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Schöner denn je

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
176 Seiten
Deutsch
Suhrkamp Verlag AGerschienen am20.06.20211. Auflage
Mit unverwechselbar trockenem Humor lässt Hans-Ulrich Treichel seinen sehnsüchtig zaudernden Helden durch das ummauerte Westberlin streifen - einen Melancholiker, der wenig später das tut, wovon er eben noch behauptet hat, es besser bleiben zu lassen. Und man kann sich sicher sein: Am Ende hat alles eine Bedeutung.

Einmal so wie Erik sein! Das hatte sich Andreas immer gewünscht und sich von Jugend an um eine Freundschaft mit dem beneidenswert gelassenen, aber unnahbaren Erik bemüht. Erik, der immer besser war, was die Schulnoten, die Beliebtheit bei den Mädchen oder den Sport betraf. Auch als sie sich zwanzig Jahre später in Berlin zufällig begegnen, hat sich nichts geändert: Aus Andreas ist gerade mal ein Romanist in der Lehrerfortbildung geworden, während Erik es als Filmarchitekt in die glamouröse Welt Hollywoods und in die Nähe bekannter Filmstars geschafft hat - zum Beispiel Hélènes, einer weltberühmten Schauspielerin. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet diese Hélène, für die Andreas sein Leben lang geschwärmt hat, von der Leinwand herabsteigen und für einige Tage leibhaftig in sein Leben treten würde? Dank Erik zwar, aber ohne ihn.



Hans-Ulrich Treichel, am 12.8.1952 in Versmold/Westfalen geboren, lebt in Berlin und Leipzig. Er studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1984 mit einer Arbeit über Wolfgang Koeppen. Er war Lektor für deutsche Sprache an der Universität Salerno und an der Scuola Normale Superiore Pisa. Von 1985-1991 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin und habilitierte sich 1993. Von1995 bis 2018 warHans-Ulrich Treichel Professor am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Seine Werke sind in 28 Sprachen übersetzt.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextMit unverwechselbar trockenem Humor lässt Hans-Ulrich Treichel seinen sehnsüchtig zaudernden Helden durch das ummauerte Westberlin streifen - einen Melancholiker, der wenig später das tut, wovon er eben noch behauptet hat, es besser bleiben zu lassen. Und man kann sich sicher sein: Am Ende hat alles eine Bedeutung.

Einmal so wie Erik sein! Das hatte sich Andreas immer gewünscht und sich von Jugend an um eine Freundschaft mit dem beneidenswert gelassenen, aber unnahbaren Erik bemüht. Erik, der immer besser war, was die Schulnoten, die Beliebtheit bei den Mädchen oder den Sport betraf. Auch als sie sich zwanzig Jahre später in Berlin zufällig begegnen, hat sich nichts geändert: Aus Andreas ist gerade mal ein Romanist in der Lehrerfortbildung geworden, während Erik es als Filmarchitekt in die glamouröse Welt Hollywoods und in die Nähe bekannter Filmstars geschafft hat - zum Beispiel Hélènes, einer weltberühmten Schauspielerin. Doch wer hätte gedacht, dass ausgerechnet diese Hélène, für die Andreas sein Leben lang geschwärmt hat, von der Leinwand herabsteigen und für einige Tage leibhaftig in sein Leben treten würde? Dank Erik zwar, aber ohne ihn.



Hans-Ulrich Treichel, am 12.8.1952 in Versmold/Westfalen geboren, lebt in Berlin und Leipzig. Er studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1984 mit einer Arbeit über Wolfgang Koeppen. Er war Lektor für deutsche Sprache an der Universität Salerno und an der Scuola Normale Superiore Pisa. Von 1985-1991 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin und habilitierte sich 1993. Von1995 bis 2018 warHans-Ulrich Treichel Professor am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Seine Werke sind in 28 Sprachen übersetzt.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783518767870
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum20.06.2021
Auflage1. Auflage
Seiten176 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1744 Kbytes
Artikel-Nr.5407278
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe



10


Noch während wir das Hotel verließen und über den Mietwagen sprachen, der vor dem Hotel für uns bereitstand, verstärkte sich mein Eindruck, dass sie sich gleichsam von Minute zu Minute ähnlicher wurde. Ihre Erscheinung näherte sich ihrer Stimme, und die Dame aus der Hotelhalle wurde mehr und mehr zu Hélène Grossman, der berühmten, bewunderten. Zugleich erhöhte sich das Maß an Vertrautheit zwischen uns, was sich ganz beiläufigen Gesten ihrerseits verdankte. So drückte sie mir, als wir das Hotel verließen und zum Wagen gingen, einem weißen Mercedes 450 SEL, ihre Regenjacke, die sie sich bisher offen über die Schultern gehängt hatte, in die Hand: »Hier!« Ich sagte »Danke« und freute mich über den Vertrauensbeweis.

Jemand anders hätte vielleicht gedacht, dass sie mich wie einen Dienstboten behandelte oder wie ihren Assistenten oder eben Chauffeur. Darauf kam ich gar nicht. Auch dann nicht, als sie mir gleich danach den Wagenschlüssel übergab. Ich war ja auch nicht ihr Chauffeur, sondern spielte ihn nur, und sie hatte trotzdem etwas davon. Und da ich meine Rolle gut spielen wollte, hielt ich ihr die hintere rechte Wagentür auf, worauf sie allerdings sagte: »Werfen Sie die Jacke hier rein, ich komme nach vorn.« Mehr Vertrauen ging nicht. Wir waren nicht Filmdiva und Chauffeur, sondern Fahrer und Beifahrerin. Vielleicht würde sie auch einen Apfel schälen und zerteilen und mir während der Fahrt stückchenweise reichen oder eine Zigarette anzünden und mir zwischen die Lippen stecken. Wer weiß. Ich hatte schon fast ein Gefühl von freundschaftlicher Verbundenheit, obwohl wir uns erst seit einer Viertelstunde persönlich kannten. So unkompliziert hatte ich mir die berühmte Hélène Grossman nicht vorgestellt, auch wenn ich natürlich wusste beziehungsweise des Öfteren gehört hatte, dass gerade sehr berühmte Menschen genauso wie sehr hochrangige Aristokraten und vielfache Millionäre die umgänglichsten Menschen seien. Ich hatte davon gehört, es aber für ein - wenn auch positives - Vorurteil gehalten. Meines Erachtens war es noch immer so, wie Lieschen Müller und auch ich sich das vorstellten: Je berühmter, je adliger, je reicher - desto schwieriger. Doch vielleicht würde ich nun eines Besseren belehrt werden.

In Wahrheit war ich schon eines Besseren belehrt worden. Hélène saß wie eine brave Cousine neben mir auf dem Beifahrersitz und wartete. Ganz normal und ganz bescheiden wartete sie darauf, dass es endlich losging. Allerdings wartete auch ich. Das Warten hatte in dem Moment ein Ende, als wir beide beinahe gleichzeitig sagten: »Wohin fahren wir?« Dabei schaute sie mich an und ich sie. Was für sich genommen ein sehr schöner Moment war, als wir uns so anschauten. Möglicherweise hatte sie mich in diesem Moment zum ersten Mal wirklich wahrgenommen. Und zwar nicht als einen zufälligen Menschen namens Andreas, der sich als Fahrer zur Verfügung gestellt hatte, sondern als Individuum. Wobei sie mich länger anschaute als ich sie, so dass ich einen gewissen Prüfungsdruck spürte, der aber sofort wieder verschwand, als sie mich fragte, was ich beruflich mache. Dass ich Romanist sei, hatte ich ihr ja bereits gesagt. Vielleicht hatte sie es vergessen. Um mich nicht zu wiederholen, sagte ich »Romanische Philologie«, was sie einen Moment nachdenken und aus dem Wagenfenster Richtung Kudamm schauen ließ, um mich dann zu fragen, ob man denn davon leben könne. »Wenn man einen Job hat, schon«, sagte ich, worauf sie zurückfragte: »Und?«

Gut, dass ich nicht arbeitslos war. Normalerweise gehörte es sich nicht, Geistes- und Literaturwissenschaftler so direkt nach ihrer beruflichen Situation zu fragen. Zumeist verspannte sich dann die Konversation, denn die meisten hatten zwar studiert und womöglich auch einen Doktortitel, doch noch längst keinen Job. Ich selbst hatte es mir darum auch zur Angewohnheit gemacht, mich bei Geistes- und Literaturwissenschaftlern niemals nach ihrer beruflichen Tätigkeit zu erkundigen, sondern immer nur nach ihren fachlichen Schwerpunkten. Falls sie irgendwo eine feste Stelle hatten, würde es ohnehin nicht lange dauern, bis sie es einen wissen ließen. Falls sie es einen aber nicht wissen ließen, dann waren sie arbeitslos. Also hielt ich mich zurück. Fragte nach dem Thema der Magister- oder Doktorarbeit. Über den Stand der Gryphius-, Goethe- oder Kafka-Forschung konnte man dann stundenlang reden. Und gern auch über Methodenprobleme. So dass jeder am Ende der Begegnung friedlich seines Weges ging. Der arbeitslose Akademiker, weil er nicht in Verlegenheit gebracht worden war, und ich selbst, weil ich mich als rücksichtsvoll erwiesen hatte. Das tat auch mir gut, diese Art von Rücksicht.

Allerdings brauchte sich Hélène um solche Feinheiten nicht zu kümmern. Wer von den Leuten, mit denen sie zu tun hatte, kein Schauspieler, Regisseur oder Produzent war, der war eben etwas anderes. Lehrer, Lokomotivführer, Tischler, Pilot, Arzt, Bankangestellter oder was auch immer. Beziehungsweise Filmarchitekt. Über Erik hatten wir noch gar nicht gesprochen. Das würde sicher noch passieren, und mir war nicht sehr wohl bei dem Gedanken. Wenn Erik erst einmal zum Thema wurde, dann war ich womöglich abgeschrieben. Niemand war so interessant wie Erik. Das empfand ich ja selbst so. Warum sollte es Hélène nicht genauso gehen? Insofern tat ich gut daran, ihrem Interesse an mir, das ich in diesem Moment gar nicht erwartet hatte, so offen wie möglich zu entsprechen. Was allerdings auch hieß, dass ich mich zu meiner Arbeit als Fachdidaktiker bekannte. Warum auch nicht? Nicht jeder Mensch konnte ein berühmter Schauspieler beziehungsweise eine berühmte Schauspielerin sein. Es musste auch Fachdidaktiker geben. Also sagte ich: »Ich arbeite als Fachdidaktiker für Französisch.« Wieder schwieg sie, schaute noch immer Richtung Kudamm, von wo auf dem Bürgersteig gerade eine Person Richtung Hoteleingang einbog, die nicht nur mir bekannt vorkam, sondern eine stadtbekannte Erscheinung war: eine ältere, eher kleingewachsene, aber auffällig blondierte Dame in lederner Motorradkluft, allerdings ohne Helm und auch ohne Motorrad und stattdessen behängt mit gleich mehreren Fototaschen und Fotoapparaten.

»Die kenne ich«, sagte ich, weil mir das Erscheinen dieser Frau einen gewissen Schrecken eingejagt hatte. Ich hatte sie schon des Öfteren gesehen, auch bei irgendwelchen Freiluftveranstaltungen, wo sie neben der Fotoausrüstung auch noch eine Trittleiter dabeihatte. »Ich auch«, ergänzte Hélène jetzt und schob ein kräftiges »Merde« nach. »BZ«, sagte ich. »Scheiße«, sagte Hélène, was sie nicht hätte sagen müssen, ich wusste ja, was »merde« bedeutete. Und dann sagte sie noch: »Die wissen, dass ich hier bin.« »Die Frau an der Rezeption wahrscheinlich«, sagte ich. »Das kann nicht sein«, erwiderte Hélène, »sie weiß ja, dass wir mit dem Wagen unterwegs sind.« Was wir aber noch gar nicht waren. Entweder wollte die Fotografin uns noch in der Hotelhalle erwischen, hatte sich aber verspätet, was durchaus möglich war angesichts der vielen Gerätschaften, die sie mit sich herumschleppte. Oder aber sie wollte uns bei der Rückkehr im Hotel auflauern, in aller Ruhe und egal wie lange es dauerte. Jetzt während der Sommerflaute war so ein Hélène-Schnappschuss auf jeden Fall Gold wert. Ich sah die BZ-Schlagzeile bereits vor mir: Hélène Grossman heimlich in Berlin. Wer ist der Mann an ihrer Seite? Was ja noch vorteilhaft wäre. Negative Schlagzeilen hinsichtlich der Erwähnung meiner Person wollte ich mir jetzt nicht ausdenken. Besser wäre, erst einmal loszufahren. »Ich fahre schon mal los«, sagte ich dann auch, und Hélène erwiderte: »Allons enfants!«, was ich lustig fand und worauf ich den Wagen, der meines Erachtens eine Nummer zu groß geraten war, in Bewegung setzte.

Wohin ich fahren sollte, war noch immer nicht geklärt. Erst mal weg, war die Parole, so dass ich in den Kudamm einbog und Richtung Halensee fuhr, um danach Richtung Avus und Griebnitzsee weiterzufahren. Erst einmal Zeit gewinnen und Kilometer fressen, zumindest im Rahmen dessen, was in Westberlin möglich war. Hélène würde schon noch einfallen, wo ich sie hinbringen sollte. Ich setzte den Wagen in Gang, was kein Problem war, obwohl ich noch nie einen Mercedes und schon gar nicht einen dieses Typs gefahren hatte. Auch nicht leihweise. Allerdings gab es bereits an der nächsten Kreuzung eine längere Unterbrechung, weil offenbar ein Radrennen stattfand, das über die Uhlandstraße ging. Der Verkehr...

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Autor

Hans-Ulrich Treichel, am 12.8.1952 in Versmold/Westfalen geboren, lebt in Berlin und Leipzig. Er studierte Germanistik an der Freien Universität Berlin und promovierte 1984 mit einer Arbeit über Wolfgang Koeppen. Er war Lektor für deutsche Sprache an der Universität Salerno und an der Scuola Normale Superiore Pisa. Von 1985-1991 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter für Neuere Deutsche Literatur an der FU Berlin und habilitierte sich 1993. Von1995 bis 2018 warHans-Ulrich Treichel Professor am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Seine Werke sind in 28 Sprachen übersetzt.