Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Das Glück am Ende der Straße

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
256 Seiten
Deutsch
dtv Verlagsgesellschafterschienen am18.06.20211. Auflage
Dieses Buch öffnet Augen und Herzen Die herzerwärmende Geschichte zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht leben könnten. Die unkonventionelle Elli hat schon lange keine feste Bleibe mehr und muss täglich aufs Neue um ein würdevolles Leben auf der Straße kämpfen. Lisa ist eine gut situierte, aber dauergestresste Ehefrau, Mutter dreier Kinder und Teilzeitredakteurin bei einem Lifestyle-Magazin. In einem Park lernt Elli zufällig Lisas Kinder kennen und freundet sich mit ihnen an. Sie hat Zeit und immer ein offenes Ohr. Wie eine Art Ersatzoma hilft sie den dreien heimlich immer wieder in schwierigen Situationen. Und die Kinder verraten ihre neue Freundin nicht. Bis Elli eines Tages selbst dringend Hilfe benötigt ...

Ulrike Herwig wurde 1968 geboren und wuchs in Jena auf. Sie studierte Englisch und Deutsch und lebte fast zehn Jahre lang in London. 2001 zog sie mit ihrer Familie nach Seattle, USA, wo sie auch heute noch wohnt. Seit vielen Jahren schreibt sie unter verschiedenen Pseudonymen für Kinder und Erwachsene.
mehr
Verfügbare Formate
BuchKartoniert, Paperback
EUR15,90
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextDieses Buch öffnet Augen und Herzen Die herzerwärmende Geschichte zweier Frauen, die unterschiedlicher nicht leben könnten. Die unkonventionelle Elli hat schon lange keine feste Bleibe mehr und muss täglich aufs Neue um ein würdevolles Leben auf der Straße kämpfen. Lisa ist eine gut situierte, aber dauergestresste Ehefrau, Mutter dreier Kinder und Teilzeitredakteurin bei einem Lifestyle-Magazin. In einem Park lernt Elli zufällig Lisas Kinder kennen und freundet sich mit ihnen an. Sie hat Zeit und immer ein offenes Ohr. Wie eine Art Ersatzoma hilft sie den dreien heimlich immer wieder in schwierigen Situationen. Und die Kinder verraten ihre neue Freundin nicht. Bis Elli eines Tages selbst dringend Hilfe benötigt ...

Ulrike Herwig wurde 1968 geboren und wuchs in Jena auf. Sie studierte Englisch und Deutsch und lebte fast zehn Jahre lang in London. 2001 zog sie mit ihrer Familie nach Seattle, USA, wo sie auch heute noch wohnt. Seit vielen Jahren schreibt sie unter verschiedenen Pseudonymen für Kinder und Erwachsene.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783423438384
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.06.2021
Auflage1. Auflage
Seiten256 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1617 Kbytes
Artikel-Nr.5424269
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe

3

»Mann, wie ich aussehe«, jammerte Angel. Sie zupfte an ihrer Perücke herum, die schlaff wie nasse Zuckerwatte auf ihrem Kopf lag. Vor einem Schaufenster blieb sie stehen, betrachtete ihr ramponiertes Spiegelbild und versuchte dann vergeblich, ihre künstlichen Wimpern wieder anzupappen. Sie hatten sich vom Lid gelöst und baumelten wie Spinnenbeine über ihren Augen.

»Meine schöne Perücke! Die ist aus Echthaar«, regte Angel sich weiter auf. »Die war sauteuer!« Ein Absatz ihrer Stöckelschuhe verfing sich im Straßenpflaster und sie knickte um. »Verdammt noch mal!«

Elli sah der Frau mit den beiden Mädchen nach, die ihnen so unerwartet zu Hilfe gekommen war. Was für eine liebenswerte Person. Die Kleine hatte Elli ja schon im Park kennengelernt, da passte die hilfsbereite Mutter natürlich. Elli wollte der Frau etwas Nettes hinterherrufen, ihr ein Kompliment machen, sich revanchieren oder wenigstens richtig bedanken, aber auf die Schnelle fiel ihr nichts Passendes ein. Dass so etwas überhaupt noch vorkam.

Die meisten Leute guckten nur angestrengt weg, wenn irgendwo auf der Straße ein Streit ausbrach. Oder sie lachten sich halb tot und hielten ihre Handys hoch, um das Spektakel zu filmen und ins Netz zu stellen. Besonders, wenn eine schillernde Figur wie Angel die Hauptrolle spielte, deren lädierte Perücke jetzt immer wieder störrisch vom Kopf rutschte, als habe sie den ihr zugewiesenen Platz ein für alle Mal satt.

»Scheiße!«, rief Angel wütend.

In unmittelbarer Nähe kicherte jemand. »Ey, die Alte, voll krass.«

Elli hatte keine Lust, erneut die Aufmerksamkeit gelangweilter und sadistischer Teenager auf sich zu lenken, genau wie sie nicht das geringste Verlangen danach verspürte, den Rest des Tages mit Angel an der Seite durch die Straßen zu ziehen. Ein vages Gefühl der Verantwortung hielt sie jedoch davon ab, sich einfach aus dem Staub zu machen. Wenn sie Angel jetzt alleine ließ, würde diese mit schöner Zuverlässigkeit in das nächste Malheur stolpern. Vor ein Auto laufen oder mit ihren Absätzen im Gully steckenbleiben oder aus Versehen einen der Tische des kleinen Bistros da vorn rammen, wo frustrierte Tagestrinker nur darauf warteten, ihre schlechte Laune an jemandem wie Angel auszulassen. Im günstigsten Fall beklaute man sie, auch wenn es bei Angel wahrscheinlich kaum etwas zu holen gab.

 

»Los, komm mit.« Elli zog Angel am Ärmel. »Wir machen uns erst mal irgendwo frisch.« Sie sah sich um. Im Park gab es keine Toiletten, denn die Stadtplaner gingen offenbar davon aus, dass die sich stundenlang dort aufhaltenden Kinder und Spaziergänger im Leben nie aufs Klo mussten. Weiter vorn am Scheffelplatz gab es öffentliche, doch die kosteten pro Benutzung einen Euro, was Elli persönlich als eine Frechheit empfand. Wenn man drei Mal am Tag dorthin ging, waren das neunzig Euro im Monat. Davon konnte man sich fast sein eigenes Dixiklo mieten! Letztere mied sie allerdings, wenn es sich irgendwie einrichten ließ. Dixiklos waren kleine blaue Vorkammern der Hölle, bei jedem Atemzug litt man Qualen und jeder Blick nach unten zeigte einem die Abgründe der Menschheit.

Elli entschied sich für das Kaufhaus an der Ecke. Dort herrschte immer Personalmangel, und Elli brauchte nicht zu fürchten, dass gelangweilte Angestellte sich wie Habichte auf sie stürzten, sobald sie zur Tür hereinkam. Dort spielte einlullende Dudelmusik und es gab saubere Toiletten mit Flüssigseife und einem Handtrockner für Ellis besudelten Mantel. Keine Klofrau würde sie argwöhnisch mustern. Und außerdem gab es im Erdgeschoss diese tolle Kosmetikabteilung mit ihren tausend herrlichen Parfümtestern. Eine Prise Dior und eine Ladung Anti-Aging-Handcreme hatten Elli schon über so manchen beschämenden Tag hinweggeholfen.

 

Die Bevölkerungsdichte im Kaufhaus war angenehm, lediglich ein paar Kunden schlenderten in der Kosmetikabteilung herum. Ein junges Paar mit Baby hielt die einzige sichtbare Verkäuferin mit irgendwelchen Sonderwünschen auf Trab, eine alte Frau inspizierte misstrauisch verschiedene Fußpflegetinkturen. Die wenigen Leute auf der Rolltreppe nach oben waren Smartphone-Zombies, die nicht mitbekamen, wie Angel beim plötzlichen Entfalten der Treppenstufen die Balance verlor, einen hysterischen Triller von sich gab und mit den Armen ruderte.

»Pass auf.« Elli hielt sie fest.

»Ups.« Angel fing haltlos und schrill an zu lachen, was Elli echt nervte. Wenn sie noch lauter lärmte, konnten sie nämlich gleich wieder gehen. Elli alleine fiel nie auf. Man merkte ihr nichts an. Den meisten wohnungslosen Frauen sah man nichts an, denn sie verstanden, dass ein gepflegtes Aussehen die einzige wackelige Brücke war, die sie vor dem Absturz bewahrte. Saubere Klamotten und Haare waren ein absolutes Muss, schon aus Selbstschutz. Fingernägel nicht abgeknabbert, sondern am besten lackiert, ein bisschen Schminke, ein schönes Parfüm, das bekam man ja alles von den Testern, wenn man es geschickt anstellte.

Unter Umständen war die Frau da vorn, die sich gerade hingebungsvoll mit je einem Männer- und einem Frauenduft einnebelte, ja auch ohne Bleibe. Wer wusste das schon?

Zum Glück hatte Angel sich wieder beruhigt und Elli genoss das langsame und lautlose Schweben der Rolltreppe nach oben und den Ausblick in die Welt der Dinge, die sie weder brauchte noch je in der Lage sein würde zu kaufen. Handtaschen aus Straußenleder zum Aktionspreis, Fotobücher, Pfeffermühlen, Stabmixer, Reiseadapter, Teetassen mit neckischen Aufschriften. Bester Papa, Liebste Kollegin, Willkommen im Irrenhaus.

Das meiste war unnötiger Mist, das war klar. Wann hatte Elli in den letzten zwanzig Jahren einen Handstaubsauger vermisst? Wann ein Mikrofasertuch zum Reinigen von Tafelsilber? Wenn man keine Wohnung hatte, brauchte man auch den ganzen anderen Krempel nicht, und das war gut so, denn man hätte ihn ohnehin nicht bezahlen können.

Dennoch zog sie gern durch Kaufhäuser, besonders an kalten Tagen. Es lag etwas Beruhigendes und zutiefst Tröstendes darin, ziellos durch die Abteilungen zu schlendern. Ab und zu etwas in die Hand zu nehmen oder das Material von Handtüchern zu befühlen, über eine glänzende Espressomaschine zu streichen, sich einen Pullover anzuhalten und überhaupt für eine Weile einfach so zu tun, als habe man tatsächlich ein schönes Zuhause, das man mit all diesen Dingen füllen konnte.

 

Sie kamen im zweiten Stock an, in dem die lähmende Stille eines Bestattungsinstitutes herrschte. Hier gab es flauschige Kissen und Decken, getöpferte Schüsseln, Lampen wie aus Tausendundeiner Nacht und sogar eine kleine Möbelecke, für die tolle Wohnung, die Elli sich nie würde leisten können.

»Toiletten sind dort.« Elli zeigte Angel den Weg, damit die nicht zielstrebig in die Besenkammer lief. Immerhin schien sie nicht mehr ganz so sehr zu torkeln und steuerte selbstbewusst in Richtung Damen.

Elli kam ihr zuvor, sah sich rasch um und stieß alle Türen nacheinander auf. Die Kabinen waren leer, Gott sei Dank. Sie befanden sich zwar in einem Viertel, in dem es von Hipstern, Multikulti, Nachhaltigkeit und Bioläden nur so wimmelte, aber man wusste nie, wie viele Leute wirklich in der Lage waren, über die eigene Restmülltonne hinauszuschauen. Unter Umständen bekamen die Kundinnen dieses schicken Kaufhauses ja einen Anfall, wenn eine Transsexuelle mit Tränensäcken, Fusselhaaren und zerrissener Strumpfhose sich vor den Waschbecken ausbreitete und dabei lauthals aus ihrem Liebesleben berichtete.

»... haben doch alle Angst, sich zu binden«, erklärte Angel, während sie ihre Perücke unter den Handtrockner hielt. »Und jedes Mal denke ich - jetzt hast du ein Juwel von Mann gefunden - und dann werde ich wieder enttäuscht und ausgenutzt und ...« Der Rest ging im Röhren des Handtrockners unter. »... ist das denn zu viel verlangt?«, konnte Elli noch ausmachen.

»Nee, du hast was Besseres verdient«, bekräftigte sie. Mit etwas Seife versuchte sie den Rotwein aus ihrem Mantel zu waschen. Allerdings verrieb sie dadurch alles nur zu einem großflächigen rosa Fleck. Der Mantel war hin, aber wenigstens roch sie jetzt nach Flieder.

»Wo hast du eigentlich die ganze Zeit gesteckt, Schätzchen? Ich hab dich schon ewig nicht mehr gesehen.« Angel spitzte die Lippen vor dem Spiegel zu einem Kussmund und zog mit einem entnervten Ratschen die Kunstwimpern endgültig ab.

»Ich hab eine ...« Elli stockte. Nein, sie würde Angel nichts von ihrem geheimen Schlafplatz in der Gartenlaube verraten. Dann rückte die womöglich dort noch ein und verdarb alles. Jemand wie Angel würde in der Schrebergartenanlage auffallen wie ein bunter Hund. »Ich hab seit einer Weile eine feste Bleibe. Bei einer Freundin.«

»Echt?« Angel sah sie misstrauisch an, war aber zum Glück noch zu benebelt, um sich zu fragen, warum Elli immer noch in den alten Jagdgründen auf der Straße abhing, wenn sie doch angeblich irgendwo wohnte. »Oh, Mann, hast du es gut. Wo denn?«

»Auf einem Campingplatz. Dort arbeite ich auch.« Das war nicht mal gelogen. Hatte Elli ja bis vor Kurzem. Genau genommen, bis vor knapp zwei Jahren, als der Traum vom fast normalen Leben abrupt zu Ende gegangen war. Katrin, die nette Besitzerin des Campingplatzes, hatte Elli jahrelang kostenlos in einem alten Wohnwagen wohnen lassen. Das Ding hatte seine Glanzzeiten in den Siebzigern gehabt, roch ziemlich muffig, und die orange gemusterten Gardinen, die in offener Feindschaft mit der rot geblümten Tapete lebten, hätten wahrscheinlich jeden anderen in die Migräne getrieben, aber Elli war das egal. Ihr kleines Reich hatte sogar eine Tür, die man abschließen konnte.

Doch dann war Katrin zu ihrem neuen Freund...
mehr

Autor

Ulrike Herwig wurde 1968 geboren und wuchs in Jena auf. Sie studierte Englisch und Deutsch und lebte fast zehn Jahre lang in London. 2001 zog sie mit ihrer Familie nach Seattle, USA, wo sie auch heute noch wohnt. Seit vielen Jahren schreibt sie unter verschiedenen Pseudonymen für Kinder und Erwachsene.