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Das Tal in der Mitte der Welt

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
384 Seiten
Deutsch
Penguin Random Houseerschienen am14.06.2021
Shetland - Schafe und Natur, unbarmherziges Wetter, enge Bindungen und althergebrachte Lebensweisen. Hier, in dem Tal auf einer kleinen Insel, hat David sein ganzes Leben verbracht, wie vor ihm sein Vater und sein Großvater. Hier will Sandy eine neue Heimat finden, hier hat Alice nach dem Tod ihres Mannes Zuflucht gesucht. Aber die Zeiten ändern sich, Menschen sterben oder ziehen weg, und David fragt sich, wie die Geschichten und Traditionen seines Tals weitergeführt werden sollen, während andere zweifeln, ob sie jemals dazugehören werden. Die Geschichte des kleinen Tals birgt die ganze Welt.

Malachy Tallack ist Schriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist. 2014 gewann er den New Writers Award des Scottish Book Trust und 2015 die Robert Louis Stevenson Fellowship. Mit seinem ersten Buch »60º Nord« kam er auf die Shortlist des Saltire First Book Award, das zweite, »Von Inseln, die keiner je fand«, wurde 2016 bei der Verleihung der Edward Stanford Travel Writing Awards als Illustrated Travel Book of the Year ausgezeichnet. Beide Bücher beschäftigen sich mit Nature Writing, Geschichte und Memoir. Sein Debütroman »Das Tal in der Mitte der Welt« kam 2018 auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen und lebt aktuell in Stirlingshire.
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Verfügbare Formate
TaschenbuchKartoniert, Paperback
EUR12,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR9,99

Produkt

KlappentextShetland - Schafe und Natur, unbarmherziges Wetter, enge Bindungen und althergebrachte Lebensweisen. Hier, in dem Tal auf einer kleinen Insel, hat David sein ganzes Leben verbracht, wie vor ihm sein Vater und sein Großvater. Hier will Sandy eine neue Heimat finden, hier hat Alice nach dem Tod ihres Mannes Zuflucht gesucht. Aber die Zeiten ändern sich, Menschen sterben oder ziehen weg, und David fragt sich, wie die Geschichten und Traditionen seines Tals weitergeführt werden sollen, während andere zweifeln, ob sie jemals dazugehören werden. Die Geschichte des kleinen Tals birgt die ganze Welt.

Malachy Tallack ist Schriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist. 2014 gewann er den New Writers Award des Scottish Book Trust und 2015 die Robert Louis Stevenson Fellowship. Mit seinem ersten Buch »60º Nord« kam er auf die Shortlist des Saltire First Book Award, das zweite, »Von Inseln, die keiner je fand«, wurde 2016 bei der Verleihung der Edward Stanford Travel Writing Awards als Illustrated Travel Book of the Year ausgezeichnet. Beide Bücher beschäftigen sich mit Nature Writing, Geschichte und Memoir. Sein Debütroman »Das Tal in der Mitte der Welt« kam 2018 auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen und lebt aktuell in Stirlingshire.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783641246280
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum14.06.2021
Seiten384 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse1193 Kbytes
Artikel-Nr.5425404
Rubriken
Genre9200

Inhalt/Kritik

Leseprobe



An diesem Vormittag musste Sandy Emmas Vater beim Schlachten helfen. Die Lämmer waren so weit, und der Tag war trocken. Letzte Woche hatte er versprochen, ihm zur Hand zu gehen, zu tun, was getan werden musste. Aber da hatte er noch nicht gewusst, dass Emma nicht mehr da wäre.

Er schüttete sich Müsli in eine Schüssel und setzte den Kessel auf. Er aß am Tisch, trank seinen Kaffee dann stehend am Fenster. Von dort sah er das Tal vor sich ausgebreitet, das braune Band des Bachs, das sich durch die Biegung des Tals schlängelte. Stare zankten sich auf dem Steinmäuerchen in einer Ecke des Gartens. Schafe grasten und tratschten auf der angrenzenden Weide. Vor Maggies Haus am Ende der Straße meldete sich ein junger Hahn in der Welt zurück. Dahinter rutschte das Tal ins Meer. Ein Hauch Salz auf der Fensterscheibe ließ alles weiter weg aussehen, als es sein sollte.

Gestern war Emma gegangen, mit einer Tasche Klamotten und ein paar Sachen aus dem Bad. Ihre Zahnbürste war nicht mehr da. Ihr Shampoo und ihr Conditioner. Die Haarbürste vom Nachtkästchen. Der kleine Stift Lippenbalsam. Sie komme nächste Woche wegen des Rests, hatte sie gesagt, und danach, wer weiß? Sie wolle sich eine Wohnung auf dem Festland suchen - wahrscheinlich wieder in Edinburgh -, und in der Zwischenzeit werde sie bei einer Freundin in Lerwick unterkommen.

Der Zeitpunkt war eine Überraschung gewesen, nicht, dass sie ging. Sie redeten seit Monaten darüber, immer mal wieder, bis Emma keine Lust mehr hatte zu reden. Am Ende war es schwer zu sagen, wessen Entscheidung es gewesen war. Die Fäden dieser Unterhaltungen waren immer wirrer und unzusammenhängender geworden. Abschneiden schien der einzige Ausweg zu sein. Und obwohl Emma den Schnitt machte, war es Sandy gewesen, der den Knoten erst zugezogen hatte. Er hatte selbst dafür gesorgt, dass er verlassen wurde.

Nach dem Packen war Emma die wenigen hundert Meter zum Haus ihrer Eltern gefahren, um ihnen zu sagen, dass sie wegging. Davor hatte ihr gegraut, das wusste er. Vor der Enttäuschung ihrer Eltern. In der Stunde, während ihr Auto in der Einfahrt vor Kettlester stand, war Sandy unruhig. Er wollte dabei sein, um sich selbst zu verteidigen, alles aus seiner Sicht zu erklären. Aber er wusste nicht so recht, ob er es erklären konnte. Und es stand ihm nicht zu. Also wartete er einfach, rang die Hände und starrte auf den Boden.

Die Küchenuhr tickte - eine amerikanische Ogee-Standuhr mit einem Segelschiff vorne drauf. Früher hatte sie Sandys Großvater gehört, jetzt gehörte sie Sandy. Emma hasste die Aufdringlichkeit ihres Klangs, aber er hörte ihn gern. Wenn er in Gedanken woanders und das Geräusch getilgt war, hielt Sandy manchmal inne und horchte, um es wiederzufinden, als wäre es neu. Das holte ihn sofort in Raum und Zeit zurück.

Er bewegte sich, versuchte, die Schultern zu lockern. Er rollte sie ein paarmal und bewegte den Kopf hin und her. Die Nacht hing noch an ihm wie feuchte Wolle, aber der Gang die Straße hoch würde helfen. Er würde ihn wach machen. Sandy stellte die Tasse auf das Abtropfblech und nahm den Overall vom Haken an der Tür. Auch eine Jacke nahm er mit, für alle Fälle. Draußen war die Luft ruhiger und stiller, als er erwartet hatte. Es war einer dieser Vormittage, an denen man Leute am anderen Ende des Tals reden hören könnte, falls dort jemand war, der redete. Sandys Stiefel klapperten über den Asphalt, und die Scheide mit dem Messer in seiner Tasche scheuerte bei jedem Schritt.

»Das ist mein Zuhause«, hatte Emma gesagt, als sie ihn das erste Mal zu ihren Eltern mitgenommen hatte. Mit großer Geste hatte sie alles umfasst, was sie sehen konnten, und gelacht. Das war der Ort, an dem sie aufgewachsen war, der Ort, den sie am besten kannte, und der Ort, an den sie zurückkehren wollte, auch wenn sie ihm das noch nicht gesagt hatte. Aber bei diesem ersten Mal, als sie miteinander vor dem Haus gestanden hatten, die Gerüche aus der Küche ihrer Mutter im Rücken, konnte er nicht sehen, was sie sah. Hügel, Felder, Schafe, Vögel: Mehr gab es in diesem Tal nicht, und er verband nichts damit. »Gehen wir rein«, sagte er. »Es ist kalt.«

Sein eigenes Zuhause hätte vielleicht fünfundzwanzig Kilometer weit weg sein können, in dem grauen ehemaligen Sozialblock in Lerwick, in dem er seine Kindheit verbracht hatte und in dem sein Vater noch immer lebte. Oder es hätte die Wohnung in Edinburgh sein können, die er mit einem anderen teilte. Er hatte noch nie viel darüber nachgedacht. Die Frage schien einfach nicht wichtig.

Er und Emma lernten sich kennen, als sie beide Mitte zwanzig waren und in der Großstadt lebten. In der Schule waren sie in verschiedenen Jahrgängen gewesen, und sie hatten unterschiedliche Freundeskreise. Er hatte ihren Namen schon früher gehört, so war es hier in der Gegend eben, aber mehr wusste er über sie nicht. Sie war ein winziger Teil eines Bilds, das ihm nicht mehr sehr am Herzen lag. Bis, nach ihrem Kennenlernen, sein Herz sich ihr zuwandte.

»Wir sind wie durch ein Gummiband mit den Inseln da verbunden«, hatte sie ihm einmal gesagt. »Man muss entscheiden, wie man damit umgeht. Entweder du gehst weg und dehnst dieses Gummiband, bis es langsam schlaff wird und du freier atmen kannst, oder du gibst einfach nach. Lässt dich wieder herziehen. Lässt dich nach Hause holen.« Damals hatte er sie ausgelacht. Seit er in den Süden gegangen war, hatte er dieses Ziehen nie gespürt. Kein einziges Mal. Das Ziehen hatte immer in die andere Richtung gewirkt, weg von dem Ort, an dem er angefangen hatte.

Aber zwei Jahre nach seinem ersten Besuch in dem Tal war er wieder hier gelandet, zusammen mit Emma. Dieses Haus war sein Zuhause geworden, und drei Jahre lang war es ihr gemeinsames Zuhause gewesen. Und jetzt war sie weg.

David stand am Eingang zum Schuppen, ein Becken mit warmem Seifenwasser in den Händen. Er stellte es auf die Werkbank, drehte sich um und nickte Sandy zu.

»War schon früh wach, hab die Lämmer noch vor dem Frühstück reingeholt.«

»Das ist gut«, sagte Sandy. »Wie viele müssen wir machen?«

»Heut nur acht. Hab später noch was zu erledigen. Den Rest können wir morgen machen, wenn´s bei dir geht. Sonst schaff ich es auch selber, wenn du was anderes vorhast.«

Sandy zuckte die Achseln. »Morgen ist gut.« Die Tiere auf dem Viehwagen drängelten nervös. »Bist du so weit?«

»Ja«, sagte David und ging zum Anhänger. Er blieb stehen, als hätte er etwas vergessen, und legte Sandy dann eine Hand auf die Schulter. »Tut mir leid, Junge«, sagte er und nickte noch einmal. »Tut mir wirklich leid.« Er drehte sich um, öffnete die Riegel und ließ die Rampe herunter. »Ich bin so weit, wenn du es bist.«

David trat einen Schritt zur Seite, als Sandy das Gatter ein Stück öffnete und in den Viehwagen stieg. Die Lämmer waren inzwischen sechs Monate alt, stämmig und stark, und sie drückten sich an die Rückwand, alle Augen auf ihn gerichtet. Anfangs war keine Panik zu spüren, nur eine angespannte Erwartung, als er auf sie zuging, um sich ein Tier auszusuchen. Noch ein Schritt, und sie stoben auseinander. Ein Bock mit Stummelhörnern wollte rechts an ihm vorbei. Er packte ihn bei den Schultern und schleifte ihn zum Gatter. Dort nahm David einen Vorderlauf in jede Hand und führte das Tier zum Schuppen, während Sandy sich zum nächsten umdrehte. Diesmal eine Zibbe.

Das zweite Lamm zwischen die Knie geklemmt, kam er aus dem Anhänger und schloss das Gatter hinter sich. Er stand da und wartete auf das, was jetzt kam. Irgendwie fühlte es sich falsch an, nicht hinzuschauen, als würde er sich durch das Wegschauen vor einer Schuld drücken, die rechtmäßig seine war.

Davids Bewegungen hatten etwas Bedachtes, einen bewussten Respekt vor jedem Schritt, der jetzt kam. Alles lag da, wo er es brauchte, alles war bereit. Er beugte sich vor, nahm den Bolzenschussapparat und drückte sich das Lamm an den Körper. Sandy drehte den Kopf des Tiers, das er hielt, und bedeckte ein Auge mit der Hand, wie David es ihm gesagt hatte. »Man weiß ja nie«, hatte er zur Erklärung hinzugefügt. »Man weiß ja nie.«

Bei den nächsten Schritten gab es kein Zögern. Davids Hand schloss sich um den Auslöser, und es knallte, kaum lauter als bei einem Champagnerkorken. Aus dem Lamm wurde etwas anderes. Es versteifte sich und zuckte, als seine Nerven krampften, die Hinterläufe schlugen in die Luft. David zog sein Messer tief durch die Kehle des Tiers und drückte den Kopf nach hinten, um es ausbluten zu lassen. Sandy merkte, dass er den Atem angehalten hatte, und er entspannte sich, als das dunkle Blut fächerförmig auf den Betonboden spritzte. Als das Sprudeln und Zucken aufgehört hatte, schnitt David tiefer, nahm den Kopf ab und legte ihn hinter sich auf den Boden. Er hob den Kadaver aus der Blutlache heraus.

»Okay, das nächste.«

Als Sandy mit dem lebenden, atmenden Tier in den Händen nach vorn schlurfte, war ihm bewusst, dass es nur noch ein paar Sekunden zu leben und zu atmen hatte. Er war nicht sentimental, aber er war auch nicht immun gegen den Ernst dessen, was gerade passierte. Besser tat man es hier, als sie in den Schlachthof in der Stadt zu schleifen, sagte David immer. Und er hatte recht. Auf diese Art war alles ruhiger und ehrlicher. Dennoch spürt Sandy eine Schwere im Bauch, als er David das Tier übergab, dann einen Schritt zurücktrat und zuschaute.

Als beide Tiere tot dalagen, nahmen die Männer je eines und trugen sie, die Vorderläufe in der einen Hand, die Hinterläufe in der anderen, in den Schuppen. Sie legten sie so auf die geschwungenen Lattenbänke neben der Tür, dass die Läufe zur Decke zeigten. David schüttelte sein...

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Autor

Malachy Tallack ist Schriftsteller, Singer-Songwriter und Journalist. 2014 gewann er den New Writers Award des Scottish Book Trust und 2015 die Robert Louis Stevenson Fellowship. Mit seinem ersten Buch »60º Nord« kam er auf die Shortlist des Saltire First Book Award, das zweite, »Von Inseln, die keiner je fand«, wurde 2016 bei der Verleihung der Edward Stanford Travel Writing Awards als Illustrated Travel Book of the Year ausgezeichnet. Beide Bücher beschäftigen sich mit Nature Writing, Geschichte und Memoir. Sein Debütroman »Das Tal in der Mitte der Welt« kam 2018 auf die Shortlist des Highland Book Prize und wurde für den Royal Society of Literature Ondaatje Prize nominiert. Malachy Tallack ist in Shetland aufgewachsen und lebt aktuell in Stirlingshire.