Hugendubel.info - Die B2B Online-Buchhandlung 

Merkliste
Die Merkliste ist leer.
Bitte warten - die Druckansicht der Seite wird vorbereitet.
Der Druckdialog öffnet sich, sobald die Seite vollständig geladen wurde.
Sollte die Druckvorschau unvollständig sein, bitte schliessen und "Erneut drucken" wählen.

Die Unschuld der Opfer

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
288 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am10.05.2021
Das Vermächtnis der großen Kulturhistorikerin Marilyn Yalom
»Wir sind die letzten Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, und bald werden wir nicht mehr da sein. Dieses Buch möchte ich als ein Zeugnis und eine Mahnung hinterlassen in der Hoffnung, dass diese Lebenswege uns die Sinnlosigkeit des Krieges vor Augen führen. Gerade jetzt, in Zeiten des wiedererstarkenden Nationalismus und eskalierender Konflikte weltweit mögen uns diese Schicksale dazu bringen, uns zu fragen, ob auch unsere Kinder und Enkelkinder zu Opfern machthungriger Erwachsener werden.« Marilyn Yalom

Marilyn Yalom (1932-2019) war Mitbegründerin und Senior Scholar am Clayman Institute for Gender Research an der Stanford University. Sie hat zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Über 65 Jahre war sie mit dem Buchautor und Psychoanalytiker Irvin D. Yalom verheiratet.
Theresa Donovan Brown ist preisgekrönte Autorin von sowohl Sachbüchern als auch Belletristik zum Thema Freundinnen. Sie hat Creative Writing an der Stanford University studiert und einen MBA von der Haas School of Business der Berkeley University.
mehr
Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR11,99

Produkt

KlappentextDas Vermächtnis der großen Kulturhistorikerin Marilyn Yalom
»Wir sind die letzten Zeitzeugen, die den Zweiten Weltkrieg noch erlebt haben, und bald werden wir nicht mehr da sein. Dieses Buch möchte ich als ein Zeugnis und eine Mahnung hinterlassen in der Hoffnung, dass diese Lebenswege uns die Sinnlosigkeit des Krieges vor Augen führen. Gerade jetzt, in Zeiten des wiedererstarkenden Nationalismus und eskalierender Konflikte weltweit mögen uns diese Schicksale dazu bringen, uns zu fragen, ob auch unsere Kinder und Enkelkinder zu Opfern machthungriger Erwachsener werden.« Marilyn Yalom

Marilyn Yalom (1932-2019) war Mitbegründerin und Senior Scholar am Clayman Institute for Gender Research an der Stanford University. Sie hat zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Über 65 Jahre war sie mit dem Buchautor und Psychoanalytiker Irvin D. Yalom verheiratet.
Theresa Donovan Brown ist preisgekrönte Autorin von sowohl Sachbüchern als auch Belletristik zum Thema Freundinnen. Sie hat Creative Writing an der Stanford University studiert und einen MBA von der Haas School of Business der Berkeley University.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641272449
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum10.05.2021
Seiten288 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse7636 Kbytes
Illustrationen14 schwarz-weiße Abbildungen
Artikel-Nr.5425320
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe


EINLEITUNG

Ich gehöre zur Generation derer, die während des Zweiten Weltkriegs Kinder waren. Wir alle, ob in den USA lebend wie ich oder in Europa wie einige meiner Freunde, haben dauerhafte Erinnerungen an die Jahre von 1939 bis 1945.Trotz nachfolgender militärischer Interventionen der amerikanischen Armee in Korea, Vietnam, Irak, Afghanistan und weiteren Ländern bleibt der Zweite Weltkrieg bis heute »unser« Krieg.

Dieses Buch versucht, die Auswirkungen der Kriegserfahrung auf Kinder jener Tage in Europa und Amerika zu verstehen. Es basiert auf den persönlichen Erinnerungen von Menschen, die ich als Erwachsene gut kannte und mit denen ich mich über Jahrzehnte ausgetauscht habe. Als Kinder in der Zeit des Krieges konnte ich sie nicht kennen, aber selbst damals beeinflussten ihre Erfahrungen, so wie ich sie mir vorstellte, meine innere Welt, und später machte ich mich auf die Suche nach ihren Geschichten.

Jede dieser Geschichten zeigt uns einen Mikrokosmos des Zweiten Weltkriegs, gesehen durch die Augen eines Kindes und erlebt mit den Gefühlen eines Kindes, und führt uns in die Welt des jeweiligen Kindes. Natürlich kannte ich all diese Zeugen des Krieges nur als Erwachsene und musste mich auf ihre rückblickenden Erinnerungen verlassen. Dennoch, trotz der Fallstricke, die dies birgt - am Ende des Buches setze ich mich mit dieser Thematik auseinander -, vertraue ich der Substanz ihrer Berichte. Kinder erleben die alltäglichen Mechanismen des Krieges, und wenn das Erlebte wieder ans Tageslicht kommt, machen uns die Erinnerungen der Kinder zu Zeugen der brutalen Realität des Krieges.

Es gibt natürlich bereits andere Bücher zu dem Thema. Ich denke da besonders an Swetlana Alexijewitschs brillantes Last Witnesses: An Oral History of the Children of World War II, 1985 auf Russisch erschienen, aber erst 2019 auf Englisch (Die letzten Zeugen: Kinder im Zweiten Weltkrieg). Die letzten Zeugen besteht aus kurzen Aussagen von ungefähr hundert russischen Kindern; sie alle erinnern die Grausamkeit der Nazi-Invasoren erinnern, die weder Väter, Mütter noch Kinder verschonten. Nach dem Lesen dieses Buches ist man überwältigt von dem enormen Leid, das dieser epische Chor der Kinderstimmen verkündet.

Mein Buch ist weit von solchen Dimensionen entfernt. Es versammelt vielmehr eine kleine Zahl sehr persönlicher Berichte, durch die wir daran teilhaben, wie die Autoren als Kinder im Krieg aufwuchsen und versuchten, die Welt um sie herum zu verstehen, während ihre Familien ums Überleben kämpften. Meiner eigenen Geschichte habe ich sechs Geschichten von Freunden und Kollegen hinzugefügt, sie alle haben aufschlussreiche und bewegende Erinnerungen geschrieben. Ich möchte hier die Autoren in der Reihenfolge, wie sie im Buch erscheinen, kurz vorstellen.

Alain Briottet wurde in Paris in einer französischen Mittelklassefamilie geboren. Sein Vater unterrichtete und war Reserveoffizier der französischen Armee. 1940 wurde er von den Deutschen gefangen genommen und kam in ein Kriegsgefangenenlager in Pommern (im heutigen Polen). Erst 1945 kam er frei. Alains Memoir Sine Die (in Frankreich 2016 veröffentlicht) beschreibt, wie seine Familie während der Inhaftierung seines Vaters nach Zentralfrankreich floh, seine Mutter für die Résistance tätig war und sie unter großen Entbehrungen im mit den Nazis kollaborierenden Vichy-Frankreich überlebten. Hier ist ein Auszug daraus zu lesen.

Philippe Martial war fünf Jahre alt, als der Krieg begann. Er verbrachte die Kriegsjahre bei seinen Großeltern mütterlicherseits in der Normandie. Als sein Vater, Militärarzt in Französisch-Somali-Land, 1939 kurz vor Beginn des Krieges starb, blieb seine Mutter als Witwe mit drei kleinen Kindern - Philippe und seinen jüngeren Zwillingsschwestern - zurück. In der Normandie unter deutscher Besatzung erlebten sie die Entbehrungen des Krieges - Hunger und Kälte - und die Boshaftigkeiten der anderen Kinder, die keine Kinder mit dunkler Haut und krausem Haar kannten. Philippe erzählt von den Deutschen, die bei seiner Familie einquartiert waren, von schrecklichen Bombenangriffen und der berauschenden Befreiung durch die amerikanischen Soldaten. In seinen Achtzigern schrieb Philippe ein kurzes Memoir seiner Kriegsjahre, das hier wiedergegeben ist.

Winfried Weiss wuchs als Sohn einer bayerischen katholischen Familie in eher bescheidenen Verhältnissen auf. Sein Vater, Polizeibeamter und Mitglied der Nationalsozialistischen Partei, kam 1943 an der russischen Front um. Bis zu diesem Moment hatte Winfried seiner Erinnerung nach eine glückliche Kindheit in der Gemeinschaft von Gleichgesinnten: Alle waren Hitler treu ergeben, alle hassten Frankreich, England und Amerika und verachteten Juden. Viele Jahre nachdem wir uns kennengelernt hatten, unterstützte ich Winfried dabei, sein Buch A Nazi Childhood zu schreiben und zu veröffentlichen. Sein literarisches Memoir empfand Nobelpreisträgerin Doris Lessing in einer Rezension als »schockierend«. Seine Geschichte öffnet uns die Tür in eine Welt, die zugleich fremd und vertraut ist und, ja, tatsächlich auch schockierend.

Stina Katchadourian wurde 1937 als Tochter einer Familie, die der schwedisch sprechenden Minderheit in Finnland angehörte, geboren. Ihr Vater hatte eine gehobene Stellung in der finnischen Holzindustrie, als er 1939 eingezogen wurde. Die folgenden sechs Jahre kämpfte er an der Front gegen die russischen Aggressoren. Während der Abwesenheit ihres Vaters versuchte die Mutter, die Familie in Sicherheit zu bringen, dazu zogen sie bis nach Lappland und konnten sich schließlich nach Schweden retten. Diese turbulente Zeit schildert Stina in ihrem Memoir The Lapp King´s Daughter.

Susan Groag Bell stammt aus einer großbürgerlichen Familie aus Troppau (Opava) in der Tschechoslowakei. Obwohl ihre Eltern jüdisch waren, ließen sie Susan taufen und im protestantischen Glauben aufwachsen. Dies schützte sie allerdings nicht davor, dass sie nach dem Einmarsch der Deutschen 1938 als Jüdin nicht mehr die Schule besuchen durfte. Im folgenden Jahr floh Susan mit ihrer Mutter nach England, wo ihre Mutter als Hausangestellte arbeitete und sie selbst unter Erlassung des Schulgelds an einer privaten Mädchenschule aufgenommen wurde. Ihr Vater, ein vormals gut situierter Anwalt, blieb zurück und wurde ein Opfer des Holocaust. Susan lobte meinen »redaktionellen Bleistift«, mit dem ich ihr bei der Arbeit zu Between Worlds: In Czechoslovakia, England, and America helfend unter die Arme griff. Ein Auszug aus diesem Text findet sich hier.

Robert Berger wurde durch die Nazis von seinen Eltern getrennt, als er Teenager war. Als jüdischer Junge, der vorgab, Christ zu sein, musste er Gräueltaten mit ansehen, die ihn für den Rest seines Lebens verfolgen sollten. Er und mein Ehemann Irvin Yalom lernten sich im Medizinstudium kennen und wurden Freunde. Viele Jahre später veröffentlichten sie gemeinsam I´m Calling the Police (Ein menschliches Herz), das Bergers tragische Jugendjahre heraufbeschwört. Ein Auszug aus diesem Buch erscheint hier.

Erstaunlich wenige dieser Kindheitsgeschichten thematisieren nur die Schrecken des Krieges. Wir waren Kinder, und so ging unser unschuldiges Leben doch weiter, erfreuten wir uns an Erlebnissen mit Familie und Freunden und hatten Alltagsroutinen. Wo immer wir auch waren, fanden wir einen Weg, unsere Situation als »normal« zu betrachten - zumindest bis zu dem Moment, wo eine alles überschattende Katastrophe auch diese Illusion zerstörte.

Kinder erinnern sich daran, was es zu essen gab und was nicht, und vor allem den Hunger und den Egoismus derjenigen, die ihnen das Essen nicht gönnten. Sie erinnern sich an unerwartete Freundlichkeit von Fremden, die sie in ihr Heim aufnahmen, und an die klirrende Kälte ungeheizter Räume. Sie erinnern sich an ein ein Spielzeug, das ihnen am Geburtstag oder zu Weihnachten geschenkt wurde. Sie erinnern sich, wie sie mit anderen Kindern spielten, von denen einige aus ihrem Leben verschwanden: vertrieben, deportiert, getötet. Sie erinnern sich an den Klang der Sirenen und der Explosionen und an die Leuchtgeschosse, die den Nachthimmel erhellten.

Im Gegensatz zu Menschen, die während des Krieges Erwachsene waren, müssen sich Kinder in ihren späteren Berichten nicht für ihr Tun rechtfertigen. Sie waren nicht verantwortlich für die Gräuel, die der Krieg über sie und Millionen anderer brachte, die verletzt oder getötet wurden. Vielmehr wurden sie in die Ereignisse um sie hineingezogen, versuchten zu lernen und die Welt um sie herum zu verstehen, die ihnen bisweilen ganz normal erschien, sogar freundlich. Wenn wir diese Berichte lesen, lernen wir viel darüber, was es bedeutet, ein Mensch zu sein, losgelöst vom Blickwinkel geopolitischer Geschichte oder moralischer Wertung, aus dem wir selbst rückblickend die Ereignisse betrachten.

Da all ihre Erinnerungen später im Leben verfasst wurden, zeigen sämtliche Autoren, die hier versammelt sind, ein Gefühl für Timing und Geschichtenerzählen. Die Auswahl, die ich bei den Texten getroffen habe, erzählt ihre Geschichten so deutlich wie möglich, oftmals sind die Stimme des Kindes und die des Erwachsenen verknüpft und werden so zu einer einzigartigen vielschichtigen Stimme.

Ich bin all diesen Menschen begegnet, als sie längst keine Kinder mehr waren, und ich bewundere ihre Fähigkeit, ihre Vergangenheit hinter sich zu lassen und sich zu verantwortungsvollen und großartigen Menschen zu entwickeln. Man kann anhand ihrer Erinnerungen darüber spekulieren, was ihnen dabei geholfen hat zu überleben. Welche Erwachsenen haben ihnen damals Halt und Hoffnung...

mehr

Autor

Marilyn Yalom (1932-2019) war Mitbegründerin und Senior Scholar am Clayman Institute for Gender Research an der Stanford University. Sie hat zahlreiche Sachbücher veröffentlicht. Über 65 Jahre war sie mit dem Buchautor und Psychoanalytiker Irvin D. Yalom verheiratet.
Theresa Donovan Brown ist preisgekrönte Autorin von sowohl Sachbüchern als auch Belletristik zum Thema Freundinnen. Sie hat Creative Writing an der Stanford University studiert und einen MBA von der Haas School of Business der Berkeley University.