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Das Glück meiner Mutter

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Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am15.03.20211. Auflage
Eine Lebenskrise, ein Ferienhaus in Italien, eine fremde Frau und endlich: Antworten Der Schriftsteller Phillip Dorn  nimmt sich eine Auszeit und fährt über die Alpen nach Norditalien. In der Abgeschiedenheit seines Ferienhauses, bei Espresso und Rotwein, lässt er die Gedanken schweifen. Zu Brigitte und nicht zuletzt zu seiner Mutter, der er so nahestand und der er doch den größten Schmerz ihres Lebens zufügte. Eines Nachts reißt eine Fremde ihn aus seinen Erinnerungen, als sie heimlich seinen Pool benutzt. Die beiden kommen ins Gespräch, kommen einander näher - was Phillip nicht weiß, ist, dass sie der Schlüssel zu seiner drängendsten Frage ist. »Thommie Bayers Romane trösten. Sie sind Balsam für die Seele.« SWR 2

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm die Romane »Das Glück meiner Mutter«, »Das innere Ausland« und der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück«.und zuletzt »Einer fehlt«. Thommie Bayer lebt mit seiner Frau in Staufen bei Freiburg.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBDRM AdobeE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine Lebenskrise, ein Ferienhaus in Italien, eine fremde Frau und endlich: Antworten Der Schriftsteller Phillip Dorn  nimmt sich eine Auszeit und fährt über die Alpen nach Norditalien. In der Abgeschiedenheit seines Ferienhauses, bei Espresso und Rotwein, lässt er die Gedanken schweifen. Zu Brigitte und nicht zuletzt zu seiner Mutter, der er so nahestand und der er doch den größten Schmerz ihres Lebens zufügte. Eines Nachts reißt eine Fremde ihn aus seinen Erinnerungen, als sie heimlich seinen Pool benutzt. Die beiden kommen ins Gespräch, kommen einander näher - was Phillip nicht weiß, ist, dass sie der Schlüssel zu seiner drängendsten Frage ist. »Thommie Bayers Romane trösten. Sie sind Balsam für die Seele.« SWR 2

Thommie Bayer, 1953 in Esslingen geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Stories, Gedichte und Romane zu schreiben. Neben anderen erschienen von ihm die Romane »Das Glück meiner Mutter«, »Das innere Ausland« und der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman »Eine kurze Geschichte vom Glück«.und zuletzt »Einer fehlt«. Thommie Bayer lebt mit seiner Frau in Staufen bei Freiburg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492997904
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisDRM Adobe
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum15.03.2021
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse3086 Kbytes
Artikel-Nr.5413371
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

2

Als irgendwo im Haus eine Tür knallte und gleich darauf im Hof jemand den Deckel einer Mülltonne zufallen ließ, war es kurz vor acht, und die Sonne schien ins Zimmer. Ein paar Minuten später hätten ihre Strahlen mein Gesicht erreicht und mich ohnehin geweckt. Ein Amselmännchen gab sein Bestes, um von einer stummen Zuhörerin in Betracht gezogen zu werden, und ich stand auf, öffnete die anderen Fenster in der Wohnung, stellte die Espressomaschine an und ging unter die Dusche.

~

Pünktlich um neun wartete ich mit drei anderen vor der Tür der Zulassungsstelle, und kurz vor zehn hatte ich die Nummernschilder anmontiert und packte die roten in den vorbereiteten Umschlag.

»Wir nehmen sonst immer die Initialen«, hatte die Frau mit skeptischem Blick auf meinen Ausweis gesagt, »aber zusammen mit ...«

»Auf keinen Fall«, unterbrach ich sie, »da müsste ich die Stadt wechseln.«

Sie lächelte erleichtert und gab mir die Buchstabenkombination N-ZZ 1805, nachdem sie mir alles Gute zum Geburtstag gewünscht hatte.

Meinen Koffer und den Rucksack mit der Kapselmaschine, ohne die ich nicht mehr verreise, hatte ich schon im Kofferraum, also konnte ich, nachdem ich den Umschlag mit den Nummernschildern bei der Post losgeworden war, sofort in Richtung Süden aufbrechen.

~

Den dichten Verkehr um München herum hatte ich schon kurz nach Mittag hinter mir, weil ich Joe Louis die linke Spur gezeigt und keinen Gedanken ans Musikhören verschwendet hatte.

Das holte ich nach, nachdem ich am Rasthof Irschenberg für einen Cappuccino und ein Sandwich angehalten hatte, ich stellte den Tempomaten auf hundertzwanzig und hörte das gemeinsame Live-Album von Dalla und De Gregori, schlängelte mich entspannt zwischen Lastwagen und Sprintern hindurch ins immer grauer werdende Wetter über den Alpen.

Ab Innsbruck regnete es, am Brenner schlich der Verkehr mit fünfzig dahin, und die Scheibenwischer schlugen so heftig wie vergeblich nach den dicken Wasserschleiern, durch die alles, was man sehen konnte, irreal und deformiert wirkte.

Ich näherte mich Bozen, als der Himmel wieder restlos blau war, den Tempomaten hatte ich kurz davor auf hundertdreißig eingestellt, und ich überlegte, ob ich von der Autobahn abfahren und an der Westseite des Gardasees nach einer Unterkunft für die Nacht suchen, mich von Riva nach Saló am Ufer entlanghangeln und meinen aufgegebenen Träumen von einem Domizil zwischen Zitronenbäumen nachhängen sollte, aber es war erst Nachmittag, viel zu früh, um schon den Schwung zu verlieren, also überließ ich mich der Magie des beständigen Vorankommens und dachte erst in der Nähe von Verona wieder daran, mein Tempo zu drosseln.

~

Vor vierzehn Jahren war ich hier mit Bettina gestrandet. Wir hatten nach Venedig gewollt, aber der Jaguar, mein erster, war einfach stehen geblieben wie ein stures, schlecht gelauntes Muli und hatte, anstatt den Motor zu starten, nur ein spöttisches Husten von sich gegeben. Zum Glück geschah das auf einer Raststätte, und zum Glück schickte die Versicherung einen Abschleppwagen, der uns nach Verona brachte, den Jaguar in die Werkstatt und uns beide zu einer Autovermietung, wo wir einen Mercedes bekamen, mit dem wir unsere Reise fortsetzen konnten.

Das wollten wir an diesem Tag nicht mehr, deshalb suchten wir in der Stadt nach einem Hotel, und weil ich in dieser Zeit mit Drehbüchern für Fernsehkrimis eine Menge Geld verdiente, wählten wir das prächtigste, das wir fanden. Es hieß Gabbia d´Oro und lag um die Ecke der Piazza delle Erbe.

Ich war verliebt und wollte Bettina beeindrucken, spielte den Weltläufigen, der sich lässig unter reichen Leuten bewegt, und hoffte, sie damit von den Skrupeln, weil sie ihren Mann betrog, abzulenken. Sie war zweiunddreißig damals und führte eine Wochenendehe, weil sie in Bamberg beim Fränkischen Tag arbeitete und er in Marburg an der Universität.

~

Kennengelernt hatten wir uns in der Buchhandlung ihrer Schwester in Bamberg bei oder besser nach meiner Lesung dort. Die Buchhandlung war klein und konnte sich kein Hotel für mich leisten, am nächsten Tag musste ich weiter nach Kassel, und es war unsinnig, nachts nach Hause in die Gegenrichtung zu fahren, also sollte ich bei der Buchhändlerin übernachten. Die beiden Schwestern wohnten zusammen in einem Loft, einem langen Saal mit hohen Sprossenfenstern, einer von Bücherregalen flankierten Küchenzeile in der Mitte, davor Sofas und Sessel und jeweils an den Schmalseiten einem Bett für jede.

Sie hatten ein kaltes Abendessen vorbereitet mit Wein, Schinken und Melone, gegrilltem Gemüse, Oliven und Käse, wir waren zu fünft mit zwei Lehrlingen, und nachdem die sich verabschiedet hatten, die ersten beiden Flaschen geleert waren und schließlich auch noch der Strom ausfiel, saßen wir bei Kerzenlicht und redeten irgendwann über die Liebe.

Carmen, die Buchhändlerin, hatte einen Freund, von dem sie glaubte, dass er sie betrog. Er war Verlagsvertreter und die ganze Woche unterwegs, und sie wusste aus eigener Erfahrung, wie sein Charme auf den weiblichen Teil der Branche wirkte. Er weigerte sich, mit ihr zusammenzuziehen, beschwor aber mit großen Worten und teuren Geschenken seine Leidenschaft für sie.

»Willst du denn mit ihm zusammenziehen?«, fragte ich.

»Weiß ich nicht«, sagte sie, »aber ich weiß, dass ich jetzt dann irgendwann mal erwachsen werden will.«

»So erwachsen wie ich?« Bettina hatte ein Lächeln in der Stimme, und weil ich sie fragend angesehen haben musste, hob sie die Hand, um mir ihren Ehering vor die Nase zu halten. »Männer sehen so was normalerweise nicht«, sagte sie.

»Du warst schon immer mein Vorbild«, sagte Carmen. Es klang ironisch, aber ich glaube, dass sie es ernst meinte. »Du hast alles richtig gemacht.«

»Ich habe gar nichts gemacht«, sagte Bettina nachdenklich, »es kam einfach so.«

Als ich fragte, wie man wissen könne, wer der Richtige sei, schwiegen sie eine Zeit lang, dann zuckte Carmen die Schultern, und Bettina sagte: »Man merkt es, wenn er vor einem steht.«

»Hast du eine Freundin?«, fragte Carmen nach einer Weile, vielleicht um die auf einmal entstandene Stille nicht zu lang werden zu lassen.

»Gerade wieder mal nicht«, sagte ich, und während ich den Rest aus der dritten Flasche in unsere Gläser verteilte, dachte ich, Carmen glaubt jetzt, ich bin so einer wie ihr Vertreter, und Bettina bedauert mich. Ich wollte nicht herausfinden, ob ich damit recht hatte, und war froh, als das Gespräch sich anderen Themen zuwandte.

Die Lesung und die anschließende Fragerunde waren sehr gut gelaufen, das Publikum begeistert, die Stimmung herzlich, der Laden übervoll gewesen, und ich schwebte noch auf dem weichen Luftkissen der Zuneigung, die ich erfahren hatte. Außerdem spürte ich, dass mich diese beiden Frauen mochten, keiner von uns wollte ins Bett gehen, als die Kerzen heruntergebrannt waren und wir im Dunkeln saßen. Das heißt, dunkel war es nicht, denn die ehemalige Spinnerei lag gegenüber einer Aral-Tankstelle, deren blaues Licht sich mit dem weißen der Straßenlaternen mischte und die Sprossen der Fenster auf dem grau gestrichenen Dielenboden nachzeichnete.

Nachdem wir eine vierte Flasche angebrochen, aber nicht mehr geleert hatten, rissen wir uns irgendwann voneinander los, um endlich zu schlafen. »Carmens Bett ist größer, du kriegst meins«, sagte Bettina, »ich hab es heute Mittag frisch bezogen.«

»Und wir beide kuscheln wie früher«, sagte Carmen.

»Mir wäre auch das Sofa recht«, bot ich an, aber erntete damit nur Kopfschütteln. Die beiden gingen gemeinsam ins Bad, um ihre Zähne zu putzen, und kamen zurück in langen schwarzen T-Shirts.

Ich bin eigentlich nachlässig, was abendliches Zähneputzen betrifft, aber ich folgte dem Beispiel meiner beiden Gastgeberinnen, um keinen schlechten Eindruck zu machen, und legte mich in Unterwäsche ins Bett. Zu Hause schlief ich immer nackt, aber das wollte ich hier nicht, weil es aufdringlich oder selbstgefällig wirken konnte.

Nachdem sie beide von ihrer Seite des Saals her »Schlaf gut, hoher Besuch« und »träum was Schönes«, gesagt hatten, bat ich darum, falls ich schnarchen sollte, mit einem Schuh nach mir zu werfen, und versuchte einzuschlafen, aber es gelang mir nicht.

Der Saal war lang, vielleicht fünfzehn Meter, und neben meinem Bett stand ein etwa schulterhohes Regal mit Büchern, Puppen und einer kleinen Stereoanlage, das wie ein Paravent meine Schlafecke abschirmte, also hatte ich meinen privaten Bereich, aber wenn ich die Augen schloss, sah ich die beiden Frauen vor mir, dachte mir die schwarzen T-Shirts weg, dachte sie mir ins Bett, neben mich, vor mich, um mich und spitzte die Ohren, ob ich noch ein Kichern oder eine leise Unterhaltung mitbekäme.

Vermutlich träumt jeder Mann davon, einmal im Leben mit zwei Frauen zu schlafen, ich tat es jedenfalls in diesem Moment und wurde davon immer erregter und wacher. Ich ließ den Abend vor meinem inneren Auge Revue passieren, das nette und lustige Zusammensein mit den Lehrlingen und das zusehends intimer und vertrauter werdende Gespräch zu dritt, das Verschwinden der Farben, als der Strom ausgefallen war, das Kerzenlicht, in dem die beiden ohnehin schönen Frauen noch schöner geworden waren, die größere, brünette Bettina mit ihrem kinnlangen dichten Haar und die etwas kleinere, dunkelblonde Carmen mit dem Pferdeschwanz, der ihr eine Anmutung von Tatkraft und Pragmatismus verlieh, die Formen, die ich unter Bettinas knielangem hellroten Sommerkleid vermutete und die unter Carmens dunkelblauer Leinenhose und schräggestreiftem T-Shirt in Anthrazit und Grau.

Irgendwann dachte ich darüber nach, ins...
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Autor

Thommie Bayer, 1953 geboren, studierte Malerei und war Liedermacher, bevor er 1984 begann, Drehbücher, Romane und Erzählungen zu schreiben. Inzwischen gehört er zu den arriviertesten Autoren der deutschen Literatur. Neben vielen anderen erschienen von ihm die Romane "Die gefährliche Frau", "Singvogel" und der für den Deutschen Buchpreis nominierte Roman "Eine kurze Geschichte vom Glück". Zuletzt veröffentlichte er bei Piper "Das innere Ausland".