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Lyonel Feininger

E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
448 Seiten
Deutsch
Rowohlt Verlag GmbHerschienen am18.05.20211. Auflage
Er prägte das von Walter Gropius gegründete Bauhaus, dem er als einziger Meister vom ersten bis zum letzten Tag angehörte - von 1919 bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 -, wie kaum ein Zweiter. Mit seinen Freunden Paul Klee und Wassily Kandinsky revolutionierte er die Kunst. Später wurde er so populär und von der Alltagskultur eingemeindet, dass man Bilder von ihm als Plakate bei einem großen schwedischen Möbelhaus kaufen konnte: Lyonel Feininger. 1871 in New York geboren, hielt er sich von seinem siebzehnten Lebensjahr an fast ein halbes Jahrhundert lang in Deutschland auf. Den Großteil dieser Zeit verbrachte er in Berlin, wo sich auch die rätselhaftesten Episoden seines Lebens abspielten. Warum blieb er, obwohl als «feindlicher Ausländer» registriert, während des Ersten Weltkriegs? Und warum verließ er, obwohl mit einer Jüdin verheiratet und Vater dreier Söhne, Nazi-Deutschland erst 1937? In der Persönlichkeit des Malers spiegelt sich das Dilemma einer doppelten Exil-Existenz im 20. Jahrhundert. Andreas Platthaus, der für dieses Buch zahlreiche Archivbestände auswerten konnte, erzählt das Leben eines Mannes, der sich im steten Zwiespalt zwischen amerikanischem und deutschem Selbstverständnis befand.

Andreas Platthaus, geboren 1966 in Aachen, hat Philosophie, Rhetorik und Geschichte studiert. Er leitet das Ressort «Literatur und literarisches Leben» der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», für die er seit 1992 schreibt, und ist Autor zahlreicher Bücher, darunter die große Darstellung der Völkerschlacht bei Leipzig, «1813», die lange auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand, und «Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens». Seit 2022 hat er die Künstlerische Leitung des Rheingau-Literatur-Festivals inne. Andreas Platthaus lebt in Leipzig und Frankfurt am Main.
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Verfügbare Formate
BuchGebunden
EUR32,00
E-BookEPUBePub WasserzeichenE-Book
EUR24,99

Produkt

KlappentextEr prägte das von Walter Gropius gegründete Bauhaus, dem er als einziger Meister vom ersten bis zum letzten Tag angehörte - von 1919 bis zur Auflösung durch die Nationalsozialisten 1933 -, wie kaum ein Zweiter. Mit seinen Freunden Paul Klee und Wassily Kandinsky revolutionierte er die Kunst. Später wurde er so populär und von der Alltagskultur eingemeindet, dass man Bilder von ihm als Plakate bei einem großen schwedischen Möbelhaus kaufen konnte: Lyonel Feininger. 1871 in New York geboren, hielt er sich von seinem siebzehnten Lebensjahr an fast ein halbes Jahrhundert lang in Deutschland auf. Den Großteil dieser Zeit verbrachte er in Berlin, wo sich auch die rätselhaftesten Episoden seines Lebens abspielten. Warum blieb er, obwohl als «feindlicher Ausländer» registriert, während des Ersten Weltkriegs? Und warum verließ er, obwohl mit einer Jüdin verheiratet und Vater dreier Söhne, Nazi-Deutschland erst 1937? In der Persönlichkeit des Malers spiegelt sich das Dilemma einer doppelten Exil-Existenz im 20. Jahrhundert. Andreas Platthaus, der für dieses Buch zahlreiche Archivbestände auswerten konnte, erzählt das Leben eines Mannes, der sich im steten Zwiespalt zwischen amerikanischem und deutschem Selbstverständnis befand.

Andreas Platthaus, geboren 1966 in Aachen, hat Philosophie, Rhetorik und Geschichte studiert. Er leitet das Ressort «Literatur und literarisches Leben» der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung», für die er seit 1992 schreibt, und ist Autor zahlreicher Bücher, darunter die große Darstellung der Völkerschlacht bei Leipzig, «1813», die lange auf der «Spiegel»-Bestsellerliste stand, und «Lyonel Feininger. Porträt eines Lebens». Seit 2022 hat er die Künstlerische Leitung des Rheingau-Literatur-Festivals inne. Andreas Platthaus lebt in Leipzig und Frankfurt am Main.
Details
Weitere ISBN/GTIN9783644009370
ProduktartE-Book
EinbandartE-Book
FormatEPUB
Format HinweisePub Wasserzeichen
FormatE101
Erscheinungsjahr2021
Erscheinungsdatum18.05.2021
Auflage1. Auflage
Seiten448 Seiten
SpracheDeutsch
Dateigrösse6980 Kbytes
Artikel-Nr.5447722
Rubriken
Genre9201

Inhalt/Kritik

Leseprobe

Vorwort

Porträt eines Lebens - es ist das Bild eines Künstlers im Zwiespalt, das ich zeichnen möchte, ein Bild, das symptomatisch ist für jene Zerrissenheit, die die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts ausmachte: zwischen Tradition und Moderne, Ideologie und Intellekt, Politik und Kunst, auch geographisch zwischen Europa und Amerika. Letzterer Zwiespalt war für Lyonel Feininger der größte. Sein ganzes Leben steht im Zeichen einer doppelten Heimatliebe, die jedoch von beiden Heimaten nicht so erwidert wurde, wie er es erhoffte. Dabei liebte er intensiv: «Berlin», so schrieb er etwa als über Achtzigjähriger aus seiner Geburtsstadt New York an einen deutschen Freund, «war überhaupt - und ist heute noch in der Erinnerung - für mich die einzigwahre Heimatstadt, mit Gassenhauern und den alten Fliegenden Blättern an den Verkaufsstellen von Tageszeitungen Ecke der Dorotheenstraße und Friedrichstraße, und Passage-Panoptikum, mit dem Laden der Ost-Preußischen Bernstein-Industrie, wo man noch in den Vorkriegsjahren für billiges Geld - von Mark 3,00 aufwärts - ECHTE Meerschaum Cigarettenspitzen erstehen konnte.»[1] Damit sprach er Leidenschaften an, die sein ganzes Leben geprägt hatten: Musik, Karikaturen, das Kino, Nikotin. Und dafür stand ihm Berlin: Lebenslust. Ohne dass er die Metropole allerdings zu einem wichtigen Gegenstand seiner Kunst gemacht hätte. Seine 1901 geborene Tochter Lore, die im Gegensatz zu ihm die Stadt nie verlassen hat, war 1987 Ehrengast, als anlässlich der Siebenhundertfünfzigjahrfeier Berlins das Feininger-Gemälde «Gasanstalt in Schöneberg» von 1912 dem dortigen Stadtmuseum zum Geschenk gemacht wurde. Sie nannte es damals «das einzige Berlin-Motiv meines Vaters»,[2] und in der Tat ist es überraschend, dass der Künstler, der wie kein anderer seit Caspar David Friedrich die Ostseeküste und wie überhaupt niemand sonst thüringische Dörfer zu Themen eines weltbekannten Werks gemacht hat, offenbar kaum ästhetische Reize in jener Stadt entdecken konnte, in der er dreißig Jahre seines Lebens verbrachte.

Aus Berlin stammten seine beiden Frauen, dort wurden vier seiner fünf Kinder geboren, dort wurde er berühmt, aber zum Maler wurde er dort nicht. Dafür musste er 1906, als Mittdreißiger, für zwei Jahre nach Paris gehen, wo er sich an seinen ersten Bildern versuchte, nachdem er bereits eine erfolgreiche Karriere als Karikaturist hinter sich hatte. Alltagsszenen aus dem Leben des Kaiserreichs in der Hauptstadt finden sich ebenso regelmäßig im Schaffen des Pressezeichners Feininger wie Porträts der Berliner politischen Klasse. Doch als würdig, von ihm auch gemalt und damit der profanen Vergänglichkeit tagesaktueller Phänomene entrissen zu werden, erschien ihm das Bild dieser Stadt nicht - ganz im Gegensatz zu dem von Paris und später von New York, wohin Feininger als Fünfundsechzigjähriger nach einem halben Jahrhundert in Deutschland wieder zurückkehrte. Berlin erscheint in Feiningers Erinnerungen als pittoresk, aber dennoch nicht der Bebilderung wert.

Gerade als ein zur Malerei Spätberufener wollte er kein einziges Bild verschwenden, und so erfasst das drei Jahre nach seinem Tod erstellte erste Werkverzeichnis trotz einer fünfzigjährigen Schaffenszeit keine sechshundert Gemälde.[3] Feiningers Jahresablauf gehorchte seit 1906 einem strengen Regiment: Im Sommer wurde auf langen Spaziergängen und Radfahrten rund um den jeweiligen Aufenthaltsort gezeichnet, um Motive für die Gemälde bereitzustellen, die dann während des Winters im Atelier entstanden. Aquarelliert hat Feininger dagegen zwanglos zu allen Jahreszeiten, so wie er auch als Karikaturist pausenlos tätig gewesen war. Diese Atmosphäre künstlerischer Unbeschwertheit dürfte die Ursache seiner nach erstem Fremdeln immer größeren Begeisterung für Berlin gewesen sein: Hier arbeitete er nicht nur, hier lebte er. Schon längst wieder nach New York zurückgekehrt, schrieb Lyonel Feininger an seinen jüngsten Sohn Theodore Lux: «Heute dürfte es kaum eine Ecke in Berlin und der Umgebung geben, für die ich keine starken Gefühle hege. Es ist seltsam. Da drüben liegt ein ganzer Friedhof an Erinnerungen, und hier sitze ich ganz allein in der Stadt, in der ich geboren wurde, die aber kaum jemanden, den ich getroffen habe, gekannt zu haben scheint.»[4]

Vertrautheit und Freundschaften machten also den Unterschied zwischen diesen beiden Städten aus, obwohl Feininger am Ende seines fünfundachtzigjährigen Lebens doch noch ein wenig mehr Zeit in New York als in Berlin gelebt haben sollte: die ersten sechzehn und die letzten neunzehn Jahre. Aber dazwischen hatte er sich fast ganz von seiner amerikanischen Heimat verabschiedet: Obwohl er zeitlebens Bürger der Vereinigten Staaten blieb, war er im Herzen Deutscher geworden. Woran er noch festhielt, war ein nostalgisches Amerikabild, das seiner Jugendzeit in den siebziger und achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entsprach, während er für die dynamische und deshalb weltweit bewunderte Nation des frühen 20. Jahrhunderts nichts übrighatte. Im Gegenteil, er fürchtete den amerikanischen Einfluss und einen daraus resultierenden kulturellen Niedergang: «Danke! meinen Bedarf an Amerikanern decke ich im Kino, wo ich allerdings mit Entzücken Land und Leute im besten Lichte widergespiegelt bekomme. Aber sonst bin ich kühl bis ans Herz unserer amerikanischen Oberflächen Kultur gegenüber. Lieber die Tiefen des Leidens kennen und fühlen, aber eine Seele im Leibe haben - Gefühl und nicht Emotion . Und das ganze unsagbar brutale Boxertum ist aus dem Sklavengefühl hysterischer Rohlinge geboren - man wage, eine Wahrheit dem Menschen ins Gesicht zu sagen, Puff! da hat man eine Faust gegen die Kinnlade. Freilich, Amerika macht auch sogar in Europa Schule, in dieser Hinsicht.»[5] Nicht zuletzt in seiner Überheblichkeit gegenüber einer angeblichen amerikanischen Unkultur war Feininger typisch deutsch geworden.

 

Wer war Lyonel Feininger überhaupt? Man kennt ihn als Maler und Meister am Bauhaus. Als dessen Gründer Walter Gropius im Frühjahr 1919 den Lehrbetrieb an der revolutionären Kunsthochschule in Gang brachte, war Feininger schon dabei, und er war länger Meister als jeder andere, bis zum von den Nationalsozialisten erzwungenen Ende des Bauhauses im Jahr 1933. Seine Bilder gehören zum Kernbestand der modernen Kunst, sie sind unverkennbar in ihrem Farb-, Formen- und Linienspiel, erzielen als Originale Millionenpreise, sind aber auch als Kunstdrucke derart weit verbreitet, dass ihre Individualität bisweilen als Masche missverstanden wird. Feininger war jedoch schon zu Lebzeiten Opfer seines Erfolgs: Kaum ein anderer Gegenwartskünstler wurde in den zwanziger Jahren in Deutschland so begeistert von Museen angekauft, er galt als Mittler zwischen gegenständlicher Tradition und abstrakter Avantgarde. Damit geriet er in den Fokus eines modernefeindlichen Kunstverständnisses, das ihn im «Dritten Reich» unter die «Entarteten» einreihte. Von der Kulturnation, der er sich zugehörig fühlte, wurde er ausgestoßen. Er, der die Konstanz in seinem Leben schätzte - den festen Arbeitsrhythmus ebenso wie die fünfzigjährige Partnerschaft mit seiner Frau Julia Feininger, die ein bewegendes Beispiel für eine symbiotische Künstlerehe abgibt, in der der Mann die Aufopferung der Frau mit unbedingter Treue vergalt - und von allen, die ihn kannten, für seine Menschlichkeit und Toleranz gepriesen wurde, sah sich konfrontiert mit einer hasserfüllten Irrationalität, die diesen Werten hohnsprach. Sie trieb ihn schließlich außer Landes. Zum Wanderer zwischen den Welten hatte er nie werden wollen, aber das 20. Jahrhundert zwang ihm diese Rolle in seinem letzten Lebensdrittel noch auf - wie vielen anderen seiner Freunde. Drei von ihnen sind in diesem Buch eigene Kapitel gewidmet: Galka Scheyer, Alois Schardt und Marguerite Friedlaender. Sie gingen zu unterschiedlichen Zeiten und aus unterschiedlichen Gründen aus Deutschland in die Vereinigten Staaten, doch ihre Erfahrungen dort erlauben erhellende Vergleiche mit Feiningers Rolle als Amerikaner in Deutschland und mit dem, was er selbst nach seiner Rückkehr ins Heimatland erlebte.

Lyonel Feiningers Leben steht für die Zerrissenheit einer individuellen Existenz im Zeitalter der Extreme. Und für die Verführbarkeit des Künstlers. In der Zeit, die er von 1887 bis 1937 in Deutschland verbrachte, erlebte er drei verschiedene politische Systeme: Monarchie, Demokratie, Diktatur. Und es gab darunter zwei Phasen, in denen man einen Amerikaner in Berlin nicht erwartet hätte: die Jahre des Ersten Weltkriegs, besonders nach dem Eintritt der Vereinigten Staaten im April 1917 in die Kampfhandlungen, und die Jahre des «Dritten Reichs». Im ersten Fall galt Feininger offiziell als «feindlicher Ausländer», durfte aber bleiben und arbeiten, auch weil er Frau und Kinder in Deutschland hatte. Im zweiten Fall harrte er aus, obwohl seine Kunst von Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft an verfemt und seine Frau als Jüdin klassifiziert wurde. Dass er vier Jahre lang unter diesen Bedingungen im Land der Nazis lebte, obwohl er im Gegensatz zu vielen Emigrationswilligen als amerikanischer Staatsbürger jederzeit hätte ausreisen können, das ist aus heutiger Sicht schwer zu begreifen.

Die bisherige biographische Forschung zu Lyonel Feininger hat just um diese interessantesten Jahre seines Lebens einen Bogen gemacht. Ihr Interesse galt der Zeit als Bauhaus-Meister, bereits mit Abstrichen auch der als...
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