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Ein neuer Morgen für Samuel

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
544 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am30.07.20211. Aufl. 2021
Paris, 1944: Sarah und David befinden sich im Lager Drancy. Gerüchte über Todeslager machen die Runde, und die beiden ahnen, dass sie in ein anderes Lager abtransportiert werden. Sie bangen um ihr Leben. Und um das Leben ihres neugeborenen Sohns Samuel. In einem Akt purer Verzweiflung drückt Sarah ihr Baby dem Gleisarbeiter Jean-Luc in die Arme und bittet ihn, Samuel zu retten. Gemeinsam mit Charlotte stellt Jean-Luc sich dieser Aufgabe, und die drei wagen die gefährliche Flucht in die USA ...


Ruth Druart wuchs auf der Isle of Wight auf. Mit achtzehn Jahren zog sie von dort fort, um an der Leicester University Psychologie zu studieren. Seit 1993 lebt sie als Lehrerin in Paris. EIN NEUER MORGEN FÜR SAMUEL ist ihr erster Roman.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR22,00
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR13,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextParis, 1944: Sarah und David befinden sich im Lager Drancy. Gerüchte über Todeslager machen die Runde, und die beiden ahnen, dass sie in ein anderes Lager abtransportiert werden. Sie bangen um ihr Leben. Und um das Leben ihres neugeborenen Sohns Samuel. In einem Akt purer Verzweiflung drückt Sarah ihr Baby dem Gleisarbeiter Jean-Luc in die Arme und bittet ihn, Samuel zu retten. Gemeinsam mit Charlotte stellt Jean-Luc sich dieser Aufgabe, und die drei wagen die gefährliche Flucht in die USA ...


Ruth Druart wuchs auf der Isle of Wight auf. Mit achtzehn Jahren zog sie von dort fort, um an der Leicester University Psychologie zu studieren. Seit 1993 lebt sie als Lehrerin in Paris. EIN NEUER MORGEN FÜR SAMUEL ist ihr erster Roman.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751703703
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum30.07.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten544 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse932 Kbytes
Artikel-Nr.5420345
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


Zweites Kapitel

Santa Cruz, 24. Juni 1953

CHARLOTTE

Obwohl das schwarze Auto schon seit geraumer Zeit verschwunden ist, stehe ich noch immer am Küchenfenster und starre auf die Straße hinaus.

Die Zeit fühlt sich wie eingefroren an, und ich will auch nicht, dass sie vergeht.

»Mom, irgendwas riecht angebrannt!«

»Merde!« Schnell nehme ich die Pfanne vom Herd und lasse den schon halb verkohlten Crêpe in die Spüle fallen. Meine Augen beginnen zu tränen von dem beißenden Rauch, der von ihm aufsteigt. »Ich mach dir schnell einen neuen.«

»Danke, Mom, aber ich bin satt.« Sam springt auf und flitzt aus der Küche.

Als ich mich umsehe, erfüllen mich die Überreste des so jäh gestörten Frühstücks mit Panik. Doch ich muss mich zusammenreißen. Langsam steige ich die Treppe hinauf und gehe ins Bad, wo ich mir etwas kaltes Wasser ins Gesicht spritze, bevor ich in dasselbe Kleid schlüpfe, das ich auch schon gestern anhatte, und wieder hinuntergehe.

Auf dem Weg zur Schule hüpft Sam aufgeregt neben mir auf und ab. »Was glaubst du, was diese Männer von Daddy wissen wollen, Mom?«

»Ich habe keine Ahnung.«

»Aber was könnte es denn sein, Mom?«

»Ich weiß es wirklich nicht, Sam.«

»Vielleicht geht es ja um einen Einbruch?«

»Was?«

»Oder einen Mord!«

»Schluss jetzt mit dem Blödsinn, Sam. Sei still.«

Tatsächlich hört er mit der Hüpferei auf und schlurft jetzt nur noch still neben mir her.

Sofort beschleichen mich Gewissensbisse, aber heute habe ich wichtigere Sorgen.

Als wir uns der Schule nähern, befinden sich die anderen Mütter schon wieder auf dem Heimweg.

»He, Charlie! Du bist ganz schön spät dran heute. Kommst du nachher noch auf einen Kaffee vorbei?«, ruft Marge mir zu.

»Na klar«, antworte ich wider besseres Wissen.

Nachdem ich Sam zum Schultor begleitet habe, trödle ich dort noch ein bisschen herum, um den anderen Müttern einen Vorsprung zu geben. Sobald ich sehe, dass sie weit genug entfernt sind, mache auch ich mich langsam auf den Heimweg, wobei mich allerdings ein Gefühl der Einsamkeit zu überfluten droht.

Ich bin sogar schon halb versucht, mit den anderen Kaffee trinken zu gehen, doch mir ist klar, dass ich mich dann nicht bremsen könnte und alles ausplaudern würde. Es war zwar möglich, dass niemand das Auto gesehen hat, mit dem Jean-Luc am Morgen abgeholt wurde, aber falls doch, müsste ich eine logische Erklärung parat haben. Sie würden natürlich alle Einzelheiten wissen wollen, und deshalb ist es wohl das Beste, vorerst jeden Kontakt zu vermeiden.

Als ich wieder daheim bin, gehe ich von Zimmer zu Zimmer, schüttele die Sofakissen auf, spüle das Frühstücksgeschirr und ordne die Zeitschriften auf dem Couchtisch. Und die ganze Zeit über tröste ich mich mit dem Gedanken, dass es sinnlos ist, mir Sorgen zu machen, weil es ohnehin nichts nützen wird, denn schließlich ist Jean-Luc ja nur zu einer Befragung mitgenommen worden. Ich sollte also besser etwas Praktisches tun, um mich abzulenken. Wie zum Beispiel den Rasen zu mähen und Jean-Luc die Mühe zu ersparen â¦

Und so ziehe ich meine Gartenschuhe an und schiebe den Rasenmäher aus der Garage. Da ich gesehen habe, wie Jean-Luc an der Schnur an der Seite zieht, um ihn in Gang zu bringen, versuche ich das auch. Aber es tut sich nichts. Also ziehe ich erneut, und diesmal höre ich ein Zischen in der Maschine, das jedoch sofort wieder erstirbt. Daraufhin ziehe ich noch fester und schneller, worauf das Ding diesmal tatsächlich surrend in Bewegung kommt und mich mit sich wegzieht. Es stinkt nach Benzin, doch eigentlich mag ich den Geruch sogar.

Der Rhythmus der Maschine ist so erstaunlich beruhigend, dass ich fast enttäuscht darüber bin, wie schnell die Arbeit erledigt ist. Nachdem ich den Mäher wieder in die Garage gestellt habe, gehe ich ins Haus zurück.

Vielleicht könnte das Wohnzimmer ja eine Reinigung vertragen ⦠Als ich den Staubsauger unter der Treppe hervorhole, fällt mir plötzlich wieder ein, dass ich erst am Vortag alles gründlich gesaugt habe. Resigniert und mit dem dicken Vakuumrohr noch in der Hand, kauere ich mich auf dem Boden nieder â¦

Und schon werde ich von Erinnerungen überflutet. Von Erinnerungen an die Vergangenheit, über die Jean-Luc mich niemals reden lässt. In seiner pragmatischen Art hat er mir geraten, sie hinter mir zurückzulassen, wo sie seiner Meinung nach auch hingehört. Als wäre das so einfach!

Ich habe es versucht, wirklich versucht, aber ich kann nichts dafür, wenn ich im Schlaf meine Mutter, meinen Vater und mein einstiges Zuhause sehe. Diese Träume hinterlassen in mir eine Sehnsucht nach meiner Familie, die einen langen Schatten auf mein Leben wirft. Einmal habe ich Kontakt zu ihnen aufgenommen und ihnen geschrieben, nachdem wir eine Wohnung gefunden und uns hier niedergelassen hatten.

Meine Mutter schrieb zurück - einen kurzen, schroffen Brief, in dem sie mir mitteilte, dass Papa noch nicht bereit sei, mich zu sehen, weil er mir immer noch nicht ganz verziehen habe.

Ich gehe in die Küche zurück, wo ich wieder aus dem Fenster starre und meine ganze Willenskraft darauf konzentriere, Jean-Luc zu mir zurückzuholen. Von der Vernehmung entlassen und von jeglichem Verdacht befreit. Aber das Einzige, was ich sehe, ist die leere Straße.

Dann bringt das entfernte Geräusch eines Motors meinen Puls zum Rasen. Ich beuge mich vor, bis meine Nase fast das Fenster berührt, und spähe hinaus. Bitte, lieber Gott, lass es Jean-Luc sein! Mein Magen macht jedoch einen Satz nach unten, als ich eine vertraute blaue Motorhaube um die Ecke biegen sehe: Es ist Marge von gegenüber.

Ich schaue zu, wie sie mit ihren Einkaufstüten kämpft, während einer ihrer Zwillinge den anderen um den Wagen herumjagt. Jetzt blickt sie zu mir herüber, und ich trete blitzschnell von den Gardinen zurück und stelle mich seitlich neben das Fenster. Geheimnisse und Lügen. Was weiß man schon wirklich über das Leben seiner Nachbarn?

Und ich will heute auch keinem von ihnen begegnen. Falls jemand das schwarze Auto gesehen hat, werden alle Mütter es inzwischen wissen. Ich kann mir lebhaft vorstellen, wie sie Vermutungen anstellen und sich echauffieren. Nein, nein, ich muss von hier verschwinden und auf Abstand gehen. Ich könnte Einkäufe machen, in einer anderen Stadt und einem dieser großen, anonymen Supermärkte, wo ich niemandem begegnen würde, der mich kennt â¦

Und so schnappe ich mir meine Handtasche, nehme meine Schlüssel vom Haken an der Tür und steige ins Auto, bevor mich irgendjemand sehen kann. Der Wind zerzaust mir das Haar, als ich mit offenem Fenster der Küstenstraße in Richtung Norden folge. Ich fahre gern schnell, weil es mir ein Gefühl von Freiheit und Unabhängigkeit gibt und ich so tun kann, als wäre ich, wer immer ich gern gerade wäre.

Nach einer halben Stunde sehe ich ein Schild, das eine Abzweigung zum Lucky Store anzeigt. Nach ein paar Hundert Metern biege ich links vom Highway ab und folge den Pfeilen, bis ich einen mit Kombis vollgeparkten Parkplatz sehe. Sofort entdecke ich auch einen dieser Burger-Shops und sogar ein Karussell. Sam würde es hier gefallen; vielleicht sollten wir samstags einmal mit ihm herfahren und einen Tagesausflug daraus machen.

Normalerweise meide ich diese großen Supermärkte und kaufe lieber im Ort ein, wo ich den Lebensmittelhändler nach seinen knackigsten Äpfeln oder den Metzger nach seinem magersten Fleisch fragen kann. Sie nehmen sich immer die Zeit, die besten Produkte für mich herauszusuchen, und wissen es zu schätzen, dass Qualität mir wichtig ist.

Ich fühle mich auch gar nicht wohl in diesem riesigen Supermarkt mit seinen endlosen Reihen perfekt verpackter Waren. Hausfrauen in weiten Röcken, bequemen Schuhen und mit Dauerwellen schieben bis oben hin beladene Einkaufswagen voller Gläser und Konservendosen vor sich her. Der Anblick weckt Nostalgie in mir und erfüllt mich mit einer schmerzlichen Sehnsucht nach Zuhause, nach Paris.

Hühnchen, sage ich mir. Heute Abend gibt es Hühnchen zum Abendessen. Zitronenhühnchen, weil das Jean-Lucs Lieblingsessen ist.

Ein Päckchen mit zwei Hühnerbrustfilets, ein halber Liter Milch und vier Zitronen sehen einsam und verloren auf dem Boden meines Einkaufswagens aus, als ich schließlich an der Kasse stehe. Es ist mir peinlich, aber ich kann mich einfach nicht darauf konzentrieren, was wir sonst noch für die Woche brauchen.

Die Kassiererin schaut mich befremdet an. »Brauchen Sie Hilfe beim Einpacken, Ma am?«

Meint sie das ironisch? Ich schüttele den Kopf. »Nein, danke. Ich komme schon zurecht.«

Mein Magen knurrt, als ich die kleine braune Papiertüte in den Kofferraum lege, und erinnert mich daran, dass ich heute nicht einmal gefrühstückt habe. Vielleicht sollte ich mir einen Burger holen - aber allein bei dem Gedanken daran dreht sich mir der Magen um, und so fahre ich also hungrig heim und hoffe und bete, dass Jean-Luc schon wieder da sein wird.

Ich parke das Auto in der Einfahrt und laufe erwartungsvoll zur Haustür. Sie ist abgeschlossen. Er kann also noch nicht wieder zu Hause sein. Wie komme ich überhaupt darauf, dass er es sein könnte? Er wäre ohnehin direkt zur Arbeit weitergefahren. Ich weiß doch, wie besorgt er schon gewesen war, er könne sich verspäten.

Es ist bereits drei Uhr, und in einer halben Stunde muss ich Sam von der Schule abholen. Vielleicht wäre es besser, heute ein bisschen unpünktlich zu sein, um mich nicht an dem Geplänkel der...

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Autor

Ruth Druart wuchs auf der Isle of Wight auf. Mit achtzehn Jahren zog sie von dort fort, um an der Leicester University Psychologie zu studieren. Seit 1993 lebt sie als Lehrerin in Paris. EIN NEUER MORGEN FÜR SAMUEL ist ihr erster Roman.
Ein neuer Morgen für Samuel

Bei diesen Artikeln hat der Autor auch mitgewirkt