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Die Pension der gebrochenen Herzen

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
224 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am24.05.2021
Max, Paul, Simon, Fabrizio und Theo wird kurz hintereinander von ihren Frauen der Laufpass gegeben. Nach und nach ziehen sie alle in eine alte Schule in Paris ein, die Max gerade zu einer Pension umbaut. Als Mitbewohner gegen ihren Willen läuft das Zusammenleben im Alltag nicht immer reibungslos, doch die fünf raufen sich zusammen und bei gemeinsamen Ausflügen und Gesprächen über Frauen und Gefühle gewinnen sie neue Einsichten in das Beziehungsleben. Ihre Welt ist in sich zusammengefallen. Wird es ihnen gelingen, eine neue zu erfinden? Eines ist sicher: Auf die Liebe werden sie nie verzichten.

Karine Lambert ist eine belgische Fotografin und Schriftstellerin. Nach längeren Aufenthalten in verschiedenen Ländern lebt sie heute wieder in ihrer Geburtsstadt Brüssel. Ob in Bildern oder Worten, immer erzählt Karine Lambert von der Freude und der Liebe, von der Verletzlichkeit und der Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Die Romane der Bestsellerautorin erscheinen in über 25 Ländern.
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Produkt

KlappentextMax, Paul, Simon, Fabrizio und Theo wird kurz hintereinander von ihren Frauen der Laufpass gegeben. Nach und nach ziehen sie alle in eine alte Schule in Paris ein, die Max gerade zu einer Pension umbaut. Als Mitbewohner gegen ihren Willen läuft das Zusammenleben im Alltag nicht immer reibungslos, doch die fünf raufen sich zusammen und bei gemeinsamen Ausflügen und Gesprächen über Frauen und Gefühle gewinnen sie neue Einsichten in das Beziehungsleben. Ihre Welt ist in sich zusammengefallen. Wird es ihnen gelingen, eine neue zu erfinden? Eines ist sicher: Auf die Liebe werden sie nie verzichten.

Karine Lambert ist eine belgische Fotografin und Schriftstellerin. Nach längeren Aufenthalten in verschiedenen Ländern lebt sie heute wieder in ihrer Geburtsstadt Brüssel. Ob in Bildern oder Worten, immer erzählt Karine Lambert von der Freude und der Liebe, von der Verletzlichkeit und der Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Die Romane der Bestsellerautorin erscheinen in über 25 Ländern.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641277307
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum24.05.2021
Seiten224 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1500 Kbytes
Artikel-Nr.5425082
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



1

Louise balanciert auf einem Hocker und hält eine Drahtrolle in der Hand. Zum dritten Mal versucht sie, das Schild mit der Aufschrift Hier bald Gästezimmer am Schultor zu befestigen. Auf Zehenspitzen probiert sie es noch einmal, schrammt sich auf, stürzt fast vom Hocker, lässt das Schild fallen. Dann marschiert sie über den Hof und baut sich vor ihrem Mann auf.

»Ich mach das nicht mehr mit.«

»Was machst du nicht mehr mit?«

»Das ist ein Albtraum!«

»Was redest du da?«

»Diese Baustelle verschlingt dich mit Haut und Haaren. Du hörst mir nicht mehr zu, siehst mich nicht mehr, fasst mich nicht mehr an!«

Madame Gillou, die Nachbarin, öffnet das Fenster. Ob wohl die ganze Straße seine Frau schreien hört?, fragt sich Max, den Wuschelkopf voller Farbspritzer. Er macht eine beruhigende Geste. Louise ist jetzt völlig außer sich, außer Reichweite, selbst für ihn; sie schiebt ihn weg.

»Und wozu das Ganze?«, ruft sie. »Damit wir Fremdenführer spielen dürfen, den wunderbaren Butte-aux-Cailles anpreisen, Fahrpläne von Touristenbooten und Öffnungszeiten des Père Lachaise verteilen, die Restaurierung von Notre-Dame in allen Einzelheiten erklären? Und was noch? Die Bettwäsche von fremden Leuten waschen, uns ihre Urlaubsgeschichten anhören, uns gegenseitig die Einträge im Gästebuch vorlesen? Lächeln, lächeln und zur Abwechslung noch mal - lächeln. Sieben Tage die Woche, sechzehn Stunden am Tag. Keine Minute für sich, für uns. Und das noch nicht mal draußen, in der Sonne!«

»Louise, warte ...«

»Glaubst du wirklich, ich klebe auch noch Etiketten auf die Marmelade? Ich ersticke! Mir steht dieses Leben bis hier! Es kotzt mich jetzt schon an!«

Louise versetzt dem randvollen Eimer einen Tritt und marschiert davon, ohne sich noch einmal umzublicken.

»Wo willst du hin?«

Wie versteinert hält Max die Maurerkelle in der Hand und starrt ihr hinterher. »Mir steht dieses Leben bis hier?« Was denn genau? Er? Das gemeinsame Projekt? An einer Säule des heruntergekommenen Schulhofs lässt er sich zu Boden gleiten, sein langer Körper sackt zusammen, der Blick der hellen Augen ist starr auf die Gipsspritzer am Boden gerichtet.

Deprimierend weiß.

Anrufen ist sinnlos, sie würde ohnehin nicht rangehen. Er wird hier duschen. Früh nach Hause gehen und mit ihr reden. Dann sieht sie, dass er den Kopf frei hat, sich ihr ganz widmen kann.

Es soll alles perfekt sein.

Wie ihr erster Kuss.

Sie waren zehn Jahre alt.

Er war ein noch kindlich pummeliger Junge, der häufig ein Tütchen Weingummis in der Hosentasche herumtrug. Oft brachte er Leckereien und nette Kleinigkeiten mit, um ihr eine Freude zu machen.

Sie war die Kleine mit dem lauten Lachen, den niedlichen Grübchen und den faszinierenden Sommersprossen. Ihr weißes Kleid erinnerte ihn an Puderzucker, luftige Baisers und Schlagsahne. Ein berauschendes Weiß.

So eine junge Liebe kann einen schon aus der Bahn werfen.

Wäre er nicht so ein Leckermäulchen gewesen, dann hätte er vielleicht nicht diesen unwiderstehlichen Drang gehabt, sie auf dem Schulhof zu küssen.

Wenn sie am Tag des Puppentheaters stattdessen ein rotes Kleid angehabt hätte, wäre seine Zukunft anders verlaufen. Feuerrot. Paprika. Chili. Flammen. Feueralarm ...

Er hatte nur Augen für ihren Zopf, der im Takt ihrer wechselnden Launen hin und her schwankte. Er zog daran, sie drehte sich zu ihm um, und er drückte ihr seine Lippen auf den Mund. Louises Lippen schmeckten nach Fruchtbonbons. Lange verharrten sie reglos und mit geschlossenen Augen. Er schwankte, als säße er auf einem Holzpferd in Monsieur Marcels Karussell an der Place du Trocadéro.

Alle um sie herum riefen: »Verliebt, verlobt, verheiratet!« Er fühlte sich unbesiegbar, ungeahnte Glücksgefühle durchströmten ihn. Er gab ihr noch einen zweiten Kuss. An jenem Nachmittag wurde Louise für ihn diejenige, welche.

Bis er Louise begegnete, hatten Umzüge Max´ Leben bestimmt. Er wurde von einem Haus ins andere, von einer Schule in die andere verfrachtet, von Ägypten in den Libanon, mit einem Zwischenstopp in der Türkei. Er war besessen von ihrem Blick, ihren Augen, ihren Spielen, ihrer Präsenz, und hatte doch Angst, sie zu verlieren, wenn sein Vater wieder aus Paris wegversetzt wurde. Obwohl sie ihm einen wichtigen Platz in ihrem Herzen einräumte, obwohl er gern in eine Schule ging, wo der Unterricht in seiner Muttersprache stattfand, holte ihn das Heimweh nach früheren Spielkameraden, dem Nachbarshund, den Dialekten des Landes, in dem sie zuletzt gewohnt hatten, manchmal ein.

Auch mit zwanzig war er noch verrückt nach ihr. Er konnte nicht genug bekommen von ihren Sommersprossen, von ihrem Lächeln, ihrem ungestümen Wesen, davon, wie sie aus Filmen zitierte und sämtliche Figuren so überzeugend nachspielte. Sie war immer lustig, unersättlich, der Alltag mit ihr machte Spaß.

Mit dreißig schnitten sie die Hochzeitstorte an, weiß wie das Brautkleid. Alles war glatt, alles war übersichtlich. Bis hin zu diesen Wänden, die er mit Gips verputzte.

Ein vollkommenes Weiß.

Schon seit den Weingummis war sie mit Überraschungen am leichtesten zu verführen. Eine Erbschaft hatte ihm den Kauf ihrer »alten Schule« ermöglicht, die schon so lange leer stand. Dieser erinnerungsträchtige Ort gehörte nun für immer ihnen. Er hoffte, Louise auf diese Weise die Unbeschwertheit aus der Zeit ihres Kennenlernens zurückzugeben, die Leidenschaft der ersten Jahre ihrer Liebe. Er hatte es sogar geschafft, die Glyzinie zu retten, die sich an der Fassade entlangrankte.

Die Idee, die Schule zu einer Pension umzubauen, war ihnen damals gleichzeitig gekommen. Voller Begeisterung hatte sich Louise Namen für die Zimmer ausgedacht: Bescherelle, Carambar, Mademoiselle Bergamotte, Caran d´Ache und Petit Écolier. Und jetzt wirft sie ihm vor, dass er seine ganze freie Zeit der Schule widmet. Anfangs war die Renovierung ihr gemeinsames Projekt gewesen. Dieses Abenteuer sollte ihnen die Familie ersetzen, die sie nicht gründen konnten. Für Louise kam eine Adoption nicht infrage. Sie wollte ein eigenes Kind, das eigene Fleisch und Blut, oder gar keins. Er war da nicht so radikal, akzeptierte jedoch ihre Entscheidung, weil er sie so sehr liebte. Nach und nach entfernten sie sich von ihren Freunden, die Kinder bekommen hatten. Schafften Abstand zwischen sich und dem Entzücken, dem Stolz, den Familienurlauben und den Sorgen. Und den Anekdoten, vor allem den Anekdoten: Das hundertzwanzigste Bild eines Hosenmatzes, das ihnen zur Bewunderung vorgelegt wurde, war die Initialzündung gewesen.

Monatelang hatten sie jeden Abend Baupläne gezeichnet. Louise hatte die Webseiten für Innenausstattung und Design durchforstet und sich für verschiedene Weißtöne begeistert: Eierschale, Kreide, Schnee ... Leuchtend. Zeitlos. Daran sieht man sich nicht satt, hatte sie beteuert. In letzter Zeit war sie genervt von Kleinigkeiten und sprach immer seltener über die gemeinsame Zukunft. Wann haben sie das letzte Mal miteinander geschlafen? Vielleicht an dem Tag, an dem sie die Spülbecken aufstellten. Louise wird ihn doch nicht ein paar Wochen vor der endgültigen Fertigstellung verlassen, nur weil sich die Renovierung so hinzieht? Unmöglich! Das hat sie nicht gesagt. In Sachen Liebe kennt er niemanden außer ihr. Sie sind seit Ewigkeiten zusammen, ihre Beziehung ist solider als alle anderen. Die Kinderlosigkeit hat sie zusammengeschweißt und in ihrer Zweisamkeit bestärkt.

Gedankenverloren zupft Max an seinem fadenscheinigen braunen Rollkragenpulli. Dann wechselt er, anstatt weiter die Wolle zu malträtieren, zur Arbeitshose und reibt den abgewetzten Stoff zwischen Daumen und Zeigefinger. Wie früher, wenn er über Matheproblemen brütete.

Er steht langsam auf, geht zur ausgetretenen Eingangstreppe des Gebäudes; sein Gang ist nicht mehr der eines selbstsicheren Mannes, den nichts aus dem Gleichgewicht bringen kann. Eigentlich sucht er ein Werkzeug. Welches? Das hat er vergessen. Als Louise dermaßen entnervt durchs Tor gerauscht ist, hat sie seine Geschicklichkeit, alle Gewissheiten, alles Vertrauen mitgenommen. Seine sehnigen Hände wissen nichts mit sich anzufangen. Sein Körper ist plötzlich unbewohnt, sein Traum sinnlos in einem Leben ohne sie. Ein Leben ohne sie? So weit sind sie noch nicht.

Wie spät ist es? Er versucht, sich zu sammeln. Wie findet er aus der Starre wieder raus? Paul müsste gleich kommen, er hatte ihm seine Hilfe angeboten. Max hat ihn gebeten, sich um die Fliesen für die bodengleiche Dusche zu kümmern. Er hofft, dass sein Freund zu spät kommt, wie immer. Pauls Fantasie ist grenzenlos, wenn es um das Erfinden von Ausreden geht.

Auf dem langen Tisch im Speisesaal liegen alte Zeitungen, auf einer Werkbank Schraubenzieher, Metallbehälter stapeln sich unter der Treppe. Überall finden sich Häufchen aus feinen Sägespänen. Der typische Renovierungsgeruch nach frischer Farbe ist von beißendem Terpentin durchsetzt, das ihm in die Nase steigt. Die hohen Atelierfenster mit den schwarzen Stahlstreben bilden einen schönen Kontrast zu dem geschliffenen Beton. Licht fällt durch die Scheiben und färbt den Boden rötlich. Die Wände zwischen dem Speisesaal und der Sporthalle wurden entfernt, und der riesige freie Raum betont die offene Küche mit dem Tresen, der Edelstahlanrichte und dem anthrazitfarbenen Kühlschrank.

Die Bauarbeiten haben sich länger hingezogen als erwartet: drei Wasserrohrbrüche, eine durchgesackte Decke, eine schwer zu beschaffende...

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Autor

Karine Lambert ist eine belgische Fotografin und Schriftstellerin. Nach längeren Aufenthalten in verschiedenen Ländern lebt sie heute wieder in ihrer Geburtsstadt Brüssel. Ob in Bildern oder Worten, immer erzählt Karine Lambert von der Freude und der Liebe, von der Verletzlichkeit und der Fähigkeit, sich neu zu erfinden. Die Romane der Bestsellerautorin erscheinen in über 25 Ländern.