere Vorfahren gelebt hatten, als Königinnen und Prinzen.

Blau ist die Farbe der Treue. Diese Perlen bedeuten, dass die Familie immer zusammenhält, egal, wo wir sind, sagte sie dann und lächelte, ehe sie die Perlenschnur hervorzog und herumgehen ließ. Ehrfürchtig haben wir sie berührt, ihr Gewicht in den Händen gewogen und dabei einen Hauch dieser Heimat in der Ferne erfühlt ... und die Bedeutung der Farbe Blau.

Und nun hat sie die Schnur mit den drei Perlen in der Hand, die meine kleine Cousine mitbekommen soll.

Mama umfasst Mary Angels Kinn. »Das hier ist ein Versprechen.« Sie schiebt ihr die Perlen in den Ausschnitt und bindet ihr die Schnur um den Hals, der immer noch viel zu dünn...

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Die Amerikanerin Lisa Wingate, geboren im rheinischen Landstuhl, ist Journalistin und Autorin mehrerer preisgekrönter Romane. Ihren großen Durchbruch feierte sie mit »Libellenschwestern«. Der Roman führte nicht nur die »New York Times«-Bestsellerliste über ein Jahr hinweg an, er eroberte auch die SPIEGEL-Bestsellerliste sowie Tausende Leser*innenherzen im Sturm. Die Autorin lebt in den Ouachita Mountains in Arkansas, USA.