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Dein dunkelstes Geheimnis

E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
352 Seiten
Deutsch
Bastei Entertainmenterschienen am27.08.20211. Aufl. 2021
Wenn Kathryn ihren Vater im Gefängnis besucht, stellt sie ihm stets dieselbe Frage: 'Wo ist sie?' Vor mehr als zwanzig Jahren verschwand ihre Freundin Elsie, und die Beweislast gegen Kathryns Vater war erdrückend. Doch Elsies Leiche wurde nie gefunden. Am 25. Jahrestag ihres Verschwindens erreicht Kathryn eine verstörende Nachricht: Auf ihrer Heimatinsel wird ein weiteres Mädchen vermisst. Um endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, kehrt Kathryn auf die Insel zurück - wo sich finstere Abgründe auftun ...


Jenny Blackhurst ist seit frühester Jugend ein großer Fan von Spannungsliteratur. Die Idee für einen eigenen Roman entwickelte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes; inzwischen ist sie eine erfolgreiche Autorin, deren Thriller in mehreren Sprachen erscheinen und alle zu SPIEGEL-Bestsellern wurden. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Shropshire, England.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR11,00
E-BookEPUB0 - No protectionE-Book
EUR6,99

Produkt

KlappentextWenn Kathryn ihren Vater im Gefängnis besucht, stellt sie ihm stets dieselbe Frage: 'Wo ist sie?' Vor mehr als zwanzig Jahren verschwand ihre Freundin Elsie, und die Beweislast gegen Kathryns Vater war erdrückend. Doch Elsies Leiche wurde nie gefunden. Am 25. Jahrestag ihres Verschwindens erreicht Kathryn eine verstörende Nachricht: Auf ihrer Heimatinsel wird ein weiteres Mädchen vermisst. Um endlich Antworten auf ihre Fragen zu bekommen, kehrt Kathryn auf die Insel zurück - wo sich finstere Abgründe auftun ...


Jenny Blackhurst ist seit frühester Jugend ein großer Fan von Spannungsliteratur. Die Idee für einen eigenen Roman entwickelte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes; inzwischen ist sie eine erfolgreiche Autorin, deren Thriller in mehreren Sprachen erscheinen und alle zu SPIEGEL-Bestsellern wurden. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Shropshire, England.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783751703642
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format Hinweis0 - No protection
FormatFormat mit automatischem Seitenumbruch (reflowable)
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum27.08.2021
Auflage1. Aufl. 2021
Seiten352 Seiten
SpracheDeutsch
Artikel-Nr.5420469
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


1
KATHRYN

»Wo ist sie?«

Der Raum riecht nach altem Schweiß und jeder Menge Aftershave. Um uns herum ist ein stetes Murmeln zu hören. Es stammt von Leuten, die so viel wie möglich aus jeder Minute herausholen wollen, bis die Glocke klingelt. Doch ich stelle immer nur eine einzige Frage. Es ist jedes Mal die gleiche.

Am Tisch neben uns weint ein kräftiger, von Kopf bis Fuß tätowierter Mann beim Anblick seiner kleinen Tochter, die noch ein Baby ist. Die Mutter, ein blasser Teenager, kaut verlegen auf ihren Fingernägeln. Für so eine Situation ist sie viel zu jung. Überhaupt wirkt sie noch viel zu unreif und unsicher, um selbst ein Kind zu erziehen. Ich wage einen Blick in die Zukunft - in eine Zukunft, in der dieses Baby in der gleichen Situation ist wie einst seine Mutter, eine Zukunft, in der die junge Frau den halbstündigen Besuch bei einem Freund ertragen muss, dem sie noch nicht einmal wichtig genug ist, dass er sich wenigstens bemüht, nicht in den Knast zu kommen. Das ist der Kreislauf des Lebens, denke ich traurig.

Auf meine Frage erwarte ich keine Antwort. Ich gebe dem alten Mann vor mir bloß eine Chance, sich zu erklären, bevor ich aufstehe und gehe ... genau, wie ich es letzten Monat getan habe und wie ich es im nächsten wieder tun werde. Einen kurzen Moment lang gestatte ich mir, ihn direkt anzusehen. Ich werde nicht weinen, ermahne ich mich stoisch. Er bedeutet mir nichts. Er ist nichts. Ich werde seinen Anblick ertragen.

Wie immer hat er sich für unseren Besuch rasiert, obwohl ein Bart das graue ausgemergelte Gesicht besser verborgen hätte, das an die Stelle des jugendlichen, leicht gebräunten getreten ist, das ich nicht vergessen kann. Sein Gesicht wirkt, als wäre es im Laufe der Jahre eingefallen, förmlich geschmolzen. Es ist, als hätte er zu nahe an einer Kerze gesessen. Ich kann ihm einfach nicht in die Augen schauen. Ich kann nicht. Ich will nicht sehen, dass da nichts ist. Kein Leben, keine Zukunft. Beides hat er am selben Tag getötet, als er auch Elsie Button ermordet hat.

Jeder braucht ein Ziel im Leben. Manche sind lobenswerter als andere. Alan Turing hat die Computerwissenschaft begründet, Martin Luther King hatte den wichtigsten Traum der Welt, und Lizzo ist die Schlampe par excellence. Manchmal frage ich mich, ob sonst noch jemand das gleiche Ziel im Leben hat wie ich: herauszufinden, wo die Leiche der fünfjährigen Elsie Button begraben ist. Viele Menschen haben es sich zur Aufgabe gemacht, vermisste Menschen zu finden, vermisste Kinder. Was das betrifft, bin ich nicht einzigartig. Was mich jedoch von ihnen unterscheidet, ist, dass ich versuche, Patrick Bowen zu einem Geständnis zu bewegen, den berüchtigten Kindermörder, meinen Vater.

Die Glocke klingelt, und die Stille an unserem Tisch wird förmlich greifbar. Trotz der Tatsache, dass ich diese Reise schon sechsundzwanzig Mal in sechsundzwanzig Monaten gemacht habe, fühle ich die Enttäuschung jedes Mal wie einen Stich, wenn der Mann, der mir gegenübersitzt, nicht die geringsten Anstalten macht, die Frage zu beantworten, die ich ihm immer wieder stelle. Ich atme tief durch, stehe auf und stoße den grauen Plastikstuhl so heftig zurück, dass er fast umfällt. Ein paar Leute drehen sich zu uns um, doch das bemerke ich gar nicht. Ich bin sicher zu hören, dass Patrick die Luft einzieht, und für den Bruchteil einer Sekunde bin ich wie erstarrt. Meinen Körper halb von ihm abgewendet warte ich auf die Worte, nach denen ich mich so sehr sehne. Diesmal wird er es mir sagen. Das ist es. Jetzt. Das ist der Grund, warum ich mich all die Stunden gequält habe, warum ich mir erlaubt habe, mir vorzustellen, wie ich zum zweiten Mal mit Neuigkeiten zu Elsies Angehörigen gehe, aber diesmal, um ihrem fünfundzwanzigjährigen Martyrium ein Ende zu bereiten. Dabei habe ich bereits seit Jahren nicht mehr mit ihnen gesprochen, habe ihnen noch nicht einmal gesagt, dass ich hierherkomme. Werden sie mir für meine Einmischung danken? Oder wird die Familie, die schon einmal ihr Leben zerstört hat, es ein zweites Mal vernichten?

Patrick atmet wieder aus, ohne ein Wort zu sagen, und ich lasse geschlagen die Schultern hängen. Einen Moment lang habe ich wirklich gehofft ...

Entschlossen, mir meine Enttäuschung nicht anmerken zu lassen, hebe ich das Kinn, starre stur geradeaus und marschiere festen Schrittes zu den anderen Besuchern, die den Raum verlassen. Ich werfe nicht einen Blick zurück.

*

Die Luft draußen ist warm und feucht. Ich atme sie tief ein und zwinge mich mit aller Kraft, nicht zu weinen. Das habe ich bereits so viele Male gemacht und bin jedes Mal gegangen, ohne mich noch einmal umzuschauen ... Warum sollte es heute anders sein? Seit dem ersten Mal habe ich keine Tränen mehr vergossen, und das war vor zwei Jahren, aber es fühlt sich wie gestern an und zugleich wie eine Ewigkeit. Damals bin ich nach Hause gegangen und habe mir die Augen aus dem Kopf geheult.

Ich weiß, warum es heute anders ist. Heute, genau wie beim ersten Mal, habe ich wirklich geglaubt, dass er die Frage beantworten wird, die ich ihm jedes Mal gestellt habe, wann immer ich an diesen gottverlassenen Ort gekommen bin. Ich habe dieses tiefe Einatmen gehört, und ganz kurz war da wieder diese unglaubliche Hoffnung wie beim ersten Mal. Jetzt schäme ich mich dafür, dass ich sie nicht schon längst begraben habe.

Lasciate ogne speranza, voi ch´intrate.

Ihr, die ihr hier eintretet, lasst alle Hoffnung fahren.

*

Bereits vor langer Zeit habe ich gelernt, gar nicht erst zu versuchen, irgendwas zu erreichen, wenn ich Patrick besuche. Beim ersten Mal war ich so sicher, er würde mir die Information geben, die ich brauchte, dass ich meinen Boss angerufen und Migräne vorgetäuscht habe, um den Vormittag freizubekommen. Im zweiten Monat war ich besser auf die Enttäuschung vorbereitet, und ich nahm mir gleich den ganzen Tag frei und bin anschließend drei Stunden lang einfach bloß herumgefahren. Noch heute erinnere ich mich genau daran, wo ich damals gelandet bin. Inzwischen habe ich eine Routine für die Stunden nach meinen Besuchen entwickelt. Dazu gehört auch eine Fahrt ins Stadtzentrum, und da sitze ich nun und starre auf das alte Reihenhaus. Drei Stufen führen zu einer schwarzen Tür mit einem Schild daneben, auf dem zu lesen ist: Veronica Steiner, BACP, zugelassene Psychotherapeutin. Rechts und links von der Tür stehen Blumentöpfe. Die Pflanzen blühen wie immer. Veronica plant stets zehn Minuten zwischen ihren Patienten ein, und sie hat ein Einbahnstraßensystem eingerichtet, sodass sich die Patienten nie über den Weg laufen. Es sind kleine Details wie diese, die mich jeden zweiten Dienstag im Monat zu ihr kommen lassen.

Veronica empfängt mich an der Tür. Sie ist eine schöne Frau, nur nicht von der Art, wie man sie auf Zeitschriftencovern findet. Sie ist schön, weil sie Stärke und Ruhe ausstrahlt. Ihr glattes graues Haar fällt ihr bis auf die Schultern, und sie trägt jedes Mal das Gleiche, wenn ich sie sehe: schwarze Leggins, ein langärmeliges schwarzes Oberteil, einen grauen Schal um ihre Schultern und einen kleinen Farbfleck an ihrem Hals in Form eines gelben Tuchs. Dieses Tuch ist das Einzige, was sich ändert. Letzten Monat war es eines mit Paisleymuster, den Monat davor ein cremefarbenes mit Silberfäden. Veronicas Alter kann man unmöglich einschätzen. Sie hat keine Falten im Gesicht, und ihr Make-up ist stets makellos. Sie könnte genauso gut in den Vierzigern wie in den Sechzigern sein. Auch gelingt es Veronica, gleichzeitig professionell und einladend zu wirken, und kaum sehe ich sie, da entspanne ich mich schon.

»Hallo, Kathryn.« Sie lächelt und will mich ins Wohnzimmer führen, das sie für ihre Therapiesitzungen umgebaut hat, doch ich lege ihr die Hand auf den Arm.

»Könnten wir ... Ich meine, wäre es okay, wenn wir heute rausgehen?«

»Natürlich.« Veronica nickt. »Aber dir ist doch klar, dass draußen die Möglichkeit besteht, man könnte uns hören, oder?«

Sie sagt das jedes Mal, wenn ich sie darum bitte, obwohl ich mich noch nie wegen der Nachbarn gesorgt habe. Die Häuser in dieser Reihe sind alle zu Geschäfts- und Büroräumen umgebaut. Links von Veronica praktiziert ein Zahnarzt, dessen Bohrer viel zu viel Lärm machen, als dass seine Patienten etwas von unseren Gesprächen mitanhören könnten, und rechts ist eine Anwaltskanzlei. Ich nehme an, dort weiß man, dass man seine Nase besser nicht in anderer Leute Angelegenheiten stecken sollte. Allerdings glaube ich auch nicht, dass irgendjemand mich an dem, was ich bisher gesagt habe, hätte identifizieren können, und ich würde sowieso nie etwas zugeben, was nicht ohnehin schon das ganze Land weiß.

Der Garten ist ein kleiner Betonhof, den Veronica in eine derart wunderschöne Oase verwandelt hat, dass man nie vermuten würde, er liege in einer Stadt wie Manchester. Leuchtend bunte Blumen wachsen an Mauerspalieren und in Terrakottatöpfen zwischen den grauen Rattanmöbeln. Winzige, wie Schwalben geformte Windspiele klingeln in der Brise.

»Kann ich dir etwas zu trinken anbieten?«

»Nein, danke. Ich habe auf dem Weg einen Wodka getrunken.«

Veronica hebt kommentarlos die Augenbrauen. Seit fast zwei Jahren versuche ich nun bereits, sie an meinen Humor zu gewöhnen, und eines muss ich ihr lassen: Bis jetzt hat sie sich das Wort »Abwehrmechanismus« verkniffen.

»So ... Sollen wir mit ein paar Atemübungen anfangen?«

Ich setze mich auf meinen Platz in unserem kleinen Theater, schließe die Augen, atme tief...

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Jenny Blackhurst ist seit frühester Jugend ein großer Fan von Spannungsliteratur. Die Idee für einen eigenen Roman entwickelte sie nach der Geburt ihres ersten Kindes; inzwischen ist sie eine erfolgreiche Autorin, deren Thriller in mehreren Sprachen erscheinen und alle zu SPIEGEL-Bestsellern wurden. Die Autorin lebt mit ihrem Ehemann und ihren beiden Kindern in Shropshire, England.
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