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Denn Familie sind wir trotzdem

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
320 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am15.03.2021
Eine Geschichte von Müttern und Töchtern, Schuld und Vergebung und der Frage, wie wir zu den Menschen werden, die wir sind.
Die Schatten der Vergangenheit reichen weit in der Familie Fux - von 1925, als zwei Brüder schon als kleine Jungen zu Soldaten erzogen werden und in den Dreißigerjahren entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen, bis zum heutigen Tag. Ina, die Tochter des einen Bruders, entfremdet sich von ihrer Familie und ihrer Geschichte. Sie wird mit neunzehn schwanger und beschließt, ihre Tochter Floh trotz der fehlenden Unterstützung des Vaters alleine großzuziehen. Als junge Frau stellt Floh, angetrieben vom Zorn auf den unerreichbaren Vater, auf Staat und Gesellschaft, Recherchen über ihre Familie an. Was sie entdeckt und dass sie selbst schwanger wird, verändert alles. Die Geschichte droht sich zu wiederholen, doch Floh ist entschlossen, zusammen mit ihrem Großvater den Fluch des Gestern zu überwinden und nach dem zu suchen, was Familie trotz allem zusammenhält.
Inspiriert von der wahren Familiengeschichte von Heike Duken.

Heike Duken, geboren 1966 in München, studierte Psychologie und arbeitet in Nürnberg als Psychotherapeutin in ihrer eigenen Praxis. Sie schreibt, seit sie die Buchstaben kennt, ihr erstes Werk war eine Piratengeschichte in der dritten Klasse. Ihr Romanprojekt »Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt« wurde mit einem Stipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextEine Geschichte von Müttern und Töchtern, Schuld und Vergebung und der Frage, wie wir zu den Menschen werden, die wir sind.
Die Schatten der Vergangenheit reichen weit in der Familie Fux - von 1925, als zwei Brüder schon als kleine Jungen zu Soldaten erzogen werden und in den Dreißigerjahren entscheiden müssen, auf welcher Seite sie stehen, bis zum heutigen Tag. Ina, die Tochter des einen Bruders, entfremdet sich von ihrer Familie und ihrer Geschichte. Sie wird mit neunzehn schwanger und beschließt, ihre Tochter Floh trotz der fehlenden Unterstützung des Vaters alleine großzuziehen. Als junge Frau stellt Floh, angetrieben vom Zorn auf den unerreichbaren Vater, auf Staat und Gesellschaft, Recherchen über ihre Familie an. Was sie entdeckt und dass sie selbst schwanger wird, verändert alles. Die Geschichte droht sich zu wiederholen, doch Floh ist entschlossen, zusammen mit ihrem Großvater den Fluch des Gestern zu überwinden und nach dem zu suchen, was Familie trotz allem zusammenhält.
Inspiriert von der wahren Familiengeschichte von Heike Duken.

Heike Duken, geboren 1966 in München, studierte Psychologie und arbeitet in Nürnberg als Psychotherapeutin in ihrer eigenen Praxis. Sie schreibt, seit sie die Buchstaben kennt, ihr erstes Werk war eine Piratengeschichte in der dritten Klasse. Ihr Romanprojekt »Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt« wurde mit einem Stipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641265816
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum15.03.2021
Seiten320 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse2655 Kbytes
Artikel-Nr.5425306
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



Das wäre sicher schön

Ina, 1985

Sie luden mich in ihr Haus ein, und ich ging hin. Man musste ja darüber sprechen. Irgendwie. Ich klingelte. Was sollte schon passieren. Ich war aufgeregt, ja, aber ich war auch stolz, und da würden sie nicht dagegen ankommen. Sollte es schwierig werden, würde er mir helfen. Ariel. Er hatte jetzt Zeit gehabt, um über alles nachzudenken, hatte sich fangen können. Er würde mir beistehen, er würde ihnen nicht erlauben, über mich herzufallen.

Dana öffnete die Tür, Ariels Schwester. Was machte sie hier? Dana studierte doch in Haifa. War das Semester schon zu Ende?

»Hallo Dana.«

»Hallo Ina. Da bist du ja.«

Sie lächelte, ein gutes Zeichen. Dana würde es am ehesten verstehen.

»Komm doch rein«, bat sie, und ich betrat die Wohnung. Es gab keinen Flur, man stand sofort im Wohnzimmer. Schrankwand, Sofa, zwei Sessel, Couchtisch, Teppich. Auf einer Kommode Pokale und Medaillen, von Dana und von ihrem Bruder, Ariel. Sie Leichtathletik, er Schwimmen. Wie spießig das alles war. Fast wie in Deutschland.

Ariel war nicht da. Er würde sicher gleich kommen.

Martha, seine Mutter, erhob sich aus dem Sessel. »Hallo Ina«, sagte sie. »Wie schön, dass du gekommen bist.«

Sie lächelte auch.

Es würde also nicht so schlimm werden. Sie verurteilten mich nicht, sie hassten mich nicht.

»Das ist Ruth«, sagte Martha. »Meine Schwester, Ariels Tante.«

Die Tante lächelte nicht, sie gab mir lediglich die Hand.

Martha bot mir den zweiten Sessel an und nahm wieder auf ihrem Platz.

»Möchtest du Tee?«, fragte mich Dana.

»Nein, danke.«

Sie war auf meiner Seite. Ich spürte es. Sie war nur zwei Jahre älter als ich. Wir waren uns auf einem Ausflug begegnet, damals am See Genezareth, es war schon ein paar Monate her. Wir hatten darüber gelacht, wie hübsch die Männer hier waren. Wie gefährlich.

Es gab noch eine weitere Person im Raum. Sie stand weder auf, noch wurde sie mir vorgestellt. Eine alte Frau. Sie saß etwas abseits auf einem Stuhl neben der Anrichte mit den Medaillen. Ihre Hände lagen in ihrem Schoß. Sie trug ein Kostüm, als hätte sie sich schick gemacht, doch die Hausschuhe an den Füßen passten nicht dazu. Sie hatte weißes Haar, ihr Gesicht war voller Falten und Flecken. Es musste Ariels Großmutter sein. Er hatte nur ein- oder zweimal über sie gesprochen, obwohl sie nebenan wohnte. Man sah sie nie draußen, auch bei den Versammlungen nicht. Sie sei ein bisschen seltsam, hatte Ariel gesagt und gelacht. Ja, das war sie wohl. Sie schaute auf ihre Hände.

»Du bist schwanger?«, fragte Dana unvermittelt.

»Ja.«

»Bist du sicher? Warst du beim Arzt?«

»Ja, ich war beim Arzt. Zehnte Woche ungefähr.« Es sollte neutral klingen, nicht gleich so euphorisch. Immer langsam! Aber ich lachte, ich konnte nicht anders.

»Passiert«, sagte Dana. »Ist ja nicht so schlimm.«

Sie saßen nun schweigend da, Dana, Martha, Tante Ruth und die alte Frau, die immer nur ihre Hände betrachtete. Wirklich seltsam.

»Wo ist Ariel?«, fragte ich.

»Er musste weg«, sagte Martha, seine Mutter. »Er hat Dienst. Du weißt ja.«

»Er hat Dienst? Nein, das wusste ich nicht.«

Ariel hatte doch gesagt, er würde freibekommen und auf jeden Fall da sein. Vor zwei Tagen, am Telefon. Auf einmal war ich allein mit seiner Familie. Zum Glück war wenigstens Dana da.

»Wo willst du es machen lassen?«, fragte Martha. »Hier oder in Deutschland? Die Zeit wird knapp.«

»Am besten hier«, schlug Ruth vor, Ariels Tante. »Wir sind für dich da. Bringen dich hin. Wir sind bei dir.«

»Oh nein, ich möchte es behalten.«

Sie starrten mich an. Ruth zog die Augenbrauen nach oben. Sie aß zu viele Zitronen, hatte Ariel über seine Tante gesagt. Deswegen schaute sie immer so säuerlich drein.

Er war nicht da. Nur Dana konnte mir noch helfen.

»Ich könnte mir vorstellen herzukommen, hier zu leben«, sagte ich.

Martha antwortete mir sofort. Als hätte sie sich längst alles zurechtgelegt. »Das wäre sicher schön. Aber Ariel, mein Sohn, er möchte das nicht. Er ist zwanzig Jahre alt. Er ist beim Militär. Er erlebt viel Schlimmes. Danach macht er seine Reise, du weißt doch, dass nach seiner Militärzeit der Kibbuz für eine Reise aufkommt. Denkst du nicht, sie steht ihm zu? Nach dem Dienst? Und dann? Er wird studieren. Es wird also nicht gehen, dass du herkommst und hier lebst.« Sie beugte sich zu mir hin und nahm meine Hand. »Vielleicht ist es schwer. Du bist verliebt. Vielleicht hattest du Träume. Aber es ist zu früh für euch, einfach zu früh. Du kannst noch viele Kinder haben. Ich weiß einen Arzt.«

Ich zog meine Hand weg.

»Ich werde das Kind bekommen. Auch ohne Ariel. Ich kann hier leben und arbeiten, ich falle ihm nicht zur Last. Soll er seinen Dienst machen, seine Reise.«

Damit hatten sie nicht gerechnet. Ich würde Ariel zu nichts zwingen, so war ich nicht. So waren wir beide nicht. Ich würde hier leben wie die anderen auch. Erst als Kandidatin, dann als Mitglied. Ich würde arbeiten, von mir aus in der Küche an der Dishmachine oder auf der Plantage, es war mir egal. Ich würde eine von ihnen werden. Das war neu für sie. Das mussten sie erst einmal verdauen.

»Ich möchte ihm nichts kaputt machen, wisst ihr.«

Nichts lag mir ferner. Ariel. Er hatte dunkles Haar und blaue Augen, und ich hatte ihn lange nur heimlich angeschaut, monatelang, und nicht gedacht, dass er sich für mich interessieren könnte. Nicht Ariel, der hübscheste Kibbuznik von allen. Doch dann diese Nacht, als die Freiwilligen aus Mexiko ihr Abschiedsfest feierten. So viel Tequila! Die Party fand im Freien statt, die Nacht war sternenklar, und immer noch war es so heiß, dass uns beim Tanzen der Schweiß nur so herunterlief - und später auch, als wir uns im Arm hielten, Ariel und ich, und noch später, als wir betrunken in den Laken lagen. Da erzählte er mir vom Militärdienst. Drei Jahre. Er musste auf Menschen schießen, manchmal sogar auf Kinder. Kam ein Kind auf sie zu, wussten sie nicht, ob die Puppe in der Hand nur ein Spielzeug oder eine Höllenmaschine war. Und wenn er freihatte, kam er nach Hause, und alles war ganz normal und ganz friedlich, aber nicht für ihn, er träumte und wachte voller Angst auf und klammerte sich an mich.

Was also wussten sie von Ariel, seine Mutter und seine Tante und seine seltsame Großmutter. Sie kannten ihn nicht so, wie ich ihn kannte, ich, Ina, die ein Kind von ihm bekam. Sein Dienst und seine Reise würden nichts daran ändern. Er würde zurückkommen, und ich würde für ihn da sein.

Dana stand vom Sofa auf. »Das tust du aber.« Sie stemmte die Hände in die Hüften. »Du machst Ariels Zukunft kaputt.«

Ich hatte sie bestimmt falsch verstanden. Immer noch war ich im Englischen nicht ganz sicher. Ich lächelte, mehr fiel mir im Augenblick nicht ein.

»Sei nicht so hart«, sagte Martha.

»Du kannst das Kind nicht kriegen«, sagte Dana. »Es wird hier nicht willkommen sein.«

Das war nun nicht mehr falsch zu verstehen. Trotzdem kam es erst langsam bei mir an. Ich hörte auf zu lächeln. Dana? Warum? Ich starrte sie stumm an. Sie wich meinem Blick nicht aus, sondern sah mir direkt in die Augen. Ja, sie meinte, was sie sagte. Sie war nicht auf meiner Seite. Eine Falltür ging auf, und ich fiel. Meine Ohren gingen zu, ich fühlte mich taub.

Ich riss mich von Danas bohrendem Blick los und starrte auf den Teppich mit seinem hässlichen Muster. Ich war allein. Niemand würde mir helfen. Ob Ariel wirklich Dienst hatte? Vielleicht wartete er nebenan. Draußen ein Held - und hier, für mich? Nein, ich tat ihm bestimmt unrecht. Er hatte nicht freibekommen.

Na gut, dachte ich. Ihr werdet schon sehen. Sie saßen vor mir, diese Frauen. Sie hielten zusammen, aber es würde ihnen nichts nutzen. Sie wollten mir Vorschriften machen, und da kannten sie mich schlecht. Meine Mutter hatte das schon versucht, mein ganzes Leben lang. Das war ich gewohnt! Sie brauchten nicht zu denken, dass ich jung und dumm war und einfach machte, was sie mir befahlen.

»Ich werde das Kind bekommen. So oder so.«

»Nein«, sagte Dana. »Du wirst eine Abtreibung vornehmen lassen. Noch in dieser Woche. Hier ist dein Termin.«

Sie hielt mir einen Zettel hin.

»Niemals.«

»Du wirst allein damit sein«, sagte Martha. »Ganz allein. Das Kind wird keinen Vater haben. Denk an das Kind, Ina, an sein Schicksal.«

»Es wird hier nicht willkommen sein«, bekräftigte Ariels Tante Ruth.

Ich verstand noch immer nicht ganz, was los war. Was sie gegen das Kind hatten. Gegen mich. Mein Kind war nicht willkommen? Doch, das war es. Bei mir. Ich heulte los. Ich wollte nicht, aber ich heulte.

»Es ist doch erst ein kleiner Haufen Zellen«, sagte Dana. »Mach dich nicht unglücklich. Und das Kind auch nicht.«

Ich stand auf. »Was sagt Ariel denn?«

Martha antwortete mir. »Er hat uns aufgetragen, dieses schwere Gespräch mit dir zu führen. Er sah sich nicht in der Lage dazu. Er will das Kind nicht. Er will keine Beziehung mit dir. Eine Liebelei, Ina, mehr nicht. Nimm die Erinnerung mit nach Hause.«

»Ich gehe jetzt«, sagte ich.

Er sah sich nicht in der Lage dazu.

Ich bewegte mich langsam. Sie würden mich aufhalten. In meinem Kopf ein Durcheinander. Na gut, dann Deutschland. Ein Baby. Ich war die Mutter. Ich würde schon für es sorgen. Und diese Leute hier,...

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Autor

Heike Duken, geboren 1966 in München, studierte Psychologie und arbeitet in Nürnberg als Psychotherapeutin in ihrer eigenen Praxis. Sie schreibt, seit sie die Buchstaben kennt, ihr erstes Werk war eine Piratengeschichte in der dritten Klasse. Ihr Romanprojekt »Wenn das Leben dir eine Schildkröte schenkt« wurde mit einem Stipendium des Deutschen Literaturfonds gefördert.