Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Stimmen über dem Meer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
Deutsch
Piper Verlag GmbHerschienen am01.04.20211. Auflage
Eine Hommage an die Bretagne und die Bretonen Nirgendwo kann man so schön schweigen wie in einer bretonischen Hafenkneipe. Doch die Wahrheit darf nicht schweigen. »Das Land am Ende der Welt« - so bezeichnen die Bretonen ihre Heimat. Hier haben es Fremde nicht leicht, auch wenn sie wie Morgane eine bretonische Mutter und neuerdings ein überschuldetes Häuschen an der Küste haben - schrullige alte Mitbewohnerin inklusive. Doch Morgane spürt ganz deutlich: Mit ihrem halben bretonischen Herz gehört sie hierher ins Finistère. Diese raue, wunderschöne Landschaft löst etwas in ihr aus und die bretonische Sagenwelt scheint auch ihre Geschichte zu erzählen. Kein Wunder: Hier ganz in der Nähe ist ihre Mutter aufgewachsen und bei einem mysteriösen Badeunfall ums Leben gekommen. Morgane bleibt und beschließt zu kämpfen: um ihr Haus, ihre Unabhängigkeit und um die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter zu erfahren. Sie findet Freunde und verliert eine Liebe. Sie findet Antworten und droht den Glauben an ihren Traum zu verlieren. Aber Morgane hat auch die bretonische Sturheit geerbt ... »Literarisches Äquivalent zum leichten Rosé an einem warmen Sommerabend.« Petra Harms, Donna Buchklub   

Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR16,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextEine Hommage an die Bretagne und die Bretonen Nirgendwo kann man so schön schweigen wie in einer bretonischen Hafenkneipe. Doch die Wahrheit darf nicht schweigen. »Das Land am Ende der Welt« - so bezeichnen die Bretonen ihre Heimat. Hier haben es Fremde nicht leicht, auch wenn sie wie Morgane eine bretonische Mutter und neuerdings ein überschuldetes Häuschen an der Küste haben - schrullige alte Mitbewohnerin inklusive. Doch Morgane spürt ganz deutlich: Mit ihrem halben bretonischen Herz gehört sie hierher ins Finistère. Diese raue, wunderschöne Landschaft löst etwas in ihr aus und die bretonische Sagenwelt scheint auch ihre Geschichte zu erzählen. Kein Wunder: Hier ganz in der Nähe ist ihre Mutter aufgewachsen und bei einem mysteriösen Badeunfall ums Leben gekommen. Morgane bleibt und beschließt zu kämpfen: um ihr Haus, ihre Unabhängigkeit und um die Wahrheit über den Tod ihrer Mutter zu erfahren. Sie findet Freunde und verliert eine Liebe. Sie findet Antworten und droht den Glauben an ihren Traum zu verlieren. Aber Morgane hat auch die bretonische Sturheit geerbt ... »Literarisches Äquivalent zum leichten Rosé an einem warmen Sommerabend.« Petra Harms, Donna Buchklub   

Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783492987950
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum01.04.2021
Auflage1. Auflage
SpracheDeutsch
Dateigrösse2643 Kbytes
Artikel-Nr.5413594
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Kapitel 1

Morgane warf einen Blick zum Himmel über Le Conquet, steckte die Hände in die Jackentasche und ging hinunter zum Steg. Sie wollte dorthin, wo man das Meer riechen und bei passender Windrichtung sogar ein paar Tropfen abbekommen konnte, obwohl die Wellen bereits in einiger Entfernung an den Felsen zerschellten. Hier an der Bootsanlage des kleinen Fischerortes schwappte das Wasser nur hin und wieder gegen die Steinmauer.

Die Hauptsaison war lange vorbei. Im November verirrte sich kein Tourist mehr ins Finistère, schon gar nicht bei solchem Wetter. Der Wind spielte mit den eingezogenen Segeln und ließ die Boote hin- und herschaukeln. Wenn sie dabei gegen die Brüstung stießen, krächzten sie. Wie hypnotisiert betrachtete Morgane den blinkenden Leuchtturm von St.-Mathieu auf der anderen Seite der Bucht. Es kam ihr vor, als taumelte er um die eigene Achse. Seit ihrer Ankunft vor einer halben Stunde hatte sie zusehen können, wie das Blau des Himmels von den Wolken gefressen worden war. Einige von ihnen hingen mit geblähten Bäuchen so tief über dem Meer, als wollten sie jeden Moment hineinstürzen. Der klaren Luft war ein grauer Schleier gefolgt, der nun den Fischerhafen überzog.

»Es wäre besser, hier zu verschwinden!«, rief ihr ein Mann in langem Regenmantel zu. Er trug einen gelben Schlapphut und Gummistiefel, die ihm bis weit über die Knie reichten. Morgane zuckte zusammen. So sehr war sie in Gedanken versunken gewesen, dass sie ihn gar nicht bemerkt hatte. Mit Schwung warf der Fischer eine Plane über sein Boot und befestigte es mit einem Seil am Poller.

»Beeilen Sie sich besser, wenn Sie noch trocken zu Hause ankommen wollen, Madame! Ich habe kein gutes Gefühl bei diesem Himmel.«

Vergeblich versuchte Morgane, sich die wehenden Haare aus dem Gesicht zu streichen. Gegen den Wind hier kam man nicht an. »In Ordnung. Vielen Dank für die Warnung«, gab sie zurück, obwohl sie diese Küste mit all ihren Tücken, ihrer Unberechenbarkeit und ihren plötzlichen Wetterumschwüngen gut genug zu kennen meinte.

Wie lange war sie nicht mehr hier gewesen? Zehn Jahre? Fünfzehn Jahre? Genug Zeit, um manches zu vergessen, aber diese Natur hatte sie sich eingeprägt. Die wechselnden Farben des Meeres von Türkisgrün bis Königsblau, der unaufhörliche Wind, der Geschmack von Salz und der Geruch von Algen. Jetzt wälzten sich die Wassermassen, von ihrer Fracht aus Steinen, Sand und Muschelresten anthrazitfarben, fast schwarz gefärbt, ans Ufer. Morgane schien es, als schwappten mit den Wellen auch Erlebnisse ihrer Kindheit zurück in ihr Gedächtnis und dockten dort an.

All die Jahre, die sie nicht hier gewesen war, erschienen ihr plötzlich wie ein Treuebruch, den sie begangen hatte, immer und immer wieder, während jener Fischerort auf das kleine Mädchen von damals gewartet haben musste, geduldig wie ein anhänglicher, alter Freund. Als erkenne er Morganes mädchenhafte Seele wieder, obwohl sie inzwischen eine erwachsene Frau von bald vierzig Jahren war.

Finistère - das Departement im äußersten Westen Frankreichs, für Morgane war es nie das Ende gewesen, auch wenn Touristen das Wortspiel vom Ende der Welt nur allzu gern bemühten. Ihre Großmutter Mémé hatte Morgane die keltische Übersetzung von Finistère gelehrt, Penn ar Bed - Land am Anfang, Land an der Spitze der Welt.

»Nach der Bucht von Le Conquet kommt nur noch Amerika«, hatte Mémé immer stolz gesagt und behauptet, dass für die Kelten mit dem Tod alles erst anfing.

Der Fischer war verschwunden. Der Leuchtturm glomm nur noch matt durch die aufgezogene Nebelwand. Weit draußen konnte man bereits einen Regenvorhang sehen, der sich ins schäumende Meer ergoss. Sturmböen peitschten durch das Hafengelände. Sie hätte auf den Mann hören sollen, zu ihrem Wagen würde sie es nun nicht mehr schaffen. Innerhalb weniger Sekunden durchdrang der Regen ihre Jacke und die Jeans bis auf die Haut. Auf der anderen Straßenseite gegenüber der Bootsanlegestelle blinkte in neongrüner Farbe der Schriftzug »Bistro«, und sie rannte unter das gewölbte Vordach, schüttelte sich, öffnete die Tür und stolperte in die kleine, typisch französische Dorfkneipe. Quietschend schloss sich die Tür hinter ihr.

Am Tresen saßen drei Männer nebeneinander. Einer von ihnen sah auf und nickte Morgane zu. Lächelnd erwiderte sie seinen Gruß und blickte in ein gebräuntes, wettergegerbtes Gesicht. Sie erinnerte sich gut daran, wie sehr ihre Mutter diese ganz besonderen Stimmungen an ihrer Heimat geschätzt hatte.

»Nirgendwo auf der Welt schweigt man schöner als in einer bretonischen Dorfkneipe«, hatte sie immer gesagt und dabei einen verträumten Blick bekommen.

Einfache Gläser, mit einem dunklen Rotwein gefüllt, standen vor den Männern. Niemand sonst saß an einem der wenigen Tische. Morgane zog ihre durchnässte Jacke aus, legte sie auf den warmen Heizkörper, wählte einen Platz direkt daneben und strich sich die nassen Haare aus dem Gesicht. Aus ihrem Rucksack holte sie einen Troyer, den sie sich rasch über den Kopf zog.

Die Männer am Tresen starrten auf ihren Roten und sprachen miteinander ohne aufzusehen. Über der Bar in der Ecke lief ein Fernseher. Die Übertragung eines Fußballspiels. Sobald die Stimme des Moderators beschleunigte und lauter wurde, brachen die Männer ihre Rede ab und sahen synchron auf die Mattscheibe. Nacheinander winkten sie ab, als die offensichtlich letzte Torchance vergeben war und der Schlusspfiff ertönte. Morgane schnappte ein paar Fetzen auf: Stürmer. Champions League. Transfers. Fischmarkt. Delikatessen. Herbststürme. Die Gezeiten. Der Klimawandel. Das raue Lachen der Männer barg einen Hauch von Melancholie, ihr Schweigen Vertrautheit.

»Madame?«

Der Wirt war an Morganes Tisch getreten. Sie schrak zusammen, fühlte sich beim Belauschen des Gesprächs ertappt. Verlegen bestellte sie Kaffee und blickte dann zum Fenster. Der Regen prasselte gegen die beschlagenen Scheiben, und plötzlich fühlte sich Morgane auf seltsame Weise geborgen. Im Warmen zu sitzen, während draußen die Wellen an der Brüstung zerschellten, gab ihr Sicherheit. Sie glaubte, sich daran zu erinnern, dass das Haus, dessentwegen sie hierhergekommen war, wie die meisten Landhäuser in der Bretagne einen offenen Kamin besaß.

»Sie sind fremd hier.«

Die Stimme des Kneipiers klang neutral, ohne jede Neugier. Eine schlichte Feststellung. Er wischte mit einem Geschirrtuch über den Tisch und stellte anschließend den Kaffee ab.

»Nicht ganz«, erwiderte Morgane. »Ich kenne die Gegend.« Dass ihre Mutter von hier kam, verschwieg sie, ohne zu wissen, warum.

»Pariserin?«

Er hob die Augenbrauen, und in seinem Gesicht glaubte sie ein verschmitztes Lächeln wahrzunehmen. Es war immer das Gleiche: Zunächst hielten sie die Franzosen für eine Landsmännin. Bis zum Tod ihrer Mutter hatte sie mit ihr Französisch gesprochen, danach half ihr die französische Literatur, die sie schließlich auch zu ihrem Beruf gemacht hatte. Aber daneben hatte es einen deutschen Vater gegeben, und Deutschland, wo sie aufgewachsen war. So kam es, dass nach und nach die Sprache ihrer Kindheit verwässerte und sie sich bei einer längeren Unterhaltung immer verriet: Kleine Fehler schlichen sich in ihre Sätze, hier und da benutzte sie schlichtweg ein falsches Wort für einen Sachverhalt oder vertat sich in der Zeit. Nicht, dass sie grammatikalisch falschlag, aber ihre Rede wirkte dann gekünstelt, aufgesetzt. Erst nach ein paar Wochen in Frankreich wurde sie sicherer; je weniger sie ihren Kopf einsetzte, desto besser. Wenn sie ein Buch übertrug, handelte es sich um eine andere Welt, in die sie eintauchte. Nicht nur, dass ihre Arbeit in dem Sinne kein kommunikativer Akt war, vielmehr war es der Zeitfaktor, der bei einer Unterhaltung zum Tragen kam. Im Reden konnte sie nicht lange nachdenken, wohl aber beim Übersetzen auf dem Papier, wenn sie Synonyme in ihrem Kopf hin und her schob, verwarf, zurückholte. Manchmal ließ sie eine Lücke und suchte tagelang nach einem passenden Wort. Oft war es aber gar keine Frage des Vokabulars, sondern des richtigen Tons.

Mit einer Pariserin war sie noch nie verglichen worden, denn von der Eleganz einer Dame aus der Hauptstadt war Morgane meilenweit entfernt. Sie jedenfalls kannte keine Einzige, die in einer Boyfriend-Jeans, Boots und einem weiten Sweatshirt auf die Straße gehen und sich in diesem Aufzug auch noch in ein Bistro wagen würde. Morganes Stilsicherheit beschränkte sich auf ihre Arbeit.

»Verwandtschaft«, gab sie dem Wirt fast flüsternd zur Antwort und kramte in ihrem Rucksack nach einem Papiertaschentuch. »Eine Tante, etwas außerhalb von Le Conquet.«

»Oh«, erwiderte er auf dem Weg zurück hinter den Tresen, als habe Morganes Verwandtschaft eine gute Wahl getroffen. Mehr sagte er nicht und Morgane genoss seine Diskretion. Routiniert begann er mit dem Spülen der Gläser.

»Es muss in der Nähe der Landstraße nach St.-Mathieu sein«, fuhr sie fort und beschloss noch im selben Augenblick, dorthin zu fahren, sobald der Regen aufgehört haben würde.

»Ja, da gibt es ein paar Häuser«, bekam sie zur Antwort.

»Rue des Artichauts«, sagte sie und sah ihn direkt an.

»Genau«, bestätigte er. »An den Klippen entlang.« Er zeigte mit der flachen Hand in die Richtung. »Sie können es gar nicht verfehlen. Rechts die Klippen und links Artischockenfelder. Dazwischen die Straße nach St.-Mathieu.«

Schweigend trank Morgane ihren Kaffee aus. Der Regen ließ allmählich nach. Als einer der Männer mit einem kurzen Gruß den Raum verließ, legte...


mehr

Autor

Bettina Storks, geboren 1960 in Waiblingen, lebt in Bodman-Ludwigshafen am Bodensee. Sie studierte Germanistik, Deutsche Philologie und Kulturwissenschaften und promovierte sich 1994 an der Universität Freiburg über die Prosa Ingeborg Bachmanns. Danach war sie mehrere Jahre als Redakteurin beschäftigt. 2007 begann sie mit dem Schreiben belletristischer Texte und erhielt im Jahre 2008 ein Stipendium vom Förderkreis Deutscher Schriftsteller Baden-Württemberg.